Rezension des Maimunides-Buches aus dem "Israelitischen Wochenblatt" (Zürich), 18. November 1938.

Einführung nachfolgender Rezension im Original

 

 

Oskar Goldberg: Maimonides - Kritik der Jüdischen Glaubenslehre.

Verlag Dr. Heinrich Glanz, Wien. 119 Seiten.

Oskar Goldberg ist einer der eigenartigsten und entschiedensten Gestalten des heutigen Judenturns. Ein Schöpfer und Erneuerer. Daraus erklärt sich vielleicht, daß sein 1925 erschienenes Hauptwerk «Die Wirklichkeit der Hebräer» in jüdischen Kreisen totgeschwiegen wurde. Bedeutende Nichtjuden waren es, die die Konsequenzen aus Goldbergs Lehre zogen. So z. B. Prof. Daqué und Kurt Aram. In letzter Zeit war es Thomas Mann. der ihn in «Maß und Wert», 1. Jahrg., Heft 2, zu Worte kommen ließ.

Was will Goldberg? Er ist weder Theologe noch Bibelkritiker sondern entschiedener Gegner beider. Er will Wirklichkeit, nicht Theorie. Für ihn ist Gott eine wirksame Kraft, die, obwohl überirdisch und metaphysisch, in die Natur und ihre Gesetzlichkeit hineinreicht, ja hineinbricht. Und im Kult entdeckt Goldberg die Stätte und das Mittel, durch das Gott in der Irdischkeit manifest wird. Der Sinn des Kultes ist demnach Ueberwindung der Naturgesetzlichkeit zugunsten einer höheren metaphysischen Wirklichkeit - einer allmählichen Verwirklichung Gottes in der Welt - aber vor allem kraftmäßig und nicht nur geistig. In Form eines Pentateuch-Kommentars, unter genauester philologischer Akribie und unter erklärender Zuhilfenahme der physikalischen und biologischen Gesetze hat Goldberg bisher nicht verstandene Prinzipien des Pentateuchs in der «Wirklichkeit der Hebräer» aufgedeckt.

In seinem neuen Werk: Maimonides, Kritik der jüd. Glaubenslehre» führt Goldberg seine Entdeckungen weiter. Auch in diesem Werke ist sein Streben den Offenbarungscharakter des Urhebräertums wieder herzustellen. In Maimonides erblickt er seinen Gegentypus, der in falsch verstandener Assimilatlon durch strikte Uebernahme der Philosophie des Aristoteles den Sinn der Bibel und des alten Hebräertums zur Abstraktion verblassen ließ. Goldberg erblickt deshalb in Maimonides den Vater des Parteigezänks des heutigen Judentums. In diesem Werke zeigt Goldberg an neuen Beispielen, wie der Verbindungsorganismus von Mensch und Gott beschaffen ist und wie er zu handhaben ist. Er sieht aber ein Versagen des jüdischen Volkes in dieser Hinsicht. Und hält ihm deshalb einen unerbittlichen Spiegel vor. Er zeigt ihm, welche Katastrophen drohen, wenn es den Sinn seiner Existenz nicht erfüllen wird. Illusionslosigkeit und Wirklichkeitsschau zeichnen Goldbergs Gedanken aus. Und mag manchen Goldberg durch sein Wissen um den Hintergrund der Welt unheimlich erscheinen - eines werden Wissenschaft und Laienschaft unweigerlich anerkennen müssen: Seit Jahrtausenden hat niemand so wie Goldberg vermocht, das Geheimnis des hebräischen Kultes zu enthüllen. Wir stehen deshalb in dieser jüdischen Kernfrage vor einer neuen Situation. Aber nicht nur die Vergangenheit enträtselt auf eigenartige Weise Goldberg, er weist mit diesem neuen Wissen auch einen Weg in die Zukunft. 

 

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