5.17  "Nero"
 

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7/32 - 9/76 - 6/67 - 9/53 - 5/59 - 6/32

7/32  

Du mont Royal1) naistra d’vne casane2),
Qui3) caue4), & compte5) viendra tyranniser
Dresser copie6) de la marche7) Millane,
Fauene8), Florence d’or & gens espuiser.9)

In Montréal1) wird [er] von einer Hüttenbewohnerin2) geboren werden.
[Er,] der3) gräbt4) und zahlt5) wird kommen, [das Land] zu tyrannisieren.
Truppen6) [wird man] im Mailänder Grenzland7) aufstellen,
[um] Faenza8) [und] Florenz von Gold und Menschen [zu] leeren.9)
1) Wörtlich: "Vom/am königlichen Berg". Es gibt einige Orte innerhalb und außerhalb Frankreichs, die hier gemeint sein könnten. In Südwestfrankreich finden wir ein Montréal 44 km südwestlich von Agen und ein Montréal 17 km westlich von Carcassonne. Ebenfalls in Südwestfrankreich lag Montréal-de-Sos, eine Burg und Siedlung der Grafen von Foix, die allerdings bereits im Mittelalter aufgegeben worden sind. Die Burgruine liegt zwischen den Ortschaften Auzat, Vicdessos und Olbier, etwa 24 km südwestlich von Foix und unweit von Andorra entfernt. Ein Réalmont liegt etwa 62 km nordöstlich von Toulouse. Im südlichen Frankreich gibt es ein Montréal 36 km westlich und ein Montréal-les-Sources 47 km südöstlich von Montélimar. Des weiteren finden wir im nördlichen Frankreich ein Montréal 45 km südöstlich von Auxerre und ein Montréal-la-Cluse rund 45 km westlich von Genf. In Spanien gibt es ein katalanisches Montreal (Mont-ral) etwa 20 km südwestlich von Barcelona und ein baskisches Monreal etwa 20 km südöstlich von Pamplona. Italien bietet drei Kandidaten an: ein Monreale auf Sizilien, nur wenige Kilometer südwestlich von Palermo, ein ebenfalls sizilianisches Realmonte etwa 10 km westlich von Agrigent und ein Montereale in den Abruzzen, rund 25 km nordwestlich von L’Aquila. Ein portugiesisches Monte Real liegt etwa 10 km nordwestlich von Leiria. Im südwestlichen Jordanien steht zudem die ehemalige Kreuzritterburg Montreal.
2) Hier ist anscheinend von einer Frau, der Mutter des Machthabers aus der zweiten Zeile die Rede. "Casane" dürfte wohl auf das lat. "casa" (Hütte, Garten- oder Laubhaus) zurückgehen und eine Hüttenbewohnerin, eine Frau einfacher Herkunft meinen. Sollte das Gebäude gemeint sein, könnte es sich bei "casane" um einen simplen Druckfehler für "cabane" (Hütte, Häuschen) handeln. In diesem Fall wäre die Stelle so zu verstehen, dass der Herrscher der zweiten Zeile aus einer solchen Hütte stammen wird.
3) Oder hier ist von der Hüttenbewohnerin der ersten Zeile die Rede: "In Montréal wird [er] von einer Hüttenbewohnerin geboren werden, die gräbt und zahlt. [Er] wird kommen, [das Land] zu tyrannisieren."
4) Oder: "ausgraben". Hier dürfte die Arbeit im Garten oder auf dem Feld gemeint sein, bei der Rüben und andere Feldfrüchte ausgegraben werden.
5) "Compter" bedeutet im Mittelfranzösischen neben "rechnen, zählen" auch "zahlen". Hier ist wohl gemeint, dass es sich bei diesem Herrscher (oder dessen Mutter) um jemanden handelt, der Pacht oder sonstige Abgaben für das bewohnte und bebaute Land zu bezahlen hat.
6) Vgl. lat. "copiae" (Truppen).
7) Oder überhaupt: "Region, Provinz, Land".
8) Norditalienische Stadt in der südöstlichen Poebene (vgl. lat. Faventia).
9) Oder auch genau umgekehrt: "[Um] Truppen im Mailänder Grenzland aufzustellen, [wird man] Faenza [und] Florenz von Gold und Menschen leeren."


In Montréal wird in einfachen Verhältnissen ein Tyrann ("Nero"?) geboren. Im Gebiet von Mailand wird ein Krieg gegen Faenza und Florenz vorbereitet.

In den ersten beiden Zeilen ist von der Geburt eines tyrannischen Herrschers die Rede. Er dürfte in einem Ort namens Montréal geboren werden. Eine Ortsbezeichnung, für die es nur schon in Frankreich mehr als ein halbes Dutzend mögliche Kandidaten gibt, vgl. Anmerkung 1. Dieser Tyrann wird aus einfachen, vielleicht sogar ärmlichen Verhältnissen stammen. Er (oder seine Mutter, vgl. Anmerkungen 2 und 3) scheint aus der wohl grundbesitzlosen Landbevölkerung zu stammen, vgl. Anmerkungen 4 und 5. Sollte in den ersten beiden Zeilen der Stand der Mutter thematisiert werden, könnte das vielleicht ein Hinweis darauf sein, dass der Tyrann ohne Vater aufwachsen wird, von dem in 7/32 jede Spur fehlt.

Mit dem Tyrannen aus 7/32 könnte der neue "Nero" gemeint sein, von dem wir in 9/76 erfahren, dass er offensichtlich ebenfalls aus sehr einfachen Verhältnissen stammen wird. Der historische Nero wurde nachhaltig von seiner Mutter Iulia Agrippina minor geprägt und gefördert, die er allerdings im Jahr 59 ermorden ließ. Sollte in 7/32 in so auffälliger Weise nur von der Mutter des Tyrannen die Rede sein, könnte dies als ein Hinweis auf sein historisches Pendant - Nero - aufgefasst werden.

In der dritten und vierten Zeile von 7/32 ist von Vorgängen in Italien die Rede. Es scheinen ein Krieg vorbereitet und dazu im Gebiet von Mailand Truppen aufgestellt zu werden. Die Angriffsziele werden dabei Faenza und Florenz sein (vgl. aber Anmerkung 9). Ob die Entwicklungen in Italien zu den Aktivitäten gehören, die "Nero" später entfalten wird oder ob sie bloß zur Zeit seiner Geburt stattfinden, ist hier leider nicht ersichtlich.


9/76  

Auec le noir2) Rapax1) & sanguinaire,
Yssu du peaultre3) de l’inhumain Neron4),
Emmy deux fleuues main gauche militaire,
Sera murtry par Ioyne chaulueron5).

Mit dem reißenden1) und blutrünstigen Schwarzen2)
[wird er] dem Strohlager3) des unmenschlichen Nero4) entsprungen [sein].
In der Mitte zweier Flüsse [wird er zur] linken, kriegerischen Hand
vom jungen Kessel5) ermordet werden.
1) Lat. "rapax" (reißend, unaufhaltsam).
2) Oder: "Bösartigen", vgl. lat. "niger" (schwarz; boshaft, tückisch, böse).
3) "Peaultre" bedeutet im Mittelfranzösischen u. a. "Schlechtes Bett, Strohlager; Bordell". Falls hier ein Strohlager gemeint sein sollte, könnte das heißen, dass "Nero" selber aus sehr einfachen oder gar ärmlichen Verhältnissen stammen wird. Verhältnisse, aus denen auch die in 9/76 erwähnte Person zu kommen scheint. Das mittelfranzösische "peaultre" bezeichnet allerdings auch eine Zinn-Blei-Legierung, was eine Verbindung zu "Neros" Ofen (Schmelzofen?) aus 9/53 wäre. Festzuhalten wäre in diesem Fall, dass das Zinn dem Jupiter und das Blei dem Saturn zugeordnet wird. Bei Nostradamus kann Saturn jedoch auch für die Juden stehen, was wiederum eine Verbindung zur in 9/53 verarbeiteten Erzählung aus dem Buch Daniel wäre.
4) Kaiser Nero (54 - 68) ließ die letzten Jahre seiner Herrschaft zur reinen Willkürherrschaft ausarten. Er gab die Ermordung seiner Mutter, seiner ersten Frau und anderer bedeutender Persönlichkeiten in Auftrag. Der Brand von Rom wurde ihm später zugeschrieben. Unter seiner Herrschaft wurden zudem Petrus und Paulus in oder bei Rom hingerichtet. Kaiser Nero wurde unter dem Namen Lucius Domitius Ahenobarbus geboren. Der "Nero" des Nostradamus könnte also mit "Aenobarbus" identisch sein, den wir etwa aus 5/45 (5.23, 5.173) kennen.
5) Der Begriff "chaulveron" ist nicht eindeutig geklärt. LE PELLETIER sieht hier die altfranzösische Bezeichnung für einen legitimen Erben eines Lehens, LEONI eine nostradamische Sonderform von "chauve" (kahlköpfig, vgl. lat. "calvus"). Wenn wir uns nach historischen Vorbildern für diesen "Kahlkopf" umsehen, kommen dafür z. B. Caius Licinius Calvus Stolo oder Gnaeus Cornelius Scipio Calvus in Frage. Der erste gehört in die Zeit der Beilegung des römischen Ständekampfes. Er setzte z. B. durch, dass einer der beiden Konsuln Plebejer zu sein hatte und begrenzte den Grundbesitz aus Staatsland (licinisch-sextische Gesetze, 367/66 v. Chr.). Scipio Calvus war römischer Konsul zur Zeit des zweiten Punischen Krieges. Er und sein Mitkonsul (M. Claudius Marcellus) eroberten das Insubrerland und nahmen 222 v. Chr. Mailand ein. Auf eine andere Spur verweist CLÉBERT, S. 1036. "Chaulveron" könnte ein falsch gedrucktes "chaulderon" sein. "Chauderon" bedeutet " Kochkessel, Dampfkessel". Mit jemandem, den Nostradamus hier als "(Koch)kessel" bezeichnet, wäre dann wohl sein neuer "Nero" gemeint, der gemäß 9/53 drei lebende Jünglinge in einen oder mehrere Öfen werfen ("braten") lässt. Übertragen wir "Kessel" ins Griechische bzw. Lateinische, erhalten wir wohl weitere Hinweise auf die Identität dieses "Kochgeschirrs": das griech. "chalkeion" bedeutet eigentlich "das Eherne, das Kupferne", das lat. "a(h)enum" "das Kupferne, das Bronzene". Und somit wären wir wieder beim Kupfer- oder Bronzebart Aenobarbus - "Nero" (vgl. 5.23: 5/45).


"Nero" ermordet jemanden, der vom selben Strohlager stammt wie er selber.

In Strophe 9/76 geht es um die Ermordung einer Person. Den beiden ersten Zeilen ist zu entnehmen, dass diese (wie die u-Endung von "Yssu" verrät) männliche Person offenbar dieselbe Herkunft haben wird wie Nostradamus’ neuer "Nero". Dabei ist wohl der "reißende und blutrünstige Schwarze" aus der ersten Zeile mit dem "unmenschlichen Nero" aus der zweiten Zeile identisch. Eine mögliche Parallele findet sich in 9/41/4 (5.23), wo von einem "schwarzen Herzog/Anführer mit roter Feder" die Rede ist, der ebenfalls mit "Nero" identisch sein könnte. Da "Nero" gemäß 9/76 aber aus einfachen oder sogar ärmlichen Verhältnissen zu stammen scheint (vgl. Anmerkung 3), ist in der erwähnten Stelle aus 9/41/4 wohl eher von einem Anführer denn von einem echten Herzog die Rede.

In der dritten und vierten Zeile von 9/76 erfahren wir Näheres über die Ermordung der Person aus 9/76/2. Sein Mörder ist wohl "Nero", den unser Seher etwas scherzhaft als "Kessel" bezeichnen dürfte, vgl. Anmerkung 5. Sollten der "junge Kessel" (man vergleiche hier den Ausdruck "junger Nero" aus 9/53/1) und der Ermordete vielleicht Brüder sein, da beide vom selben Strohlager stammen? Hierzu erfahren wir in 9/76 leider nichts.

Der dritten Zeile ist zu entnehmen, dass das Mordopfer anscheinend "in der Mitte zweier Flüsse" sterben wird. Diese Beschreibung passt zu Mesopotamien, dem Zweistromland. Und dazu, dass "Nero" in 9/53 mit dem babylonischen Herrscher Nebukadnezar II. verglichen wird. Der Mord dürfte sich also im Machtbereich "Neros" ereignen. Ob hier aber geografisch tatsächlich vom Nahen Osten die Rede ist, ist mindestens zweifelhaft, denn bei "Nero" scheint es sich eher um einen französischen denn orientalischen Akteur zu handeln (vgl. 5.23). Noch nicht einzuordnen ist die Angabe "zur linken, kriegerischen Hand". Sollte hier gemeint sein, dass das Opfer von der linken kriegerischen Hand des "Nero" getötet wird? Und falls ja, was sollte das konkret bedeuten?























6/67  

Au grand Empire1) paruiendra tout vn aultre
Bonté2) distant plus de felicité3):
Regi par vn issu non loing du peaultre4),
Corruer regnes5) grande infelicité.6)

An die große Herrschaft1) wird ein ganz Anderer gelangen,
[der von der] Güte2) entfernt [ist und] noch weiter vom materiellen Glück3).
Regiert [werden wird sie] von einem, [der] nicht weit vom Strohlager4) entfernt
entsprungen [ist].
Länder5) [werden] zugrunde gehen [und] großes Unglück [wird] herrschen.6)
1) Das mittelfranzösiche "empire" bedeutet u. a. "Reich, Herrschaft, Macht", das lat. "imperium" "Reich, Herrschaft, Regierung, Befehlsgewalt" usw. Das zugeordnete Adjektiv "groß" ist wohl einmal mehr als "französisch" zu verstehen (vgl. auch 5.23: 1/32, 5/45).
2) Im Sinne von "Rechtschaffenheit, Vorzüglichkeit" aber auch von "Herzensgüte, Gutmütigkeit".
3) Neben "Glückseligkeit" bezeichnet das mittelfranzösische "felicité" besonders das irdisch-materielle Glück, d. h. Reichtum und Wohlstand.
4) "Peaultre" bedeutet im Mittelfranzösischen u. a. "Schlechtes Bett, Strohlager; Bordell". Vgl. 9/76, Anmerkung 3.
5) Oder auch: "Königreiche, Herrschaften".
6) Falls "corruer" im Sinne des lat. "corruere" (u. a. jemanden ins Verderben stürzen) verwendet wurde, könnte hier auch gemeint sein, dass der Herrscher der ersten drei Zeilen für den Niedergang der Länder und das große Unglück verantwortlich ist.



Ein bösartiger Machthaber aus einfachen Verhältnissen regiert Frankreich. Länder werden zugrunde gehen und großes Unglück wird herrschen.

In 6/67 geht es wohl um die Macht in Frankreich, vgl. Anmerkung 1. Interessant ist dabei die dritte Zeile. Dort erfahren wir, dass Frankreich ("sie", d. h. die große Herrschaft der ersten Zeile) offenbar von jemandem regiert werden wird, der nicht weit vom Strohlager ("peaultre") entfernt entsprungen ist. Das verbindet den Vierzeiler mit 9/76, wo wir erfahren, dass der unmenschliche "Nero" und ein ihm wohl Nahestehender (Bruder?) demselben Strohlager ("peaultre") entstammen. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass "Nero" in Zusammenhang mit Frankreich auftaucht (vgl. 5.23).

Zu "Nero" passt auch die Beschreibung aus 6/67/2. Der in 9/76/2 als unmenschlich bezeichnete "Nero" dürfte tatsächlich weit von der Güte, d. h. Rechtschaffenheit oder Herzensgüte (vgl. Anmerkung 2), entfernt sein. Und die erwähnte große Distanz zum materiellen Glück stimmt mit der einfachen oder gar ärmlichen Herkunft überein.

Was allenfalls gegen die Identifizierung mit "Nero" sprechen könnte, ist der Umstand, dass laut 6/67/3 der neue Herrscher seinen Ursprung "nicht weit vom Strohlager entfernt" haben wird, währenddem "Nero" gemäß 9/76/2 von eben diesem stammt. Es ist aber durchaus möglich, dass Nostradamus hier einfach die dichterische Freiheit beansprucht oder schlicht ungenau gearbeitet hat.

In 6/67/1 wird der neue Herrscher Frankreichs - wohl "Nero" - als "ein ganz Anderer" bezeichnet. Das könnte den großen charakterlichen Unterschied meinen, der zwischen dem neuen Herrscher und seinem Vorgänger bestehen wird. Oder man rechnet zunächst damit, dass eine ganz andere Person die Macht in Frankreich erringen wird. Der Aufstieg "Neros" wäre in diesem Fall wohl eher eine Überraschung.

Laut Zeile vier werden Länder zugrunde gehen und großes Unglück wird herrschen. Das könnte die direkte Folge von "Neros" Herrschaft sein, vgl. Anmerkung 6. In diesem Fall hieße das, dass "Nero" nicht nur im nationalen (französischen) sondern auch im internationalen Rahmen agieren wird. Das würde allerdings zu 5/59 passen, wo wir erfahren, dass ein englischer Anführer dem Aenobarbus ("Nero") bei Spanien zu Hilfe eilen wird.




9/53  

Le Neron2) ieune1) dans les trois cheminees
Fera de paiges3) vifz pour ardoir getter,
Heureux qui loing sera de telz menees,
Trois de son sang le feront mort guetter.4)

Der junge1) Nero2) [wird] in die drei Kamine
lebende Jünglinge3) zum Verbrennen werfen lassen.
Glücklich [ist], wer fern von solchen Umtrieben sein wird.
Drei von seinem Blut werden ihn [den] Tod erblicken lassen.4)
1) Falls Nostradamus hier an das griech. "neos" (u. a. jung, neu) gedacht hat, könnte auch einfach vom "neuen Nero" die Rede sein.
2)Kaiser Nero (54 - 68) ließ die letzten Jahre seiner Herrschaft zur reinen Willkürherrschaft ausarten. Er gab die Ermordung seiner Mutter, seiner ersten Frau und anderer bedeutender Persönlichkeiten in Auftrag. Der Brand von Rom wurde ihm später zugeschrieben. Unter seiner Herrschaft wurden zudem Petrus und Paulus in oder bei Rom hingerichtet. Kaiser Nero wurde unter dem Namen Lucius Domitius Ahenobarbus geboren. Der "Nero" des Nostradamus könnte also mit "Aenobarbus" identisch sein, den wir etwa aus 5/45 (5.23, 5.173) kennen.
3) Oder: "Pagen". Pagen waren junge Adlige, die an den Fürstenhöfen dienten. Unser Seher vergleicht hier seinen "jungen Nero" mit dem babylonischen König Nebukadnezar II. (604 - 562 v. Chr.), der die Juden in die Babylonische Gefangenschaft geführt hat. Im dritten Kapitel des Buches Daniel wird die Geschichte von den drei jungen Männern im Feuerofen erzählt: Nebukadnezar hatte ein goldenes Standbild errichten lassen, das anzubeten war. Drei Juden, denen Nebukadnezar die Verwaltung der Provinz Babel anvertraut hatte, Schadrach, Meschach und Abed-Nego, verweigerten jedoch die Anbetung des Standbildes und wurden daraufhin zur Strafe lebendig in einen großen glühenden Feuerofen geworfen. Doch Gott schickte ihnen einen Engel, der die Flammen aus dem Ofen vertrieb, so dass die Hitze ihnen nichts anhaben konnte. Daniel überliefert auch das Dankgebet eines der drei Juden. Darin wird Nebukadnezar als Strafe Gottes für die Sünden des Volkes Israel (Dan 3,28-30) und als ungerechter und schlimmster König der ganzen Welt bezeichnet (Dan 3,32). Als Nebukadnezar dieses Wunder sah, begnadigte er die drei Juden und erkannte in ihrem Gott den höchsten aller Götter (Dan 3,96 u. 99). Dass die drei erwähnten Juden als Pagen an den Hof Nebukadnezars kamen, erfahren wir in Daniel 1,3-7. Anders als Daniel nennt Nostradamus allerdings nicht die Anzahl der Jünglinge, spricht dafür jedoch statt von einem Ofen von gleich drei Kaminen (die allerdings alle zu einem einzigen großen Ofen gehören könnten).
4) Oder auch: "Drei von seinem Blut werden ihm auflauern, um ihn zu töten (vgl. CLÉBERT, S. 1011 u. GRUBER, S. 166).


"Nero" wird Gemeinsamkeiten mit Nebukadnezar II. haben. Sterben wird er durch drei seiner Familienangehörigen.

In den ersten beiden Zeilen ist wieder vom neuen "Nero" die Rede. Wir erfahren, dass er offensichtlich noch jung sein wird, wenn er an die Macht gelangt (vgl. aber Anmerkung 1). Nostradamus vergleicht ihn in der zweiten Zeile mit Nebukadnezar II., der für die Babylonische Gefangenschaft der Juden verantwortlich war (vgl. Anmerkung 3). Eine mögliche Verbindung zwischen Nebukadnezar II. und Kaiser Nero könnte darin gesehen werden, dass der Babylonier den Tempel in Jerusalem zerstörte und dass während Neros Regierungszeit der Jüdische Krieg (66 - 70/74) ausbrach, bei dem der Jerusalemer Tempel endgültig zerstört wurde (70). Sollte Nostradamus’ "Nero" vielleicht gegen die Juden oder den jüdischen Staat Israel vorgehen?

In 9/76/2 wird "Nero" als unmenschlich beschrieben. In diesem Zusammenhang ist wohl auch 9/53/3 zu verstehen, wo unser Seher denjenigen glücklich nennt, der fern von den (grausamen) Umtrieben des neuen "Neros" sein wird.

Zeile vier von 9/53 dürfte beschreiben, wie "Nero" enden wird: Drei von seinem Blut (wahrscheinlich drei Familienangehörige) werden ihn ermorden.





5/59  

Au chef Anglois à Nymes trop seiour1),
Deuers2) l’Espaigne au secours Aenobarbe3):4)
Plusieurs5) mourront par Mars6) ouuert ce iour,
Quant en Artois7) faillir estoille en barbe8).

Dem englischen Anführer in Nîmes [wird das dort ein] zu lange dauernder
Aufenthalt1) [sein].
Bei2) Spanien [wird er dem] Aenobarbus3) zu Hilfe [eilen].4)
Viele5) werden sterben durch [den] Krieg6), [der] an jenem Tag beginnt,
wenn im Artois7) der Stern mit Bart8) [herunter] fallen [wird].
1) Oder auch: "[eine] zu große Ruhe [sein]".
2) Oder auch: "mit".
3) Im alten Rom gab es die Familie der A(h)enobarbi (eigentlich: "Rotbärte", "bronzefarbene   Bärte"). Bekannte Vertreter dieser Gens waren Cn. Domitius Aenobarbus, der die Allobroger besiegte und 120 v. Chr. die Via Domitia anlegte, L. Domitius Aenobarbus, ein Feldherr des Pompeius und Kaiser Nero.
4) Oder umgekehrt: "Bei Spanien [wird ihm] Aenobarbus zu Hilfe [eilen]."
5) Oder auch: "mehrere".
6) Der römische Kriegsgott Mars dürfte hier einfach für "Krieg" stehen. Man könnte die Zeile aber auch so übersetzen: "Viele werden sterben im März, [der] an jenem Tag beginnt".
7) Ehemalige Provinz im äußersten Norden Frankreichs mit der Hauptstadt Arras. Zur Zeit des Nostradamus gehörte das Artois Österreich.
8) Lat. "stella barbata" (wohl nach "stella crinita" oder "stella comata") meint einen Kometen. Falls er tatsächlich auf der Erde einschlagen sollte, hätten wir einen Meteor bzw. Meteoriten vor uns. Da explizit von einer bestimmten Region (dem Artois) die Rede ist, ist wohl kein gewöhnlicher Komet gemeint (ein solcher ist kaum bloß in einem bestimmten Gebiet sichtbar). Vielmehr dürften wir tatsächlich einen Meteoriteneinschlag vor uns haben.


Aus Nîmes kommt ein englischer Anführer "Nero" bei Spanien zu Hilfe. Ein verlustreicher Krieg beginnt, wenn im Artois ein Meteorit vom Himmel fällt.

In der zweiten Zeile taucht Aenobarbus, d. h. wohl "Nero" auf. Er scheint ein Verbündeter des englischen Anführers zu sein, der sich gemäß Zeile eins zuvor in Nîmes aufhalten wird (vgl. Anmerkung 4). 5.23 berichtet sowohl von "Nero" als auch von den Engländern, die in Frankreich aktiv sein werden, weshalb 5/59 in diesen Kontext gehören dürfte. Der Engländer wird Aenobarbus nahe Spanien zu Hilfe eilen. Es kann angenommen werden, dass es dabei um eine militärische Auseinandersetzung gehen wird. Doch gegen wen?

Der zweite Teil des Vierzeilers sagt den Ausbruch eines Krieges voraus (vgl. Anmerkung 6), dem viele zum Opfer fallen werden. Ob dabei der Kampf des Aenobarbus und des Engländers bei Spanien gemeint ist, lässt sich im Augenblick leider noch nicht sagen.

Laut Zeile vier wird der Krieg an einem Tag beginnen, an dem im Artois ein Meteorit einschlägt. Meteoriten gehören seit alters her zum Inventar der himmlischen Vorzeichen und verursachten als solche Aufsehen. So schlug etwa 1492 beim elsässischen Ensisheim ein Meteorit ein, dem dank eines Flugblattes von Sebastian Brant große Beachtung zuteil wurde. Näheres zum Artois-Meteoriten erfahren wir nicht. Da das Artois während des Hundertjährigen Krieges (vgl. 5.23: 3/49, 3/93 u. 8/52) von den Engländern kontrolliert wurde, könnte der Meteorit hier vielleicht als schlechtes Omen für die Engländer interpretiert werden.













6/32  

Par trahyson de verges1) à mort battu,
Prins surmonté sera par son desordre2):
Conseil4) friuole3) au5) grand captif sentu6),
Nez par fureur7) quant8) Berich9) viendra mordre10).

Wegen [des] Verrates [wird er] mit Ruten1) totgeschlagen [werden].
Gefangen [und] besiegt werden wird [er] wegen seiner Sittenlosigkeit2).
[Ein] leichtfertiger3) Plan4) [wird] vom5) großen Gefangenen versucht6) [worden sein].
[Die] Nase [wird] im Wahn7) [sein], wenn8) "Berich"9) kommen wird zuzubeißen10).
1) In den Ausgaben von 1557 steht hier: "de vers gens" (den Leuten gegenüber, bei den Leuten).
2) "Desordre" ("Unordnung" im weitesten Sinne) bedeutet im Mittelfranzösischen auch "Sittenlosigkeit, Zerfall der Sitten".
3) Auch: "armselig, wertlos", vgl. lat. "frivolus".
4) "Conseil" bedeutet im Mittelfranzösischen neben "Rat, Ratschlag; Ratsversammlung" u. a. auch "Plan, Absicht". Gemäß CLÉBERT, S. 716, zudem auch "Anwalt, Advokat".
5) "Au" kann im Mittelfranzösischen dem heutigen "du" entsprechen. Ansonsten ließe sich die Zeile auch so verstehen, dass man versuchen wird, einen leichtfertigen Plan am großen Gefangenen zu verwirklichen.
6) "Sentu" ist eine altertümliche Form für "senti". Das mittelfranzösische "sentir" bedeutet neben "fühlen" u. a. auch "wahrnehmen, ahnen, vorausahnen; ausprobieren, ausloten".
7) Oder auch: "Wut, Zorn".
8) Lies: "quand". Als "quant" (was ... angeht) verstanden, könnte die Zeile etwa mit "Die Nase wird, was 'Berich' angeht, mit Zorn kommen um zuzubeißen" übertragen werden.
9) In den Ausgaben von 1557 steht hier "Begich", was CLÉBERT, S. 716, als "Belgich" (Belgique) versteht. Von einem tyrannischen belgischen Fürsten wäre in 5.194 die Rede, von einem römischen und belgischen König in 5.47 (5/13). Falls "Berich" gemeint sein sollte, bezieht sich der Begriff wohl auf das Herzogtum Berry in Zentralfrankreich (Hauptstadt Bourges) und ist entweder als verkürztes "Berrichon" (vgl. LE PELLETIER) oder als Neologismus ("Berique") zu verstehen. Der Titel eines Herzogs von Berry wurde in der französischen Königsfamilie vergeben. Als historische Vorbilder kämen hier v. a. Johann von Berry (1360 - 1416) und König Karl VII. (Herzog von 1417 - 1461) in Frage. Johann regierte zusammen mit seinen zwei Brüdern in den Jahren 1380 bis 1388 anstelle des noch minderjährigen Karls VI. Frankreich. Nachdem Karl VI. 1392/93 einer psychischen Erkrankung anheimgefallen war, übernahmen wieder die drei Onkel des Königs die Regentschaft. Ein Triumvirat, in dem Johann allerdings den geringsten Einfluss besaß. 1416 starb Johann von Berry. Der Sohn König Karls VI., Johann von Valois, erhielt nun das Herzogtum, wurde jedoch bereits 1417 ermordet. Der spätere König Karl VII. erhielt 1419 den Titel eines Herzogs von Berry. Ein Jahr zuvor wurde Karl von den Anhängern des Herzogs von Burgund aus Paris vertrieben und residierte von da an in Bourges. 1419 ließ Karl den Herzog von Burgund, Johann Ohnefurcht, ermorden, worauf Nordfrankreich den Engländern zufiel, gegen die Frankreich seit 1339 im Hundertjährigen Krieg stand. Nach der Ermordung des Burgunders ergriff sogar Karls Mutter die Partei der englischen Invasoren. 1421 ließ König Heinrich V. von England Karl unrechtmäßigerweise durch das Pariser Parlement (das oberste französische Gericht) des französischen Thrones für verlustig erklären und seinen eigenen Sohn, Heinrich VI., zum legitimen Thronerben Frankreichs machen. 1422 starb der geisteskranke König Karl VI. Sein in Bourges residierender Sohn und rechtmäßiger Erbe Karl VII. erlitt in den folgenden Jahren zunächst schwere Niederlagen gegen die verbündeten Engländer und Burgunder, Orléans hielt aber dem neuen König heldenhaft die Treue. Mit dem Auftreten Jeanne d’Arcs, der Jungfrau von Orléans, gelang den Franzosen die Wende und die Engländer konnten zurückgeschlagen werden. 1429 konnte Karl VII. in Reims einziehen und dort offiziell zum König von Frankreich gekrönt werden. Sieben Jahre später wurde Paris zurückerobert. Bis 1453 verloren die Engländer sämtliche Gebiete in Frankreich an Karl VII., mit Ausnahme von Calais, in dem sie sich bis 1558 halten konnten.
10) Das mittelfranzösische "mordre" (beißen, zubeißen) bedeutet u. a. auch "angreifen", was hier wohl gemeint sein dürfte. CLÉBERT, S. 717, verweist auf die Wendung "manger le nez de quelqu’un" (jemandes Nase essen), die jemanden hassen und ihn vernichten wollen bedeutet.


Ein Verräter wird wegen seiner Sittenlosigkeit gefangen genommen und getötet. Die "Nase" wird sich im Wahn befinden.


In der vierten Zeile von 6/32 erwähnt Nostradamus einen Akteur, den er als "Nase" bezeichnet. Der Begriff "Nase" taucht in den Zenturien nur selten auf. Abgesehen von 6/32 finden wir ihn noch in 2/20, 2/67 (5.137) und 5/45 (5.23, 5.173). 2/67 (5.137) erwähnt wohl einen "Blonden mit gegabelter Nase", der zum Thema aus 5.116 gehören dürfte. Die in 6/32 erwähnte "Nase" könnte aber mit "Aenobarbus-Milannase" aus 5/45 (5.23, 5.173) und somit mit "Nero" identisch sein, dieser Akteur nicht nur eine Nase besitzt sondern sogar als (Milan-) Nase bezeichnet wird. 

Über die "Nase" erfahren wir in 6/32/4, dass sie "im Wahn" sein wird, also sich vielleicht einer falschen Vorstellung hingibt, oder dass sie vor Zorn rast (vgl. Anmerkung 7). In der gleichen Zeile taucht entweder ein Belgier oder jemand aus Berry auf (vgl. Anmerkung 9). Die zweite Erklärung würde insofern zu "Nero" passen, als dass diese Parallelen zu Vorgängen des Hundertjährigen Krieges aufweisen würde (vgl. dazu 5.23). Allerdings ist zur Zeit noch nicht klar, wie das Verhältnis der "Nase" zu diesem Belgier oder dem Berrichon sein wird, vgl. Anmerkung 8.

Ebenso unklar ist im Moment das Geschehen aus den ersten drei Zeilen: Ein Verräter wird erst wegen seiner Sittenlosigkeit besiegt und gefangen genommen und dann wegen seines Verrats totgeschlagen werden (erste und zweite Zeile). Der "große Gefangene" der dritten Zeile könnte dabei der erwähnte Verräter und der von ihm versuchte "leichtfertige Plan" der begangene Verrat sein.


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