5.33 Die Ermordung des neuen "Cato" löst ein großes Schisma aus. *** Der Herzog der Toskana verlegt seinen Sitz, der Islam dehnt seine Herrschaft in Italien aus. Innerhalb der Kirche stehen sich ein Colonna und ein Farnese gegenüber.
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Zusammenfassung
6/82: In der zweiten Zeile taucht ein "Neffe" des "großen Pontifex" auf. Wie in Anmerkung 4 ausgeführt, ist mit diesem "Neffen" wahrscheinlich der führende Politiker der Kurie, die rechte Hand des Papstes gemeint. Zudem ist dieser "Neffe" meines Erachtens ebenfalls mit dem neuen "Cato" identisch, der an anderer Stelle auftaucht (vgl. 5.133, 5.139, 5.207, 5.208, 5.243 und 5.244). Da das Adjektiv "groß" bei Nostradamus auch für "französisch" stehen kann, könnte der "große Pontifex" ein Papst aus Frankreich sein. Ob dieser Papst und sein "Kardinalneffe" hier auch tatsächlich Verwandte sind, erfahren wir nicht. In diesem Fall wäre "Cato" möglicherweise ebenfalls Franzose. Gemäß erster Zeile scheint er nach Agrigent auf Sizilien zu kommen (vgl. Anmerkung 3). Nostradamus spricht in diesem Zusammenhang von "verlassenen Gegenden" oder sogar von "Wüsten" (vgl. Anmerkung 1). Heißt das, die Stadt ist zerstört und verlassen? Wenn ja, was will "Cato" dann dort? In der zweiten Zeile erfahren wir, dass er in Agrigent - oder was davon übrig ist - "herumirren" wird. Er könnte dort also etwas oder jemanden suchen. Er scheint auch auf jemanden zu treffen. Wie der dritten Zeile zu entnehmen ist, wird er von einer Gruppe, bestehend aus sieben Leuten, niedergeschlagen werden. Mit von der Partie sein wird dabei ein "großer Tölpel", der vielleicht sogar der Anführer der sieben ist (vgl. Anmerkung 7). Diese Attentäter, die "Cato" in Agrigent wahrscheinlich in eine Falle locken werden, werden später den "Becher" ergreifen. Mit diesem "Becher" ist wahrscheinlich der Abendmahlskelch gemeint, in dem sich der Wein bzw. das Blut Christi befindet. Es ist anzunehmen, dass es den sieben gelingen wird, in der Kirche großen Einfluss zu gewinnen, vielleicht sogar die ganze Macht an sich zu reißen. Doch dass Nostradamus sie den Abendmahlskelch und somit das Blut Christi ergreifen lässt, dürfte mehr bedeuten. In 6/22 ist davon die Rede, dass es zu einer Kirchenspaltung kommen und dass eine "falsche Freiheit" überall propagiert werden wird. Damit dürften Irrlehren gemeint sein, die in die Lehre der Kirche integriert werden. Oder sinnbildlich ausgedrückt: Gift wird mit dem Blut Christi vermischt.
6/22: In der zweiten Zeile taucht wieder der "Neffe" auf. Er wird ermordet werden. Damit ist wohl das Attentat aus 6/82 gemeint. Hinter dem Anschlag dürfte London stecken (vgl. dazu aber Anmerkung 2). Über die Beweggründe, die London (oder England) dazu treiben werden, diesen großen Politiker zu töten, erfahren wir nichts. Der zweiten Zeile ist nur zu entnehmen, dass dieses Attentat zur Zeit eines "falschen Friedens" durchgeführt werden wird. Bezieht sich dieser falsche Friede aber auf einen innerkirchlichen Konflikt? Oder bekämpfen sich verschiedene Staaten? Der Umstand, dass London den "Neffen" wird ermorden lassen, könnte als ein Hinweis auf die zweite Möglichkeit verstanden werden. In der ersten Zeile ist der Ort umschrieben, wo der "Neffe" sterben wird. Nach meinem Dafürhalten ist hier das sizilianische Agrigent gemeint, vgl. Anmerkung 1. 10/30 (5.244) berichtet ebenfalls von "Catos" gewaltsamem Tod. In der dritten und vierten Zeile von 6/22 beschreibt Nostradamus die Folgen, die die Ermordung des "Neffen" für die Kirche, das Boot Petri, haben wird. Es wird eine Kirchenspaltung, ein Schisma geben. Und zwar wahrscheinlich zwischen den Anhängern der traditionellen Lehre und den Neuerern, die überall eine "falsche Freiheit" verkünden werden. Zu den letzteren gehören auch die von London gedungenen Mörder des "Neffen" (vgl. oben). Was diese "falsche Freiheit" ihren Befürwortern neu erlauben wird, was die Kirche bisher verboten hat, erfahren wir allerdings nicht.
8/93: Den beiden ersten Zeilen ist zu entnehmen, dass jemand sieben Monate lang ein hohes geistliches Amt bekleiden wird. Er wird sterben, und sein Tod wird zu einer großen Kirchenspaltung führen. Das passt recht gut zum oben beschriebenen "Neffen", bei dem Nostradamus wohl an einen Kardinalnepoten gedacht hat (vgl. 6/82, Anmerkung 4). In der dritten Zeile ist von einem anderen Funktionsträger die Rede, der ebenfalls sieben Monate lang im Amt sein wird. Es handelt sich dabei um einen Prätor. Ob unser Seher damit ein kirchliches Amt gemeint hat, ist nicht ersichtlich. Prätoren scheinen allerdings eher Entscheidungsträger zu sein, die im weltlichen Bereich zu finden sind, vgl. Anmerkung 2. Dieser Prätor könnte etwa das Oberhaupt einer Stadt sein. Die vierte Zeile spricht von einem Frieden, der in der Nähe von Venedig Einzug halten wird. Ob damit die Aussöhnung der gespaltenen Kirche oder ein Frieden zwischen verfeindeten weltlichen Mächten gemeint ist, bleibt vorerst offen.
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Die Vierzeiler 3/19, 10/64, 8/67 und 9/2 gehören zwar zum "Cato"/"Neffen"-Thema bzw. in dessen Umfeld, sind aber chronologisch vor der Ermordung dieses großen Politikers einzuordnen.
3/19: In der ersten Zeile lässt Nostradamus in Lucca ein Vorzeichen erscheinen (einen Blut- und Milchregen), der laut dritter Zeile "große Pest, Krieg, Hunger und Durst" ankündigen wird. Kurz vor diesem Vorzeichen wird der Prätor ausgewechselt werden (zweite Zeile). Damit könnte der oberste Magistrat, der Bürgermeister von Lucca gemeint sein. Eine Prätur taucht auch in 8/93 auf. Ob dort ebenfalls von der Herrschaft über Lucca die Rede ist, ist im Augenblick noch unklar. In der vierten Zeile erfahren wir, wo die große Pest, der Krieg, der Hunger und der Durst auftreten werden: weit von dem Ort entfernt, wo "ihr" Fürst und Regent sterben wird. Mit dem "ihr" sind hier wohl die Einwohner Luccas gemeint. Da aber das erwähnte Unheil dort eintreffen sollte, wo das dazugehörende Vorzeichen erscheint, bedeutet das, dass der Fürst und Regent weit weg von Lucca sterben wird. Zur Zeit des Nostradamus war Lucca eine Republik, wurde also nicht von einem Fürsten regiert. In 5.51 erobert der Herzog der Toskana Lucca und Pisa. Somit könnte der erwähnte Fürst der Herzog aus 5.51 oder einer von dessen Nachkommen sein. In 5.51 erfahren wir auch, dass der Herzog der Toskana Lucca und Pisa als Tyrann beherrschen und ruinieren wird. Das könnte die in 3/19 erwähnte "große Pest" meinen (vgl. Anmerkung 3) und als Folge auch Hunger und Durst verursachen. Zudem werden laut 5.51 die Muslime die Toskana erobern. Dies wiederum würde zum in 3/19 erwähnten "Krieg" passen. Warum der fürstliche Herrscher über Lucca weit von der Stadt entfernt sterben wird, erfahren wir nicht. Sollte es sich dabei jedoch um den Herzog der Toskana handeln, wäre es denkbar, dass er wegen der muslimischen Eroberung seines Landes weit weg an einen sicheren Ort fliehen wird.
10/64: In der zweiten und dritten Zeile erfahren wir, dass ein "großer Herzog" auf einen Wagen steigen, d. h. eine Reise antreten wird, um seinen Sitz, seine Residenz zu verlegen. Doch von welchem Herzog ist hier die Rede? In der ersten Zeile fordert Nostradamus Mailand, Lucca und Florenz auf zu weinen. Und zwar eben deswegen, weil der Herzog seinen Sitz verlegt. Zur Zeit unserers Sehers waren Mailand und Florenz Herzogtümer, Lucca jedoch eine Republik. Da aber nur von einem einzigen Herzog die Rede ist, könnte dies bedeuten, dass alle drei Städte denselben Fürsten haben. Wir hätten dann eine Vereinigung der Herzogtümer Mailand und Florenz (Toskana) vor uns. Lucca dürfte mit Blick auf 3/19 und 5.51 wohl als Beute des Herzogs der Toskana zu diesem Gebilde kommen. Oder die beiden ersten Zeilen sind so zu verstehen, dass zwar alle drei genannten Städte Grund zu weinen haben werden, aber aus verschiedenen Gründen. Da Nostradamus zudem von "deinem" und nicht von "eurem großen Herzog" spricht, ist es möglich, dass er sich dabei nur auf das letztgenannte Florenz bezieht. In diesem Fall hätte Florenz bzw. die Toskana wegen der Abreise des Hezogs zu weinen und Lucca wegen des in 3/19 erwähnten Unheils ("große Pest, Krieg, Hunger und Durst"). Was Mailand zustoßen würde, wäre 10/64 nicht zu entnehmen. Die Verlegung der Residenz passt aber jedenfalls zu 3/19, wo es der Herzog der Toskana sein könnte, der weit vom toskanischen Lucca entfernt sterben wird. In der dritten Zeile von 10/64 erfahren wir, dass der "große Herzog" in die Nähe von Venedig eilen wird. Dort könnte er seine neue Residenz errichten. Jedenfalls wird man zu dieser Zeit in Rom einen Colonna auswechseln (wohl: "vertreiben, entfernen"). Dieser Colonna ist vermutlich ein hoher Kirchenfürst (Kardinal) oder sogar ein Papst, vgl. Anmerkung 2.
8/67: In der vierten Zeile wird wieder Colonna erwähnt. Der zweiten Zeile ist zu entnehmen, dass es in diesem Vierzeiler um eine Wahl geht. Eine Wahl, bei der es entweder nur zwei Kandidaten gibt oder bei der zwei Konkurrenten auftreten, die im Zentrum des Interesses stehen. Wir erfahren jedenfalls, dass keiner der beiden die Wahl für sich wird entscheiden können. Doch um welches Amt geht es hier und wer sind die Kandidaten? Zur Zeit des Nostradamus wurden zwei bedeutende Machthaber mittels Wahlen erkoren: der römisch-deutsche Kaiser und der Papst. Aufgrund des italienischen Kontextes und der Erwähnung zweier italienischer Geschlechter, die bereits Päpste gestellt haben (Colonna und Farnese), dürfte es in 8/67 um das Amt des Pontifex Maximus gehen. Als Kandidaten kommen zwei Männer in Frage, die einem der historischen Colonnas bzw. einem der historischen Farneses ähneln (vgl. Anmerkung 1). Über Colonna erfahren wir in der vierten Zeile, dass er im nordostitalienischen Ferrara Zuflucht finden wird. Das würde zu 10/64 passen, da man dort Colonna wahrscheinlich aus Rom vertreiben wird. Interessanterweise flieht dieser Kirchenmann in die gleiche Großregion, in der sich der auch der Herzog aus 10/64 aufhält. Die erste und die dritte Zeile von 8/67 betreffen Farnese. Farnese wird beim "Volk" offenbar sehr populär sein (dritte Zeile). Das "Volk" könnte dabei das Volk Roms meinen oder auch die einfachen Gläubigen in der Kirche, die Laien. In der ersten Zeile erfahren wir, dass es allerdings Farnese sein wird, der einen großen Streit (in der Kirche) verursachen wird. Ein Streit, der zeitgleich mit einer Katastrophe stattfinden wird oder der zur besagten Katastrophe führt (vgl. Anmerkung 3). Vom chronologischen Ablauf her dürfte am Anfang die unentschiedene Wahl stehen, nach der Kardinal Farnese einen großen Streit vom Zaun brechen wird. Im Rahmen dieses Streites wird sein Mitbewerber Colonna aus Rom vertrieben werden. Möglicherweise vom Volk, dass auf der Seite Farneses steht. Colonna wird in Ferrara Aufnahme finden. Wie es mit Farnese in Rom weitergeht, erfahren wir nicht.
9/2: Der dritten Zeile ist zu entnehmen, dass das Blut der "Roten" fließen wird. Mit den "Roten" sind bei Nostradamus in der Regel Kardinäle gemeint, die ein rotes Ornat tragen. Von einem blutigen innerkirchlichen Konflikt erfahren wir auch in 5.139. Dort wird zudem "Cato" verfolgt und gefangen werden. Gemäß Zeile drei von 9/2 wird das vergossene Blut der Kardinäle den Zorn beruhigen. Doch wessen Zorn? Der Zorn des in Rom gebliebenen Farnese? Oder der des Volkes, das auf Farneses Seite steht? In den ersten beiden Zeilen lässt Nostradamus vom Aventin her eine Stimme ertönen, die sagt: "Geht weg, geht weg von allen beiden Seiten!" Zum mythologischen Hintergrund vgl. Anmerkung 1. Dieser Aufruf ist zum Einen sicher als Warnung zu verstehen. Nostradamus warnt hier vor einer Gefahr. Wie in 5.139 ausgeführt, vermute ich, dass hier vor der strahlenden Selene gewarnt werden soll, deren Tempel sich auf dem Aventin befand und die bei unserem Seher für den Islam steht. Der Islam dürfte hier die gesamte Kirche bedrohen, also beide innerkirchlichen Streitparteien gleichermaßen, so dass dieser Aufruf an beide ("an die Anhänger beider Seiten") gerichtet ist. Zum Anderen ist dieser Aufruf wohl auch als Aufforderung Selenes an die Kirche zu verstehen. Als Aufforderung, in Rom, dem Zentrum des katholischen Christentums, für sie Platz zu machen. Mit anderen Worten: der Islam, bzw. eine islamische Macht, dürfte sich anschicken, die Ewige Stadt zu erobern. In der vierten Zeile erfahren wir, dass Colonna bzw. seine Anhänger aus Rimini und Prato vertrieben werden. Doch von wem? Von den Gefolgsleuten Farneses? Oder doch eher vom ins nördliche Italien vorrückenden Islam?
Quellen
6/82
1) Oder auch im heutigen Sinne: "Wüsten".
Par les desers1) de lieu, libre2), & farouche,3) [Um] durch die verlassenen Gegenden1) des freien2) und wilden Ortes3) Viendra errer nepueu4) du grand Pontife5): zu irren, wird [der] Neffe4) des großen Pontifex5) kommen. Assomme6) à sept auecques lourde souche,7) Niedergeschlagen6) [wird er] von sieben mit [einem] schweren Baumstamm.7) Par ceux qu’apres occuperont le cyphe8). Von denen, die nachher den Becher8) ergreifen werden.
2) Hier wohl im Sinne von "wild, unbebaut" zu verstehen, ähnlich wie im dt. Ausdruck "in freier Natur".
3) Mit diesem "freien und wilden Ort" könnte Agrigent (lat. "Agrigentum") im südwestlichen Sizilien gemeint sein. Nostradamus hat möglicherweise das lat. "agrestis" (u. a. wild wachsend, wild) im Sinn gehabt und "farouche" als versteckten Hinweis auf diese Stadt eingefügt. Aus "Agrigentum" lässt sich zudem der Satz "agri genitum" (aus dem Acker, der Flur entstanden) bilden. Agrigent wurde in seiner Geschichte auch tatsächlich mehrfach verwüstet, aber immer wieder aufgebaut.
4) Oder auch: "Enkel". Nostradamus hat hier wahrscheinlich an einen Kardinalnepoten ("Kardinalneffen") gedacht. Im 16. Jh. setzten die Päpste Verwandte als Kardinalnepoten ein, die als ihre "rechte Hand" agierten. Der wohl bedeutendste zu Lebzeiten unseres Sehers war der später heiliggesprochene Karl Borromäus (1538 - 1584), der Neffe Papst Pius IV. (1559 - 1565). Kurz nach Amtsantritt des Mailänder Medici-Papstes wurde Karl Borromäus als Kardinalnepot und Apostolischer Protonotar zum führenden Staatsmann der Kurie (vgl. 8/31). Nostradamus könnte mit dem Begriff des "Neffen" zudem ein griechisch-lateinisches Wortspiel betrieben haben. Das griechische Wort für "Neffe" lautet "hyidous", was stark an das ebenfalls griechische "hyidion" (Ferkel) erinnert. Übersetzen wir letzteres ins Lateinische, erhalten wir "porculus", was meines Erachtens auf den Mann verweist, den Nostradamus in 5.133 als "halbes Ferkel" bezeichnet - den neuen Marcus Porcius Cato.
5) Im alten Rom wurde der Oberpriester als "pontifex" bezeichnet. Später wurde dieser Titel auf den Papst übertragen.
6) Lies: "assommé".
7) Jemanden zu siebt mit einem schweren Baumstamm niederzuschlagen, ist eine ziemlich seltsame Form von Attentat. Ich vermute, Nostradamus hat mit diesem "schweren Baumstamm" etwas anderes gemeint. Übertragen wir diesen Begriff ins Lateinische, erhalten wir "gravis truncus", was sich aber ebenfalls mit "großer, bedeutender Tölpel" übersetzen lässt. Meines Erachtens ist diese Zeile so zu verstehen, dass die sieben zusammen oder unter der Leitung eines "großen Tölpels" ein Attentat auf den Neffen verüben werden. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass einer der Hauptverschwörer bei der Ermordung Cäsars Marcus Iunius Brutus war. "Brutus" bedeutet aber eigentlich "stumpfsinnig, dumm, stockdumm"! Brutus war, einer mittelalterlichen Legende zufolge, auch der Name des trojanischen Stadtgründers von London und ersten Königs von Britannien. Interessanterweise scheint gemäß 6/22 aber ausgerechnet die von Brutus gegründete Themsestadt für die Ermordung des "Neffen" verantwortlich zu sein.
8) Lies: "scyphe" (lat. "scyphus": Becher, Pokal), vgl. etwa LEONI.
6/22
1) Falls hier und in 6/82 von Agrigent die Rede ist, ist dieser "große himmlische Tempel" recht einfach zu identifizieren. In Agrigent steht nämlich das Olympieion, einer der größten Tempel der Antike. Das griechische "olympos" bedeutet u. a. aber auch "Himmel", so dass "Olympieion" auch als "himmlischer Tempel" verstanden werden kann.
Dedans la terre du grand temple celique,1) Im Gebiet des großen himmlischen Tempels1) Nepueu à2) Londres par paix faincte meurtry: [wird der] Neffe von2) London während [des] falschen Friedens ermordet. La barque alors deuiendra scismatique, Das Boot wird dann schismatisch Liberté faincte sera au corn & cry3). [und die] falsche Freiheit überall nachdrücklich propagiert3) werden.
2) Lies: "de". Im Mittelfranzösischen kann "à" zudem dem heutigen "de" entsprechen, besonders auch bei Verwandtschaftsangaben. Hier ist allerdings nicht klar, ob der "Neffe" aus London stammt oder von London ermordet werden wird.
3) "À cor et à cri" ist eine französische Redewendung, die ungefähr "überall mit Nachdruck propagiert" bedeutet.
8/93
1) Mit "Prälatur" wird ein hohes kirchliches Würdenamt bezeichnet.
Sept moys sans plus obtiendra prelature1) Sieben Monate [und] nicht länger wird [er die] Prälatur1) innehaben. Par son decés grand scisme fera naistre: Durch seinen Tod wird [ein] großes Schisma ausgelöst werden. Sept moys tiendra vn autre la preture2) Sieben Monate wird ein Anderer die Prätur2) innehaben. Presde Venise paix vnion3) renaistre. In der Nähe von Venedig [werden der] Friede [und die] Eintracht3) [wieder] Einzug halten.
2) Ein "Praetor" bezeichnete in der Antike einen "Leiter" im weitesten Sinne (Feldherr, Bürgermeister usw.). In Rom wurde der oberste Gerichtsherr Praetor genannt, in anderen Städten entsprach diese Funktion dem Bürgermeister bzw. dem obersten Magistraten.
3) Oder auch: "Abkommen".
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3/19
1) Lucca liegt wie Florenz in der Toskana, allerdings in deren nordwestlichen Teil. Zur Zeit des Nostradamus war Lucca eine Republik. In 5.51 erobert der Herzog der Toskana Lucca und Pisa und ruiniert die Städte.
En Luques1) sang & laict viendra plouuoir:2) In Lucca1) wird [es dazu] kommen, [dass es] Blut und Milch regnet.2) Vn peu deuant changement de preteur, Kurz zuvor [gibt es einen] Wechsel des Prätors. Grãd peste3) & guerre, faim & soif fera voyr5) Große Pest3) und Krieg, Hunger und Durst wird [es4)] zum Vorschein kommen lassen5). Loing, ou mourra leur prince6) recteur7). Weit [davon] entfernt, wo ihr Fürst [und]6) Regent7) sterben wird.
2) Milch- und Blutregen gehören zum klassischen Vorzeicheninventar. So berichtet etwa Obsequens in Kapitel 43 für das Jahr 104 v. Chr. von einem Blut- und einem Milchregen. Plinius d. Ä. erwähnt in seiner "Naturalis Historia" (2, 57, 147) ebenfalls einen Milch- und Blutregen. Und zwar im Jahr 114 v. Chr., zur Zeit des Konsulats von Manius Ancilius Balbus und Caius Porcius Cato.
3) "Pest" bezeichnet im Mittelfranzösischen jede Epidemie mit hoher Sterblichkeit. Zudem kann "Pest", wie auch im Lateinischen, einfach Unheil, Unglück bedeuten.
4) D. h. das in der ersten Zeile erwähnte Vorzeichen (der Blut- und Milchregen in Lucca), vgl. CLÉBERT, S. 364.
5) Im Sinne von "ankündigen", nicht aber von "auslösen".
6) BRIND’AMOUR, S. 361, fügt hier aus verstechnischen Gründen und unter Verweis auf eine Parallelstelle in den Almanachen des Nostradamus "& grand" ein. Dann wäre die Stelle mit "[...], wo ihr Fürst und großer Regent [...]" zu übersetzen.
7) Oder: "Leiter" (im weitesten Sinne).
10/64
1) Oder auch: "Heerführer" (nach lat. "dux"). Zur Zeit des Nostradamus waren Mailand und Florenz Herzogtümer.
Pleure Milan, pleure Lucques, Florance, Weine Mailand, weine Lucca [und] Florenz, Que ton grand Duc1) sur le char montera, dass dein großer Herzog1) den Wagen besteigt, Changer le siege pres de Venise s’aduance, um den Sitz zu verlegen. [Er] eilt in die Nähe von Venedig, Lors que Colonne2) à Rome changera3). wenn [man] Colonna2) in Rom auswechseln wird3).
2) Die Colonna waren ein großes römisches Adelsgeschlecht, dem Papst Martin V. (1417 - 1431) und mehrere Kirchenfürsten entstammten.
3) Oder: "wenn Colonna in Rom wechseln wird".
8/67
1) Da in der letzten Zeile von Italien und einem bedeutenden italienischen Adelsgeschlecht die Rede ist, dürfte die Auflösung der Abkürzungen "PAR.", "CAR." sowie des Anagramms "NERSAF" wohl ebenfalls in dieser Richtung zu suchen sein, vgl. CLÉBERT, S. 915f. "NERSAF" bedeutet dabei mit einiger Wahrscheinlichkeit "FARNES[E]". Aus dem römischen Geschlecht der Farnese stammte Papst Paul III. (1534 - 1549). Zudem stellte es ab 1545 die Herzöge von Parma und Piacenza. Somit könnte die Abkürzung "PAR." für Parma stehen. CLÉBERT schlägt für "CAR." "cardinal" (Kardinal) vor. Alessandro Farnese war, bevor er Papst Paul III. wurde, Kardinal. Ebenso seine Enkel Alessandro d. J. (1520 - 1598) und Ranuccio (1530 - 1565). Ich vermute, bei "PAR." könnte es sich um einen Druckfehler handeln, und es sollte einfach nur "Par" (durch, wegen usw.) heißen. Dann würde in der ersten Zeile mit "Kardinal Farnese" wohl einer der Konkurrenten bei einer (Papst-) Wahl eingeführt, während der andere vielleicht in der vierten Zeile erwähnt wird (Colonna).
PAR. CAR. NERSAF1), à ruine2) grand discorde3), Wegen Kar[dinal] Farnese1) [wird es] bei der Katastrophe2) [einen] großen Streit [geben]3). Ne l’vn ne l’autre n’aura election4), Weder der Eine noch der Andere wird die Wahl für sich entscheiden4). Nersaf5) du peuple aura amour & concorde6), Farnese5) wird [die] Liebe und [die] Freundschaft6) des Volkes haben. Ferrare7), Collonne grande protection. Ferrara7) [wird] Colonna großen Schutz [gewähren].
2) Neben "Untergang, Ruin" bedeutet das mittelfranzösische "ruine" auch "Katastrophe, Debakel".
3) Auch im Sinne von: "[wird ein] großer Streit zur Katastrophe [führen]."
4) Wörtlich: "die Wahl besitzen".
5) Vgl. Anmerkung 1).
6) Neben "Eintracht, Einigkeit, Harmonie" bedeutet das mittelfranzösische "concorde" auch "Freundschaft".
7) Stadt im östlichen Norditalien beim Po, etwa 50 km von der Adria entfernt. Zur Zeit des Nostradamus war Ferrara ein Herzogtum, das vom Haus Este regiert wurde. Ferrara und der "Neffe" tauchen auch in 4/73 (5.207) auf.
9/2
1) Anspielung auf eine Begebenheit, die sich 387 v. Chr. in Rom zugetragen haben soll. Der Überlieferung zufolge hat damals ein gewisser Caedicius während mehreren Tagen aus einem Busch beim Forum Romanum eine Stimme gehört, die die Römer vor dem Angriff der vor der Stadt liegenden Gallier warnte. Die Stimme des unsichtbaren Warners, später "Aius Locutius" genannt, riet den Römern, die Stadtbefestigung zu verstärken. Als Caedicius zu den Machthabern Roms ging, um diese über seine Wahrnehmungen zu informieren, schenkten sie ihm keinen Glauben. Es kam, wie es kommen musste, die Gallier eroberten die Stadt. Später, nachdem die Kelten wieder aus Rom abgezogen waren, baute man zu Ehren des Aius Locutius einen Tempel am Forum. Hier dürfte Nostradamus also wieder von einer vergeblichen Warnung an die Adresse Roms sprechen. Der Aventin taucht auch in 3/17 (5.139) auf.
Du hault du mont Auentin voix1) ouye, Von der Höhe des Aventins [wird eine] Stimme1) gehört: Vuydez, vuydez de tous les deux costez, "Geht weg, geht weg von allen beiden Seiten!" Du sang des rouges sera l’ire assomye, Mit dem Blut der Roten wird der Zorn beruhigt werden. D’Arimin2) Prato3), Columna4) debotez. Aus Arimin[um]2) [und] Prato3) [werden die] Colonnas4) vertrieben.
2) Das heutige Rimini.
3) Es gibt mehrere Orte namens Prato. Prato in der Toskana (etwa 20 km nordwestlich von Florenz), Prato bei Genua, Prato Sesia (etwa 30 km nordwestlich von Novara), Prato allo Stelvio (dt. Prad am Stilfserjoch, etwa 60 km nordwestlich von Bozen), Prato Carnico (etwa 50 km nordwestlich von Udine) und Prato in der Schweiz (etwa 40 km nordwestlich von Bellinzona).
4) Die Colonna waren ein großes römisches Adelsgeschlecht, dem Papst Martin V. (1417 - 1431) und mehrere Kirchenfürsten entstammten. Hier könnten aber auch die Anhänger eines Colonna gemeint sein, siehe "debotez".