Rafa's HomepageMärchendeutung

Diese Regeln gelten für alle erfundenen Geschichten, ob das nun Romane, Filme oder Patientengeschichten sind... für eben alles, was ein Mensch sich überlegen kann.

In Märchen herrschen nach C.G.Jung Archetypen vor: immer wiederkehrende Bilder. Es sind oft Tiere, es spricht z.B. der Esel - zuhause dann der Ehemann oder so... Im Märchen werden Probleme und Lösungen angeboten. Daher waren die Märchen früher als Erziehungsmethode gedacht und auch sehr sinnvoll: Wenn die Mutter sagt, dass man nicht soll... dann interessiert das kein Kind - wenn es aber das böse Krokodil sagt, dann ist das was ganz anderes und auf einmal ist es interessant!

In Märchen ist das Thema, dass man ein Problem löst und wie man das Problem löst. Es ist immer dasselbe Schema: Eine Veränderung ist fällig - man sträubt sich - die Veränderung wird erzwungen. Die Gleichnisse in einem Märchen gehen unter Umgehung des Cortex ins Unterbewusstsein, weil sie nicht rational sind.

Therapeutisch kann man Märchendeutung so anwenden: Man soll den Patienten fragen, welche Märchen bzw. Filme er mag oder welche nicht. Was ist die Aussage in diesem Film, um welche Probleme geht es darin und welche Lösung wird angeboten? Man merkt sich immer das, womit man selber ein Problem hat. Da man mit den eigenen Problemen nicht konfrontiert werden will, schaut man sich lieber einen Film an, in dem das probebehandelt wird. Man sieht sich immer wieder dieselbe Art von Filme an: Man kann handeln lassen. So kann es zur Film/DVD-Sucht kommen. Für jedes Problem gibt es 100e Filme - man verbringt sein Leben mit dem Probehandeln-lassen der anderen.

Eigentlich soll der Patient eine Geschichte erzählen. Aber heutzutage kann man froh sein, wenn der Patient noch 2-3 Sätze daher stammelt, da die Leute keine Fantasie mehr haben. Aber man kann sich dafür eben die Filme erzählen lassen, die der Patient gern sieht. So kommt das aufs Selbe raus.

Märchen und Filme behandeln immer eine bestimmte Problematik.

Bei Märchen geht es vor allem um den Archetypus "Selbst".

Zuerst gibt es eine Ausgangssituation - dann viele Veränderungen - am Ende ist es alles ganz anders: Das ist Selbstfindung, Findung des Selbstbewusstseins. Wenn man genau hinschaut, sieht man allerdings nicht nur tolle Sachen, sondern auch die Schatten, die man an sich nicht sehen will. Damit beschäftigt sich der Held im Märchen: Mit den nicht akzeptierten Anteilen des Selbst soll der Zuhörer oder -schauer konfrontiert werden und diese integrieren.

Oft kommen Vater und Mutter im Märchen vor. Das ist schlicht und einfach die Problematik: Wie werde ich erwachsen? Das ist das Problem der Kinder, für die diese Märchen gedacht sind.

Auch ist im Märchen Anima und Animus stark vertreten. Das ist das Thema: Wie setze ich mich durch?

Als Hausaufgabe sollen wir einen Film anschaun und seine Aussage nach diesen Gesichtspunkten überprüfen.

Interpretation

Märchen beginnen fast alle mit "Es war einmal..." oder "In einem weit entfernten Land jenseits unserer Galaxis..." oder "Eines Tages in Mittelerde..." oder derartig unpräzise Zeit- und Örtlichkeiten. Wenn die Märchen eine deutliche Aussage haben, sind sie ganz weit weg gesetzt. "Es WAR einmal..." ist etwas ganz anderes als "letzten Mittwoch um 19 Uhr in Schwabach am Marktplatz." Ein Film-Epos braucht nach C.G.Jung die entfernte Ewigkeit. Damit sind auch die Emotionen irgendwo ganz weit weg.

Kinder erzählen von Geschichten, Erwachsene von Filmen.

Egal welche Inhaltsgeschichte im Film vorkommen - jede Geschichte hat immer die gleiche Anzahl von Personen am Anfang und am Ende. "Es war einmal ein König, der hatte 2 Söhne..." - also eine Männerwirtschaft - am Ende ist dann der eine Sohn verschütt gegangen, dafür hat der andere eine Prinzessin geheiratet (da kommt die ersehnte Weiblichkeit ins Spiel).

Die Veränderungen sind eine der Hauptaussagen eines Märchens.

Dynamik

Am Anfang gibt es ein Problem. Die Hexe, der Wolf... es kommen immer Höhen und Tiefen. Der Held muss zu den Dingen sagen: "Ja ich steh dazu!" oder "Nein, dazu steh ich nicht!". Im Märchen tauchen immer mehrere Aufgaben auf. Man braucht den Zweifel: "Kann ich das machen?" oder "Was sagen die anderen?" Es gibt Parallelen zur Traumdeutung. Jede wichtige Aussage kommt verschlüsselt, aber sie kommt immer mehrfach. Daher sind die Aufgaben immer das Gleiche, nur von Mal zu Mal gesteigert. Der Zuhörer wird damit konditioniert: "Wenn das DIR mal passiert, dann mach das so!" Die Aussagen sind immer die gleichen. Weil der Held nicht ich bin, kann ich ja beruhigt zuschaun und lachen, wie blöd der sich anstellt. Die Zuschauer wissen es ja meist viel besser, was der Held jetzt machen sollte und kauen sich beim Zuschauen gespannt die Fingernägel ab - in Echt, bei sich selber, wissen sie aber nicht, was zu tun ist. Jeder Held hat eine lebensbedrohliche Situation zu meistern.

Das Märchen von den 3 Federn (Gebrüder Grimm)

Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne; davon waren zwei klug und gescheit, aber der dritte sprach nicht viel, war einfältig und hieß nur "der Dummling". Als der König alt und schwach geworden war und an sein Ende dachte, wusste er nicht, welcher von seinen Söhnen nach ihm das Reich erben sollte. Da sprach er zu ihnen: "Ziehet aus, und wer mir den feinsten Teppich bringt, der soll nach meinem Tod König sein." Und damit es keinen Streit unter ihnen gab, führte er sie vor sein Schloss, blies drei Federn in die Luft und sprach: "Wie die fliegen, so sollt ihr ziehen." Die eine Feder flog nach Osten, die andere nach Westen, die dritte flog aber gerade aus und flog nicht weit, sondern fiel bald zur Erde. Nun ging der eine Bruder rechts, der andere ging links, und sie lachten den Dummling aus, der bei der dritten Feder, da, wo sie niedergefallen war, bleiben musste.

Der Dummling setzte sich nieder und war traurig. Da bemerkte er auf einmal, dass neben der Feder eine Falltüre lag. Er hob sie in die Höhe, fand eine Treppe und stieg hinab. Da kam er vor eine andere Türe, klopfte an und hörte, wie es inwendig rief:

"Jungfer grün und klein,
Hutzelbein,
Hutzelbeins Hündchen,
hutzel hin und her,
lass geschwind sehen, wer draußen wär."

Die Türe tat sich auf, und er sah eine große, dicke Kröte sitzen und rings um sie eine Menge kleiner Kröten. Die dicke Kröte fragte, was sein Begehren wäre. Er antwortete: "Ich hätte gerne den schönsten und feinsten Teppich." Da rief sie eine junge und sprach:

"Jungfer grün und klein,
Hutzelbein,
Hutzelbeins Hündchen,
hutzel hin und her,
bring mir die große Schachtel her."

Die junge Kröte holte die Schachtel, und die dicke Kröte machte sie auf und gab dem Dummling einen Teppich daraus, so schön und so fein, wie oben auf der Erde keiner konnte gewebt werden. Da dankte er ihr und stieg wieder hinauf.

Die beiden andern hatten aber ihren jüngsten Bruder für so albern gehalten, dass sie glaubten, er würde gar nichts finden und aufbringen.

"Was sollen wir uns mit Suchen groß Mühe geben", sprachen sie, nahmen dem ersten besten Schäfersweib, das ihnen begegnete, die groben Tücher vom Leib und trugen sie dem König heim. Zu derselben Zeit kam auch der Dummling zurück und brachte seinen schönen Teppich, und als der König den sah, erstaunte er und sprach: "Wenn es dem Recht nachgehen soll, so gehört dem Jüngsten das Königreich." Aber die zwei andern ließen dem Vater keine Ruhe und sprachen: unmöglich könnte der Dummling, dem es in allen Dingen an Verstand fehlte, König werden, und baten ihn, er möchte eine neue Bedingung machen.

Da sagte der Vater: "Der soll das Reich erben, der mir den schönsten Ring bringt", führte die drei Brüder hinaus und blies drei Federn in die Luft, denen sie nachgehen sollten. Die zwei ältesten zogen wieder nach Osten und Westen, und für den Dummling flog die Feder geradeaus und fiel neben der Erdtüre nieder. Da stieg er wieder hinab zu der dicken Kröte und sagte ihr, dass er den schönsten Ring bräuchte. Sie ließ sich gleich ihre große Schachtel holen und gab ihm daraus einen Ring, der glänzte von Edelsteinen und war so schön, dass ihn kein Goldschmied auf der Erde hätte machen können.

Die zwei Ältesten lachten über den Dummling, der einen goldenen Ring suchen wollte, gaben sich gar keine Mühe, sondern schlugen einem alten Wagenring die Nägel aus und brachten ihn dem König. Als aber der Dummling seinen goldenen Ring vorzeigte, so sprach der Vater abermals: "Ihm gehört das Reich." Die zwei Ältesten ließen nicht ab, den König zu quälen, bis er noch eine dritte Bedingung machte und den Ausspruch tat: der sollte das Reich haben, der die schönste Frau heim brächte. Die drei Federn blies er nochmals in die Luft, und sie flogen wie die vorige Male.

Da ging der Dummling ohne weiteres hinab zu der dicken Kröte und sprach: "Ich soll die schönste Frau heimbringen."

"Ei", antwortete die Kröte, "die schönste Frau! Die ist nicht gleich zur Hand, aber du sollst sie doch haben." Sie gab ihm eine ausgehöhlte gelbe Rübe, mit sechs Mäuschen bespannt. Da sprach der Dummling ganz traurig: "Was soll ich damit anfangen?" Die Kröte antwortete: "Setze nur eine von meinen kleinen Kröten hinein."

Da griff er auf Geratewohl eine aus dem Kreis und setzte sie in die gelbe Kutsche, aber kaum saß sie darin, so ward sie zu einem wunderschönen Fräulein, die Rübe zur Kutsche und die sechs Mäuschen zu Pferden. Da küsste er sie, jagte mit den Pferden davon und brachte sie zu dem König. Seine Brüder kamen nach, die hatten sich gar keine Mühe gegeben, eine schöne Frau zu suchen, sondern die ersten besten Bauernweiber mitgenommen. Als der König sie erblickte, sprach er: "Dem Jüngsten gehört das Reich nach meinem Tod." Aber die zwei Ältesten betäubten die Ohren des Königs aufs Neue mit ihrem Geschrei: "Wir können's nicht zugeben, dass der Dummling König wird", und verlangten, der sollte den Vorzug haben, dessen Frau durch einen Ring springen könnte, der da mitten in dem Saal hing.

Sie dachten: Die Bauernweiber können das wohl, die sind stark genug, aber das zarte Fräulein springt sich tot. Der alte König gab das auch noch zu. Da sprangen die zwei Bauernweiber, sprangen auch durch den Ring, waren aber so plump, dass sie fielen und ihre groben Arme und Beine entzwei brachen. Darauf sprang das schöne Fräulein, das der Dummling mitgebracht hatte, und sprang so leicht hindurch wie ein Reh, und aller Widerspruch musste aufhören. Also erhielt er die Krone und hat lange in Weisheit geherrscht.


1 König und 3 Söhne - das ist eine richtige Männerwirtschaft, eine Animus-regierte Situation. Die Frage ist: "Wer soll erben?" bzw. "wie geht es weiter?" Der Alte wird bald weg vom Fenster sein. Bis jetzt lief es ja, aber wie geht es dann weiter? Könige kommen deswegen im Märchen vor, weil sie für das Etablierte stehen.

Die Haupthandlung ist: Wie finde ich die richtige Frau? Wie kriege ich das richtige Anima-Prinzip?

Der Dummling ist nicht männlich. In der männlichen Gesellschaft von Vater und Brüdern ist er nicht akzeptiert. Er steht nämlich zu seinem weiblichen Prinzip, er ist ein wenig der Luschi. Er ist naiv.

Als er seine Weiblichkeit fand, d.h. seine weibliche Hälfte - wie schafft er es, seine weiblichen Anteile zu leben? Er bringt das Mädchen aus dem Inneren der Erde, aus dem Unterbewusstsein - und siehe da, damit erbt er das Königreich!

Der Held: Was ist er, was passt nicht? Wie liest sich das Ganze?

Der König, der Häuptling, der Oberguru ... ist der Archetyp des Selbst, des Selbstbewusstseins. Das Wohlergehen des Volkes hängt von ihm ab.

Kommen im Märchen König und Königin vor, dann sind Emotionen da. Die Königin repräsentiert Emotionen und Eros. Gibt es nur einen König, fehlt das Prinzip des Weiblichen.

Inferiores Prinzip

Der Dummling ist einer, der nichts kann. Oder der Held des Märchens ist besoffen. Das inferiore Prinzip besagt, dass der Held erst einmal aufgebaut werden muss.

Die Hauptachse beim Märchen von den 3 Federn ist der König und der Dummling. Die beiden Brüder sind nur Verzierung, damit die Hauptaussage nicht gleich bewusst wird.

Der Held muss die gesunde, komplette Situation wieder herstellen. Das ist ein Anschauungsmodell.

Ein Antiheld bzw. ein Gegenspieler wird gebraucht, um den Helden gut rauszubringen.

Die Personen sind Ich-Anteile. Der alte Weg geht nicht mehr, der alte König stirbt... Einer, der sich völlig daneben benimmt taucht auf. Der Held stellt das Bisherige in Frage, er verändert es.

Je stärker der Held, desto stärker ist auch der Gegenpart. Der Held merkt, wozu er auf Erden ist.

Dummling ist nicht eben kopfgesteuert, er handelt mehr intuitiv. Er ist daneben, denn das alte Prinzip (König) ist unflexibel.

Die Feder (oder ein Vogel)

ist ein Sinnbild von Leichtigkeit, Intuition, Geistwesen, Inspiration folgend, nicht fassbar. Es kann auch mal sein, dass der Held "nein" sagt und dem nicht folgt. Das Luftprinzip - alles, was mit Federn und Fliegen zu tun hat.

Es bedeutet: Nicht ständig nachfragen, es muss nicht unbedingt einen Sinn haben, das Prinzip der Freiheit - manchmal dann auch zu viel Freiheit.

Kröten und Frosch

ist Männlein und Weiblein - der Frosch ist im Märchen der Mann von der Kröte. Das sind angeborene Archetypen in jeder Kultur.

Die Kröte ist schleimig, runzlig, weiblich, sie ist ein Uterussymbol, eine Darstellung des weiblichen Genitals. Davor haben alle Angst, daher stellt man das hässlich dar. Die Anima hat so viel Power, sie verschlingt! Hexen sind schon cool, sie zaubern einem viel Gutes - aber ist schon besser, wenn sie in ihrem Wald bleiben, hühühü.

Es kann nicht nur eine Kröte, sondern auch eine Schildkröte sein. Die Haut der Schildkröte ist schon komisch und "igitt", aber die richtige Kröte ist noch hässlicher. Sie hat nicht einmal nötig zu fliehen! Ein Tier, das so klein ist und nicht nötig hat zu fliehen? Mit dem kann etwas nicht stimmen! Davor hat der Mensch Respekt.

Der Frosch ist eine männliche Symbolik. Er springt, er ist klein und grün, frech, eher niedlich, wir essen ihn auch gern, er sitzt am Brunnenrand. Die Frosch-Energie wird viel eher akzeptiert als die Energie der Kröte.

Der Zauberspruch "Hutzelbein, Hutzelbeins Hündchen..." - "hutzel" bedeutet verschrumpelt, vertrocknet, etwas Altes - in der Wortassoziation. Die Kröte und ihr Hutzel-Spruch symbolisieren also Uterus und Altes - also Zugang zu alten Weisheiten.

Teppich

Dieser Teppich ist natürlich keiner von Ikea mit nem großen roten Punkt in der Mitte und 2 grünen Streifen drüber - sondern er ist ein orientalischer Teppich: Viele Muster sind auf ihm fein gearbeitet und ergeben ein komplexes Muster. Das ist ein Teppich fürs Leben und sein Muster bedeutet den Pfad des Lebens. Die Teppich-Weber haben ihr Leben in das Muster rein verwebt. Diesen Teppich hängt man natürlich an die Wand und darüber sinniert man dann. Man fühlt sich rund - der Lauf des Lebens ist zwar eine verwundene, verknotete Sache, aber er ist in sich abgeschlossen, in sich rund. Der Teppich ist Symbol des Lebensplans.

Auf den ersten Blick sieht der Teppich braun aus. Erst wenn man länger genau hinschaut, sieht man die vielen Farben und Muster. Dass Dummling einen feinen Teppich brachte, bedeutet, dass er halt doch nicht so grob gestrickt war wie seine Animus-lastigen Brüder.

Ring

Ein Ring ist ein Selbstsymbol. Man hat einen Lieblingsring - das ist eine Selbstdarstellung! Ein Ring symbolisiert auch die Ehe, er hat was mit Beziehung zu tun. Er ist eine Fessel! Bis dass der Tod euch scheidet! Er hat mit Unfreiheit zu tun: Ein Ehering - freiwillig angezogen - bedeutet eine Verpflichtung. Das ist das Thema eines Rings. Es gibt auch Sklavenringe. Der Ehering ist aus Gold, er oxidiert nicht - der goldene Ring ist eine ewige Fessel, eine ewige Verpflichtung.

Im Märchen zeigt ein Ring: Kann der Held eine Verpflichtung auf sich nehmen?

Ball

Etwas Ähnliches ist die Ball-Symbolik: Der Frosch spielt gern mit einem Ball - wie mit einem Ring. Der Ball hat viel Bewegung und Freiheit. Er ist weich, wechselnd, spielerisch. Er ist das Gegenteil von einem Ring.

Ein Ball steht für die unbewusste Psyche, die viel machen kann.

Unerwartetes

Das schöne Mädchen bedeutet das unbewusst Weibliche. Dummling hatte in der Erde eine Karotte, eine Kröte darin, 6 Mäuse davor. Als er es wagte, das an die Oberfläche zu bringen, wurde daraus eine Kutsche mit 6 Pferden und 1 Prinzessin. Das bedeutet: Manchmal sieht aus anderer Sicht ein Ding auch ganz anders aus.

Man muss was machen, wobei man sich blöd vorkommt (mit einer Karotte zum König gehen, einen Frosch küssen, etc.).

Sprünge machen

Die Mädchen sollten durch den Ring hüpfen. Im Film hupfen die Helden auch gern von Dach zu Dach - sie sind sehr sportlich. So kann einer nur springen, wenn er seine Mitte gefunden hat (!), dazu braucht er das nötige Gleichgewicht. Hat er die Mitte gefunden, wird das Unmögliche möglich: Er hüpft vom Hochhaus runter ohne sich was zu brechen. Er hat seine Mitte gefunden.

König Drosselbart

Ein König hatte eine Tochter, die war über alle Maßen schön, aber dabei so stolz und übermütig, dass ihr kein Freier gut genug war. Sie wies einen nach dem andern ab und trieb noch dazu Spott mit ihnen. Einmal ließ der König ein großes Fest anstellen und lud dazu aus der Nähe und Ferne die heiratslustigen Männer ein. Sie wurden alle in eine Reihe nach Rang und Stand geordnet: erst kamen die Könige, dann die Herzöge, die Fürsten, Grafen und Freiherrn, zuletzt die Edelleute. Nun ward die Königstochter durch die Reihen geführt, aber an jedem hatte sie etwas auszusetzen. Der eine war ihr zu dick, "das Weinfass!" sprach sie. Der andere zu lang, "lang und schwang hat keinen Gang". Der dritte zu kurz, "kurz und dick hat kein Geschick". Der vierte zu blass, "der bleiche Tod!" Der fünfte zu rot, "der Zinshahn!" Der sechste war nicht grad genug, "grünes Holz, hinterm Ofen getrocknet". Und so hatte sie an einem jeden etwas auszusetzen, besonders aber machte sie sich über einen guten König lustig, der ganz oben stand, und dem das Kinn ein wenig krumm gewachsen war. "Ei", rief sie und lachte, "der hat ein Kinn, wie die Drossel einen Schnabel"; und seit der Zeit bekam er den Namen Drosselbart. Der alte König aber, als er sah, dass seine Tochter nichts tat als über die Leute spotten und alle Freier, die da versammelt waren, verschmähte, ward er zornig und schwur, sie sollte den ersten besten Bettler zum Mann nehmen, der vor seine Türe käme.

Ein paar Tage darauf hub ein Spielmann an unter dem Fenster zu singen, um damit ein geringes Almosen zu verdienen. Als es der König hörte, sprach er "lasst ihn herauf kommen". Da trat der Spielmann in seinen schmutzigen Kleidern herein, sang vor dem König und seiner Tochter, und bat, als er fertig war, um eine milde Gabe. Der König sprach "dein Gesang hat mir so wohl gefallen, dass ich dir meine Tochter da zur Frau geben will". Die Königstochter erschrak, aber der König sagte "ich habe den Eid getan, dich dem ersten besten Bettelmann zu geben, den will ich auch halten". Es half keine Einrede, der Pfarrer ward geholt, und sie musste sich gleich mit dem Spielmann trauen lassen. Als das geschehen war, sprach der König "nun schickt sich nicht, dass du als ein Bettelweib noch länger in meinem Schloss bleibst, du kannst nun mit deinem Manne weiter ziehen".

Der Bettelmann führte sie an der Hand hinaus, und sie musste mit ihm zu Fuß fortgehen. Als sie da in einen großen Wald kamen, fragte sie

"ach, wem gehört der schöne Wald?"
"Der gehört dem König Drosselbart;
hättst du'n genommen, so wär er dein."
"Ich arme Jungfer zart,
ach, hätt ich genommen den König Drosselbart!"

Darauf kamen sie über eine Wiese, da fragte sie wieder

"wem gehört die schöne grüne Wiese?"
"Sie gehört dem König Drosselbart;
hättst du'n genommen, so wär sie dein."
"Ich arme Jungfer zart,
ach, hätt ich genommen den König Drosselbart!"

Dann kamen sie durch eine große Stadt, da fragte sie wieder

"wem gehört diese schöne, große Stadt?"
"Sie gehört dem König Drosselbart,
hättst du'n genommen, so wär sie dein."
"Ich arme Jungfer zart,
ach, hätt ich genommen den König Drosselbart!"

"Es gefällt mir gar nicht", sprach der Spielmann, "dass du dir immer einen andern zum Mann wünschest, bin ich dir nicht gut genug?" Endlich kamen sie an ein ganz kleines Häuschen, da sprach sie

"ach, Gott, was ist das Haus so klein!
wem mag das elende winzige Häuschen sein?"

Der Spielmann antwortete, "das ist mein und dein Haus, wo wir zusammen wohnen". Sie musste sich bücken, damit sie zu der niedrigen Tür hinein kam. "Wo sind die Diener?" sprach die Königstochter. "Was? Diener?" antwortete der Bettelmann, "du musst selber tun, was du willst getan haben. Mach nur gleich Feuer an und stell Wasser auf, dass du mir mein Essen kochst; ich bin ganz müde." Die Königstochter verstand aber nichts vom Feuer anmachen und Kochen, und der Bettelmann musste selber mit Hand anlegen, dass es noch so leidlich ging. Als sie die schmale Kost verzehrt hatten, legten sie sich zu Bett, aber am Morgen trieb er sie schon ganz früh heraus, weil sie das Haus besorgen sollte. Ein paar Tage lebten sie auf diese Art schlecht und recht, und zehrten ihren Vorrat auf. Da sprach der Mann "Frau, so gehts nicht länger, dass wir hier zehren und nichts verdienen. Du sollst Körbe flechten." Er ging aus, schnitt Weiden und brachte sie heim: da fing sie an zu flechten, aber die harten Weiden stachen ihr die zarten Hände wund. "Ich sehe, das geht nicht", sprach der Mann, "spinn lieber, vielleicht kannst du das besser." Sie setzte sich hin und versuchte zu spinnen, aber der harte Faden schnitt ihr bald in die weichen Finger, dass das Blut daran herunter lief. "Siehst du", sprach der Mann, "du taugst zu keiner Arbeit, mit dir bin ich schlimm angekommen. Nun will ichs versuchen und einen Handel mit Töpfen und irdenem Geschirr anfangen: du sollst dich auf den Markt setzen und die Ware feil halten". "Ach", dachte sie, "wenn auf den Markt Leute aus meines Vaters Reich kommen und sehen mich da sitzen und feil halten, wie werden sie mich verspotten!" Aber es half nichts, sie musste sich fügen, wenn sie nicht Hungers sterben wollten. Das erstemal gings gut, denn die Leute kauften der Frau, weil sie schön war, gern ihre Ware ab und bezahlten, was sie forderte: ja, viele gaben ihr das Geld und ließen ihr die Töpfe noch dazu. Nun lebten sie von dem Erworbenen, so lang es dauerte, da handelte der Mann wieder eine Menge neues Geschirr ein. Sie setzte sich an eine Ecke des Marktes und stellte es um sich her und hielt feil. Da kam plötzlich ein trunkener Husar daher gejagt und ritt gerade zu in die Töpfe hinein, dass alles in tausend Scherben zersprang. Sie fing an zu weinen und wusste vor Angst nicht, was sie anfangen sollte. "Ach, wie wird mirs ergehen!" rief sie, "was wird mein Mann dazu sagen!" Sie lief heim und erzählte ihm das Unglück. "Wer setzt sich auch an die Ecke des Marktes mit irdenem Geschirr!" sprach der Mann, "lass nur das Weinen, ich sehe wohl, du bist zu keiner ordentlichen Arbeit zu gebrauchen. Da bin ich in unsers Königs Schloss gewesen und habe gefragt, ob sie nicht eine Küchenmagd brauchen könnten, und sie haben mir versprochen, sie wollten dich dazu nehmen: dafür bekommst du freies Essen."

Nun ward die Königstochter eine Küchenmagd, musste dem Koch zur Hand gehen und die sauerste Arbeit tun. Sie machte sich in beiden Seitentaschen ein Töpfchen fest, darin trug sie nach Haus, was ihr von dem übrig gebliebenen zu Teil ward, und davon nährten sie sich. Einstmals sollte die Hochzeit des ältesten Königssohnes gefeiert werden, da ging die arme Frau hinauf, stellte sich vor die Saaltüre und wollte zusehen. Als nun die Lichter angezündet waren, und immer einer schöner als der andere herein trat, und alles voll Pracht und Herrlichkeit war, da dachte sie mit betrübtem Herzen an ihr Schicksal und verwünschte ihren Stolz und Übermut, der sie erniedrigt und in so große Armut gestürzt hatte. Von den köstlichen Speisen, die da ein- und ausgetragen wurden, warfen ihr die Diener manchmal ein paar Brocken zu, die tat sie in ihr Töpfchen und wollte sie heim tragen. Auf einmal trat der Königssohn heran, war in Samt und Seide gekleidet und hatte goldene Ketten um den Hals, und als er die schöne Frau in der Türe stehen sah, ergriff er sie schnell bei der Hand und wollte mit ihr tanzen: aber sie weigerte sich und erschrak, denn sie sah, dass es der König Drosselbart war, der um sie gefreit und den sie mit Spott abgewiesen hatte. Ihr Sträuben half nichts, er zog sie in den Saal: da zerriss das Band, an welchem die Taschen hingen, und die Töpfe fielen heraus, dass die Suppe floss und die Brocken umher sprangen. Und wie das die Leute sahen, entstand ein allgemeines Gelächter und Spotten, und sie war so beschämt, dass sie sich lieber tausend Klafter unter die Erde gewünscht hätte. Sie sprang zur Türe hinaus und wollte entfliehen, aber auf der Treppe holte sie ein Mann ein und brachte sie zurück: und wie sie ihn ansah, war es wieder der König Drosselbart. Er sprach ihr freundlich zu, "fürchte dich nicht, ich und der Spielmann, der mit dir in dem elenden Häuschen gewohnt hat, sind eins: dir zu Liebe habe ich mich so verstellt, und der Husar, der dir die Töpfe entzwei geritten hat, bin ich auch gewesen. Das alles ist geschehen, um deinen stolzen Sinn zu beugen und dich für den Hochmut zu strafen, womit du mich verspottet hast". Da weinte sie bitterlich und sagte, "ich habe großes Unrecht getan und bin nicht wert deine Frau zu sein". Er aber sprach "tröste dich, die bösen Tage sind vorüber: jetzt wollen wir unsere Hochzeit feiern". Da kamen die Kammerfrauen und taten ihr die prächtigsten Kleider an, und ihr Vater kam und der ganze Hof, und wünschten ihr Glück zu ihrer Vermählung mit dem König Drosselbart, und die rechte Freude fing jetzt erst an. Ich wollte du und ich, wir wären auch dabei gewesen.


Das Märchen ist ein Frauen-Thema! Der Animus der Frau wird gelebt. Es geht um Frauen, die die männliche Seite leben und ihre weibliche verstecken. Die Prinzessin muss ihre Freier ablehnen, weil sie noch nicht zu sich gefunden hat.

Der Musikant lässt mit der Musik alles vergessen. Musik steht für den Verlust des Realitätsdenkens. Man lässt sich in eine Traumwelt fallen. Die Prinzessin bekam den Musikanten. Sie flieht in ihre Traumwelt. Die Prinzessin wird bestraft für ihre Vorurteile, weil sie ihr eigenes Unterbewusstsein nicht akzeptiert.

Es geht darum, dass die Prinzessin einen heiratet, damit sie ihm vorwerfen kann, dass sie nicht den anderen geheiratet hat. Ein Animus-Thema: ewig unzufrieden, hätt ich nur, sie hat aber nur ein Pseudo-Schuldgefühl. Sie hat das Gefühl, sie geht am Leben vorbei und sie hat Recht damit, denn sie soll auch die Anima leben.

Für die Hausarbeit ist sie zu fein, sie erkennt ihre Weiblichkeit nicht an. Sie hat kein Veränderungsbewusstsein. Sie will lieber depressiv sein, als was zu ändern. Animus-Frauen jammern nur und sülzen.

Der Ehemann (=ausgelagerter Animus) zwingt sie, Sachen zu tun, die unter ihrer Würde sind. Die Prinzessin wird dadurch andauernd mit ihren Minderwertigkeitsgefühlen konfrontiert.

Animus-Frauen haben ein Anspruchsdenken. Sie haben hoch fliegende Ideale, die man gar nicht erreichen kann - starke Überheblichkeitsgefühle und starke Minderwertigkeitsgefühle gehören immer zusammen.

Die schwere Arbeit war für die Prinzessin die Chance, ihre Weiblichkeit auf die Reihe zu kriegen. Die Arbeit konfrontiert sie mit ihrer Weiblichkeit - sie macht sie aber nicht, sie weigert sich, von ihrer Überheblichkeit herunter zu kommen. Das ist das Hausfrauensyndrom, nichts passt der Prinzessin. Solche Prinzessinnen manövrieren sich ständig in Situationen hinein, in die sie nichts ändern, weil sie nur maulen wollen - das ist das Animus-Prinzip der Frau.

Töpfe

Ein irdener Topf ist eine weibliche Symbolik. Die Prinzessin ist sich selber entfremdet. Sie verkauft ihre Töpfe, sie ist nicht liebesfähig.

IRL suchen sich die Animus-Frauen einen Mann, der "was" ist. Sie handeln nüchtern um den Mann - wer am meisten Schotter hat und das beste Leben bieten kann, hat bei ihnen gewonnen. Das ist dieses Töpfe verkaufen. Es fehlt diesen Frauen an weiblicher Liebesfähigkeit. Der Husar haut der Prinzessin die Töpfe auch noch kaputt!

Die größte Demütigung ist jedoch, dass von den Dienern zugeworfene Essen.

Eine Frau mit Animus-Problem sucht sich die größten Probleme raus, anstatt ihre eigene Mitte zu finden (das hätte nämlich Sinn). Sie schnallt nur, was eigentlich los ist, wenn sie ganz unten ist.

Antidepressiva wirken nicht bei der "Prinzessin", weil ihr Kopf noch stärker ist. Sie leidet unter sich. Sie braucht lange, bis sie das Miteinander kapiert. Sie hat eher das Männliche, das Harte. Sie muss erst ganz unten sein. Sie braucht ihre Symptome, damit sie alles kaputt hat und erst dann kann sie sich wieder aufbauen. Animus-Frauen kommen auch immer wieder hoch. Aber mit guten Worten funktioniert das nicht.

Jammern und nichts ändern ist ein männliches Prinzip.

Animus-Frauen sind der Meinung, ihnen steht dies&das zu. Sie müssen abstürzen, kommen aber wieder hoch - im Tief sind sie aber suizidgefährdet. Es sind Kämpfernaturen.

Weitere Symbole

Der Spielort von Märchen ist meistens ein magisches Reich, es ist unmöglich, dort, wo unmögliche Dinge möglich sind - wie im Traum, Schlaf, im Scheintod. Das Unterbewusstsein ist näher als das Wachbewusstsein. Es ist ein Entrücktsein. Die Seele verlässt den Körper und geht auf Reisen (sagt C.G.Jung). Es ist eine Spielwiese der Seele. Es ist das "Thema des Mondes" - der Mond steht für das Vergängliche. Heute ist Vollmond, aber am anderen Tag nur noch halb. Es steht für die Sterblichkeit, für das Weibliche.

Höhle

Eine Höhle ist immer gruselig und geheimnisvoll. Sie steht für das Unterbewusstsein. In ihr können Fledermäuse sein.

Brunnen

Darin sind manchmal Schätze. Der Storch und die kleinen Kinder kommen da raus. Das hat etwas mit Geburt zu tun. Es ist auch ein Tor in eine andere Welt.

Wasser

Wasser ist die Mutter. Jedes Wasser ist besetzt von weiblichen Dämonen. Wasserdämonen sind immer launisch. Die Opfergaben für sie soll man ganz vorsichtig ins Wasser geben, leise dabei sein und ganz schnell wieder abhaun. Das Wasser steht für die Anima - daher haben viele Leute Angst vor dem Wasser - nicht, weil es nass ist. Ich muss nicht in einem Boot hinaus aufs Meer - nein, nur bis zu den Knien, dort wo ich noch stehen kann.

Wasser-Dämonen

Im Film kommt der Krake aus der Tiefe, huaaah! Das sind nicht akzeptierte Anima-Anteile. Man will mit dem Weiblichen nicht konfrontiert werden. Es ist das verschlingende Prinzip.

Insel

Es ist eine Struktur, die nach langen Irrfahrten endlich erreicht wird. Inseln sind meistens von einäugigen Riesen bewohnt oder irgendwelchen Ungeheuern. Das sind Traumata, abgetrennte und verdrängte Teile der Persönlichkeit. Daher ist auf der Insel auch immer etwas, was einen erschreckt.

An diesen Orten sind Saurier, Warane etc. - abgespaltene Anteile. Die muss man zurück ins Tagesbewusstsein bringen.

Wald

Er ist etwas Dunkles, wo man nicht weiß, was darin ist. Hexen, Gnome, Geister - die einen schlechten Charakter haben. Das sind verdrängte Persönlichkeitsanteile - aber keine Traumata, sondern Triebe.

Berg

Das ist mindestens ein 3000er, kein so ein verlängerter Ameisenhügel. Er reicht bis in den Himmel. Er ist die Verbindung zwischen Himmel und Erde. Er hat einen in Nebel verhüllten Gipfel. Er ist der Übergang zur besseren Welt. Auf dem Gipfel hockt auch oft der Weise, der nie eine klare Antwort gibt.

Hauptfiguren, archetypische Figuren

Der dämonische Vater

Er kann viel sein. Der Alte, Weise, kann göttliche Züge haben, das Schöpferische symbolisieren. Oft hat er Vögel, meistens kompaktere, z.B. Raben (Odin!). Daher kommt auch der Begriff "Rabeneltern". Jede Gestalt hat 2 Seiten: hilfreich und bedrohlich. Der dämonische Vater kann Gott und Teufel sein. Er hat eine Führungsposition inne, kann Rat geben. Gevatter Tod ist auch ein dämonischer Vater. Der Mensch ist nämlich ein Kind des Todes. Der Archetypus Geist hat eine ambivalente Führungsposition, aber auf einem Berg.

Die große Mutter

Von Teufel und Vater weiß ich, dass ich blöde Sprüche zur Antwort kriege. Nun gut, aber ich weiß wenigstens, was zu erwarten ist. Bei der Mutter ist das nicht so. Sie ist die Hexe, die verschlingende Mutter. Sie sagt: "Ich habe dir das Leben gegeben, ich kann es auch wieder nehmen." Vampire sind Muttersymbole! Sie saugen in der Nacht das Blut.

Auch die Spinne fängt unschuldige Fliegen und saugt sie aus. Sie webt das Netz des Schicksals, ein Verweben von Fäden, ein Ineinandergleiten von Schicksalen - und das ist absolut unberechenbar. Sie ist die Todesmutter. Sie ernährt nicht, sie ist gefährlich! Bin ich eine Fliege, finde ich ein Spinnennetz vielleicht ganz attraktiv, aber es wär schon auch schön, wenn ich wieder zurück käme. Vampire bieten schon ewiges Leben an, aber... verlangen auch ihren Preis. Es ist die aggressive Mutter, ein Teil von einem selber.

Leute, die vor Spinnen Angst haben, hatten Probleme mit der Mutter und sollten ihre Mutter loslassen.

Schlangen sind Vatersymbole.

Zur Mutter gehören auch Tiere: Spinne, Kröte, Kuh, manchmal auch ein Pferd - aber dann ein Arbeitspferd, ein Ackergaul.

Es gibt auch leidenschaftliche, temperamentvolle Mütter - die italienische Mama. Sie ist ein Drache, speit Feuer! Sie macht alles kaputt. Der Drache hält die Prinzessin gefangen. Die dominante Mutter hält die Tochter gefangen.

Der dämonische Sohn

Er ist ein Held. "Dämon" heißt lediglich "überbesetzt". Ein Held hat immer ein einseitig orientiertes Bewusstsein. Damit die Geschichte dadurch nicht ganz so einseitig wird, erhält er meistens einen Gegenspieler, das Alter Ego - das andere Ego. Was der eine als positives Element hat, hat der andere als negatives.

Es sind die nicht gelebten Anteile, die man sich nicht zutraut. Der Bösewicht, das Alter Ego, nervt den Helden, um eine neue Verhaltensweise zu induzieren. Hat er das geschafft, ist das Thema erledigt, man braucht den Bösewicht nicht mehr, drum wird er entsorgt und stirbt.

Der Held muss sich zuerst mit den Schatten auseinander setzen. Der Bösewicht wird akzeptiert, toleriert, aber wird immer nerviger bis eben der Held die Schnauze voll hat und seine Verhaltensweise ändert. Ist der Bösewicht erledigt, braucht man auch keinen Helden mehr!

Brich aus aus der Rolle des Bösewichts, weil dann ist auch der Held überflüssig, der dich bekämpft!

Das Böse lebt von dem, was im Unterbewusstsein vom Helden da ist.

Raben und Krähen

Die Schatten haben im Märchen manchmal Tiergestalt, z.B. Raben. Raben habe auch Todessymbolik. Der Tod bedeutet aber nur Veränderung und Wandlung. Es ist was zu Ende - und etwas Neues fängt an. Raben und Krähen sind kleine Vögel, sie kennen oft die Quelle des Wassers des ewigen Lebens. Sie können sprechen, aber man muss ihnen zuhören können. Sie sind Schicksalsbringer.

Der Rabe ist ein Vogel, der eine Veränderung bringt. Wer will das schon?

Der Held: Was muss er tun? Er muss die Tiere ernst nehmen, die Dinge mit Respekt behandeln. Er muss akzeptieren, was da ist. Der Held muss mit Hilfe seines Schattens über diesen springen. Er muss in engen Kontakt mit seinen Schatten kommen. Das ist meistens das Ende des Films oder des Märchens: der Endkampf. Der Held muss mit seinen Schatten zurecht zu kommen lernen und dann kann er das Königreich erben.

Eine Person ist oft aufgeteilt, z.B. Winnetou und Old Shatterhand oder Hänsel und Gretel - immer ein weiblicher und ein männlicher Anteil. Einer ist der Tolle, der andere eher der Weiche, Sanfte. Einer macht das, der andere dies. Ein Kind hat das Thema mit der Hexe, der verschlingenden Mutter.

Die zauberische Tochter

Sie ist die schöne Unbekannte. Sie ist sooo schön, das hält man nicht aus. Sie ist nicht von dieser Welt. Sie ist die Anima - alles unbewusst Weibliche, mit allem Drum und Dran. Sie übt eine tiefe, innere Faszination aus.

Sie ist eine Fee - sie erkennt Wünsche, hat auch ein goldenes Ringlein (Verpflichtung!), sie ist aber auch eine Hexe. Sie hat einen Zaubertrank, der unsterblich macht. Es ist immer etwas ambivalent, misstrauisch.

Tiersymbolik: Ein Pferd auf der Weide - es trifft einen hin und weg, wenn man es sieht. Es ist das weiße Einhorn. Das kann man nicht einfangen. Manchmal können sich Einhörner oder Feen auch verwandeln. Man kann versuchen, das Pferd/Einhorn zu füttern, aber es kann auch beißen! Das Zauberische ist auch gefährlich.

Kleine Mädchen haben diesen Anima-Trip, daher lieben sie Pferde und Prinzessinnen.

Die Fee

kann sich nicht mit Sterblichen verbinden. Sie symbolisiert Teile des Unterbewussten, die nicht in die Kognition fallen dürfen bzw. nicht in die Kognition gehoben werden dürfen, da sie sonst ihr Gehalt verlieren. Man muss nicht alles wissen.

In der Unterwelt darf man sich nicht umdrehen - auch Lots Frau sollte sich nicht umdrehen. Im Traum gehen Schubladen von alleine auf.

Das Einhorn sieht man sich im Mondlicht auf der Weide auf einer Lichtung an. Man muss es nicht im Stall stehen haben.

Der Mann findet die schöne Frau. Wenn er sie aber heiratet, ist sie nach 1 Jahr nicht mehr schön.

Das Unterste vom Unterbewusstsein ist unstrukturiert. Kommt man da ran, kann man durchdrehen. Daher enden Märchen manchmal: "...und er ward nicht mehr gesehen."

Die Faszination des Todes: Man bleibt wie angewurzelt stehen. Das ist die geheimnisvolle Tochter.

Jeder Schizophrene und Wahnsinnige hat eine Faszination. Das Abartige ist schon geil, aber auch sehr gefährlich. In den Abgründen der Seele lauert der Wahnsinn.

Nicht alles, was stimmt, muss man dem Patienten erzählen. Lassen wir das Thema auch mal, irgendwann kommt es schon wieder...

Das ist ein Sog in die Gefahr. Dieser spiegelt sich auch in der Höhenangst wider: Es ist die Angst als Befürchtung, nicht fliegen zu können. Die Angst eines jungen Vogels, jetzt aber kann er mit den Wellen des Windes reiten.

Die Fee mit 3 Wünschen ist 3 Blicke ins Unbewusstsein - aber nicht mehr! Oft wünschen sich die Betroffenen im Märchen totalen Schwachsinn. Rational wäre es ja vernünftig, sich als 3. Wunsch einfach noch einmal 3 Wünsche zu wünschen. Das tiefe Erkennen kommt ganz selten vor. Die Ideallösung ist, sich den 3. Wunsch aufzuheben.

Wenn der Held der Anima verfällt, dann wars das und es ist Schluss. Ein schönes Spiel ist diesbezüglich auch Odysseus und die Sirenen. Wer der Anima folgt, muss ins Jenseits und vielleicht kommt man da nicht mehr zurück.

Das weibliche Unterbewusstsein tritt am Tag als Vogel auf (ein besonders schöner Vogel, ein bunter, kein Rabe oder sowas). Nachts nimmt der Vogel menschliche Gestalt an. Tagsüber ist die Ratio am Ruder, die existentiellen Ängste müssen verdrängt werden, daher erscheinen sie als kleiner Vogel. Nachts kommen sie mehr raus, daher treten sie wieder als Frau in Erscheinung. Es hat ein Erlösungsmotiv. Mit diesem inneren Schmerz muss man leben ... "sie konnten zusammen nicht kommen".

Die Fee kann ihren Liebhaber höchstens heiraten, wenn sie sterblich wird. Damit verliert sie aber ihre Schönheit und das Zauberische. Ebenso ist es bei der Nixe, die an Land geht.

Die Märchen sind alle unterbewusst geschrieben worden, man benutzt diese Archetypen und Figuren automatisch. Wenn man es konstruiert, dann wird es ein Blödsinn.

Die Märchen wurden genommen, um alte Gottheiten gesellschaftsfähig zu machen bzw. zu bewahren. Das Christentum verdrängte die Gottheiten und die Archetypen, also mussten sie in den Märchen weiter leben. Solche Gottheiten sind z.B. Frau Holle, auch die Zahl 7 - 8 ist die Zahl der Vollendung, 7 ist das Unvollständige, alles was auf Erden ist.

Jungfrauenopferungen

Die Anima wird geopfert. Die heidnischen Gottheiten werden der Kultur geopfert. Die Jungfrau im Turm ist ein Teil der Anima, die weg gesperrt wird. Auch Schneewittchen im gläsernen Sarg ist ein Opfer der Anima für die Kultur. Die Anima ist immer die Berührung mit dem Totenreich, die Unvereinbarkeit der Gegensätze soll man stehen lassen.


Märchendeutung
Erstveröffentlichung: 10.07.2004

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