Nr13 / 26. März 2002

 

Kopf der Woche / Beatrice Schläpfer

Vom Glück des Eiersammelns

Als Kind hat Beatrice Schläpfer gesammelt, was ihr beim Spielen in der freien Natur unter die Finger kam. Beim Ostereiermalen kam sie aufs Ei – und blieb dabei. Heute besitzt sie eine riesige Sammlung.

Bei Schläpfers in Engelburg ist das ganze Jahr Ostern, und dies, obwohl die Kinder bereits längst aus dem Haus sind und das Enkelkind noch zu klein ist, um nach den Geschenken des Osterhasen zu suchen. Beatrice Schläpfer sammelt seit Jahrzehnten Eier, ganz naturbelassene und österlich geschmückte. Die Schätze finden sich in Vitrinen, Schränken und als kunstvolle Arrangements drapiert in sämtlichen Räumen des Hauses vom Keller bis zum Dachboden, und sogar in der Toilette sind die Symbole der Fruchtbarkeit auszumachen.

Die Leidenschaft der Beatrice Schläpfer begann unverdächtig. Als Kind sammelte sie, was am Bodenseeufer – sie wuchs in Goldach direkt am See auf – so kreucht und fleucht: Schnecken, Schmetterlinge, Käfer, nicht zu vergessen die Würmer, die sie zum Fischen brauchte. In der Osterzeit verzierte und bemalte sie, wie andere Kinder auch, mit Hingabe Eier. Und diesen schönen Brauch hielt sie lange und bis ins Erwachsenenalter bei. Da sie immer versierter wurde in der Kunst des Eiermalens, waren ihre Werke bald zu schade, aufgegessen zu werden; sie verlegte sich aufs Bemalen ausgeblasener Eier, begann sie zu sammeln, nahm an Ausstellungen teil. Zwei besonders gelungene Exemplare – Straussen-eier mit asiatischen Motiven – sind gleich im Vorzimmer zu bewundern, andere, kleine, filigrane Malereien finden sich in den Dekorschränken der Wohnräume. Doch irgendwann gingen Beatrice Schläpfer die Augen auf ob der Schönheit der naturbelassenen Eier. «Formen, Farben, Zeichnung faszinierten mich, und ich fand heraus, dass kein Ei dem anderen gleicht.» Auch wenn der Gatte findet, alle Taubeneier ihrer Sammlung sähen gleich aus – Beatrice Schläpfer erkennt die feinsten Unterschiede. Fortan konzentrierte sie beim sonntäglichen Spaziergang ihre Aufmerksamkeit auf Eiförmiges. Sie klopfte an Bauernhäusern und bei Kleintierviehhaltern an und fragte nach unbefruchteten Eiern. Gatte Kurt war das damals so peinlich, dass er kinderwagenschiebend weiterlief, als ob er nicht dazugehörte. Doch Beatrice Schläpfer liess sich nicht beirren, wurde jeweils sehr freundlich von den Leuten empfangen, bekam, was sie suchte, neben Empfehlungen für weitere ergiebige Adressen. Der Grundstock für eine Sammlung war damit gelegt, und als die Schwester von einer Afrikareise Strausseneier mitbrachte, war Beatrice Schläpfer klar, dass sie sich keineswegs nur auf die Produkte heimischer Gefiederter beschränken wollte.

«Sammler sind glückliche Menschen.»

Heute umfasst ihre Sammlung an die 2000 Eier von rund 750 verschiedenen Arten – und so professionell, wie sie im Keller des Engelburger Hauses präsentiert werden, könnte man ohne Übertreibung von einem kleinen, feinen privaten Naturmuseum sprechen. Von Scheinwerfern perfekt ausgeleuchtet, sind die Exponate in Glasvitrinen und -schränken nach Arten geordnet, mit Name und Herkunft versehen und sogar katalogisiert. Da gibt es winzige von Laien kaum als Eier erkennbare Exponate, das grösste Ei stammt vom Madagaskarstrauss. Die Eier der Trottellumme leuchten türkisfarben, sind wie mit schwarzer Tusche gezeichnet und durch ihre Kreiselform geschützt vor dem Absturz von felsigen Brutplätzen. An die fremdländischen Sammlerstücke kommt Beatrice Schläpfer als Begleiterin ihres Gatten auf Geschäftsreisen in die Welt. Längst ist sie mit vielen Zoodirektoren bekannt, mit dem Vogelpark in Singapur pflegt sie seit Jahren eine enge Zusammenarbeit, hat dort in längeren Aufenthalten ihr Know-how eingebracht und wurde auch eingeladen, eine Ausstellung zu veranstalten. Jetzt wartet sie auf die Antwort bezüglich ihrer Bedingungen: Als «Honorar» hat sich Beatrice Schläpfer ein Kiwi-Ei erbeten, das Gelege des seltenen neuseeländischen Wappentiers fehlt nämlich noch in ihrer Sammlung.

Sie selbst hat den richtigen Umgang mit dem zerbrechlichen Sammelgut bei ihrem «Eiervater» gelernt. Dem Leiter des Alpenvogelparks Grindelwald war sie auf einer Ausstellung begegnet, er schenkte ihr einen Zahnarztbohrer, zeigte ihr das fachgerechte Anbohren, Ausblasen und die Weiterbehandlung. Seither führt Beatrice Schläpfer in ihrem Reisegepäck stets Spritzen mit (zum Einbringen der säubernden und konservierenden Lösung in die ausgeblasenen Eier). Doch noch nie hat deswegen ein Zöllner in ihr eine Fixerin vermutet – und trotzdem hat sie auch schon Stunden an der Kontrolle verbracht, weil die Zöllner so interessiert waren an ihren Eierschätzen, die sie irgendwo an einer Ausstellung präsentieren wollte.

Pflegt sie ein teures Hobby? «Abgesehen von den Reisekosten nicht. Ich habe noch nie für ein Ei bezahlt, sondern es stets im Tausch oder als Geschenk erhalten.» Das Ei eines Katzenhais brachte ihr beispielsweise ein Lehrer in eine Ausstellung. Er hatte es beim Tauchen in 50 Metern Tiefe im Mittelmeer gefunden. Ein Falkenei tauschte die Sammlerin im Moskauer Zoo gegen Nylonstrümpfe und Schweizer Schoggi. Zwar gibt es keine Eierbörse, aber an Tagen der offenen Tür besuchen sich die Sammler gegenseitig, und zwar grenz- und ozeanüberschreitend. Beatrice Schläpfer besucht nicht nur regelmässig Sammler in den USA, sie reiste auch nach Island und kam mit reicher «Beute» zurück. Die Mitternachtssonne auf der Insel hat sie mit Ausblasen der Eier von Eissturm- und anderen Vögeln verbracht. Wegen des penetranten Geruchs mochte sie danach lange Zeit keine Eier mehr essen, obwohl diese sonst in jeglicher Form zu ihren Lieblingsspeisen gehören.

Doch finden sich keineswegs nur Eier in Beatrice Schläpfers Privatmuseum. Da gibt es auch kleine, unscheinbare Nester und prächtige bunte Federn von exotischen Vögeln. Aus einer Vitrine gucken präparierte Vögel auf den Betrachter. «Die Schleiereule wurde an der Autobahn bei Thun überfahren, der Himalaya-Glanzfasan ist an einer Erkältung gestorben, und der Wanderfalke kommt aus dem Wienerwald.» Zu jedem Tier und jedem Ei kann Beatrice Schläpfer eine Geschichte erzählen. «Sammler sind glückliche Menschen», bringt sie ihr Hobby auf den Punkt. Das hat längst auch der anfänglich skeptische Gatte eingesehen. Er schämt sich nicht mehr wegen des Hobbys seiner Frau, sondern unterstützt es, bringt von seinen Reisen Fachliteratur und CDs mit Vogelstimmen mit.

«Kein Ei gleicht dem andern.»

Die Stunden werden übrigens bei Schläpfers mit der Vogeluhr made in USA gezählt. Während unseres Besuchs sangen um 16 Uhr der Hauszaunkönig und um 17 Uhr die Indianermeise – in unüberhörbar amerikanischem Tonfall.
Ihr Hobby wird
Beatrice Schläpfer noch lange auf Trab halten, hat sie doch noch einige Wünsche, wie etwa die Eier von Tukan, Albatros oder dem Strandläufer aus dem Norden, Knutt. Sollte irgendwann die Sammlung komplett sein, dann könnte sie endlich all die Geschichten zu den Exponaten aufschreiben. Ostern feiern Schläpfers übrigens ganz konventionell, mit Osterstrauch und Familientreffen.

Helga Schabel