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Neu! Endlich ist es soweit!
Eine repräsentative Auswahl der Werke Otto Spalingers
ist erschienen.
Sichern Sie sich jetzt Ihr persönliches
Exemplar . . .
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So etwa könnte die Werbung für das aussehen, was
hier vorliegt.
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Wobei ausgeklammert bleibt, dass dieses
Werk keineswegs nur Werbegraphik umfasst — auch
wenn diese einen Schwerpunkt seines Schaffens darstellt. Was da aus Jahrzehnten Arbeit sichtbar wird,
widerspiegelt kaum die vordergründigen Ereignisse der Zeit: das Piepsen des Sputniks, Kennedys Kreuzzug in
der Schweinebucht, die Beatles, Chruschtschows hämmernder Absatz, die Erscheinung der Madonna
(mit Gesangseinlage), Frischs gesammelte Werke, der mutige Einsatz der (damaligen) Jugend gegen Atomkraftwerke,
Opernhäuser und Autobahnen, Niklaus Meienbergs aufmüpfige Schriften, Ed Fagans frecher
Ritt gegen unsere Banken, die mörderische Tapferkeit der Palästinenser und der Israelis, Shareholder Value
und Manager Value, Möllemanns Gerede und Walsers Geschreibe, Reich-Ranickis Standhaftigkeit vor der
Kamera, undsoweiter, undsofort.
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Aber die Zeit ist trotzdem präsent. Das sieht man
natürlich nur, wenn man zu der Zeit schon da — und schon wach — war. Deutlich merkt man es, wenn man
mit Otto Spalinger über seine Arbeiten spricht. Da hat alles seine Geschichte. Und die hätte es nicht, wenn er
ein 08.15-Graphiker wäre: der die Wünsche des Auftraggebers im Flug (aber flüchtig) erfasst, aus der Trickkiste
die halbwegs passenden Gestaltungs-Clichés zusammenrafft und nach jeweils aktueller Werbemode
appetitlich aufmotzt.
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Der erste Graphiker, den ich kennenlernte, war damals
Lehrling wie ich. Er strotzte vor Vitalität (in Bern eine seltene Tugend) und vor Begeisterung für seinen Beruf.
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Ein Beruf, von dem ich noch nie gehört hatte. Natürlich
gab es Plakate und Inserate, die auffielen. Ich erinnere mich zum Beispiel an die auffällige Kampagne «Atome
für den Frieden» Mitte der 50er Jahre, die mich vom Thema und von der Graphik her faszinierte. Was das
aber für Leute waren, die solche Dinge gestalteten, davon hatte ich keine Ahnung.
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Erst einige Jahre später, als es mich zur Werbung verschlug,
lernte ich einige Graphiker kennen: Die einen Urviecher, die aus allen Poren Kreativität schwitzten,
andere ruhige Leute, die im Kontakt mit Kunden verhalten wirkten, um dann im stillen Kämmerlein loszulegen.
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Otto Spalinger gehört eher zu letzterer Sorte. Für
den Kunden ist das zunächst etwas frustrierend: man meint immer, man müsse den Kerl doch endlich begeistern,
ihm die riesigen Vorzüge des Produkts erklären und wieder erklären — dabei hat er längst begriffen,
um was es geht. Wahrscheinlich wird er überraschend genau umsetzen, was man eigentlich wollte.
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Das grösste Problem für die Werbung und ihre Gestaltung
sind unklare Aufträge oder hohle Argumentationen.
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Für den Graphiker ist diese Situation manchmal
nicht zu vermeiden, aber wenn dann das Resultat nicht überzeugt, wenn die graphische Umsetzung sich in
Platitüden ergeht, ist das nicht dem Graphiker anzulasten.
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Natürlich gibt es Graphiker, die das Ganze im
Auge behalten, aber die sind ein Glücksfall, und eigentlich erfüllen sie damit eine Aufgabe, die dem
Auftraggeber zugehört.
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Schrift und Stil gehören zu jeder visuellen Kommunikation.
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Der Begriff Stil bezeichnet ja ursprünglich ein
Schreibgerät. Otto Spalinger stiess schon in seiner Ausbildung auf die Wichtigkeit der Schrift als
Kommunikationselement.
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Es war eine Zeit, als man noch oft eigens gezeichnete Schriften verwendete. Deshalb
gehört er zu den Wenigen, die noch kalligraphieren oder Schriften zeichnen können. Damit lässt sich die
Textbotschaft oft präziser vermitteln als mit Druckschriften (die ja eigentlich immer ein erborgtes Stilelement
sind).
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Aber auch bildliche Gestaltung ist wichtig. Früh schon
wurde Otto Spalinger durch den Maler Carl Wegmann beeinflusst. Er hat deshalb immer auch künstlerisch
gearbeitet. Meistens blieb ihm dafür wenig Zeit. Aber er liess es sich nicht nehmen, Jahr für Jahr seinen Kunden
ein Geschenk zu gestalten: Holzschnitte, später vor allem Lithographien. Mancher hat sie alle gesammelt
und hat einen Schatz daran. Wir können uns nur wünschen, dass er für solche Arbeiten weiterhin Zeit
und Musse findet.
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Meine erste Begegnung mit Otto Spalinger fand im Keller
statt. Nein, nicht im Weinkeller, sondern in einem Archivraum im Untergeschoss, wohin wir geflohen waren, um
ruhiger arbeiten zu können. Es ging um eine
Jubiläumsfestschrift zu Ehren des Werbeleiters. Der Dritte im Bunde war der Abteilungsleiter. Dieser hatte eine seltene, angenehme
Eigenschaft: wo er Vertrauen hatte, wollte er lieber leiten und fördern als kritisieren und bremsen. Die
Zusammenarbeit war angenehm und das Resultat erfreulich, trotz versteckter Kritik für den Geehrten.
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Otto Spalinger hatte damals recht verschiedenartige
Aufgaben. Das ging vom Gestalten von Messeständen, Drucksachen und Inseraten bis zu Gelegenheitsarbeiten
wie der oben erwähnten. Wo man ihn brauchte, war er da.
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Nur an einigen Projekten war ich selber beteiligt. Aber
die Zusammenarbeit war immer angenehm und produktiv.
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Da war etwa jene Ausstellung in Paris. Otto
hatte den Stand aufgebaut. Der Abteilungsleiter und ich kamen, um zur Eröffnung ein Pressegespräch zu
organisieren. Alles lief perfekt. Das Buffet war im Garten des Pavillon d’Armenonville bereit, die Pressevertreter
kamen in diskreten Scharen, die Fachvorträge liefen wie am Schnürchen, die Fragen hielten sich in Grenzen,
so dass schlussendlich die Terrinen im Garten noch geniessbar waren. Ein Wermutstropfen war erst die Diskussion
um die Bezahlung von Raum und Bewirtung mit dem Leiter der Pariser Niederlassung (und später die
Resonanz in der Fachpresse, die sich auf eine knapp leserbriefgrosse Notiz in einem zweitrangigen Organ
beschränkte). Aber das wussten wir noch nicht, als wir nachher zu dritt eine Nacht in Paris genossen, die sich
bis zum Morgen hinzog. Nein, über die Stationen sage ich nichts — aber die Erinnerung daran ist schön und
in keiner Hinsicht blamabel.
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Da war auch das Industrie-Brevier zum 75. Jubiläum der
Industrievereinigung Schaffhausen. Meine Aufgabe war es, die verschiedenen Firmen zu besuchen, aus
Gesprächen und Besichtigungen einen kurzen Text zu verfassen und gemeinsam mit Otto Spalinger die
graphisch Gestaltung zu bestimmen: Herauszufinden, wie man die Aktivitäten der Firmen visualisieren
könnte, Illustrationen aus den verschiedensten Quellen zu beschaffen. Auch hier hatten wir weitgehend freie
Hand — als verantwortlicher Herausgeber hatte der Abteilungsleiter die Mitsprache der Firmen drastisch
eingeschränkt. Damit wurde erreicht, dass ein buntes Bild der Schaffhauser Industrie entstand, das vor allem
für junge Leute interessanter war als eine heterogene Sammlung von Selbstdarstellungen.
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Da war überdies ein Tag der offenen Tür in Singen, für
den in letzter Minute noch ein Einladungsinserat zu schaffen war. Ein ausgesprochener Schnellschuss —
doch selbst aus heutiger Sicht hat es noch immer Hand und Fuss. Es kamen denn auch Zehntausende.
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Ein wenig bin ich in nostalgisches Geplauder geraten,
aber das gehört eigentlich auch zu so einer Retrospektive.
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Dabei sind die Beispiele nur eine kleine Auswahl
der Arbeiten für einen einzigen Kunden. Wollte man von all den andern Auftraggebern ähnliche Beispiele
erzählen, müsste Otto seinen Werke-Katalog gewaltig erweitern. Bescheiden wir uns also.
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Klaus Schütt im Juni 2002
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