5.14  Aufstieg, Karriere und Ende des franzšsischen "tŸchtigen KapitŠns", eines neuen Markgrafs Roland.

 

Ein franzšsischer "tŸchtiger KapitŠn" hochadliger Herkunft - ein neuer Markgraf Roland - wird in der Armee vom einfachen Soldaten bis zum Oberbefehlshaber aufsteigen. Im militŠrischen Bereich sehr versiert, wird er allerdings die Priester stark bedrŠngen. Er wird seine franzšsischen Gegner mit gro§er Macht zurŸckschlagen und spŠter tief nach Spanien vorsto§en. Dabei wird er die StreitkrŠfte der franzšsischsprachigen Bretonen und Normannen befehligen. Die Bretonen werden auch die Ligurer vernichten. Dieser tŸchtige KapitŠn wird einen Sohn haben, der ihm zunŠchst Ehre und Reichtum einbringt. Wenn der tŸchtige KapitŠn aber alt ist, wird sein eigener Sohn eine erfolgreiche Rebellion gegen den Vater anfŸhren. Der Sohn wird den geflohenen Vater dann in dessen letzter Bastion belagern und besiegen. Der Grund fŸr die Niederlage wird sein, dass der tŸchtige KapitŠn auf einen fremden †bersetzer, einen tšrichten Mann, hšrt und in der Folge gestŸrzt wird. Nachdem die letzte Festung des tŸchtigen KapitŠns gefallen ist, wird dieser gekšpft und der Kopf dem siegreichen Sohn vor die FŸ§e geworfen werden. Die enthauptete Leiche wird zur Abschreckung an der Rah eines Schiffes aufgehŠngt. Von diesem Anblick abgeschreckt, werden die UnterstŸtzer des tŸchtigen KapitŠns die Flucht ergreifen.

          Zur Zeit des tŸchtigen KapitŠns wird Frankreich nicht mehr als geeinter Staat existieren. Ein BŸndnis aus Bordeaux, Royan und La Rochelle und eine Allianz aus EnglŠndern, Bretonen und Flamen bekŠmpfen sich. Dabei wird die letztgenannte Allianz das westfranzšsische BŸndnis bis nach Roanne (Raum Lyon) zurŸckdrŠngen. Royan und La Rochelle werden sich dann von Bordeaux ab- und den Bretonen zuwenden. Doch die Bretonen verraten ihre neuen VerbŸndeten im Hafen von Blaye (Raum Bordeaux). Zu dieser Zeit wird auch der tŸchtige KapitŠn in seiner letzten Bastion verraten und endgŸltig gestŸrzt. Wenn ein Bruder (oder VerbŸndeter) aus Chartres sieht, wie der Sohn des tŸchtigen KapitŠns die letzten Truppen seines Vaters vernichtet, wird er "OrlŽans" und Royan verraten.

          In dieser Zeit wird der iranische Herrscher dem tŸrkischen Herrscher viel Schlechtes antun. Und zwar in dem Ma§, wie Frankreich beiden zuvor Gutes getan hat. Der iranische Herrscher wird dabei in Foix (oder Fez?) stehen und etwa 29 Jahre regieren. †ber den tŸrkischen Herrscher wird ein (religišser?) Bann verhŠngt werden, wenn "Sonne", "Mars" und "Merkur" in der NŠhe des "Wassermanns" sind.

          Dann, wenn die enthauptete Leiche des tŸchtigen KapitŠns šffentlich aufgehŠngt sein wird, wird beim Juliermonument in Saint-RŽmy-de-Provence etwas geschehen. Ein Anschlag wird der "kšniglichen Sache" bekannt sein.

 

 

ZurŸck / ZurŸck zur Startseite 

 

 

8/57 - 4/99 - 7/10 - 6/62 - 3/14 - 4/83 - 3/9 - 6/60 - 4/61 - 4/92 - 2/2 - 9/73 - 7/1

 

 

8/57

 

[1] De1) souldat simple2) paruiendra en empire3),

[2] De robe courte paruiendra ˆ la longue4)

[3] Vaillant5) aux armes en eglise6) ou plus pyre,

[4] Vexer7) les prestres comme lÕeau fait lÕesponge8).                 

 

[1] Vom1) [Rang des] einfachen2) Soldaten wird [er] zum Oberbefehlshaber3) aufsteigen.

[2] Vom kurzen Uniformrock wird [er] zum langen kommen.4)

[3] [Er ist] tŸchtig5) [im Umgang] mit den Waffen. Was die Kirche angeht6), wo [er der] Schlimmste [sein wird],

[4] [wird er] die Priester ausquetschen7) wie [es mit] dem Wasser aus dem Schwamm gemacht [wird]8).

 

1) Auch denkbar: "le souldat simple", d. h. "der einfache Soldat".

2) "Simple" kann u. a. auch "nicht adlig" bedeuten.

3) Das mittelfranzšsische "empire" bedeutet "Macht, Herrschaftsgewalt, Oberbefehl; Reich" und kann auch konkret das ršmisch-deutsche Reich bezeichnen. Mit Blick auf den einfachen Soldaten scheint die †bersetzung "Oberbefehlshaber" nahezuliegen.

4) Das mittelfranzšsische "robe" bedeutet u. a. "Oberbekleidung", hier mit Blick auf die erste Zeile wohl "Uniformrock". CLƒBERT, S. 904, weist darauf hin, dass im 16. Jahrhundert mit dem Wechsel von einem kurzen zu einem langen Rock der Aufstieg von einer untergeordneten zu einer Ÿbergeordneten Position ausgedrŸckt wurde. Hier liegt aber mšglicherweise ein Wortspiel vor, das beim Druck untergegangen ist. Mit Blick auf das "esponge" in der vierten Zeile kšnnte unser Seher in Zeile zwei ursprŸnglich "longe" (Seil, Leine, Strick; Lederriemen; Hundeleine) geschrieben haben. Ein Begriff, der einerseits das Schicksal dieses Mannes (das aufgehŠngt werden) und andererseits - durch die optische €hnlichkeit mit "longue" - die vorausgehende Karriere angekŸndigt hŠtte.

5) Oder auch: "fŠhig, intelligent, tapfer; mŠchtig, einflussreich". Der Begriff "vaillant" taucht in 3/14/1, 4/83/1, 4/92/1, 4/99/1, 7/10/2, 8/57/3 und 9/17/2 (5.276) sowie im Plural in 2/52/4 (5.94) auf. Von einem tŸchtigen KapitŠn (oder HeerfŸhrer) ist in 4/83 und 4/92 die Rede. Einen militŠrischen Befehlshaber, der der tŸchtigste Šlteste Sohn einer Kšnigstochter ist, finden wir in 4/99. 7/10 berichtet vom klugen und tŸchtigen AnfŸhrer eines "gro§en Heeres". Von jemandem, der tŸchtig im Umgang mit Waffen ist und vom einfachen Soldaten bis an die Spitze der Macht aufsteigt, lesen wir in 8/57. In 9/17/2 wird der Begriff "vaillant" im Sinne von "Besitz" verwendet. Zwei, die im Kampf tŸchtig sind, verursachen in 2/52/4 einen Krieg.

6) Wšrtlich: "In der Kirche".

7) "Vexer" bedeutet im weitesten Sinne "hart mitnehmen, hart zusetzen". Mit Blick auf den Schwamm ist der Begriff hier wohl am ehesten mit "auspressen, ausdrŸcken" - sinngemŠ§ wahrscheinlich "unterdrŸcken" - zu Ÿbertragen.

8) Etwas unklar formuliert. Vielleicht "lÕeau faite dÕesponge" oder "lÕon fait dÕesponge"? In jedem Fall ist der Reim auf "longue" bemerkenswert, vgl. Anmerkung 4.

Ein "tŸchtiger KapitŠn" hochadliger Herkunft - ein neuer Markgraf Roland (vgl. 7/10) - wird in der Armee vom einfachen Soldaten bis zum Oberbefehlshaber aufsteigen. In militŠrischen Dingen wird er sehr versiert sein. Doch die Priester wird er bedrŸcken wie kein anderer.

 

Traditionell wird diese Strophe auf Napoleon Bonaparte bezogen (so auch bei mir, PF€NDLER, 1997, S. 607f.). Doch hŠlt diese Zuordnung einer genaueren †berprŸfung stand?

 

In der ersten Zeile erfahren wir, dass jemand, der den Rang eines einfachen (oder auch: nicht adligen) Soldaten bekleidet, bis zum Oberbefehlshaber der StreitkrŠfte aufsteigen wird. Napoleon hatte bei Beginn seiner militŠrischen Karriere (1786) den Rang eines Leutnants inne, war also bereits kein gewšhnlicher Soldat mehr. Au§erdem war er als geborener Buonaparte Angehšriger des niederen korsischen Adels.

 

Die Angaben in den letzten drei Zeilen wŸrden in etwa zu Napoleon passen: Die steile Karriere in Armee und Staat (Zeile zwei) und die TŸchtigkeit im Umgang mit den Waffen (hier: StreitkrŠfte) in Zeile drei. Die UnterdrŸckung der Priester (bzw. der Kirche) lie§e sich dem Konkordat von 1801 zuordnen, das den Klerus und die katholische Bevšlkerung Frankreichs an den franzšsischen Staat band. Der Papst verzichtete darin auf die RŸckgabe des eingezogenen Kirchengutes, die Bischšfe wurden von Napoleon bestimmt und vom Papst eingesetzt. Laut Konkordat wurden Bischšfe und Priester vom Staat bezahlt, mussten diesem dafŸr aber einen Treueeid leisten, in dem sie sich u. a. verpflichteten, staatsfeindliche Umtriebe unter den GlŠubigen der Staatsmacht zu melden.

 

Wenn man Napoleon als Herrscher (ab 1799) in einer Reihe mit den Kšnigen Frankreichs sieht, war er tatsŠchlich jenes Staatsoberhaupt, das in der Bevormundung der Kirche soweit ging wie noch nie eines zuvor. Allerdings hatte die Kirche in den vorangegangenen Jahren der Revolution erheblich mehr zu leiden gehabt als unter dem Korsen. Und falls mit dem "ausquetschen der Priester wie Wasser aus einem Schwamm" eine sehr gewaltsame (bluttriefende) Verfolgung der KirchenmŠnner gemeint sein sollte, passt die Beschreibung mit Sicherheit nicht auf Napoleons Zeit.

 

Nach meinem DafŸrhalten finden wir den SchlŸsselbegriff zur Zuordnung dieser Strophe in der dritten Zeile. Wir lesen, dass der Mann, der laut Zeile eins vom einfachen Soldaten bis zum Oberbefehlshaber aufsteigen wird, tŸchtig ("vaillant") im Umgang "mit den Waffen" - also im militŠrischen Bereich - sein wird. Wie in Anmerkung 5 angetšnt, vermute ich hier den tŸchtigen KapitŠn oder HeerfŸhrer aus 4/83 und 4/92 beschrieben, der meines Erachtens auch in 4/99 und 7/10 gemeint ist.

 

Sollte diese Identifikation stimmen, wŠre noch der Umstand interessant, dass der aus hohen Adelskreisen stammende tŸchtige KapitŠn (4/99/1 u. 7/10/1) seine militŠrische Karriere trotz seiner Herkunft als einfacher Soldat beginnt.

 

 

4/99

 

[1] LÕaisnŽ vaillant1) de la fille du Roy,

[2] Repoulsera si profond les Celtiques2):

[3] QuÕ3)il mettra foudres4), c›bien en tel arroy5)

[4] Peu & loing6) puis profond es Hesperiques7).

 

[1] Der tŸchtige1) Šlteste [Sohn] der Kšnigstochter

[2] wird die Keltischen2) sehr weit zurŸckdrŠngen.

[3] Weil3) er Blitze4) schleudern wird, [oh] wieviele auf [einen] solchen Befehl [hin]!5)

[4] Und wenig spŠter6) dann [auch] tief zu den Hesperischen7) [hinein].

 

1) Oder auch: "fŠhig, intelligent, tapfer; mŠchtig, einflussreich". Der Begriff "vaillant" taucht in 3/14/1, 4/83/1, 4/92/1, 4/99/1, 7/10/2, 8/57/3 und 9/17/2 (5.276) sowie im Plural in 2/52/4 (5.94) auf. Von einem tŸchtigen KapitŠn (oder HeerfŸhrer) ist in 4/83 und 4/92 die Rede. Einen militŠrischen Befehlshaber, der der tŸchtigste Šlteste Sohn einer Kšnigstochter ist, finden wir in 4/99. 7/10 berichtet vom klugen und tŸchtigen AnfŸhrer eines "gro§en Heeres". Von jemandem, der tŸchtig im Umgang mit Waffen ist und vom einfachen Soldaten bis zum Oberbefehlshaber aufsteigt, lesen wir in 8/57. In 9/17/2 wird der Begriff "vaillant" im Sinne von "Besitz" verwendet. Zwei, die im Kampf tŸchtig sind, verursachen in 2/52/4 einen Krieg.

2) Bei Nostradamus meinen die Kelten Gallier und somit Franzosen. Mšglicherweise allerdings nur einen Teil derselben, vgl. 3/83, wo vom keltischen (und nšrdlichen) Gallien die Rede ist.

3) Die Konjunktion "que" kann im Mittelfranzšsischen u. a. auch "wegen, weil; dann, wenn" bedeuten.

4) Mit diesen "Blitzen" sind wohl einfach schwere SchlŠge gemeint, die hier ausgeteilt werden. Vgl. dazu lat. "fulmen" (u. a. Blitz; zerschmetternder Schlag, unwiderstehliche Kraft).

5) Unklare Stelle. "Arroy" bedeutet u. a. "Anordnung (Befehl u. Aufstellung), Schlachtordnung, KriegsausrŸstung". Ich vermute, sinngemŠ§ geht es darum, dass der Herrscher dem tŸchtigen KapitŠn befehlen wird, mit gro§er Macht und Gewalt vorzugehen und letztgenannter dies dann auch genauso umsetzen wird.

6) Mšglicherweise als "& peu loing" zu verstehen, wobei "loing" neben "weiter" auch "spŠter" bedeuten kann.

7) Das lat. "Hesperia" bezeichnet das "Abendland", nach antiker Auffassung Italien, Spanien und Westafrika. Nostradamus meint damit Spanien, vgl. 5/40/2 (5.23).

Der "tŸchtige KapitŠn" wird der Sohn einer Kšnigstochter sein. Er wird seine franzšsischen Gegner mit gro§er militŠrischer Gewalt weit zurŸckdrŠngen. Kurze Zeit spŠter wird er tief nach Spanien vordringen.

 

In der ersten Zeile ist vom Šltesten Sohn einer Kšnigstochter die Rede. Nostradamus ordnet ihm dabei das Attribut "tŸchtig" zu, was ein Hinweis auf den "tŸchtigen KapitŠn" aus 4/83 und 4/92 sein dŸrfte, vgl. Anmerkung 1.

 

Zeile zwei ist zu entnehmen, dass dieser tŸchtige Mann die "Keltischen" sehr weit zurŸckdrŠngen wird. Doch wer ist mit diesen Keltischen gemeint? Die Begriffe "Kelten", "Keltische", "keltisch" tauchen in den Zenturien etliche Male auf. Dass die Kelten in den franzšsischen ("gallischen") Bereich gehšren, wird in 2/69/1, 2/72 und 3/83/1 deutlich. Interessant ist dabei v. a. 3/83/1. Nostradamus spricht hier von den "langen Haaren" bzw. den Langhaarigen des keltischen Galliens. Es scheint bei ihm also ein keltisches und demzufolge wohl auch ein nichtkeltisches Gallien zu geben. Die "langen Haare" verweisen dabei auf das lat. "Gallia Comata" (langhaariges Gallien), das bei den Ršmern das Gallien au§erhalb der Provincia Narbonensis bezeichnete. Die Gallia Comata umfasste das heutige Frankreich (au§er SŸd- und SŸdostfrankreich vom Raum Toulouse bis Genf) sowie das gesamte linksrheinische Gebiet von den sŸdlichen Niederlanden bis in die Schweiz.

 

Mit den "Kelten" sind bei Nostradamus somit Franzosen bzw. linksrheinische WesteuropŠer gemeint, die nicht aus der alten Provincia Narbonensis stammen. Dabei ist es nicht zwingend, dass das Land der Kelten mit der gesamten Gallia Comata identisch ist, es ist jedoch mindestens Teil derselben.

 

Laut Zeile drei wird dieser tŸchtige Feldherr zahlreiche heftige Angriffe gegen die Keltischen fŸhren. Wo er dies tut, ist leider nicht ersichtlich, ich vermute aber in Frankreich.

 

GemŠ§ Zeile vier wird er danach tief nach Spanien vorsto§en. Doch wen bekŠmpft er dort? Jedenfalls verbindet diese Information die Strophe mit 7/10/4. Dort erfahren wir, dass dieser tŸchtige Befehlshaber die Franzšsischsprachigen (aus der Bretagne) und die Normannen in Spanien kommandieren wird.

 

 

 

 

 

 

 

7/10

 

[1] Par le grand prince limitrophe1) du Mans2),

[2] Preux3) & vaillant4) chef de grand exercite5):

[3] Par mer & terre de Gallotz6) & Normans7),

[4] Caspre8) passer Barcelone pillŽ9) isle.

 

[1] Wegen des gro§en FŸrsten [aus dem] Grenzland1) von Le Mans2),

[2] [des] fŠhigen3) und tŸchtigen4) AnfŸhrers des gro§en Heeres5), [werden]

[3] zur See und zu Land von Franzšsischsprachigen6) und Normannen7)

[4] Gibraltar8) [und] Barcelona passiert [und die] Insel verwŸstet9).

 

1) Wšrtlich etwa: "[aus dem] Angrenzenden von Le Mans".

2) Le Mans war die Hauptstadt der ehemaligen franzšsischen Provinz Maine. Mit dem "Grenzland von Le Mans" mŸsste Maine gemeint sein. Vor der endgŸltigen Vereinigung der Bretagne mit Frankreich 1532 war die Provinz nŠmlich tatsŠchlich ein Grenzland zu einem anderen Staat - eben der Bretagne. Interessant ist hier, dass es im Karolingerreich einst eine Bretonische Mark gegeben hat, zu der u. a. der westlichste Teil des Maine gehšrte. Deren bekanntester Markgraf war Roland (ca. 736-778), der Held des nach ihm benannten Rolandsliedes. Roland befehligte in Spanien die Nachhut Karls des Gro§en und fiel am PyrenŠenpass von Roncesvalles im Kampf gegen die christlichen Basken (der Legende nach gegen die Mauren). Roland, der im Franzšsischen auch Roland le preux genannt wird, soll dann in Blaye (32 km nordwestlich von Bordeaux) bestattet worden sein.

3) Das mittelfranzšsische "preux" kann als Synonym von "vaillant" begriffen werden. Daneben bedeutet es u. a. aber noch "ritterlich, edel; adlig".

4) Oder auch: "fŠhig, intelligent, tapfer; mŠchtig, einflussreich". Der Begriff "vaillant" taucht in 3/14/1, 4/83/1, 4/92/1, 4/99/1, 7/10/2, 8/57/3 und 9/17/2 (5.276) sowie im Plural in 2/52/4 (5.94) auf. Von einem tŸchtigen KapitŠn (oder HeerfŸhrer) ist in 4/83 und 4/92 die Rede. Einen militŠrischen Befehlshaber, der der tŸchtigste Šlteste Sohn einer Kšnigstochter ist, finden wir in 4/99. 7/10 berichtet vom klugen und tŸchtigen AnfŸhrer eines "gro§en Heeres". Von jemandem, der tŸchtig im Umgang mit Waffen ist und vom einfachen Soldaten bis zum Oberbefehlshaber aufsteigt, lesen wir in 8/57. In 9/17/2 wird der Begriff "vaillant" im Sinne von "Besitz" verwendet. Zwei, die im Kampf tŸchtig sind, verursachen in 2/52/4 einen Krieg.

5) Hier dŸrften LandstreitkrŠfte gemeint sein, vgl. dazu auch lat. "exercitus". An dieser Stelle sei zudem daran erinnert, dass das Attribut "gro§" bei Nostradamus auch fŸr "franzšsisch" stehen kann, vgl. dazu 1/32/1f. und 3/49/1f.

6) Die 1568er-Ausgaben von Dresden, Paris und Gregorio haben hier fŠschlicherweise "Gallois" (Waliser). "Gallotz" sind Franzšsischsprachige, namentlich aus der Bretagne. Sie werden auch in 6/62/3 erwŠhnt.

7) Normannen tauchen namentlich in 6/16/2, 6/97/4, 7/10/3, 9/30/2 und 10/51/3 auf. Vom normannischen Kšnig ist in 9/7/4 die Rede. Die Normannen (Wikinger) stammten ursprŸnglich aus Skandinavien. 911 erhielten sie vom westfrŠnkischen Kšnig die nach ihnen benannte Normandie als Lehen. Kurzzeitig beherrschten sie auch die benachbarte Bretagne. 1066 eroberten die Normannen unter ihrem Herzog Wilhelm dem Eroberer England, der zum englischen Kšnig gekršnt wurde. Ein weiterer normannischer Staat entstand in SŸditalien, wo die NordmŠnner seit der zweiten HŠlfte des 11. Jahrhunderts Apulien, Kalabrien und Sizilien kontrollierten. Herzog Roger II. vereinigte 1130 Sizilien und die Besitzungen auf dem italienischen Festland und residierte als Kšnig des neuen Gesamtstaates in Palermo. In den folgenden Jahren eroberte er Amalfi, Neapel und Gaeta fŸr sein sŸditalienisches Normannenreich.

8) In allen Ausgaben von 1557 und 1568 steht fŠlschlicherweise "Caspre". Dabei dŸrfte "Caſpre" ein falsch gedrucktes "Calpre" sein und das lat. "(Mons) Calpe" (Gibraltar) meinen. An der spanischen OstkŸste, etwa 60 km nordšstlich von Alicante, gŠbe es zudem eine Stadt namens Calpe (Calp). Von Calp(r)e ist auch in 1/77/4 und 3/78/3 die Rede.

9) "PillŽ" (in allen Ausgaben von 1557 und 1568 so) dŸrfte als "pillŽe" zu lesen sein und zur "Insel" gehšren.

Der "tŸchtige KapitŠn", ein neuer Markgraf Roland aus der franzšsischen Provinz Maine, fŸhrt die StreitkrŠfte der franzšsischsprachigen Bretonen und Normannen in den Kampf. Sie werden zu Land und zu Wasser Ÿber Barcelona und Gibraltar hinaus vorsto§en und die Iberische Halbinsel verwŸsten.

 

In der zweiten Zeile wird ein fŠhiger und tŸchtiger AnfŸhrer des "gro§en Heeres" erwŠhnt. Ich sehe hier den tŸchtigen KapitŠn oder HeerfŸhrer aus 4/83 und 4/92 (sowie 8/57) gemeint. Das "gro§e" (hier wohl: franzšsische) Heer wŸrde zum ebenfalls franzšsischen Kontext aus Zeile eins und 3/14/2 passen.

 

In der ersten Zeile wird er als "gro§er FŸrst aus dem Grenzland von Le Mans" bezeichnet. Zur Zeit der Abfassung dieser Strophe war die Bretagne bereits Ÿber zwei Jahrzehnte fest mit Frankreich verbunden. Dies kšnnte auch als Hinweis darauf verstanden werden, dass die Bretagne in Zukunft wieder einmal aus dem franzšsischen Staatsverband ausscheiden und der Maine erneut zum Grenzland werden wird.

 

Der Titel "FŸrst" und die Parallele zu Markgraf Roland legen eine adlige bzw. hochadlige Herkunft nahe. Dies wŸrde zu 4/99/1 passen, wo vom "tŸchtigsten Šltesten Sohn der Kšnigstochter" die Rede ist, der sich als Feldherr profiliert.

 

In 7/10/3 erfahren wir, dass dieser FŸrst der Grund dafŸr sein wird, dass auf dem Land- und Seeweg Truppen der "Franzšsischsprachigen (aus der Bretagne)" und "Normannen" in den Krieg ziehen werden. Dies dŸrfte mit Blick auf 4/99 wohl so zu verstehen sein, dass sie von ihm kommandiert werden.

 

GemŠ§ Zeile vier werden die franzšsischsprachigen Bretonen und die Normannen wohl an Gibraltar und Barcelona vorbeiziehen und die "Insel" verwŸsten. Hier kšnnte Nostradamus wieder das aus 10/66/2 (5.37) bekannte Spiel betreiben und mit "Insel" "Halbinsel" meinen (vgl. griech. "nesos" = Insel und Halbinsel). Konkret wŠre dann wohl von der Iberischen Halbinsel die Rede. Die Zeile schlŠgt die BrŸcke zu 4/99/4.

 

 

6/62

 

[1] Trop tard tous deux les fleurs1) seront perdues,

[2] Contre la loy serpent2) ne voudra faire:

[3] Des ligueurs3) forces par gallotz4) confondues,

[4] Sauone5), Albingue6) par monech7) grand martyre.

 

[1] [Es ist] zu spŠt. Alle beide, die Blumen1), werden verloren sein.

[2] Gegen das Gesetz [wird die] Schlange2) nichts machen wollen.

[3] Die KrŠfte der Ligurer3) [werden] von Franzšsischsprachigen4) zerstšrt.

[4] Savona5) [und] Albenga6) [werden] durch Monaco7) [ein] gro§es Martyrium erleiden.

 

1) Oder u. a. auch "BlŸten". In den Zenturienstrophen taucht eine einzelne nicht nŠher spezifizierte Blume sowohl in 6/83/4 (5.194) als auch in 9/35/2 (5.106) auf. Je eine Lilienblume finden wir in 4/20/2 (5.29), 5/39/1 (5.15) und 10/79/3 (5.58). Von mehreren Lilienblumen ist in 5/89/4 (5.145) die Rede. Die Lilienblume steht seit dem SpŠtmittelalter fŸr die franzšsische Monarchie und das Haus Bourbon. Es wŠre also mšglich, dass in 6/62/1 von zwei Angehšrigen der franzšsischen Kšnigsfamilie die Rede ist.

2) Eine oder mehrere Schlangen tauchen in 1/10/1 (5.111), 1/19/1 (5.23), 2/43/4 (5.13), 4/93/1, 5/25/4 (abgekŸrzt, 5.100) und 6/62/2 auf. In 5/25/4 kšnnten Feldschlangen (Kanonen) gemeint sein. Die Schlange in 2/43/4 (5.13) ist wohl mit dem Ÿblen Papst "Mabus" zu identifizieren. Im christlich-abendlŠndischen Kontext ist mit einer "Schlange" wahrscheinlich ein Ÿbler Charakter, ein arglistiger TŠuscher oder gar VerfŸhrer gemeint. Man vergleiche dazu die Schšpfungsgeschichte, in der Satan als Schlange auftritt (Genesis 3,1). Im Griechischen bezeichnet "ophis" sowohl das Kriechtier wie auch einen hinterhŠltigen oder heuchlerischen Menschen.

3) Wšrtlich: "die Leute der Liga; Verschwšrer". CLƒBERT, S. 747, weist jedoch daraufhin, dass der Begriff "ligueur" erst gegen Ende des 16. Jh. erscheint, nach DUBOIS/MITTERAND/DAUZAT, S. 431, erst 1579. Aus diesem Grund folge ich hier CLƒBERTs Vorschlag, "ligueurs" in "ligures" (Ligurer) zu korrigieren. Die antiken Ligurer lebten v. a. im heutigen nordwestitalienischen Ligurien. Im Rahmen der ršmischen Unterwerfung der Ligurer wurde ein Teil dieses Volkes nach Samnium umgesiedelt. Samnium lag im Bergland nordšstlich von Neapel.

4) "Gallotz" sind Franzšsischsprachige, namentlich aus der Bretagne. Sie werden auch in 7/10/3 erwŠhnt.

5) Italienische Hafenstadt, etwa 40 km sŸdwestlich von Genua. Sie wird auch in 1/75/1, 5/88/4, 6/62/4, 8/9/1, 9/39/2 und 10/60/2 erwŠhnt. Sie wurde 1528 von Genua erobert.

6) Italienische Hafenstadt, etwa 70 km sŸdwestlich von Genua. Sie wurde 1251 von Genua erobert.

7) "Monech" meint bei Nostradamus offensichtlich einen Ort, nŠmlich Monaco, vgl. BRINDÕAMOUR, S. 201, und CLƒBERT, S. 217. Abgeleitet sein kšnnte der Begriff vom lat. "Monaecum". Monaco stand von 1525 bis 1641 unter dem Schutz Spaniens. Das FŸrstentum taucht auch in 2/4/1, 3/10/3, 4/37/4, 4/91/2, 6/62/4, 8/4/1, 9/42/2 (?), 10/23/3 und 10/60/1 (?) auf. In 6/62 kšnnte sinngemŠ§ aber auch eine Person gemeint sein, vielleicht ein Mšnch (griech. "monachos", lat. "monachus") bzw. jemand aus einem religišsen Orden.

Zwei "Blumen" (Bourbonen?) werden verloren sein, und gegen ein Gesetz wird eine "Schlange" nichts machen wollen.

Die franzšsischsprachigen Bretonen werden die StreitkrŠfte der Ligurer zerstšren. Monaco wird Savona und Albenga leiden lassen.

 

Die ErwŠhnung der "Franzšsischsprachigen" in Zeile drei kšnnte diese Strophe 7/10 zuordnen. Der Rest des Vierzeilers hŠngt dagegen noch etwas in der Luft.

 

Die Franzšsischsprachigen (aus der Bretagne) werden die Genuesen besiegen, und Monaco - der VerbŸndete der erstgenannten? - wird die beiden genuesischen StŠdte Savona und Albenga sehr leiden lassen (Zeilen drei und vier). NŠheres zu diesem Krieg erfahren wir leider nicht.

 

In der ersten HŠlfte der Strophe geht es mšglicherweise um die franzšsische Kšnigsfamilie. Die beiden "Blumen" der ersten Zeile kšnnten zwei Mitglieder der Bourbonendynastie sein ("Lilien"), die "verloren" - d. h. vielleicht besiegt oder tot - sind.

 

Eine "Schlange" - wohl ein hinterhŠltiger Mensch - wird nichts gegen ein Gesetz tun wollen (Zeile zwei). Doch gegen welches Gesetz? Vielleicht das Salische Gesetz, das die Thronfolge der franzšsischen Kšnige regelt? In welcher Beziehung steht die "Schlange" zu den beiden "Blumen"?

 

Wir mŸssen diesen Vierzeiler einstweilen so stehen lassen.

 

 

3/14

 

[1] Par le rameau1) du vaillant2) personage3)

[2] De France4) infime5): par6) le pere infelice

[3] Honneurs, richesses trauail7) en son viel aage

[4] Pour auoir creu le conseil dÕ8)homme nice.

 

[1] Durch den Zweig1) der tŸchtigen2) Person3)

[2] von Frankreich4), dem niedrigsten5), [werden] dem6) unglŸcklichen Vater

[3] Ehrungen, ReichtŸmer, in seinem hohen Alter [aber auch ein] Leid7) [zuteil werden].

[4] Weil [er] dem Rat eines8) tšrichten Mannes Glauben geschenkt hat.

 

1) Mit diesem "Zweig" ist wohl ein Nachkomme, ein Spross gemeint, vgl. griech. "klados" (Zweig, Spross, Nachkommenschaft) und "ozos" (Ast, Zweig, Spross; Diener). Interessant kšnnte vielleicht noch sein, dass das lat. "ramus" (Ast, Zweig) auch die Keule des Herkules bezeichnet. Und von "Herkules" ist bei Nostradamus an anderer Stelle die Rede, vgl. 5.23, 5.37, 5.106, 5.151, 5.187 und 5.216. GemŠ§ 10/79/3 (5.58) scheint "Herkules" aus der franzšsischen Kšnigsfamilie bzw. dem Hause Bourbon zu stammen. Somit kšnnte auch der "Zweig" aus 3/14/1 ein Angehšriger dieses Geschlechts sein.

2) Oder auch: "fŠhig, intelligent, tapfer; mŠchtig, einflussreich". Der Begriff "vaillant" taucht in 3/14/1, 4/83/1, 4/92/1, 4/99/1, 7/10/2, 8/57/3 und 9/17/2 (5.276) sowie im Plural in 2/52/4 (5.94) auf. Von einem tŸchtigen KapitŠn (oder HeerfŸhrer) ist in 4/83 und 4/92 die Rede. Einen militŠrischen Befehlshaber, der der tŸchtigste Šlteste Sohn einer Kšnigstochter ist, finden wir in 4/99. 7/10 berichtet vom klugen und tŸchtigen AnfŸhrer eines "gro§en Heeres". Von jemandem, der tŸchtig im Umgang mit Waffen ist und vom einfachen Soldaten bis zum Oberbefehlshaber aufsteigt, lesen wir in 8/57. In 9/17/2 wird der Begriff "vaillant" im Sinne von "Besitz" verwendet. Zwei, die im Kampf tŸchtig sind, verursachen in 2/52/4 einen Krieg.

3) Oder: "Persšnlichkeit, WŸrdentrŠger".

4) Die Formulierung "von Frankreich" (de France) kšnnte in diesem konkreten Fall auch als Hinweis darauf verstanden werden, dass diese Person zur franzšsischen Kšnigsfamilie gehšrt, wo der Titel "de France" verwendet wurde.

5) Das mittelfranzšsische "infime" bedeutet "(vom Stand her) niedrig, gering", lie§e sich mit Blick auf das lat. "infimus" aber auch als "(topografisch) tiefgelegen" verstehen. Mit Blick auf 8/57 kšnnte sich dieses Adjektiv auf die "tŸchtige Person" aus 3/14/1 beziehen und nicht auf Frankreich (3/14/2). Sollte dies doch der Fall sein, wŠre wohl eine franzšsische Tiefebene gemeint. Eine weitere ErklŠrungsmšglichkeit wŠre, das "infime" im Sinne des lat. "infimus" (u. a. - an Wert - schlechtest, niedrigst, geringst) zu verstehen und auf den "Zweig" und dessen Verhalten zu beziehen (siehe †bersetzung).

6) Im Mittelfranzšsischen weist die PrŠposition "par" ein grš§eres Bedeutungsspektrum auf als heute. Sie lŠsst sich u. a. mit "durch, wegen, von", aber auch etwa mit "bei, auf, mit, zwischen" Ÿbersetzen. In obigem Fall vermute ich, der "unglŸckliche Vater" ist mit der "tŸchtigen Person" der ersten Zeile identisch und das "par" mŸsste demzufolge mit Blick auf 4/83/3f. im Sinne von "fŸr" verstanden werden. Man kšnnte alternativ im Original auch "par" durch "pour" oder "par le" durch "au" ersetzen.

7) "Travail" bedeutete bis ins 16. Jahrhundert "Leid, Kummer, MŸhsal, Qual; Anstrengung".

8) Oder: "des".

Der "tŸchtige KapitŠn" wird einen Sohn haben. Dieser wird dem Vater zwar erst Ehre und Reichtum einbringen, sich aber dann als schŠbig erweisen. Er wird dem "tŸchtigen KapitŠn" in dessen hohem Alter ein Leid zufŸgen. Und zwar, weil der Vater auf den Rat eines tšrichten Mannes hšrt.

 

In der ersten Zeile erscheint eine "tŸchtige Person". Wie in Anmerkung 2 gezeigt, taucht das Attribut "tŸchtig" in nur wenigen Strophen auf, namentlich aber in Zusammenhang mit einem "KapitŠn" oder "HeerfŸhrer" (4/83, 4/92). Der zweiten Zeile ist zu entnehmen, dass diese Person offensichtlich franzšsischer Herkunft ist, vielleicht sogar zur Kšnigsfamilie gehšrt (Anmerkung 4).

 

Diese "tŸchtige Person" hat laut Zeile eins einen Nachkommen ("Zweig"). Einen Nachkommen, dem Nostradamus einen nur geringen Wert zumisst (Zeile zwei). Dieser Nachkomme wird "dem" - wohl seinem eigenen - Vater (der mit der "tŸchtigen Person" aus 3/14/1 identisch ist) Ehre und Reichtum einbringen. Aber dann, wenn der Vater bereits ein hohes Alter erreicht hat, auch ein Leid zufŸgen. Dies dŸrfte der Grund dafŸr sein, dass Nostradamus den Nachkommen trotz anfŠnglich gro§er Leistung als "von geringem Wert" charakterisiert. Den alten Vater nennt er dagegen folgerichtig "unglŸcklich" (zweite und dritte Zeile).

 

In der vierten Zeile erfahren wir, was der Grund dafŸr ist, dass der Sohn dem Vater ein Leid zufŸgt (oder zufŸgen kann). Weil "er" - mit Blick auf 6/60 ist damit wohl der Vater gemeint - auf den Rat eines tšrichten Mannes hšrt.

 

Das erwŠhnte Leid kšnnte wiederum das Schicksal des "tŸchtigen KapitŠns" aus 4/83, 4/92, 2/2 und 7/1 sein, der erst vom eigenen Sohn belagert (4/83/4) und dann gekšpft und šffentlich zur Schau gestellt wird (4/92, 2/2 und 7/1). Demzufolge wŠre der Vater (= die tŸchtige Person) aus 3/14 mit dem "tŸchtigen KapitŠn" aus 4/83/1 und 4/92/1 identisch.

 

 

 

 

 

 

 

 

4/83

 

[1] Combat nocturne le vaillant1) capitaine2),

[2] Vaincu3) fuyra peu de gens4) profligŽ5):

[3] Son peuple6) esmeu7), sedition non vaine,

[4] Son propre filz le tiendra assiegŽ.

 

[1] [Im] nŠchtlichen Kampf [wird] der tŸchtige1) KapitŠn2)

[2] besiegt3). [Er] wird fliehen [und dabei nur] von wenigen Leuten4) geschlagen5) [worden sein].

[3] Sein Volk6) [hat sich] erhoben7), [und dessen] Aufstand [wird] nicht vergeblich [sein].

[4] Sein eigener Sohn wird ihn belagern.

 

1) Oder auch: "fŠhig, intelligent, tapfer; mŠchtig, einflussreich".

2) Ein "capitaine" ist ein KapitŠn zur See, der eines oder mehrere Schiffe kommandiert. Er kann sogar eine ganze Flotte befehligen, bleibt aber einem Admiral untergeordnet. Zu Land bezeichnet der Begriff einen HeerfŸhrer oder etwa auch den Oberkommandanten einer Stadt oder Festung. GRUBER, S. 256, sieht hier eine Verbindung zur bekannten Strophe 9/20 (5.11), wo ein "gewŠhlter Cap(.)" erwŠhnt wird. Und in der Tat taucht dort auch das Wort "tranche" auf, was ein starkes Indiz fŸr einen Zusammenhang zu 4/92 zu sein scheint.

          "Cap(.)" taucht in 7/37/4, 9/20/4, 9/30/3 und 9/64/4 auf. Als AbkŸrzung mit Punkt (oder selten: Komma) wird der Begriff in 9/20/4 (alle), 9/30/3 (alle au§er Dresden, Paris u. Gregorio) und 9/64/4 (alle au§er Dresden, Paris u. Gregorio) geschrieben. In 7/37/4 erscheint das Wort nirgends als AbkŸrzung. Das mittelfranzšsische "cap" hie§e dabei "Kopf, milit. AnfŸhrer, Kap". Ich vermute allerdings, dass es Ÿberall "cap." (mit Punkt) hei§en sollte. Doch welches Wort kšnnte Nostradamus hier abgekŸrzt haben? Auch hierzu habe ich einen Verdacht. Unser Seher verwendet in 4/11/1, 5/78/4, 8/19/1 und 9/26/2 den Begriff "cappe" (Ornat eines Geistlichen, das Ÿber den Rang seines TrŠgers Auskunft gibt). Dabei legt besonders 5/78 nahe, dass es sich dabei wohl um das Papstornat bzw. den Papst handelt. Ich vermute nun, dass mit dem "cap(.)" - dem "Ornat" - ebenfalls das Kirchenoberhaupt gemeint ist.

3) Oder auch: "[Der] Besiegte wird fliehen".

4) Auch im Sinne von "Soldaten".

5) Lat. "profligare" (u. a. niederschlagen, ŸberwŠltigen).

6) Oder u. a. auch: "Kriegsvolk, Truppe".

7) Oder u. a. auch: "[ist] unruhig, beunruhigt".

Gegen den "tŸchtigen KapitŠn" werden die eigenen Leute erfolgreich rebellieren. Den Aufstand anfŸhren wird dabei sein eigener Sohn. Der tŸchtige KapitŠn wird bei dieser Rebellion nŠchtens von nur wenigen Leuten besiegt und muss fliehen. An seinem Zufluchtsort wird er dann vom rebellierenden Sohn belagert.

 

In den ersten beiden Zeilen erfahren wir, dass ein "tŸchtiger KapitŠn" in einem nŠchtlichen Kampf besiegt wird. Wie in Anmerkung 2 ausgefŸhrt, kann dabei "KapitŠn" einen Seeoffizier, aber auch einen HeerfŸhrer zu Land meinen. Dass dieser "tŸchtige KapitŠn" wahrscheinlich tatsŠchlich einen Bezug zur Seefahrt hat, ist aus 4/92/3 zu schlie§en. Wir erfahren dort nŠmlich, dass sein toter Kšrper an der Rah eines Schiffes aufgehŠngt werden wird. Doch auch wenn wir diesen Hinweis wšrtlich verstehen schlie§t das nicht aus, dass dieser KapitŠn - aufgrund seiner Bedeutung im politischen oder militŠrischen MachtgefŸge - auch als Oberkommandierender von LandstreitkrŠften fungiert.

 

Beim erwŠhnten nŠchtlichen Kampf wird der tŸchtige KapitŠn von nur wenigen Leuten besiegt werden und muss fliehen. Dieser in den ersten beiden Zeilen erwŠhnte Kampf ist vermutlich mit der erfolgreichen Rebellion des eigenen Volkes oder Kriegsvolkes (Anmerkung 6) in der dritten Zeile identisch. AnfŸhrer des Aufstandes dŸrfte dabei sein eigener Sohn sein. Jedenfalls wird der Sohn den vertriebenen Vater danach belagern (Zeile vier). †ber die GrŸnde fŸr die Rebellion erfahren wir in 4/83 nichts.

 

Wohin der tŸchtige KapitŠn flieht, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Mšglicherweise in eine ihm treu gebliebene Festung. An seinem Zufluchtsort scheint er jedenfalls noch Ÿber genŸgend militŠrische Mittel zur eigenen Verteidigung zu verfŸgen: Der Sohn muss ihn belagern und kann seiner nicht ohne Weiteres habhaft werden (Zeile vier).

 

 

3/9

 

[1] Bourdeaux, Rouen1) & la Rochele2) ioints

[2] Tiendront5) au tour la3) grand mer oceane4):

[3] Anglois, Bretons6) & les Flamans conioints

[4] Les chasseront8) iusques au-pres de Roane7)

 

[1] Bordeaux, Royan1) und La Rochelle2) [sind] vereint [und]

[2] werden [das Gebiet] beim3) gro§en Meer [des] Oceanus4) beherrschen5).

[3] [Die] EnglŠnder, [die] Bretonen6) und die Flamen [werden] verbŸndet [sein,

[4] und] sie bis in die NŠhe von Roanne7) verfolgen8).

 

1) Im Original steht Rouen. Rouen liegt in Nordfrankreich an der Seine, etwa 120 km norwestlich von Paris. Von 1419-1449 wurde die Stadt von den EnglŠndern beherrscht und war ein Zentrum der englischen Macht in Frankreich. 1431 wurde Jeanne dÕArc in Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die Stadt wird in 3/9/1, 3/49/4, 4/19/1, 4/61/4, 4/100/4, 5/84/4 und 6/60/3 erwŠhnt. CLƒBERT, S. 354 (und 745), sieht hier einen Fehler und vermutet Royan gemeint. Royan liegt an der Gironde, rund 94 km nordwestlich von Bordeaux und rund 60 km sŸdlich von La Rochelle. Mit Blick auf den Kontext (franzšsische AtlantikkŸste) vermute ich, CLƒBERT hat hier recht.

2) Hier ist wohl die Stadt an der zentralen franzšsischen AtlantikkŸste gemeint. Es gŠbe jedoch noch ein La Rochelle in Ostfrankreich, etwa 32 km sŸdšstlich von Langres sowie ein La Rochelle-Normande, etwa 14 km sŸdšstlich von Granville (Normandie). La Rochelle wird in 2/61/1, 3/9/1, 6/60/3 und 9/38/1 erwŠhnt.

3) Die 1557er-Ausgabe aus Utrecht zeigt fŠlschlicherweise ein zweites "la".

4) Nach antiker Vorstellung war der Oceanus das Weltmeer, das die Kontinente umgab. Der Atlantik war Teil des Oceanus und ist hier mit dem "gro§en Meer" gemeint.

5) Oder auch: "besetzen".

6) Die Bretonen (nicht mit den Briten zu verwechseln!) werden namentlich in 3/9/3, (9/7/4), 9/58/4 und 9/59/4 erwŠhnt.

7) Stadt im sŸdšstlichen Frankreich an der Loire, etwa 90 km nordwestlich von Lyon. Es gŠbe zudem noch ein Roannes-Saint-Mary sŸdwestlich von Aurillac in Zentralfrankreich.

8) Oder auch: "treiben".

Zur Zeit des "tŸchtigen KapitŠns" wird Frankreich gespalten und in sich zerstritten sein. Ein BŸndnis aus Bordeaux, Royan und La Rochelle wird ein Gebiet an der franzšsischen AtlantikkŸste beherrschen. Dieses DreierbŸndnis wird von einer Allianz aus EnglŠndern, Bretonen und Flamen bekŠmpft. Dabei wird die englisch-bretonisch-flŠmische Allianz das westfranzšsische DreierbŸndnis bis nach Roanne im Raum Lyon zurŸckdrŠngen.

 

3/9 gesellt sich zu 6/60 und 4/61. †ber 4/61 gehšren 3/9 und 6/60 in die Zeit des "tŸchtigen KapitŠns", den wir oben kennengelernt haben.

 

In der ersten und zweiten Zeile erfahren wir, dass ein Bund aus Bordeaux, Royan und La Rochelle ein Gebiet an der franzšsischen AtlantikkŸste beherrschen wird. Vom StŠdtepaar Royan und La Rochelle ist in 6/60/3, von Royan in 4/61/4 die Rede.

 

Von einem zweiten BŸndnis lesen wir in 3/9/3. Es wird aus EnglŠndern, Bretonen und Flamen bestehen. In 6/60/3 taucht die antike Aremorica auf, die die heutige Bretagne und Normandie umfasste. Normannen werden in 7/10/3 erwŠhnt, franzšsischsprachige Bretonen ebenfalls in 7/10/3 sowie in 6/62/3.

 

Das zweite BŸndnis wird gegen das erste kŠmpfen und es bis in die NŠhe von Roanne in SŸdostfrankreich zurŸckdrŠngen (Zeile vier).

 

Wie aus 3/9 zu schlie§en ist, wird Frankreich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als ein geeintes Land existieren. Es gibt jedenfalls den Bund dreier StŠdte an der AtlantikkŸste (Bordeaux, Royan, La Rochelle), der im Krieg mit einem anderen BŸndnis liegt, zu dem neben EnglŠndern und Flamen auch die Bretonen gehšren.

 

 

 

 

6/60

 

[1] Le Prince hors de son terroir Celtique1)

[2] Sera trahy, deceu par interprete2):

[3] Rouan3), Rochelle4) par ceulx de lÕArmorique5)

[4] Au port de Blaue6) deceus par moyne & prebstre7).

 

[1] Der FŸrst [wird] au§erhalb seines keltischen1) Gebietes

[2] vom †bersetzer2) verraten [und] in die Irre gefŸhrt werden.

[3] Royan3) [und] La Rochelle4) [werden] von denen aus der Aremorica5)

[4] im Hafen von Blaye6) verraten [werden. Und zwar] von [einem] Mšnch und [einem] Priester7).

 

1) Bei Nostradamus meinen die Kelten Gallier und somit Franzosen. Mšglicherweise allerdings nur einen Teil derselben, vgl. 3/83, wo vom keltischen (und nšrdlichen) Gallien die Rede ist.

2) Das mittelfranzšsische "interprete" bedeutet "†bersetzer". Das lat. "interpres" lieferte aber noch weitere Mšglichkeiten: UnterhŠndler, Vermittler; Dolmetscher, †bersetzer; Deuter, Ausleger, Wahrsager. €hnlich das griech. "hermeneus" (Ausleger, ErklŠrer, Dolmetscher). Interessant wŠre bei diesem Begriff ein denkbarer Fingerzeig auf "Hermes", der als "Merkur" bei Nostradamus ebenfalls auftaucht - in 5.58 (4/28, 4/29, 9/55, 5/93, 10/79) und 5.255 (10/75) - und dort einen franzšsischen Herrscher meinen kšnnte, den Nostradamus mit Herzog Ludwig II. von Bourbon (1337-1410) vergleicht. Anzumerken gilt es noch, dass sich "interprete" nicht auf "prebstre" reimt.

3) CLƒBERT, S. 745, sieht hier nicht Rouen sondern Royan gemeint. Mit Blick auf  3/9 dŸrfte er wohl recht haben. Royan liegt an der Gironde, rund 94 km nordwestlich von Bordeaux und rund 60 km sŸdlich von La Rochelle.

4) Hier ist wohl die Stadt an der zentralen franzšsischen AtlantikkŸste gemeint. Es gŠbe jedoch noch ein La Rochelle in Ostfrankreich, etwa 32 km sŸdšstlich von Langres sowie ein La Rochelle-Normande, etwa 14 km sŸdšstlich von Granville (Normandie). La Rochelle wird in 2/61/1, 3/9/1, 6/60/3 und 9/38/1 erwŠhnt.

5) Die "Aremoricae civitates" umfassten die gallischen StŠmme in der Bretagne und der Normandie.

6) Vgl. lat. "Blavia". Ort an der KŸste der Gironde, etwa 30 km nordwestlich von Bordeaux. Die Stadt galt im HundertjŠhrigen Krieg als SchlŸssel zu Aquitanien und war dementsprechend umkŠmpft. Sie gehšrt seit 1452 definitiv zu Frankreich. Es gŠbe daneben noch ein Blaye-les-Mines, etwa 15 km nšrdlich von Albi in SŸdwestfrankreich. Blaye wird auch in 9/38/1 erwŠhnt.

7) Die Stelle kann so verstanden werden, dass es sich um zwei Personen handelt oder nur um eine, d. h. um einen zum Priester geweihten Mšnch. In der 1557er-Ausgabe aus Budapest/Moskau ist "prebstre" mit einer €bkŸrzung widergegeben. So oder so, "prebstre" reimt sich nicht auf "interprete". FŸr "prebstre" existiert allerdings die Nebenform "preste", die passen wŸrde. Mšglicherweise hat Nostradamus mit diesem "Priester" den mehrdeutigen Begriff "clerc" ersetzt, der zum einen "Kleriker", zum anderen aber auch "Schriftkundiger, Gebildeter, Gelehrter" bedeuten kann.

          Zum "Mšnch" gilt es anzumerken, dass im Mittelfranzšsischen "Mšnch" auch als Bezeichnung fŸr eine verachtete Person verwendet wurde, von der man getŠuscht oder betrogen werden konnte. Vgl. etwa die Wendung "bailler le moyne a quelquÕun" (jemandem den Mšnch geben = jemandem betrŸgen, jemandem UnglŸck bringen, GREIMAS/KEANE, S. 419).

Royan und La Rochelle werden sich von Bordeaux abwenden und sich mit den Bretonen einlassen. Doch die Bretonen werden mit Hilfe eines "Mšnchs und Priesters" ihre beiden neuen Partner im Hafen von Blaye (im Raum Bordeaux) verraten. Verraten wird auch der "tŸchtige KapitŠn". Und zwar von einem †bersetzer.

 

†ber 4/61 gehšren 3/9 und 6/60 in die Zeit des "tŸchtigen KapitŠns", den wir oben kennengelernt haben.

 

In Zeile 6/60/3 tauchen wieder Royan und La Rochelle auf, zwei StŠdte, die auch in 3/9/1 genannt werden.

 

Das StŠdtepaar wird laut Zeilen drei und vier verraten werden. Und zwar im Hafen von Blaye, also zwischen dem Raum Royan/La Rochelle und Bordeaux. Interessanterweise erwŠhnt Nostradamus hier aber Bordeaux, den dritten BŸndnispartner aus 6/60, nicht. Ist Bordeaux aus dem Dreierbund ausgeschieden oder haben sich im Gegenteil Royan und La Rochelle von dieser Stadt abgewandt?

 

GemŠ§ Zeile drei werden Royan und La Rochelle von Leuten aus der Aremorica (Bretagne und Normandie) verraten werden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die beiden StŠdten mit den Aremorikern eine †bereinkunft oder einen Vertrag geschlossen haben mŸssen. Dies wŸrde zur Vermutung passen, dass die beiden StŠdte Bordeaux im Stich lassen werden.

 

In 3/9 lesen wir, dass ein BŸndnis aus EnglŠndern, Bretonen und Flamen gegen die Dreierallianz Bordeaux-Royan-La Rochelle erfolgreich kŠmpfen wird. Mit Blick auf 6/60 kšnnten dann die Bretonen (Aremoriker) Royan und La Rochelle in Blaye dazu bringen, den Bund mit Bordeaux zu verlassen um fŸr sich zu retten, was noch zu retten ist. Vielleicht sind KrŠfte aus den beiden StŠdten in Blaye eingeschlossen, und die Bretonen versprechen ihnen bei Aufgabe freies Geleit?

 

Wie auch immer, die Bretonen werden sich nicht an etwaige Abmachungen mit Royan und La Rochelle halten. Vielmehr werden sie die beiden StŠdte mšglicherweise von Anfang an betrŸgen (verraten). So kšnnte man die vierte Zeile wenigstens verstehen. Wir lesen dort, dass ein "Mšnch und Priester" - ich vermute, es handelt sich dabei um nur eine Person, dabei eine zentrale Rolle spielen wird.

 

Auch in der ersten HŠlfte der Strophe geht es um einen Verrat. Das Opfer ist dabei ein FŸrst, der offensichtlich aus einem "keltischen Gebiet" stammt. Wie zu 4/99 ausgefŸhrt, ist damit wohl einfach ein linksrheinisches bzw. franzšsisches Gebiet gemeint. Verraten und in die Irre gefŸhrt wird er von einem †bersetzer oder auch UnterhŠndler, vgl. Anmerkung 2. Dies kšnnte die vorliegende Strophe mit 3/14/3f. verbinden. Dort ist zu entnehmen, dass der "tŸchtige KapitŠn" in hohem Alter ein Leid erfŠhrt, weil er auf den Rat eines "tšrichten Mannes" hšrt.

In diesem Fall wŠren der †bersetzer und der tšrichte Mann identisch.

 

Eine andere Mšglichkeit wŠre, dass in 6/60/1f. derselbe Verrat gemeint ist wie in 6/60/3f. Dann wŸrden Royan und La Rochelle vom FŸrsten aus der ersten Zeile befehligt werden.

 

 

4/61

 

[1] Le vieulx mocquŽ1) & priuŽ de sa place,

[2] Par lÕestrangier qui le subornera2):

[3] Mains3) de son filz mangŽes deuant sa face,4)

[4] Le frere5) ˆ Chartres6), Orl.7) Rouan8) trahyra.

 

[1] Der Alte [wird] getŠuscht1) und seiner Position beraubt [werden]

[2] wegen des Fremden, der ihn in die Irre fŸhren2) wird.

[3] [Die] von seinem Sohn vernichteten Scharen3) vor seinem Angesicht,4)

[4] wird der Bruder5) [aus] Chartres6) Orl[Žans]7) [und] Royan8) verraten.

 

1) Das mittelfranzšsische "estre mocquŽ" bedeutet "getŠuscht werden; verhšhnt, verspottet werden".

2) Oder auch: "verfŸhren, vom rechten Weg abbringen; betrŸgen".

3) Die 1568er-Ausgaben von Dresden, Paris und Gregorio schreiben hier fŠlschlicherweise "mais" (aber).

4) Wšrtlich u. a.: "[Die] HŠnde [werden] von seinem Sohn vor seinem Angesicht gegessen [werden]." Auf "gegessene HŠnde" treffen wir auch in 3/36/2. Nostradamus hat bei diesen "HŠnden" vermutlich an das lat. "manus" bzw. das griech. "cheir" gedacht, die neben "Hand" u. a. auch "Macht; Schar, Haufen" bzw. "Kampf, Handgemenge" bedeuten kšnnen. Man vergleiche dazu die mittelfranzšsische Wendung "mener des mains" (angreifen). "Essen" wiederum lŠsst sich im Sinne des lat. "edere" verstehen, das auch die Bedeutung "verzehren, zerstšren" aufweist. Das mittelfranzšsische "manger" schlie§lich lŠsst sich im Ÿbertragenen Sinn u. a. als "verwŸsten" und "einen Kampf beginnen" Ÿbersetzen. FŸgen wir diese verschiedenen Mšglichkeiten zusammen, kšnnten diese "gegessenen HŠnde" z. B. als "zerstšrte Macht" bzw. "vernichtete Scharen" verstanden werden oder als "begonne KŠmpfe". Sollte letzteres zutreffen, wŠre die Zeile etwa mit "[Die] KŠmpfe [werden] von seinem Sohn vor seinem Angesicht begonnen [werden]" zu Ÿbersetzen.

5) Auch im Sinne von "Waffenbruder, VerbŸndeter" sowie "Ordensmann, Mšnch".

6) Chartres wird in 3/49/4, 4/42/1, 4/61/4 und 9/86/1 genannt. Mit Blick auf 6/60/3f., wo wir erfahren, dass die VerrŠter aus der Aremorica (hier = Bretagne) stammen werden, ist in 4/61/4 aber wohl nicht das bekannte Chartres rund 78 km sŸdwestlich von Paris gemeint sondern Chartres-de-Bretagne sŸdlich von Rennes. Die PrŠposition "ˆ" (in) dŸrfte durch "de" (aus, von) zu ersetzen sein.

7) OrlŽans wird wohl in 1/20/1, 3/51/3, 3/66/1, 4/61/4, 5/89/4, 8/42/2, 9/24/3 und 10/45/4 genannt. In 4/61/4 lie§e sich die AbkŸrzung "Orl." aber auch mit "OrlŽanais" auflšsen und wŸrde dann adjektivisch zu Chartres gehšren. In diesem Fall wŸrde nur "Rouen" (Royan) verraten werden.

8) Rouen liegt in Nordfrankreich an der Seine, etwa 120 km norwestlich von Paris. Von 1419-1449 wurde die Stadt von den EnglŠndern beherrscht und war ein Zentrum der englischen Macht in Frankreich. 1431 wurde Jeanne dÕArc in Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die Stadt wird in 3/9/1, 3/49/4, 4/19/1, 4/61/4, 4/100/4, 5/84/4 und 6/60/3 genannt. Mit Blick auf 3/9/1 und 6/60/3 ist aber eher davon auszugehen, dass wieder Royan gemeint ist.

Der bejahrte "tŸchtige KapitŠn" wird getŠuscht und seiner Position beraubt - gestŸrzt - werden. Und zwar wegen eines Fremden, der ihn in die Irre fŸhren wird (wohl der †bersetzer aus 6/60). Der Sohn des tŸchtigen KapitŠns wird bei der Belagerung seines Vaters dessen letzte Truppen vernichten. Wenn ein Bruder oder VerbŸndeter aus Chartres dies sieht, wird er OrlŽans und Royan verraten.

 

In den ersten beiden Zeilen ist von einem "Alten" die Rede, der getŠuscht und seiner Position beraubt wird. Das ist wohl eine Parallele zu 6/60 und 3/14.

 

Als alter Mann taucht der weiter oben beschriebene "tŸchtige KapitŠn" in 3/14/3f. auf. Als ein alter Mann, dem deshalb ein Leid widerfŠhrt, weil er auf den Rat eines tšrichten Mannes hšrt. In 4/61/2 erfahren wir jetzt, dass dieser "tšrichte Mann" offensichtlich ein Fremder sein wird. Ein Fremder, der auf den tŸchtigen KapitŠn bzw. dessen Entscheidungen einen bedeutenden Einfluss haben wird. Einen derartigen Einfluss kann ein †bersetzer oder Vermittler (vgl. 6/60/2) durchaus haben.

 

In 4/83/3 ist zu lesen, dass der tŸchtige KapitŠn einer Rebellion im eigenen Volk oder Kriegsvolk zum Opfer fallen wird. Der Fremde aus 4/61/2 wird die Ursache dieser Rebellion sein. Er kšnnte etwa mit seinem tšrichten Verhalten oder tšrichten RatschlŠgen den tŸchtigen KapitŠn zu falschen Entscheidungen verfŸhren, was wiederum zum Aufstand (4/61/1) fŸhrt.

 

Die zweite HŠlfte der Strophe ist noch recht unklar.

 

In der dritten Zeile tauchen ein Sohn und vernichtete StreitkrŠfte auf. Es ist naheliegend, den "Sohn" mit dem Sohn des tŸchtigen KapitŠns zu identifizieren, der die Rebellion gegen den Vater anfŸhren wird, vgl. 4/83/4. In der gewŠhlten †bersetzung wird der Sohn die StreitkrŠfte vernichten. Rein sprachlich lie§e sich die Zeile allerdings auch gegenteilig verstehen: "[Die] vernichteten Scharen seines Sohnes vor seinem Angesicht".

 

Doch von wessen Angesicht ist hier die Rede? 4/61/4 spricht von einem "Bruder" aus Chartres, der hier gemeint sein dŸrfte. Doch wessen Bruder (oder BŸndnispartner) ist das? Des tŸchtigen KapitŠns?

 

Jedenfalls wird der Bruder aus Chartres OrlŽans und Royan nach der Vernichtung der StreitkrŠfte verraten. In 6/60 erfahren wir, dass Leute aus der Bretagne Royan und La Rochelle im Hafen von Blaye verraten werden. Falls diese Stellen zusammengehšren, wŠre Chartres wohl mit Chartres-de-Bretagne (nahe der alten bretonischen Hauptstadt Rennes gelegen) zu identifizieren.

 

Wo aber steht der tŸchtige KapitŠn in Bezug auf das Geschehen in den beiden letzten Zeilen?

 

Wie in 4/83 zu sehen ist, wird der tŸchtige KapitŠn die von seinem Sohn angefŸhrte Rebellion Ÿberleben und kann fliehen. An seinem Zufluchtsort - mšglicherweise eine treu gebliebene Festung - wird ihn der Sohn belagern. Und dies erfolgreich. Die letzte Bastion des tŸchtigen KapitŠns wird fallen, er selbst hingerichtet und seine Leiche zur Schau gestellt (vgl. 4/92, 2/2 und 7/1). Somit kšnnten die "vernichteten Scharen" aus 4/61/3 die geschlagenen Truppen der letzten Zuflucht des tŸchtigen KapitŠns sein.

 

Doch welche Rolle spielt OrlŽans? An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass mit "OrlŽans" auch eine Person gemeint sein kšnnte, - der Kšnig von OrlŽans, ein neuer Ludwig XII. (vgl. 5.145: 3/48 - 10/45 - 5/89).

 

 

4/92

 

[1] Teste tranchee du vaillant1) capitaine2),

[2] Sera gettee deuant son aduersaire:

[3] Son corps pendu de la4) classe5) ˆ lÕantenne3),

[4] Confus6) fuira par rames ˆ vent contraire7).

 

[1] [Der] abgeschlagene Kopf des tŸchtigen1) KapitŠns2)

[2] wird vor seinen Gegner geworfen werden.

[3] Sein Kšrper wird an der Rah3) des4) Schiffes5) aufgehŠngt werden.

[4] BestŸrzt6) wird [man] mit Rudern gegen den Wind7) fliehen.

 

1) Oder auch: "fŠhig, intelligent, tapfer; mŠchtig, einflussreich".

2) Ein "capitaine" ist ein KapitŠn zur See, der eines oder mehrere Schiffe kommandiert. Er kann sogar eine ganze Flotte befehligen, bleibt aber einem Admiral untergeordnet. Zu Land bezeichnet der Begriff einen HeerfŸhrer oder etwa auch den Oberkommandanten einer Stadt oder Festung. GRUBER, S. 256, sieht hier eine Verbindung zur bekannten Strophe 9/20 (5.11), wo ein "gewŠhlter Cap(.)" erwŠhnt wird. Und in der Tat taucht dort auch das Wort "tranche" auf, was ein starkes Indiz fŸr einen Zusammenhang mit 4/92 zu sein scheint.

          "Cap(.)" taucht in 7/37/4, 9/20/4, 9/30/3 und 9/64/4 auf. Als AbkŸrzung mit Punkt (oder selten: Komma) wird der Begriff in 9/20/4 (alle), 9/30/3 (alle au§er Dresden, Paris u. Gregorio) und 9/64/4 (alle au§er Dresden, Paris u. Gregorio) geschrieben. In 7/37/4 erscheint das Wort nirgends als AbkŸrzung. Das mittelfranzšsische "cap" hie§e dabei "Kopf, milit. AnfŸhrer, Kap". Ich vermute allerdings, dass es Ÿberall "cap." (mit Punkt) hei§en sollte. Doch welches Wort kšnnte Nostradamus hier abgekŸrzt haben? Auch hierzu habe ich einen Verdacht. Unser Seher verwendet in 4/11/1, 5/78/4, 8/19/1 und 9/26/2 den Begriff "cappe" (Ornat eines Geistlichen, das Ÿber den Rang seines TrŠgers Auskunft gibt). Dabei legt besonders 5/78 nahe, dass es sich dabei wohl um das Papstornat bzw. den Papst handelt. Ich vermute nun, dass mit dem "cap(.)" - dem "Ornat" - ebenfalls das Kirchenoberhaupt gemeint ist.

3) Die Rah (Rahe) ist eine Querstange am Mast, an der das Segel befestigt wird.

4) In den 1568er-Ausgaben von Schaffhausen, Perugia, Dresden, Paris und Gregorio finden wir "la". In den Ausgaben von Grasse, Stockholm, Chomarat, Lyon, Heidelberg, Mejanes und Arbau hingegen "sa".

5) Das lat. "classis" (u. a. Flotte, Heer) kann auch ein Schiff als solches bezeichnen, was hier wohl der Fall ist.

6) Oder u. a. auch: "verwirrt, durcheinander".

7) Oder: "bei Gegenwind, bei ungŸnstigem Wind". Vgl. hierzu auch 6/45/3 (5.176).

Nach dem Fall seiner letzten Festung wird der "tŸchtige KapitŠn" enthauptet und sein Kopf vor die FŸ§e seines siegreichen Sohnes geworfen werden. Der gekšpfte Leichnam wird an der Rah eines Schiffes aufgehŠngt. Von diesem Anblick geschockt, werden die UnterstŸtzer des tŸchtigen KapitŠns die Flucht ergreifen.

 

In 4/92/1 ist wieder vom "tŸchtigen KapitŠn" die Rede. Wir erfahren hier, dass dieser enthauptet werden wird. Geschehen wird das aus logischen GrŸnden erst nachdem seine letzte Zuflucht gefallen sein wird.

 

Sein abgeschlagener Kopf wird seinem Gegner vor die FŸ§e geworfen werden (zweite Zeile). Damit mŸsste sein eigener Sohn gemeint sein, der ihn ja gemŠ§ 4/83/4 belagert.

 

Der enthauptete Kšrper wird an der Rah eines Schiffes aufgehŠngt (Zeile drei), so dass er weithin sichtbar ist. Das kann auch als Hinweis darauf verstanden werden, dass es sich bei der letzten Bastion des tŸchtigen KapitŠns um eine Hafenstadt handelt. Vielleicht trŠgt diese Stadt auch ein Schiff im Wappen, so wie etwa La Rochelle oder Royan.

 

Das zur Schau Stellen des gekšpften Leibes wird zur Folge haben, dass "man" bestŸrzt flieht (vierte Zeile). "Man" - das sind vielleicht verbliebene AnhŠnger des tŸchtigen KapitŠns oder zu Hilfe eilende SeestreitkrŠfte, die Hals Ÿber Kopf kehrt machen und mit ihren Segelschiffen gegen den Wind rudernd das Weite suchen.

 

 

 

 

 

2/2

 

[1] La teste blue1) fera la teste blanche2)

[2] Autant de mal que France a fait leur bien.

[3] Mort a lÕanthenne3) grand pendu sus la branche4),

[4] Quand prins des siens le roy dira combien.5)

 

[1] Der blaue1) Kopf wird dem wei§en Kopf2)

[2] genauso viel Schlechtes [antun], wie Frankreich ihnen Gutes getan hat.

[3] Tot [ist] an der Rah3) [der] Gro§e aufgehŠngt, Ÿber dem Ast4),

[4] wenn der Kšnig sagen wird, wieviele [der] Seinen gefangen [wurden].5)

 

1) Die 1568er-Ausgaben von Dresden, Paris und Gregorio schreiben fŠlschlicherweise "glue".

2) Mit dem blauen und dem wei§en "Kopf" (hier = Oberhaupt, AnfŸhrer) sind aller Wahrscheinlichkeit nach die beiden Kšnige mit dem wei§en bzw. blauen Turban aus 9/73 gemeint. Mit diesem "blau" ist dabei wohl "persisch, iranisch" gemeint. Vgl. dazu das mittelfranzšsische "pers" (blau, blŠulich). Hier sei auch auf 6/80/4 verwiesen, wo "pers" direkt neben "bleux" (blau, blaue) steht. Mšglich wŠre allerdings auch, an das lat. "lividus" zu denken, das neben "blŠulich, blau" auch "neidisch, missgŸnstig" bedeutet. Dann hŠtte wir einfach einen neidischen Kšnig vor uns.

          "Wei§" steht wohl fŸr "osmanisch, tŸrkisch". Die osmanischen Sultane, deren Reich den Platz des untergegangenen Byzantinischen Reiches einnahm, trugen bis in die Zeit des Nostradamus wei§e Turbane bzw. wurden mit solchen abgebildet. Denkbar wŠre allerdings auch, dass die Farbe "Wei§" hier auf das lat. "candidus" abzielt, das neben "wei§" auch "lauter, treuherzig, redlich" bedeuten kann.

3) Die Rah (Rahe) ist eine Querstange am Mast, an der das Segel befestigt wird.

4) Unklar. "Sus la branche" bedeutet "auf/Ÿber/bei dem Ast". Interessant ist hier der Blick auf 3/14/1, wo vom "Zweig (= Nachkommen) der tŸchtigen Person" die Rede ist. Ich vermute, dass der "Ast" von 2/2/3 sinngemŠ§ dem "Zweig" aus 3/14/1 entspricht und denselben Nachkommen meint. Der "Gro§e" aus 2/2/3 wŠre demzufolge mit dem "unglŸcklichen Vater" aus 3/14/2 gleichzusetzen. Und dieser wiederum mit dem "tŸchtigen KapitŠn" aus 4/92. Der Umstand, dass der Tote hier Ÿber dem (seinem) Nachkommen aufgehŠngt wird, kšnnte so verstanden werden, dass beide Ÿbereinander tot zur Schau gestellt werden oder dass der Nachkomme lebend zum hingerichteten Vater hinaufblickt.

5) BRINDÕAMOUR, S. 197, und CLƒBERT, S. 215, verstehen die Zeile in obigem Sinne. Denkbar wŠre aber auch die †bersetzung: " wenn der Kšnig, [der] von den Seinen gefangen [wurde], sagen wird wieviel".

Wenn der "tŸchtige KapitŠn" tot an der Rah Ÿber seinem Sohn hŠngt wird ein Kšnig sagen, wieviele der Seinen gefangen wurden. Der iranische Herrscher wird dem tŸrkischen Herrscher  genauso viel Schlechtes antun, wie Frankreich beiden Gutes getan hat.

 

Die dritte Zeile dŸrfte die BrŸcke zu 4/92 schlagen. Wir erfahren hier, dass ein bereits toter "Gro§er" an der Rah eines Schiffes aufgehŠngt wird. Damit mŸsste der tŸchtige KapitŠn aus 4/83/1 und 4/92/1 gemeint sein. Neu erfahren wir in 2/2/3, dass er Ÿber dem "Ast" hŠngen wird.  Dieser "Ast" dŸrfte der Sohn sein, der entweder zum Leib des toten Vaters hochschaut oder selber unterhalb von diesem hŠngt, vgl. Anmerkung 4. Da der Sohn den Vater aber militŠrisch besiegt (vgl. oben), ist wohl die erste Variante zutreffend.

 

Zu diesem Zeitpunkt wird ein Kšnig bekannt geben, wieviele "der Seinen" gefangen wurden. Von welchem Kšnig hier die Rede ist und um wessen Angehšrige oder Gefolgsleute es sich handelt, ist leider nicht ersichtlich. Geht es um den neuen Kšnig von OrlŽans (4/61/4)?

 

In den ersten beiden Zeilen bezieht sich Nostradamus auf ein Geschehen, das sich wohl zeitgleich ereignen wird. Der iranische Herrscher ("blauer Kopf") wird dem tŸrkischen Herrscher ("wei§er Kopf") so viel Schlechtes antun, wie Frankreich den beiden Gutes getan hat. Was mit diesem "Schlechten" und "Guten" gemeint ist, erfahren wir hier leider nicht.

 

Die ErwŠhnung des iranischen und tŸrkischen Herrschers verbindet die Strophe mit 9/73.

 

 

9/73

 

[1] Dans Fois1) entrez4) Roy ceiulee2) Turban3),

[2] Et regnera moins5) reuolu Saturne6),

[3] Roy Turban blanc7) Bizance cÏur ban8),

[4] Sol, Mars, Mercure pres la hurne9).

 

[1] In Foix1) [wird der] Kšnig [mit dem] blauen2) Turban3) eingedrungen4) [sein].

[2] Und [dieser] wird weniger5) [lang] herrschen [als ein] Saturnumlauf6) [dauert].

[3] [Der] Kšnig [mit dem] wei§en7) Turban [aus] Byzanz [ist ein] Herrscher [im] Bann8).

[4] Sonne, Mars [und] Merkur werden nahe dem Wasserkrug9) [stehen].

 

1) Stadt in SŸdwestfrankreich, in der NŠhe von Andorra. Der Ort wird in 3/25, 5/100, 8/12, 8/39, 9/10, 9/63 und 9/73 erwŠhnt. Obwohl in allen 1568er-Ausgaben Foix (bzw. Fois) steht, korrigiert BRINDÕAMOUR, S. 198, zu Fez (Fs) in Marokko, was GRUBER, S. 244, Ÿbernimmt. Falls 8/39 (5.37), wo klar von SŸdwestfrankreich die Rede ist, zu obiger Strophe gehšren sollte, wŠre diese Umdeutung allerdings nicht nur unnštig sondern sogar falsch. Vgl. aber unten, Anmerkung 2!

          Die Grafschaft Foix lag sŸdlich der Grafschaft Toulouse und existierte von 1034 bis 1607. Foix gehšrte zu den Hochburgen der hŠretischen Katharer (Albigenser). Nach Beendigung des Albigenserkreuzzuges von 1209 bis 1229 durch den Frieden von Paris wurden die Grafen von Foix zu Vasallen des franzšsischen Kšnigs.

          Der VollstŠndigkeit halber sei hier als Alternative zum franzšsischen Foix noch auf den Fluss Foix in Katalonien verwiesen, der bei Cubelles (rund 50 km sŸdwestlich von Barcelona) ins Meer mŸndet.

2) Vgl. lat. "caeruleus" und "caeluleus" (blau in den verschiedensten Schattierungen, himmelblau). Mit diesem "blau" ist wohl "persisch, iranisch" gemeint. Vgl. dazu das mittelfranzšsische "pers" (blau, blŠulich). Hier sei auch auf 6/80/4 verwiesen, wo "pers" direkt neben "bleux" (blau, blaue) steht. Eine Strophe, in deren erster Zeile auch Fez (!) erwŠhnt wird.

3) Die 1568er-Ausgaben von Dresden, Paris und Gregorio schreiben "Turban", jene aus Grasse und Stockholm "Turbam", die anderen "Turbao". Hier scheint von einem iranischen Machthaber aus dem Orient die Rede zu sein. Mšglich wŠre allerdings auch, die Stelle "ceiulee Turban" ins lat. "livida turba" zu Ÿbertragen, wobei "lividus" neben "blŠulich, blau" auch "neidisch, missgŸnstig" und "turba" u. a. "Zornausbruch, Zank" bedeutete. Dann hŠtte wir einfach einen Kšnig vor uns, der einen neiderfŸllten Zornausbruch erlebt.

4) In allen 1568er-Ausgaben so geschrieben. Neben "entrŽ" kšnnte vielleicht auch "entrer" ([wird] eindringen) gemeint sein.

5) Oder auch denkbar: "mindestens".

6) Die 1568er-Ausgaben von Dresden, Paris und Gregorio zeigen "euolu Saturne". Wšrtlich bedeutet es jedenfalls: "[ein] umgelaufener Saturn". Der Saturn umkreist die Sonne in etwa 29,5 Jahren.

7) Die osmanischen Sultane, deren Reich den Platz des untergegangenen Byzantinischen Reiches einnahm, trugen bis in die Zeit des Nostradamus wei§e Turbane bzw. wurden mit solchen abgebildet.

          Denkbar wŠre allerdings auch, dass die Farbe "Wei§" hier auf das lat. "candidus" abzielt, das neben "wei§" auch "lauter, treuherzig, redlich" bedeuten kann.

8) Die Stelle " cÏur ban" ist unklar. GrundsŠtzlich ist festzuhalten, dass in dieser Zeile eine Silbe fehlt, vgl. BRINDÕAMOUR, S. 198. Doch welche und wo? BRINDÕAMOUR und ihm folgend GRUBER, S. 244, Šndern "cÏur" (Herz) in "vainqueur" (Sieger). Das ist mšglich, aber nicht zwingend. Denkbar wŠre etwa auch, dass dem "Byzanz" ein "de" (von, aus) vorangehen sollte und so den wei§en Turban genauer identifiziert. Zum erwŠhnten "Herz" gilt es auf  1/9/1 und 5/74/1 (beide 5.46) zu verweisen, wo das "Herz" als Synonym fŸr Kšnig oder Herrscher verwendet wird. "Ban" bedeutet u. a. "šffentliche Bekanntmachung, Versammlung, Verbannung". In 2/2 erfahren wir, dass der Herrscher mit dem blauen Turban dem mit dem wei§en Schlechtes antun wird. Mit Blick auf 9/73/3 kšnnte das z. B. so zu verstehen sein, dass der Blaue den Wei§en besiegt und in die Verbannung treibt. Oder sollte der persische Herrscher den osmanischen unter einen religišsen "Bann" stellen lassen?

9) Lat. "urna" (u. a. Wasserkrug). Damit ist hier wohl das Tierkreiszeichen Wassermann gemeint, vgl. BRINDÕAMOUR, S. 198, GRUBER, S. 244f. und CLƒBERT, S. 1032. Der Begriff der "Urne" taucht mit unterschiedlicher Bedeutung in 5/41/3, 8/29/3, 9/73/4 sowie10/50/2 u. 4 auf.

Der Herrscher des Iran wird in Foix (oder Fez?) stehen. Der Perser wird etwa 29 Jahre regieren. †ber den tŸrkischen Herrscher wird ein Bann (schiitische Fatwa?) verhŠngt. "Sonne", "Mars" und "Merkur" werden sich zu dieser Zeit nahe des "Wassermanns" befinden.

 

In der ersten Zeile treffen wir auf den iranischen Herrscher ("blauer Turban") und in der dritten Zeile auf den tŸrkischen Herrscher ("wei§er Turban"), die wir beide schon aus 2/2/1 kennen.

 

Der Iraner wird laut Zeile eins in Foix (oder doch Fez?) stehen und etwa 29 Jahre an der Macht sein (Zeile zwei).

 

†ber den Herrscher dieses "Osmanischen Reiches" (oder eines vergleichbaren Staatswesens) erfahren wir in der dritten Zeile, dass er in einem Bann stehen wird. Doch um welche Art von "Bann" kšnnte es sich handeln? Reichsbann (Reichsacht) oder Kirchenbann scheiden wohl eher aus, da der TŸrke sonst Untertan des Kaisers oder Katholik wŠre.

 

Wie in Anmerkung 8 ausgefŸhrt, kšnnte vielleicht der persische Herrscher den tŸrkischen Herrscher unter einen "Bann" stellen lassen. Das wŠre eher mšglich, da die Iraner wie die Osmanen Muslime sind.

 

Zur Zeit des Nostradamus kam es im Iran im religišsen Bereich zu einer folgenschweren Entwicklung. Um 1501 stŸrzte der schiitische Safi-Orden die iranischen Turkmenen-Herrscher. Es etablierte sich an deren Stelle die Safawiden-Dynastie (1501-1736), unter der das Land zwangsweise vom sunnitischen zum schiitischen Islam konvertiert wurde. Unter Schah Ismael I. (1501-1524) kam es dabei auch zum Konflikt mit den sunnitischen Osmanen. Die fŸr die Iraner gesamthaft verlustreichen Auseinandersetzungen mit den westlichen Nachbarn dauerten auch unter Ismaels Sohn und Nachfolger Tahmasp I. (1524-1576) an und konnten erst mit dem Frieden von Amasya (1555) fŸr drei§ig Jahre beigelegt werden.

 

Vor diesem Hintergrund kšnnte der "Bann" vielleicht einer schiitischen Fatwa entsprechen, die sich gegen den sunnitischen tŸrkischen Herrscher richtet.

 

In 9/73/4 erfahren wir, dass Sonne, Mars und Merkur in der NŠhe des Wassermanns sein werden. Das scheint eine astronomische Konstellation zu beschreiben. An dieser Stelle sei allerdings daran erinnert, dass bei Nostradamus die Gestirne auch fŸr Religionen, Personen und anderes stehen kšnnen. Die Sonne konkret fŸr das Christentum oder der Kriegsgott Mars fŸr den Krieg. "Merkur" taucht zudem in 5.58 (4/28, 4/29, 9/55, 5/93, 10/79) und 5.255 (10/75) auf und kšnnte dort einen franzšsischen Herrscher meinen, den Nostradamus mit Herzog Ludwig II. von Bourbon (1337-1410) vergleicht. Etwas unklarer ist der Wassermann. Er kšnnte einfach eine Zeitangabe sein (Januar/Februar) oder sich z. B. auf die Erdeinteilung des PTOLEM€US (Tetrabiblos 2,3) beziehen. Dem Wassermann zugeordnet wŠren dabei: Sauromatica (das osteurop. Tiefland von der Ostsee/Weichsel bis zur Wolga und zum Kaukasus), Oxiana (Land des Amudarja, d. h. Zentralasien zwischen Aralsee und der afghan.-chin. Grenze) und Sogdiana (nordšstl. von Oxiana im Grenzgebiet von Usbekistan, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan) sowie Arabia (arab. Halbinsel), Azania (KŸste vom Horn von Afrika bis Tansania) und "MittelŠthiopien".

 

 

7/1

 

[1] LÕARC1) du thresor2) par3) Achilles5) deceu4),

[2] Aux procreŽs6) sceu la quadrangulaire7):

[3] Au8) faict9) Royal le comment10) sera seu,

[4] Corps11) veu pendu au veu du populaire.

 

[1] DER BOGEN1) [bei der Stele] mit dem Schatz2) des3) betrogenen4) Achilles5) -

[2] den Nachgeborenen6) [wird] die viereckige7) [noch] bekannt [sein].

[3] Der8) kšniglichen Sache9) [wird der] Anschlag10) bekannt sein.

[4] [Der] Kšrper11) [wird] aufgehŠngt gesehen werden, vor den Augen des Volkes.

 

1) In der 1557er Ausgabe von Budapest/Moskau steht "LÕAC". "Arc" bedeutet "Bogen". Falls - mit Blick auf das "thresor" - "arche" gemeint sein sollte, hŠtten wir eine Kiste (Schatzkiste) vor uns. Wie aus dem Zusammenhang des Textes hervorgeht, ist hier aber ein architektonischer Bogen gemeint. Nostradamus bezieht sich in dieser Strophe wahrscheinlich auf das ihm bekannte ršmische Juliermonument nahe Saint-RŽmy-de-Provence, vgl. PRƒVOST, S. 167, GRUBER, S. 184, und CLƒBERT, S. 785f. Das Juliermonument ("Mausoleum") ist ein 18 Meter hohes Denkmal mit viereckigigem Grundriss. In frŸheren Zeiten wurde zu diesem Juliermonument fŠlschlicherweise auch der Triumphbogen gezŠhlt, der einige Meter nordšstlich davon steht und an den Nostradamus wohl gedacht hat.

          Das Mausoleum besteht aus drei Etagen, dem Sockel, dem Mittelteil und dem Oberteil. Der Sockel zeigt auf jeder Seite ein Relief mit einer historischen oder mythologischen Szene. Auf der nach Westen ausgerichteten Seite ist eine Szene aus dem Trojanischen Krieg abgebildet. Sie zeigt, wie um den Besitz des Leichnams des Patroklos gekŠmpft wird. Patroklos kŠmpfte bei Troja bekanntlich in der prŠchtigen RŸstung seines engen Freundes Achilles, fiel aber durch Hektor. Der Mittelteil des Monuments besteht aus vier Torbšgen. So befindet sich Ÿber jedem der vier Reliefs ein eigener Bogen. †ber einem dieser Bogen lesen wir die Inschrift: "SEX. L. M. IVLIEI. C. F. PARENTIBUS. SVEIS." (Sextus, Lucius und Marcus, die Sšhne von Gaius Julius, [haben dieses Monument] ihren Eltern [gewidmet].) Vgl. dazu 5/57 und 4/27 (beide 5.151). Den Oberteil des Denkmals bildet ein kleiner SŠulenrundbau mit Dach.

2) Schon im Mittelfranzšsischen konnte der Begriff "Schatz" neben materiell wertvollen GegenstŠnden auch eine Person bezeichnen, die einem gefŸhlsmŠ§ig viel bedeutet. Hier dŸrfte AchillesÕ "Liebling", sein enger Freund Patroklos gemeint sein, vgl. Anmerkung 1.

3) Im Mittelfranzšsischen weist die PrŠposition "par" ein grš§eres Bedeutungsspektrum auf als heute. Sie lŠsst sich u. a. auch mit "durch, wegen, von" Ÿbersetzen. SinngemŠ§ mŸsste es hier "de" bzw. "dÕ" hei§en.

4) "Deceu" bedeutet "getŠuscht, betrogen", so dass wir hier einen betrogenen Achilles vor uns haben. CLƒBERT, S. 785, setzt dieses Adjektiv mit "tot" gleich, was sich mir nicht erschlie§t. Der "betrogene Achilles" spielt dabei auf ein Geschehen wŠhrend des Trojanischen Krieges an: Nach der Eroberung der Stadt Lyrnessos durch die Griechen erhielt Achilles die Kšnigstochter Briseis als Sklavin und Konkubine zugesprochen. Allerdings nahm sie ihm der AnfŸhrer der Griechen, Agamemnon, spŠter weg. Der um seine Beute betrogene Achilles zog sich daraufhin zornig aus dem Kampf um Troja zurŸck. Erst der Tod des Patroklos (vgl. dazu Anmerkungen 1 und 2) bewog den gro§en Held der Griechen - zum Zweck der Rache an Hektor -, wieder am Krieg teilzunehmen.

5) Achilles war einer der griechischen Helden vor Troja. Er war unverwundbar, bis auf seine schwache Stelle an der Ferse, die "Achillesferse". In einem Zweikampf tštete er den Trojaner Hektor. Achilles selbst wurde vom trojanischen Prinzen Paris mit einem Pfeil getštet, den Gott Apollo ins Ziel fŸhrte. Achilles wurde nach seinem Tod vor Troja verbrannt. Seine Knochen wurden anschlie§end in einem aus Gold und Silber gehauenen Kasten bestattet. Diesen kšnnte man vielleicht auch als "Schatzkiste des Achilles" bezeichnen, vgl. Anmerkung 1.

6) Oder: "Geborenen, Erzeugten".

7) Mit dieser "Viereckigen" ist vermutlich das Juliermonument gemeint, das einen viereckigen Grundriss besitzt. Das weibliche Geschlecht kšnnte sich dadurch erklŠren, dass Nostradamus hier an das griech. "stele" (u. a. GrabsŠule, GedenksŠule, EhrensŠule) bzw. das lat. "stela" (GrabsŠule) gedacht hat.

8) Oder auch: "von der".

9) "Sache, Tat, Handlung" im weitesten Sinne.

10) Vgl. lat. "commentum" (auch "ErzŠhlung, Erdichtung" usw.).

11) Die 1568er-Ausgaben von Schaffhausen, Mejanes und Perugia schreiben fŠlschlicherweise "cors". An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass "corps" neben "Kšrper" gerade auch den Leichnam, die sterblichen †berreste eines Menschen bezeichnen kann.

Dann, wenn die Leiche des "tŸchtigen KapitŠns" vor aller Augen aufgehŠngt sein wird, wird beim Juliermonument in Saint-RŽmy-de-Provence etwas geschehen. Ein Anschlag wird der "kšniglichen Sache" bekannt sein.

 

In der vierten Zeile erfahren wir, dass ein Kšrper (wohl ein Leichnam, vgl. Anmerkung 11) aufgehŠngt und dem Volk zur Schau gestellt wird. Das ist wohl eine Parallele zu 4/92/3 und 2/2/3 und verortet damit die Strophe im zeitlichen Ablauf.

 

In 7/1/1f. wird eine Ortsangabe mitgeteilt. Nostradamus spricht wahrscheinlich vom Triumphbogen beim Juliermonument nahe Saint-RŽmy-de-Provence. Bei diesem Triumphbogen wird etwas zu jener Zeit geschehen, wenn der tote Kšrper des oben erwŠhnten tŸchtigen KapitŠns šffentlich zur Schau gestellt wird. Doch was?

 

Interessant ist hier 5.151. Dort erfahren wir, dass "Herkules" von Leuten aus der Gegend von Saint-RŽmy-de-Provence und Tarascon gefangen genommen und dann beim Sextus-Mausoleum (Juliermonument) auf entehrende Art und Weise an Leute aus der Bigorre weitergereicht wird.

 

Unklar ist im Augenblick noch Zeile 7/1/3. Welcher "Anschlag" ist hier gemeint? Und was ist die "kšnigliche Sache"? Bezieht sich die Zeile vielleicht auf die VorgŠnge um "Herkules"? Von einem Kšnig von OrlŽans kšnnte in 4/61/4 die Rede sein.

 

 

ZurŸck / ZurŸck zur Startseite