Spanische Freunde

Natürlich bin ich nicht die ganze Zeit alleine. Ich lerne hier auch jede Menge Leute kennen. Vor allem im August habe ich für meine Egotrips kaum noch Zeit, wie ich sie unter "Ich mit mir" beschreibe. Keine Angst, ich gehe nach wie vor alleine zur Toilette, diese Privatsphäre lassen mir meine spanischen Freunde noch. ;-)
Die Wochenenden sind jedoch plötzlich ziemlich gesellig, es bleibt kaum mehr Zeit für erholsame Strandbesuche! Und es sind nicht nur die Wochenenden. Denn ganz im Gegensatz zur Schweiz, spielt es in Spanien keine Rolle, auf welchen Wochentag der Anlass fällt. Es wird einfach hingegangen und gefeiert! So haben die meisten Dörfer einen bestimmten Tag zu feiern. Fällt das offizielle Datum auf einen Sonntag, stimmt man sich ab Freitag schon darauf ein. Fällt der Termin auf einen Dienstag, beginnt man am Sonntag und meint es der Jahreskalender schlecht, was dann heissen würde, dass das Fest auf einen Donnerstag fällt, so feiert man doch einfach nachher weiter bis Sonntagmorgen.

Bei all diesen geselligen Anlässen versteht es sich von selbst, dass man auch viele Leute kennen lernt. Denn in Spanien feiert man nicht nur mit "seinen" Freunden, sondern mit allen anwesenden Personen. Es wird bis in die Morgenstunden gequatscht, gelacht und getanzt. Da müsste man doch meinen, die Spanier hätten alle einen Freundeskreis von mindestens 150 Personen (wie sich später herausstellt würde dies für einen jungen Spanier gelten)! Stimmt nicht. Die Freundeskreise sind kaum grösser als bei uns. Der freundschaftliche Umgang mit fremden Leuten hat also keineswegs zur Folge, dass diese gleich in den Freundeskreis aufgenommen werden. Das viel versprechende "hasta luego" ("bis später" oder auf gut Deutsch "Aufwiedersehen"), nach dem Zum-Besten-Geben der ganzen inneren Fröhlichkeit, könnte also genau so gut durch ein "adios" (und tschüss!) ersetzt werden. Wohl etwas ungewohnt für unsere schweizerische Denkweise, jedoch absolut verständlich, wenn man sich in die Lage der Spanier versetzt. Wo kämen sie auch hin, wenn sie an jedem Fest neue Freunde gewinnen würden? Kalkulieren wir mal kurz: Angenommen, sie würden an jedem Fest jeweils nur eine Freundschaft schliessen und zählen wir mal nur die "Sommerpartys" unter freiem Himmel. Das wären also vier Wochenenden (=zwei Nächte: Freitag und Samstag) im August plus das letzte im Juli und das erste im September. (Formel: 4x2+1x2+1x2 [Punkt kommt vor Strich] = 12) Dazu kommen mindestens drei Daten, die auf Werktage fallen plus das bedeutendste Fest in Oviedo - San Mateo - das Mitte September stattfindet und gut zehn Tage dauert. Habt Ihr auch schön mitgezählt? Da wären wir dann bei 25. So weit, so gut. Schauen wir uns aber noch ein wenig die Geografie eh Demokratie - ich will sagen: Demografie! - an. Der Durchschnittsspanier beginnt seine Ausgehkarriere mit zirka 15 Jahren und beendet sie mit ungefähr 45 (gezählt sind nur diejenigen, die bis in die Morgenstunden ausharren). Will heissen, er ist 30 Jahre lang mehr oder weniger aktiv an den Sommernächten beteiligt. Ja, und nun grabt eure Taschenrechner aus. Anzahl offizielle Sommerfeste multipliziert mit der Anzahl an aktiven Jahren ergäbe in unserem Beispiel eine Freu(n)dessumme von 750. Uff, ganz schön viel! Und dann sollte man mit jedem dieser Freunde ein Gläschen auf das "Wohl" trinken; würde heissen im 46. Lebensjahr 18'750 Gläschen (und die sind ja meist nicht zu knapp gefüllt in Spanien) innerhalb von zirka zwei Monaten (750 Freunde mal 25 Feste) - das wäre der Untergang Spaniens!
Nun sollte also allen klar geworden sein, weshalb man sich nach einer fröhlichen Sommernacht besser mit "adios" anstatt "hasta luego" verabschiedet.

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