Tagblatt vom 23.3.2002, Region St. Gallen
Béatrice Schläpfer
: Eier von 750 Vogelarten und weiteren TierenEngelburg. Unscheinbar das Einfamilienhaus an der St. Gallerstrasse 60 in Engelburg. Frösche und Kröten flüchten in den Gartenteich. Mädchen und Buben aus dem St. Galler Kesselhaldenkindergarten sind zu Besuch. «Etwa 8600 Vogelarten gibt es weltweit», sagt Sammlerin
Béatrice Schläpfer. Zweitausend Eier, präparierte Vögel, Nester und Federn entdecken sie im gut ausgeleuchteten Privatmuseum. Die 62-Jährige reicht ein kinderkopfgrosses Ei herum. «Das hat mir der St. Galler Präparator Urs Oberli nachgebildet. Die dazugehörige Straussenart ist ausgestorben. Die Saurier-Eier dort hat auch er gemacht.» Doch auch die kleinsten Vogeleier, diejenigen des Kolibris, sind in winzigen Nestchen vorhanden.«Wo ist das Kuckucksei?»
Eigenartig das Gelege der Trottellumme. Der Vogel baut kein Nest und legt sein einziges Ei direkt auf den Fels. Warum macht er das? Schläpfer gibt dem Ei einen Schubs. Es dreht sich. «Das Ei ist oben dicker als unten, deshalb kann es nicht wegrollen.» Um Lummeneier zu erhalten, sei sie extra nach Island gereist. «Häsch au äs Kuckucksei?», möchte ein Bub wissen. Da fällt der Engelburgerin ein, dass sie die Schmarotzer während des vergangenen Jahres im Hätterenwald gar nie gehört habe. «Seltsam.» In diesen Tagen müsste der Kuckuck, der in Afrika überwintert, wieder zurück sein.
Schlangen, Haie, Krokodile
Auch Schnecken-Eier kriegen die Kinder zu sehen oder die der Riesen-Gespenstschrecke. Diese ähneln «Gitzbölleli». Sogar Eier des Katzenhais sind in der Sammlung. Die staunenden Kinder erfahren, dass nur die harmlosen Haie Eier legen. «Die gefährlichen gebären ihre Jungen direkt.» Und die Schlangeneier? Frau Schläpfer holt einige Exemplare aus der Vitrine. «Ihre Haut ist dünn wie bei einer Bratwurst oder einem Luftballon. Deshalb muss ich sie ausstopfen.» Die Kindergärtler dürfen sie anfassen. «Da isch jo wiä Plastigg!», ruft ein Mädchen. - Krokodileier hat
Béatrice Schläpfer gleich mehrere. Darunter eines, aus dem man ein Kleintier schlüpfen sieht. «Die sind sogar von hier, aus Engelburg», bemerkt sie, «von Eugen Stalder. Der züchtet Krokodile.»Der Kiwi und sein Einziges
Pinguineier? Oder das kugelrunde Ei des Uhus, das aussieht wie ein übergrosser Pingpong-ball? Oder dasjenige der Galapagos-Riesenschildkröte? Schläpfer hat jahrelang gewartet, bis sie jenes von einem Schildkrötenzoo in Japan eintauschen konnte. Vom neuseeländischen Kiwi allerdings besitzt die Engelburgerin kein echtes Ei. «Der legt jährlich nur eines. Das Kiwi-Ei hat ein Viertel des Vogelgewichts, ein halbes Kilo.» Dafür zeigt
Béatrice Schläpfer den noch immer voll konzentriert zuhörenden Kindern eine Nachbildung. Den Kiwi zeigt sie auf einem Foto. -Gestärkt mit Himbeer- sirup, Rosinenbrötli und Schoggieili singen die Kinder der Frau ein Lied zum Abschied - ein Vogellied natürlich. «Än Molch! Än Molch!», tönts draussen vom Weiher. «Än Frosch!» «Nomol eine!»Die «List of eggs»
Eine Stunde Eierkunde - keine Sekunde wars langweilig. Im Wohnzimmer liegt unter einer Vitrine (mit allen erdenklichen Arten von Fantasie- und Oster- eiern) das mit «List of eggs» beschriftete vierzigseitige Eier- verzeichnis der Sammlerin. Fein säuberlich aufgelistet (nach Grzimeks Tierleben) finden sich alle vertretenen Exemplare auf Lateinisch, Deutsch und Englisch. Seit 1984 sammelt die gelernte Buchhalterin systematisch. Ausgestellt hat sie ihre Sammlung bisher in der Schweiz und in Deutschland.
Am Bodenseeufer
Béatrice Schläpfer
-Schnyder (sie ist verheiratet und Grossmutter) ist in der Bleiche beim Goldacher Rietli aufgewachsen. «In einem grossen Haus, das früher dem Kloster St. Gallen zum Aufhängen der Leinwand diente.» Als Kind hat sie am nahen Bodenseeufer alles gesammelt, was ihr in die Finger kam: Schnecken, Raupen, Schmetterlinge, Käfer, Eidechsen, Fische, Pflanzen. «Einfach alles.» Und sie malte Ostereier. Dann kam die Erkenntnis: «Ich entdeckte, dass Natureier in ihrer Vielfalt um einiges faszinierender sind als selbst bemalte. Denn jedes Ei ist anders.»Gerold HuberGerold Huber
Béatrice Schläpfer
s Kontaktnetz ist weltumspannend. «Ich habe noch nie für ein Ei bezahlt», sagt die Engelburgerin. «Ich habe sie im Tausch erhalten oder als Geschenk.» Sie schildert ihren ersten Besuch bei einer Vogelstation in Rio de Janeiro. «Ich bekam eine Schachtel voller Eier, alle unbeschriftet. Niemand verstand eine andere Sprache als Portugiesisch.» So habe man zu jedem Ei das entsprechende Vogelgehege aufgesucht. «Dort waren Schilder mit den lateinischen Namen angebracht.»ger