Das Transsexuellengesetz
Aus: Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1980, Teil I, fortlaufende Seiten 1654 - 1658
Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen
(Transsexuellengesetz - TSG)
Vom 10. September 1980
Geändert durch Art. 49 Rentenreformgesetz 1992 vom18.12.1989 (BGBl. I S. 2261), § 8 Betreungsgesetz vom 12.9.1990 (BGBl I S. 2002), Art. 14 § 2 Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16.12.1997 (BGBl. I S. 2942) und Art. 13 Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts ( Eheschließungsgesetz - EheschlRG) vom 8.5.1998 (BGBl. I S. 833)
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
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Erster Abschnitt. Änderung der Vornamen
§ 1 Voraussetzungen. (1) Die Vornamen einer Person, die sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben, sind auf ihren Antrag vom Gericht zu ändern, wenn
1. sie Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist oder wenn sie als staatenloser oder heimatloser Ausländer ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder als Asylberechtigter oder ausländischer Flüchtling ihren Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, und
2. mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß sich ihr Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird, und
3. sie mindestens fünfundzwanzig Jahre Alt ist.
(2) In dem Antrag sind die Vornamen anzugeben, die der Antragsteller künftig führen will.
Anmerkung:: § 1 Abs. 1 Nr. 3 des TSG ist mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig. - Beschl. d. BVerfG v. 26.1.1993 - BvL 38/92 u.a. - (BGBl. I S. 326)
§ 2 Zuständigkeit. (1) Für die Entscheidung über Anträge nach § 1 sind ausschließlich die Amtsgerichte zuständig, die ihren Sitz am Ort eines Landgerichts haben. Ihr Bezirk umfaßt insoweit den Bezirk des Landgerichts. Haben am Orte des Landgerichts mehrere Amtsgerichte ihren Sitz, so bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung1) das zuständige Amtsgericht, soweit nicht das zuständige Amtsgericht am Sitz des Landgerichts schon allgemein durch Landesrecht bestimmt ist. Die Landesregierung kann auch bestimmen, daß ein Amtsgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte zuständig ist. Sie kann die Ermächtigungen nach Satz 3 und 4 durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltung2) übertragen.
(2) Örtlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen Wohnsitz oder, falls ein solcher im Geltungsbereich dieses Gesetzes fehlt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem der Antrag eingereicht wird. Ist der Antragsteller Deutscher und hat er im Geltungsbereich dieses Gesetzes weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt, so ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin zuständig; es kann die Sache aus wichtigen Gründen an ein anderes Gericht abgeben; die Abgabeverfügung ist für dieses Gericht bindend.
Anmerkungen: 1) solche Rechtsverordnungen gibt es in Baden-Würtemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. 2) betrifft Berlin und Nordrhein-Westfalen
§ 3 Verfahrensfähigkeit, Beteiligte. (1) Für eine geschäftsunfähige Person wird das Verfahren durch den gesetzlichen Vertreter geführt. Der gesetzliche Vertreter bedarf für einen Antrag nach § 1 der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.
(2) Beteiligte des Verfahrens sind nur
1. der Antragsteller
2. der Vertreter des öffentlichen Interesses.
der Landesregierung durch Rechtsverordnung1) bestimmt.
Anmerkung: 1) Eine solche Verordnung existiert in allen Bundesländern.
§ 4 Gerichtliches Verfahren. (1) Auf das gerichtliche Verfahren sind die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(2) Das Gericht hört den Antragsteller persönlich an.
(3) Das Gericht darf einem Antrag nach nur § 1 stattgeben, nachdem es die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt hat, die auf Grund ihrer Ausbildung und ihrer beruflichen Erfahrung mit den besonderen Problemen des Transsexualismus ausreichend vertraut sind. Die Sachverständigen müssen unabhängig voneinander tätig werden; in ihren Gutachten haben sie auch dazu Stellung zu nehmen, ob sich nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft das Zugehörigkeitsempfinden des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird.
(4) Gegen die Entscheidung, durch die einem Antrag nach § 1 stattgegeben wird, steht den Beteiligten die sofortige Beschwerde zu. Die Entscheidung wird erst mit Rechtskraft wirksam.
§ 5 Offenbarungsverbot. (1) Ist die Entscheidung, durch welche die Vornamen des Antragstellers geändert werden, rechtskräftig, so dürfen die zur Zeit der Entscheidung geführten Vornamen ohne Zustimmung des Antragstellers nicht offenbart oder ausgeforscht werden, es sei denn, daß besondere Gründe des öffentlichen Interesses dies erfordern oder ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird.
(2) Der frühere Ehegatte, die Eltern, die Großeltern und die Abkömmlinge des Antragstellers sind nur dann verpflichtet, die neuen Vornamen anzugeben, wenn dies für die Führung öffentlicher Bücher und Register erforderlich ist. Dies gilt nicht für Kinder, die der Antragsteller nach der Rechtskraft der Entscheidung nach § 1 angenommen hat.
(3) In dem Geburtseintrag eines leiblichen Kindes des Antragstellers oder eines Kindes, das der Antragsteller vor der Rechtskraft der Entscheidung nach § 1 angenommen hat, sind bei dem Antragsteller die Vornamen anzugeben, die vor der Rechtskraft der Entscheidung nach § 1 maßgebend waren.
§ 6 Aufhebung auf Antrag. (1) Die Entscheidung, durch welche die Vornamen des Antragstellers geändert worden sind, ist auf seinen Antrag vom Gericht aufzuheben, wenn er sich wieder dem in seinem Geburtseintrag angegebenen Geschlecht als zugehörig empfindet.
(2) Die §§ 2 bis 4 gelten entsprechend. In der Entscheidung ist auch anzugeben, daß der Antragsteller künftig wieder die Vornamen führt, die er zur Zeit der Entscheidung, durch welche seine Vornamen geändert worden sind, geführt hat. Das Gericht kann auf Antrag des Antragstellers diese Vornamen ändern, wenn dies aus schwerwiegenden Gründen zum Wohl des Antragstellers erforderlich ist.
§ 7 Unwirksamkeit. (1) Die Entscheidung, durch welche die Vornamen des Antragstellers geändert worden sind, wird unwirksam, wenn
(2) der Antragsteller führt künftig wieder die Vornamen, die er zur Zeit der Entscheidung, durch die seine Vornamen geändert worden sind, geführt hat. Diese Vornamen sind
(3) In Fällen des Absatzes 1 Nr.1 kann das Gericht die Vornamen das Antragstellers auf dessen Antrag wieder in die Vornamen ändern, die er bis zum Unwirksamwerden der Entscheidung geführt hat, wenn festgestellt ist, daß das Kind nicht von dem Antragsteller abstammt, oder aus sonstigen schwerwiegenden Gründen anzunehmen ist, daß der Antragsteller sich weiter dem nicht seinem Geburtseintrag entsprechenden Geschlecht als zugehörig empfindet. Die §§ 2, 3, 4 Abs.1, 2 und 4 sowie § 5 Abs. 1 gelten entsprechend.
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Zweiter Abschnitt. Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit
§ 8 Voraussetzungen. (1) Auf Antrag einer Person, die sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und die seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben, ist vom Gericht festzustellen, daß sie als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, wenn sie
(2) In dem Antrag sind die Vornamen anzugeben, die der Antragsteller künftig führen will; dies ist nicht erforderlich, wenn seine Vornamen bereits auf Grund von § 1 geändert worden sind.
Anmerkung: §8 Abs. 1 Nr. 1 des TSG v.10.9.1980 (BGBl. I S. 1654) ist mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (Nr. 1) insoweit unvereinbar und daher nichtig, als auch bei Erfüllung der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen die gerichtliche Feststellung über die Änderung der ursprünglichen Geschlechtzugehörigkeit vor Vollendung des 25. Lebensjahres ausgeschlossen ist. - Beschl. d. BVerfG v. 16.3.1982 - 1 BvR 938/81 - (BGBl. I S. 619)
§ 9 Gerichtliches Verfahren. (1) Kann dem Antrag nur deshalb nicht stattgegeben werden, weil der Antragsteller sich einem seine äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff noch nicht unterzogen hat, noch nicht dauernd fortpflanzungsunfähig ist oder noch verheiratet ist, so stellt das Gericht dies vorab fest. Gegen die Entscheidung steht den Beteiligten die sofortige Beschwerde zu.
(2) Ist die Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 unanfechtbar und sind die dort genannten Hindernisgründe inzwischen entfallen, so trifft das Gericht die Endentscheidung nach § 8. Dabei ist es an seine Feststellungen in der Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 gebunden.
(3) Die §§ 2 bis 4 und 6 gelten entsprechend; die Gutachten sind auch darauf zu erstrecken, ob die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 1 Nr.3 und 4 vorliegen. In der Entscheidung auf Grund von § 8 und in der Endentscheidung nach Absatz 2 sind auch die Vornamen des Antragstellers zu ändern, es sei denn daß diese bereits auf Grund von § 1 geändert worden sind.
§ 10 Wirkungen der Entscheidung. (1) Von der Rechtskraft der Entscheidung an, daß der Antragsteller als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, richten sich seine vorn Geschlecht abhängigen Rechte und Pflichten nach dem neuen Geschlecht, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(2) § 5 gilt sinngemäß.
§ 11 EItern-Kind-Verhältnis. Die Entscheidung, daß der Antragsteller als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, läßt das Rechtsverhältnis zwischen dem Antragsteller und seinen Eltern sowie zwischen dem Antragsteller und seinen Kindern unberührt, bei angenommenen Kindern jedoch nur, soweit diese vor Rechtskraft der Entscheidung als Kind angenommenen worden sind. Gleiches gilt im Verhältnis zu den Abkömmlingen dieser Kinder.
§ 12 Renten und vergleichbare wiederkehrende Leistungen. (1) Die Entscheidung, daß der Antragsteller als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, läßt seine bei Rechtskraft der Entscheidung bestehenden Ansprüche auf Renten und vergleichbare wiederkehrende Leistungen unberührt. Bei einer sich unmittelbar anschließenden Leistung aus dem selben Rechtsverhältnis ist, soweit es hierbei auf das Geschlecht ankommt, weiter von den Bewertungen auszugehen, die den Leistungen bei Rechtskraft der Entscheidung zugrunde gelegen haben.
(2) Ansprüche auf Leistung aus der Versicherung oder Versorgung eines früheren Ehegatten werden durch die Entscheidung, daß der Antragsteller als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, nicht begründet.
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Dritter Abschnitt. Änderung von Gesetzen
§ 13 Änderung des Rechtspflegergesetzes. In § 14 des Rechtspflegergesetzes vom 5. November 1969 (BGBl. I S. 2065), zuletzt geändert durch § 174 Abs.4 des Bundesberggesetzes vorn 13. August 1980 (BGBl. I S. 1310), wird nach der Nummer 20 eingefügt:
"20 a. die Genehmigung nach § 3 Abs. 1 Satz 3 sowie nach § 6 Abs.2 Satz 1, § 7 Abs. 3 Satz 2 und § 9 Abs.3 Satz 1, jeweils in Verbindung mit § 3 Abs.1 Satz 3, des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen vom 10. September 1980 (BGBl. I S. 1654);".
§ 14 Änderung der Kostenordnung.
In die Kostenordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, GIiederungsnummer 361 - 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel II § 32 Sozialgesetzbuch (SGB) - Verwaltungsverfahren - vom 18. August 1980(BGBl. I S. 1469), wird nach § 128 eingefügt:
,,§ 128a Änderung der Vornamen und Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen
(1) In Verfahren nach dem Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen vom 10. September 1980 (BGBl. I S. 1654) wird erhoben
1. das Doppelte der vollen Gebühr
2. das Eineinhalbfache der vollen Gebühr für die Feststellung nach § 9 Abs. 1 des Gesetzes.
(2) Der Geschäftswert bestimmt sich nach § 30 Abs. 2."
§ 15 Änderung des Personenstandsgesetzes. Das Personenstandsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 211 - 1 , veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 11 des Gesetzes vom 2. Juli 1976 (BGBl. I S. 1749), wird wie folgt geändert:
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Vierter Abschnitt. Übergangs- und Schlußvorschriften
§ 16 Übergangsvorschrift. (1) Ist vor Inkrafttreten dieses Gesetzes auf Grund des § 47 des Personenstandsgesetzes wirksam angeordnet, daß die Geschlechtsangabe im Geburtseintrag einer Person zu ändern ist, weil diese Person nunmehr als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, so gelten auch für diese Person die §§ 10 bis 12 dieses Gesetzes sowie § 61 Abs. 4 1) und § 65 a Abs.2 des Personenstandsgesetzes in der Fassung des § 15 Nr. 2 und 4 dieses Gesetzes.
(2) Ist die Person im Zeitpunkt der gerichtlichen Anordnung verheiratet gewesen und ist ihre Ehe nicht inzwischen für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden worden. so gilt die Ehe mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes als aufgelöst. Die Folgen der Auflösung bestimmen sich nach den Vorschriften über die Scheidung.
(3) Hat eine Person vor Inkrafttreten dieses Gesetzes bei dem nach § 50 des Personenstandsgesetzes zuständigen Gericht beantragt anzuordnen, daß die Geschlechtsangabe in ihrem Geburtseintrag zu ändern ist, weil diese Person nunmehr als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, und ist eine wirksame Anordnung bei Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht ergangen, so hat das damit befaßte Gericht die Sache an das nach § 9 Abs. 3 in Verbindung mit § 2 dieses Gesetzes zuständige Gericht abzugeben; für das weitere Verfahren gelten die Vorschriften dieses Gesetzes.
Anmerkung: 1) Nunmehr § 61 Abs. 3
§ 17 Berlin-Klausel. (gegestandslos)
§ 18 Inkrafttreten. § 2 Abs. 1 Satz 3 bis 5, § 3 Abs. 3 und § 9 Abs. 3 Satz 1, soweit er auf § 2 Abs. 1 Satz 3 bis 5 und § 3 Abs. 3 verweist, treten am Tage nach der Verkündung in Kraft. Im übrigen tritt das Gesetz am 1. Januar 1981 in Kraft.
(Verkündet am 10.9.1980)