5.37  "Emathion" wird als muslimischer Gegenspieler "CHYRENs" Ÿber Spanien nach SŸdfrankreich ziehen. "Herkules" wird ihn allerdings besiegen.

 

Dann, wenn Gent und BrŸssel Antwerpen angreifen, herrscht in England aufgrund der wirtschaftlichen Situation Chaos. Leute aus dem Londoner Parlament werden in diesem Kontext den Kšnig tšten. Die Rebellen werden in London einen eigenen Kšnig installieren. Es handelt sich dabei um einen hinterhŠltigen Antichristen. Dieser wird in Schottland Angst und Schrecken verbreiten und das nšrdliche Nachbarland unterwerfen. England wird er in einen gro§en Krieg stŸrzen.

          Wenn in England die erwŠhnte wirtschaftliche Not herrscht und es in Lothringen zu einem Konflikt kommt, verkŸndet "Emathion", er werde "alles" unterwerfen. "Emathion" kšnnte dabei ein Araber aus dem SŸdwesten der Arabischen Halbinsel sein, aber ebenso gut ein Neo-Osmane ("TŸrke"?). Er wird u. a. Spanien fŸr den Islam zurŸckerobern und vom Meer aus Ligurien angreifen. Das von ihm wiedererrichtete Emirat Cordoba wird zur Gefahr fŸr die umliegenden Meere.

          Die englische Flotte fŠhrt von Cornwall aus in die Gironde. Dabei haben die EnglŠnder ihre Waffen in FŠssern versteckt und tŠuschen so die Franzosen Ÿber ihre wahren Absichten. Dann greifen sie an und kŠmpfen gegen Blois (d. h. mšglicherweise gegen das gesamte Kšnigreich Frankreich). Die Briten scheinen dabei VerbŸndete unter den SŸdwestfranzosen zu haben, mit denen sie im Winterhalbjahr zum Angriff Ÿbergehen. Zu dieser Zeit werden von Istanbul ebenfalls gro§e Angriffe ausgehen.

          "Emathion" wird wohl derjenige sein, der von Istanbul aus auf Eroberungszug geht. Seine StreitkrŠfte stehen jedenfalls bei Split und werden dann Serbien und Ungarn unterwerfen.

          Danach wird "Emathion" in einem Winterhalbjahr von Italien Ÿber das Tyrrhenische Meer nach Nordspanien fahren und von dort aus unverzŸglich die PyrenŠen Ÿberqueren. Er stš§t nach Carcassonne vor und bringt seine RŠnkespiele in diese Stadt. Zum Zeugen von "Emathions" hinterhŠltigem Vorgehen wird man au§er in Frankreich auch in Italien, wo der Papst keinen sicheren Aufenthaltsort mehr hat.

          "Emathion" wird dann gegen Frankreich Krieg fŸhren, wenn "CHYREN" dessen Herrscher ist. Frankreich wird dabei ins Wanken geraten, und auch die Kirche macht eine existenzielle Krise durch. SŸdfranzosen (aus Marseille?) werden versuchen, mit dem Orientalen zu verhandeln. Dieses GesprŠch findet in Carcassonne statt, doch das Resultat wird die Stadt Narbonne (šstlich von Carcassonne) enttŠuschen.

          Die EnglŠnder und das mit ihnen verbŸndete La Rochelle marschieren in Blaye bei Bordeaux ein, wenn "Emathion" - noch vor dem GesprŠch in Carcassonne - bis in den Raum Agen vorstš§t. Dort erwartet er die Franzosen.

Nach dem (militŠrischen) Zusammentreffen mit den Franzosen durchquert "Emathion" SŸdfrankreich nach Osten bis in die Provence. Eine PhokŠerstadt (Marseille?) wird ihm dabei freiwillig die Tore šffnen. Dort wird er das Zentrum seiner Macht errichten. Bei Saint-Paul-de-Mausole wird es aber zu einer Auseinandersetzung kommen.

          Auf seinem Weg in die Provence wird bereits Narbonne "Emathion" keinen Widerstand mehr entgegensetzen. Die Stadt wird jedoch von "Emathions" UnterhŠndler hereingelegt. Bei der Einnahme Narbonnes werden alle Bewohner - aber auch der UnterhŠndler - getštet. Dabei wird dieser von "Emathion" selber verraten und dem Tod ausgeliefert werden. Die Stadt wird dem Erdboden gleichgemacht. Durch den Massenmord an der Narbonner Bevšlkerung zieht sich "Emathion" den Hass des franzšsischen Kšnigs zu.

          Dann, wenn "Herkules" den "Emathion" besiegen wird, werden die Stadtmauern von Bourges wieder aufgebaut werden. Die Feinde sind zu diesem Zeitpunkt bereits weit weg.

          "Emathion" wird an einem 6. Februar (gemŠ§ julianischem Kalender) sterben. Franzšsische Truppen werden zu diesen Zeitpunkt einen gro§en Erfolg erringen.

Der ehemalige Besitz von "Emathion" wird an den FŸrsten von Toulouse gehen. Der (muslimische) Glaube von Foix wird wegen des Oberhaupts von Tolentino zugrunde gehen.

 

 

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9/49

 

[1] Gand1) & Bruceles marcheront contre Enuers2)

[2] Senat3) de Londres mettront ˆ mort leur roy

[3] Le sel & vin4) luy seront ˆ lÕenuers5),

[4] Pour eux6) auoir le regne7) en desarroy.

 

[1] Gent1) und BrŸssel werden gegen Antwerpen2) marschieren.

[2] [Die vom] Senat3) in London werden ihren Kšnig tšten.

[3] Das Salz und [der] Wein4) werden gegen ihn sein5).

[4] Um sie6) zu besitzen, wird das Land7) ins Chaos [gestŸrzt].

 

1) Stadt im Norwesten Belgiens. 
Es gŠbe daneben aber u. a. noch einen Loire-Zufluss mit Namen "Gand".

2) Lies: "Anvers". In den 1568er-Ausgaben von Dresden und Gregorio steht auch "Anvers". Antwerpen liegt nordšstlich von Gent. 


3) "Senat" bezeichnet im Mittelfranzšsischen eine Versammlung im weitesten Sinne. 


4) Die Kombination "Salz und Wein" taucht in 5/34, 9/49 und 10/7 auf. CLƒBERT, S. 1008f., weist darauf hin, dass im 16. Jh. Salz und Wein in Texten exemplarisch genannt wurden, wenn die wirtschaftliche Situation in einem Gebiet anschaulich geschildert werden sollte. Vom Tisch ist dagegen meine Idee, hier einen Hinweis auf "Angevin" bzw. das Angevinische Reich - den englischen Besitz im mittelalterlichen Frankreich - zu sehen. Dieser Begriff taucht erst Jahrhunderte nach Nostradamus erstmals in der Historiographie auf.

5) Eigentlich: "fŸr ihn gegenteilig/umgedreht/verkehrt sein".

6) Hier sind entweder Salz und Wein oder die Angehšrigen des Londoner Senats gemeint.

7) Oder: "Kšnigreich, Herrschaft".

Dann, wenn Gent und BrŸssel Antwerpen angreifen, werden die Leute aus dem Londoner "Senat" ihren Kšnig tšten. Die wirtschaftliche Situation im Land ist der Grund fŸr sein Ende. Der Kampf um die wirtschaftlichen GŸter ist es, der England ins Chaos stŸrzen wird.

 

Laut Zeile zwei werden Leute aus dem "Senat" von London ihren - englischen - Kšnig tšten. Das erinnert an das Ende von Karl I. 1649, das in 5.191 vorhergesagt werden kšnnte. Doch zu diesem tragischen Tiefpunkt in der britischen Geschichte passt der Rest des Vierzeilers nicht.

 

TatsŠchlich liegt dem gewaltsamen Tod Karls I. der Konflikt mit dem Parlament (einem "Senat") zugrunde. Allerdings gab es in der Zeit um 1649 oder in Zusammenhang mit dem englischen BŸrgerkrieg keinen Angriff von Gent und BrŸssel auf Antwerpen, wie in der ersten Zeile prophezeit wird. Vielleicht hat unser Seher die VorgŠnge in Belgien deshalb zur chronologischen Verortung bzw. zur Unterscheidung von den Ereignissen im 17. Jh. erwŠhnt.

 

In der zweiten HŠlfte der Strophe geht Nostradamus auf die VerhŠltnisse in England ein, die dem dortigen Monarchen zum VerhŠngnis werden.

 

Unser Seher spricht in Zeile drei von "Salz und Wein". Das verbindet die Strophe mit 5/34 und 10/7. Dort ist ebenfalls von Gro§britannien die Rede. Und jene Vierzeiler passen noch schlechter zu den Geschehnissen im 17. Jh. als 9/49.

 

GemŠ§ CLƒBERT, vgl. Anmerkung 4, stehen Salz und Wein sinnbildlich fŸr die Wirtschaft bzw. die wirtschaftlichen VerhŠltnisse. Sollte dies zutreffen, wird England wahrscheinlich gravierende škonomische Probleme haben, die das Land ins Chaos stŸrzen (Zeile vier) und den Kšnig das Leben kosten werden.

 

 

8/37

 

[1] La forteresse aupres de la Tamise1)

[2] Cherra par lors le Roy dedans serrŽ,

[3] Aupres du pont sera veu en chemise2)

[4] Vn deuant mort, puis dans le fort barrŽ.3)

 

[1] Die Festung nahe der Themse1)

[2] wird fallen, wenn der Kšnig dort drin eingeschlossen [sein wird].

[3] Neben der BrŸcke wird [er] im Hemd2) gesehen.

[4] Eine [BrŸcke] vor [dem] Tod, danach in der abgeriegelten Festung.3)

 

1) "Tamise" bezeichnet die englische Themse oder die belgische Stadt Temse (franz. Tamise) sŸdwestlich von Antwerpen.

2) Hier kšnnte Nostradamus an die Wendung "mettre quelquÕun en chemise" gedacht haben. "Mettre quelquÕun en chemise" (jemanden ins Hemd bringen) bedeutet jemanden an den Bettelstab bringen. CLƒBERT, S. 882, bemerkt, dass der Ausdruck "chrŽtien en chemise" (Christ im Hemd) einen Protestanten bezeichnet habe.

3) Die letzte Zeile lie§e sich auch anders verstehen. Etwa: "[Er ist] einer, [der] vor [dem] Tod [steht] und danach in der Festung eingeschlossen [sein wird]."

 

Ein englischer Kšnig wird in einer Festung nahe der Themse belagert. Die Festung fŠllt. Dann sieht man den Kšnig aller Mittel beraubt neben einer "BrŸcke". Zum Schluss befindet er sich in einer abgeriegelten Festung, wo er den Tod erleidet.

 

Da in der ersten Zeile von der Themse ("Tamise") die Rede ist, dŸrfte es in 8/37 um Geschehnisse in England gehen. Der von Nostradamus verwendete Begriff kšnnte jedoch auch die Stadt Temse sŸdwestlich von Antwerpen meinen. Hat unser Seher in 9/49 vielleicht deswegen ausgerechnet VorgŠnge um Antwerpen als zeitlich einordnendnes Element ausgewŠhlt?

 

In den ersten beiden Zeilen geht es um einen Kšnig - vermutlich den englischen. Er wird in einer Festung nahe der Themse "eingeschlossen" sein. Um welche, ist hier leider nicht ersichtlich. Da in Zeile zwei von einem Fall dieser Festung die Rede ist, ist dieses "eingeschlossen sein" wahrscheinlich als ein "belagert werden" zu verstehen. Die Annahme dieses Szenarios wird einerseits durch den Blick auf 9/49 unterstŸtzt (der Kšnig findet letztendlich den Tod) und durch die zweite HŠlfte von 8/37: wie wir hier erfahren, wird der Kšnig nicht etwa befreit, sondern er ist "im Hemd" und geht dem Tod entgegen.

 

Eine Zuordnung dieser Strophe zum historischen Geschehen um Karl I. (vgl. 5.191) kommt dagegen nicht in Frage. Karl I. wurde Ende 1648 auf der sŸdenglischen Isle of Wight gefangen genommen und dann nach Hurst Castle an der englischen SŸdkŸste gebracht. Erst danach wurde er nach Windsor Castle transferiert, das allerdings tatsŠchlich nahe der Themse, westlich von London liegt. Doch Windsor Castle wurde weder belagert noch eingenommen.

 

In 8/37/3 erfahren wir, dass der Kšnig "im Hemd" neben einer "BrŸcke" gesehen werden wird. Der Kšnig steht hier im Hemd - also "entblš§t" da -, d. h. er ist aller seiner GŸter und wohl auch seiner Getreuen beraubt, vgl. Anmerkung 2. Dass Nostradamus ausgerechnet diese Formulierung gewŠhlt hat, kšnnte zudem auf škonomische Schwierigkeiten des Landes hinweisen, vgl. 9/49.

 

Doch welche "BrŸcke" ist hier gemeint? †ber die Themse spannen sich etliche BrŸcken. Mšglicherweise hat Nostradamus hier einen Ortshinweis untergebracht. Vielleicht einen Hinweis auf Staines-upon-Thames (etwas westlich von London gelegen), das auf Lateinisch Ad Pontes ("an den BrŸcken") hei§t?

 

GemŠ§ Zeile fŸnf ist der Aufenthalt "neben der BrŸcke" die letzte Station des Monarchen, bevor er in einer "abgeriegelten Festung" sein wird, wo er den Tod erleidet. Um welche "abgeriegelte Festung" es sich dabei handelt, ist nicht ersichtlich. Vielleicht der Londoner Tower? Der unglŸckliche Karl I. wurde 1649 Ÿbrigens nicht in einer solchen Festung sondern in London vor dem Banqueting House šffentlich hingerichtet.

 

 

10/66

 

[1] Le chef de Londres par1) regne lÕAmerich2),

[2] LÕisle3) dÕEscosse tempiera5) par gellee4):

[3] Roy Reb6) auront vn si faux7) antechrist,

[4] Que les mettra trestous dans la meslee.

 

[1] Das Oberhaupt von London [wird] wŠhrend1) [der] Herrschaft "Amerikas"2)

[2] Schottlands Insel3) durch Frost4) abkŸhlen5).

[3] [Als] Kšnig werden [die] Reb[ellen]6) einen sehr falschen7) Antichristen haben,

[4] der jeden Einzelnen ins KampfgetŸmmel fŸhren wird.

 

1) Oder u. a. auch "durch, mit".

2) Lies wohl "dÕAmerich". Die 1568er-Ausgaben von Grasse und Stockholm zeigen "lamerich".

          Hier scheint auf den ersten Blick tatsŠchlich Amerika gemeint zu sein. Der Begriff "America" wurde erstmals 1507 vom deutschen Kartographen Martin WALDSEEM†LLER verwendet und dŸrfte Nostradamus rund ein halbes Jahrhundert spŠter bekannt gewesen sein. Vgl. dazu auch CLƒBERT, S. 1129. Allerdings reimt sich die mittelfranzšsische Form "Americ(h)" nicht auf den "antechrist" der dritten Zeile. Falls - wie ich vermute - in Zeile drei der von unserem Seher tatsŠchlich intendierte Begriff steht, mŸsste der Fehler somit bei "Americh" liegen. Doch welches Wort aus dem Originalmanuskript kšnnte fŠlschlicherweise als "Americh" gesetzt worden sein? Hier kšnnen wir nur Vermutungen anstellen. Wurde vielleicht "[l]ÕAmŽtiſte" (oder: "[l]ÕAmŽtyſte") "korrigiert"? Diese Lšsung wŸrde jedenfalls dem Schriftbild "lÕAmerich" einigerma§en nahe kommen und sich auf "antechrist" reimen.

          Der Amethyst ist ein rštlich-violetter Edelstein, der seit alters her als Schmuckstein verwendet wurde. Sein Name bedeutet im Griechischen "unberauscht, nicht betrunken machend". Dies, weil er gegen die berauschende Wirkung des Weins schŸtzen soll. Im Alten Testament taucht der Amethyst zwei Mal als Teil des Brustschildes des hohepriesterlichen Gewandes auf (Exodus 28,19 u. 39,12) sowie im Neuen Testament als zwšlfter Grundstein des himmlischen Jerusalems (Offb. 21,20). In der griechischen Septuaginta wird er zudem in Ezechiel 28,13 aufgefŸhrt. In christlicher Zeit trugen die Ringe der Bischšfe und KardinŠle oft Amethysten. Bei AGRIPPA VON NETTESHEIM wird der Edelstein dem Mars zugeordnet (1,27 und 1,32) sowie auch dem Jupiter und dem Skorpionherz - dem Stern Antares (1,32). GemŠ§ 2,14 gehšrt der Amethyst zum Tierkreiszeichen Skorpion (Regent Mars) und zum Monat Oktober.

          Und wenn der Fehler doch bei "antechrist" liegen sollte? Dann mŸsste ein Reim auf "Americh" gefunden werden. Doch hier hŠtten wir eine unŸberschaubar gro§e Auswahl vor uns. Um im religišsen Bereich zu bleiben z. B. "clŽrique" (Kleriker, Geistlicher).

3) Beim Wort "Insel" (lÕisle) hat Nostradamus wahrscheinlich an das griech. "nesos" gedacht, das sowohl "Insel" wie auch "Halbinsel" bedeuten kann. Da Schottland keine Insel sondern eine Halbinsel ist, wird er wohl auch letzteres gemeint haben. Als andere Mšglichkeiten kŠme eine der Inseln vor Schottland in Frage oder auch die britische Insel, zu der neben Schottland auch England und Wales gehšren. Die gleiche Formulierung finden wir ebenfalls in 5/93/3 (5.58).

4) Oder auch: "(Eises-) KŠlte; Reif". Mit diesem "Frost" kšnnte Nostradamus das griech. "kryos" gemeint haben, das daneben u. a. auch "Schauder" bedeutet. Vgl. das lat. "frigus" (Frost; Schauder, Entsetzen). Bei "kryos" ist auch die €hnlichkeit zu "krios" zu beachten, was "Widder, Schafbock" aber auch "Rammbock" hei§t. Im lat. "algor" (Frost) kšnnte unser Seher zudem an das griech. "algos" (u. a. Schmerz, Leid) erinnert worden sein.

5) Die 1568er-Ausgaben von Dresden, Paris und Gregorio zeigen hier "tÕempiera". Das mittelfranzšsische "temperer" ist analog zum lat. "temperare" mit "mŠ§igen, zŸgeln" zu Ÿbersetzen. Da es der "Frost" sein wird, der hier mŠ§igt, lŠsst sich "tempiera" wohl am ehesten mit "wird abkŸhlen" Ÿbertragen. Zu verstehen wŠre die Stelle dann wohl so, dass der Frost bzw. dessen Urheber das Land beherrschen wird.

          Die Variante "tÕempiera" mŸsste zu "sÕempiera" korrigiert werden, vgl. CLƒBERT, S. 1130. CLƒBERT verweist in diesem Zusammenhang auf das Verb "empierrer" (versteinern, zu Stein werden). Die ersten beiden Zeilen wŠren dann wahrscheinlich so zu verstehen, dass das Londoner Oberhaupt Schottland fŸr sich unter Zuhilfenahme des Frostes steinhart gefrieren (oder vor Schreck erstarren) lassen wird.

6) "Reb" dŸrfte als AbkŸrzung von "rebelles" (Rebellen) zu verstehen sein, vgl. CLƒBERT, S. 1130f.

7) "Falsch" v. a. im Sinne von "betrŸgerisch, heuchlerisch, lŸgnerisch".

Der Machthaber in London wird Schottland mit Angst und Schrecken unterwerfen. In England werden die Rebellen einen eigenen Kšnig installiert haben, der ein hinterhŠltiger Antichrist sein wird. Er wird alle in den Krieg fŸhren.

 

In der ersten Zeile wird ein Oberhaupt von London erwŠhnt. Dieser Machthaber wird Schottland, vgl. Anmerkung 3, durch "Frost" "abkŸhlen", d. h. wohl durch Anwendung von Angst und Schrecken unter Kontrolle bringen, vgl. Anmerkungen 4 und 5.

 

Geschehen wird dies wŠhrend der Herrschaft "Amerikas", was aber wohl ein Druckfehler ist. Mšglich wŠre, dass hier nicht von der neuen Welt sondern vom Edelstein Amethyst gesprochen wird, vgl. Anmerkung 2. Der Amethyst wird dem Skorpion, dem Mars und dem Oktober zugeordnet. Schottland kšnnte also vielleicht in einem Oktober durch einen furchtbaren Krieg (Mars) von den EnglŠndern unterworfen werden.

 

Sollte allerdings tatsŠchlich von der Herrschaft Amerikas die Rede sein, mŸsste gefragt werden, worŸber die neue Welt herrscht. Ist vielleicht England ein Klientelkšnigreich von Amerikas Gnaden? Und wer wŠre mit "Amerika" genau gemeint? Die englische Kolonisierung Amerikas, aus der die USA entstanden, begann erst nach NostradamusÕ Tod, wŠhrenddem etwa Spanien oder Portugal dort schon prŠsent waren. Es kšnnte sich neben einer englischsprachigen also auch um eine lateinamerikanische Macht handeln.

 

In der zweiten HŠlfte der Strophe dŸrften wir NŠheres zum kriegerischen Oberhaupt von London erfahren.

 

Zeile drei spricht von Rebellen, die einen eigenen Kšnig haben werden. Nostradamus charakterisiert diesen dabei als sehr hinterhŠltigen (sehr "falschen") Antichristen. Die Wortwahl "Antichrist" bedeutet aber nicht Gleichsetzung mit dem apokalyptischen Antichristen sondern verweist auf vergleichbare WesenszŸge dieses Rebellenkšnigs. Dazu gehšrt sicher seine Grausamkeit, die an jene des echten Antichristen erinnern wird. Aber wird es vielleicht noch andere Gemeinsamkeiten geben? Vielleicht im religišsen Bereich?

 

Mit den "Rebellen" sind die Gefolgsleute des "Antichristen-Kšnigs" gemeint. Sie dŸrften zuvor gegen den rechtmŠ§igen englischen Kšnig aus 9/49 und 8/37 rebelliert haben.

 

Zeile vier verweist auf die kriegerische Natur dieses Rebellen-Kšnigs. Er wird jedermann in die Schlacht fŸhren, d. h. umfassend Krieg fŸhren.

 

 

 

 

 

5/55

 

[1] De la felice Arabie2) contrade1),

[2] Naistra5) puissant de3) loy4) Mahometique:

[3] Vexer lÕEspaigne conquester la Grenade6)

[4] Et plus par mer ˆ la gent lygustique7).

 

[1] [In] der Gegend1) der Arabia Felix2)

[2] wird [ein] MŠchtiger des3) mohammedanischen Gesetzes4) geboren werden5),

[3] [der] Spanien heimsuchen [und] Granada6) erobern,

[4] und noch heftiger vom Meer aus das ligurische7) Volk [angreifen wird].

 

1) Vgl. provenzalisch "countrado" und ital. "contrada" (Gegend).

2) Die Arabia Felix (das "GlŸckliche Arabien") bezeichnete den sŸdwestlichen Teil der arabischen Halbinsel. Von dort, oder aus dieser Region, soll der erwŠhnte islamische Machthaber kommen. Der Kern der alten Arabia Felix ist der heutige Jemen. Aber auch Saudi-Arabien und der Oman liegen teilweise auf ihrem Gebiet. In der NŠhe, im benachbarten Afrika, liegen Dschibuti, Eritrea und Somalia. Zur Zeit des Nostradamus erstreckte sich das Osmanische Reich bis in den Jemen, umfasste also auch Teile der Arabia Felix.

3) Die 1568er-Ausgaben von Dresden, Paris und Gregorio fŸgen nach dem "de" noch ein "la" ein.

4) Das mittelfranzšsische "loy" (Gesetz) kann im Ÿbertragenen Sinne auch "Glaube, Religion; Lehre" bedeuten.

5) Das mittelfranzšsische "naistre" bedeutet neben "geboren werden" u. a. auch "erscheinen, auftauchen".

6) Von 1013 bis 1492 war das sŸdostandalusische Granada die Hauptstadt eines islamischen Staates in SŸdspanien (Kšnigreich/Emirat Granada). Mit der Kapitulation der Stadt 1492 endete die christliche RŸckeroberung der Iberischen Halbinsel (Reconquista).Von 1492-1833 existierte das (christliche) Kšnigreich Granada, das mit der Krone Kastiliens verbunden, d. h. Teil Spaniens war.

7) Lat. "ligusticus" (ligurisch). Die Ligurer lebten u. a. in Nordwestitalien (Ligurien) und in der Provence.

Im oder nahe des SŸdwestens der Arabischen Halbinsel wird ein islamischer Machthaber geboren. Dieser wird Spanien angreifen und Granada zurŸckerobern. Und vom Meer aus wird er Nordwestitalien attackieren.

 

In den ersten beiden Zeilen wird ein Machthaber islamischen Glaubens erwŠhnt. Er wird im SŸdwesten der Arabischen Halbinsel (oder den benachbarten Regionen) geboren werden oder wenigstens dort erscheinen (vgl. Anmerkung 5).

 

Laut Zeile drei wird er Spanien angreifen und dabei Granada erobern. Und dazu die Ligurische KŸste von der See her attackieren (Zeile vier). Die dritte Zeile ist dabei eine klare Parallele zu 3/20.

 

Die erwŠhnte Herkunft dieses islamischen Machthabers (sŸdwestliche Arabische Halbinsel oder Umgebung) wŸrde zu einer Figur passen, die Nostradamus in 9/38, 9/64, 10/7 und 10/58 namentlich erwŠhnt: "Emathion". Im antiken Mythos gab es mehrere Personen dieses Namens. 1.) einen Sohn des Trojaner Prinzen Tithonos und der Gšttin Eos, was diesen Emathion zum Angehšrigen der trojanischen Kšnigsfamilie machte. GemŠ§ DIODOR 4,27,3 war er ein Kšnig von Aithiopia, wobei hier mit Aithiopia - dem "Land der sonnenverbrannten Menschen" - (Schwarz-) Afrika sŸdlich von Libyen und €gypten gemeint ist, zu dem u. a. auch die heutigen Staaten Eritrea und Somalia gehšren. Bei APOLLODOR 2,5,11 war er dagegen im benachbarten Arabien anzutreffen, wo ihn Herkules tštete. Nostradamus dŸrfte bei seinem "Emathion" wohl v. a. an Nr. 1.) gedacht haben.

 

Daneben war Emathion auch der Name eines 2.) alten Mannes, der auf der Hochzeit des Perseus von Chromis getštet wurde, 3.) eines GefŠhrten des Aeneas, der von Liger erschlagen wurde, 4.) des Vaters des Rhomos und 5.) eines Sohnes des Zeus (mit der Plejade Elektra), der Kšnig der nordostgriechischen Insel Samothraki war.

 

Zudem sei darauf hingewiesen, dass das griech.-lat. "Emathia" dichterisch Makedonien oder Thessalien bezeichnet. Es wŠre also durchaus denkbar, dass Nostradamus in seinen "Emathion" auch ZŸge eines gro§en Makedonen oder Thessalonichers hat einflie§en lassen. Mit Blick auf den "Byzantiner" in 8/51/1 ist hier zunŠchst an den ostršmischen (byzantinischen) Kaiser Justinian I. (527-565) zu denken, der ein gebŸrtiger Makedone war und der u. a. Teile SŸdspaniens fŸr das ršmische Reich zurŸckeroberte. Geboren wurde Justinian um ca. 482 in Tauresium, etwa 20 km sŸdšstlich des heutigen Skopje. Wir dŸrfen aber wohl auch nicht den bekanntesten aller Makedonen als Vorbild au§er Acht lassen, Alexander den Gro§en (336-323 v. Chr.). Dies, zumal Alexander in der Dichtung auch "dux Emathius" (emathischer Feldherr) genannt wurde, vgl. OVID, Tristia 3,5,39.

 

 

10/7

 

[1] Le grand conflit quÕon appreste ˆ Nancy1),

[2] LÕ®mathien2) dira tout ie soubmetz3),

[3] LÕisle Britanne par vin, sel4) en solcy5),

[4] Hem. mi. deux Phi.6) long temps ne tiendra Metz7).

 

[1] [Es ist] der gro§e Konflikt, den man in Nancy1) vorbereitet.

[2] Der Emathion2) wird sagen: Ich unterwerfe alles3).

[3] Die britische Insel [wird] wegen Wein [und] Salz4) in Sorge5) [sein].

[4] "Hem. mi. deux Phi."6) wird Metz7) nicht lange halten.

 

1) Die Stadt Nancy wird in 8/3/2, 9/18/1 und 10/7/1 genannt. Nancy war die Hauptstadt des Herzogtums Lothringen und gehšrte zur Zeit des Nostradamus zum ršmisch-deutschen Reich. Im Rahmen des Erbfolgekrieges um die Champagne wurde die Stadt 1218 von Kaiser Friedrich II. belagert und gebrandschatzt. 1475 eroberte der Burgunder Herzog Karl der KŸhne die Stadt, verlor sie jedoch wieder kurz darauf an RenŽ II., Herzog von Lothringen. Beim Versuch, Nancy 1477 zurŸckzuerobern, wurde Karl der KŸhne jedoch von den Lothringern (mit eidgenšssischen und deutschen Sšldnern) besiegt und fiel. Neben dem lothringischen Nancy gŠbe es in Hochsavoyen noch ein Nancy-sur-Cluses, 30-40 km sŸdšstlich von Genf, und eine Insel in der Seine (ële Nancy, ële dÕAndrŽsy), etwas nordwestlich von Paris.

2) Oder auch: "der Emathische, der Emathionartige". "Emathion" wird in 9/38/2, 9/64/1, 9/93/4, 10/7/2 und 10/58/2 erwŠhnt.  Im antiken Mythos gab es mehrere Personen dieses Namens. 1.) einen Sohn des Trojaner Prinzen Tithonos und der Gšttin Eos, was diesen Emathion zum Angehšrigen der trojanischen Kšnigsfamilie machte. GemŠ§ DIODOR 4,27,3 war er ein Kšnig von Aithiopia, wobei hier mit Aithiopia - dem "Land der sonnenverbrannten Menschen" - (Schwarz-) Afrika sŸdlich von Libyen und €gypten gemeint ist, zu dem u. a. auch die heutigen Staaten Eritrea und Somalia gehšren. Bei APOLLODOR 2,5,11 war er dagegen im benachbarten Arabien anzutreffen, wo ihn Herkules tštete. Nostradamus dŸrfte bei seinem "Emathion" wohl v. a. an Nr. 1.) gedacht haben.

          Daneben war Emathion auch der Name eines 2.) alten Mannes, der auf der Hochzeit des Perseus von Chromis getštet wurde, 3.) eines GefŠhrten des Aeneas, der von Liger erschlagen wurde, 4.) des Vaters des Rhomos und 5.) eines Sohnes des Zeus (mit der Plejade Elektra), der Kšnig der nordostgriechischen Insel Samothraki war.

          Zudem sei darauf hingewiesen, dass das griech.-lat. "Emathia" dichterisch Makedonien oder Thessalien bezeichnet. Es wŠre also durchaus denkbar, dass Nostradamus in seinen "Emathion" auch ZŸge eines gro§en Makedonen oder Thessalonichers hat einflie§en lassen. Mit Blick auf den "Byzantiner" in 8/51/1 ist hier zunŠchst an den ostršmischen (byzantinischen) Kaiser Justinian I. (527-565) zu denken, der ein gebŸrtiger Makedone war und der u. a. Teile SŸdspaniens fŸr das ršmische Reich zurŸckeroberte. Geboren wurde Justinian um ca. 482 in Tauresium, etwa 20 km sŸdšstlich des heutigen Skopje. Wir dŸrfen aber wohl auch nicht den bekanntesten aller Makedonen als Vorbild au§er Acht lassen, Alexander den Gro§en (336-323 v. Chr.). Dies, zumal Alexander in der Dichtung auch "dux Emathius" (emathischer Feldherr) genannt wurde, vgl. OVID, Tristia 3,5,39.

3) Dieser Ausspruch "Ich unterwerfe alles" passt zum vermuteten Alexander-Wesenszug des nostradamischen "Emathion". Konkret kšnnte unser Seher hier eine Stelle aus der Literatur zitieren. Leider ist es mir bisher aber nicht gelungen, eine dazu passende Vorlage zu finden.

4) Die Kombination "Salz und Wein" taucht in 5/34, 9/49 und 10/7 auf. CLƒBERT, S. 1008f., weist darauf hin, dass im 16. Jh. Salz und Wein in Texten exemplarisch genannt wurden, wenn die wirtschaftliche Situation in einem Gebiet anschaulich geschildert werden sollte. Vom Tisch ist dagegen meine Idee, hier einen Hinweis auf "Angevin" bzw. das Angevinische Reich - den englischen Besitz im mittelalterlichen Frankreich - zu sehen. Dieser Begriff taucht erst Jahrhunderte nach Nostradamus erstmals in der Historiographie auf.

5) Oder auch: "Besorgnis, Unruhe".

6) Unklar. "Hem." kšnnte fŸr "Hemathien" ("Emathion") stehen. "Phi." fŸr den neuen "Philipp II. von Makedonien", den wir aus 5.16 und 5.106 kennen. Der historische Philipp II. war der Vater Alexanders des Gro§en. Ob "Emathion" aber ebenfalls der Sohn des neuen "Philipp II." ist, ist zumindest zweifelhaft. Doch da in NostradamusÕ "Emathion" mutma§lich ebenfalls gewisse ZŸge Alexanders zu finden sein dŸrften, lohnt sich wohl ein Blick auf das nicht immer ungetrŸbte VerhŠltnis zwischen Vater Philipp II. und seinem gro§en Sohn. GemŠ§ PLUTARCH, Die Leben edler Griechen und Ršmer, Alexander, 9 habe Philipp auf einer Feier mit dem Schwert auf Alexander losgehen wollen, was wegen des angetrunkenen Zustandes des Angreifers aber scheiterte. Vor diesem Hintergrund kšnnte die Stelle in 10/7/4 vielleicht als " Hem[atien] mi[nŽ] [par le] deux[ime] Phi[lippe]" (der vom zweiten Philipp bedrohte Emathion) oder "Hem[atien] mi[nŽ] de[!] Phi[lippe]" (der von Philipp bedrohte Emathion) aufgelšst werden.

7) Metz ist seit prŠhistorischen Zeiten besiedelt. 451 wurde die Stadt von Attila zerstšrt. In frŠnkischer Zeit war Metz die Hauptstadt Austrasiens (511-751), das bis 584 auch "Reich von Metz" genannt wurde. Die Stadt ist zudem der ursprŸngliche Stammsitz der Karolinger-Dynastie. Austrasien umfasste zunŠchst das Gebiet von der Stra§e von Calais bis nach ThŸringen und von den nšrdlichen Niederlanden bis ins sŸdliche Lothringen. Von diesem Gebiet ausgehend schufen die Karolinger das FrŠnkische Reich, das unter Karl dem Gro§en seine grš§te Machtentfaltung erfuhr. Die Stadt Metz wurde 870 Teil des Ostfrankenreiches und blieb bis zur franzšsischen Eroberung unter Heinrich II. 1552 Teil des ršmisch-deutschen Reiches (všlkerrechtlich sogar bis 1648).

Auf der britischen Insel gibt es wirtschaftliche Probleme, und "Emathion" verkŸndet, er werde "alles" unterwerfen. In der lothringischen Hauptstadt Nancy wird ein Konflikt vorbereitet, und das ebenfalls lothringische Metz wird nach kurzer Zeit seinen Besitzer wechseln.

 

10/7 verbindet die VorgŠnge in England aus 9/49, 8/37 und 10/66 mit dem "Emathion"-Thema.

 

In 10/7/3 erfahren wir, dass die britische Insel in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt, vgl. Anmerkung 4. Aufgrund der Formulierung "Wein und Salz" wohl in denselben wie in 5/34 und 9/49.

 

In der zweiten Zeile von 10/7 wird "Emathion" namentlich erwŠhnt. Laut Nostradamus wird er sagen: "Ich unterwerfe alles", vgl. dazu Anmerkung 3. Doch wann und zu welcher Gelegenheit sagt er das? Ist dieser Satz vielleicht der Wahlspruch, unter dem seine Herrschaft steht? Dann wŸrde 10/7 wohl an den Beginn seiner Regierungszeit gehšren.

 

In der ersten und vierten Zeile von 10/7 ist von Lothringen die Rede. Einmal wird Nancy erwŠhnt, einmal Metz. Leider lŠsst sich aus Strophe 10/7 allein nicht erkennen, worum es genau geht. In der lothringischen Hauptstadt wird ein Konflikt vorbereitet und jemand wird Metz nicht lange halten. Doch wer? Unser Seher schreibt "Hem. mi. deux Phi.". Falls kein Druckfehler vorliegt, kšnnte hier "Emathion" gemeint sein, vgl. Anmerkung 6.

 

Die Stelle kšnnte aber auch etwas všllig Anderes bedeuten. Vielleicht eine Jahreszahl? Das griech. Phi steht fŸr 500. My (= "mi."?) fŸr 40. "Hem." lie§e sich als Heta (= 8) auflšsen oder zu "Gam." (Gamma = 3) korrigieren. Somit erhielten wir entweder 8 + 40 + 2 x 500 = 1048 oder 3 + 40 + 2 x 500 = 1043. Addieren wir die Zahlen zu 1555, dem Jahr, in dem meiner Vermutung nach NostradamusÕ eigene Zeitrechnung beginnt, bekommen wir die Jahre 2603 bzw. 2598 n. Chr. Doch diese chronologische Deutung der Stelle "Hem. mi. deux Phi." ist so gut oder schlecht wie jede andere Spekulation auch.

 

 

 

 

 

3/20

 

[1] Par les contrŽes du grand fleuue Bethique1)

[2] Loing dÕIbere2), au regne3) de Granade4),

[3] Croix repoussŽes par gens Mahumetiques

[4] Vn de Cordube5) trahira la contrade6).

 

[1] In den Gebieten des gro§en baetischen Flusses1),

[2] weit von Hiberia2) [entfernt], im Kšnigreich3) von Granada4),

[3] [werden die] Kreuze von den mohammedanischen Truppen zurŸckgedrŠngt [werden].

[4] Einer von Cordoba5) wird die Gegend6) verraten.

 

1) Die "(Hispania) Baetica" war eine ršmische Provinz im heutigen SŸdspanien. Baetis (oder Betis) war zu ršmischen Zeiten der Name des Guadalquivir, der u. a. durch Cordoba und Sevilla flie§t. "Guadalquivir" geht Ÿbrigens auf das arabische "Wadi-al-Kabir" zurŸck, was "Gro§er Fluss" bedeutet.

2) Oder: "vom Hiberischen". "Hiberia" bezeichnete ursprŸnglich das Land der Iberer am Ebro ("Hiberus") in Nordspanien, spŠter aber auch die gesamte PyrenŠenhalbinsel. Zudem war "Hiberia"/"Iberia" auch der Name eines frŸhmittelaterlichen Staates im Kaukasus, der sich auf dem Gebiet des heutigen Georgiens und Teilen der nordšstlichen TŸrkei befand. Zur Zeit des Nostradamus gehšrte dessen sŸdlicher Teil zum Machtbereich des Osmanischen Reiches.

3) Oder auch: "Gebiet", vgl. lat. "regnum". In den beiden 1557er- und allen 1568er-Ausgaben steht "royaume" (Kšnigreich).

4) In den beiden 1557er- und allen 1568er-Ausgaben steht "Grenade". Von 1013 bis 1492 war das sŸdostandalusische Granada die Hauptstadt eines islamischen Staates in SŸdspanien (Kšnigreich/Emirat Granada). Mit der Kapitulation der Stadt 1492 endete die christliche RŸckeroberung der Iberischen Halbinsel (Reconquista).Von 1492-1833 existierte das (christliche) Kšnigreich Granada, das mit der Krone Kastiliens verbunden, d. h. Teil Spaniens war.

5) Cordoba am Guadalquivir war schon in vorršmischer Zeit besiedelt. Die ršmische "Colonia Patricia Corduba" war Hauptstadt der Hispania Baetica. Nach Untergang des Westršmischen Reiches gehšrte Cordoba zum Reich der Westgoten, in den Jahren 554-571 war es allerdings vorŸbergehend Teil des Ostršmischen Reiches (Byzanz). WŠhrend der arabischen Herrschaft in Spanien war Cordoba vom 8. bis 11. Jahrhundert zunŠchst die Hauptstadt des Emirats Al-Andalus, bevor es zum Zentrum des Kalifates von Cordoba wurde. 1236 schlie§lich eroberten die Christen die Stadt zurŸck. Cordoba wird wšrtlich in 3/20, 8/51 und 10/44 erwŠhnt.

6) "Contrade" meint hier entweder das provenzalische "countrado" bzw. das italienische "contrada" (Gegend) oder das mittelfranzšsische "contrat" (Vertrag, †bereinkunft), was allerdings mŠnnlich wŠre. Die 1568er-Ausgaben von Dresden, Paris und Gregorio schreiben hier "la fin contrade" (das Grenzgebiet?).

In SŸdspanien werden die Christen von muslimischen Truppen zurŸckgedrŠngt. Jemand aus Cordoba wird dabei die Gegend verraten.

 

3/20 knŸpft an 5/55/2f. an. Im Gebiet des alten Kšnigreichs Granada werden die "Kreuze" von muslimischen Truppen zurŸckgedrŠngt werden. Dabei wird jemand aus Cordoba die Gegend an die Muslime verraten.

 

Der Angreifer dŸrfte mit dem "MŠchtigen des mohammedanischen Gesetzes" ("Emathion") aus 5/55/2 zu identifizieren sein. Die zurŸckgeschlagenen "Kreuze" wohl mit den Christen bzw. deren Truppen. Vgl. dazu das franz. "croisŽs" (Kreuzzugsteilnehmer, "die mit einem Kreuz Gekennzeichneten").

 

Laut Zeile vier wird ein VerrŠter aus Cordoba, die gesamte Region - die von der nordspanischen Hiberia aus betrachtet am anderen Ende des Landes liegt - an die Angreifer verraten. Leider erfahren wir hierzu nichts Genaueres.

 

Interessant ist allerdings, dass der in der orthodoxen Kirche als Heiliger verehrte Ossius der Bekenner (ca. 257-357/358) aus Cordoba stammte. Ossius war lange einer der fŸhrenden Gegner des hŠretischen Arianismus im Westen. Nachdem er aber vom ostršmischen Kaiser Constantius II. 356 gefangen genommen und wahrscheinlich gefoltert worden war, akzeptierte er die arianische Irrlehre. Allerdings soll er auf dem Totenbett sein erzwungenes Bekenntnis widerrufen haben.

 

 

 

 

8/51

 

[1] Le Bizantin faisant oblation1),

[2] Apres auoir Cordube2) ˆ soy reprinse3):

[3] Son chemin4) long repos5) pamplation6),

[4] Mer passant proy par la Colongna7) prinse.8)

 

[1] Der Byzantiner macht [ein] Angebot1),

[2] nachdem [er] Cordoba2) wieder an sich genommen3) hat.

[3] Sein Weg4) [fŸhrt Ÿber die] lange Ruhe5) [und die] Pamplation6).

[4] [Das] Meer passierend, wird [man] zur Beute der eingenommenen "Colongna"7).8)

 

1) Oder auch: "Geschenk, religišse Opfergabe", vgl. lat. "oblatio". Als Variante von "ablation" hie§e es "Wegnahme".

2) Cordoba am Guadalquivir war schon in vorršmischer Zeit besiedelt. Die ršmische "Colonia Patricia Corduba" war Hauptstadt der Hispania Baetica. Nach Untergang des Westršmischen Reiches gehšrte Cordoba zum Reich der Westgoten, in den Jahren 554-571 war es allerdings vorŸbergehend Teil des Ostršmischen Reiches (Byzanz). WŠhrend der arabischen Herrschaft in Spanien war Cordoba vom 8. bis 11. Jahrhundert zunŠchst die Hauptstadt des Emirats Al-Andalus, bevor es zum Zentrum des Kalifates von Cordoba wurde. 1236 schlie§lich eroberten die Christen die Stadt zurŸck. Cordoba wird wšrtlich in 3/20, 8/51 und 10/44 erwŠhnt.

3) "Wieder an sich nehmen" ist hier wohl im Sinne von "zurŸckerobern" zu verstehen. Cordoba wechselte in seiner Geschichte mehrmals die Besitzer. Im Rahmen des Kampfes gegen Karthago erobert Rom die Stadt 206 v. Chr. ein erstes und 169 v. Chr. durch Claudius Marcellus ein weiteres Mal. 411 n. Chr. nahmen die Vandalen die Stadt ein und plŸnderten sie. In der Folgezeit gehšrte Cordoba zum Westgotenreich. 554 entrissen die Byzantiner die Stadt jedoch den Westgoten, die sie erst 571 wieder Ÿbernehmen konnten. 711 wurde Cordoba von den Arabern eingenommen, die die Stadt 1236 wieder an die christlichen Spanier verloren.

4) Auch im Sinne von "Methode, Verfahrensweise". Vgl. griech. "hodos" sowie lat. "via" und "iter".

5) Mit Blick auf die "Pamplation" vermute ich hier ebenfalls ein Wortspiel. Mit der "langen Ruhe" kšnnte Nostradamus an eine †berwinterung, lat. "hibernatio", gedacht haben. Aus diesem Wort lŠsst sich aber vor dem spanischen Hintergrund der Strophe leicht der Ausdruck "hibera natio" herauslesen. Mit dieser "iberischen Nation", diesem "iberischen Land", ist nun wahrscheinlich das Land am Ebro, mšglicherweise aber auch die gesamte Iberische Halbinsel gemeint.

6) Der Begriff "pamplation" taucht in allen 1568er-Ausgaben so auf, ist aber unklar. Falls hier kein Druckfehler vorliegt, scheint mir die Spur zu Pamplona (lat. u. a. "Pampalona", span. "Pamplona", franz. "Pampelune"), vgl. LEMESURIER, 1997, S. 279, am vielversprechendsten zu sein. Von ca. 824-1134 existierte das Kšnigreich Pamplona, das als Kšnigreich Navarra bis 1589 fortbestand. "Pamplation" lie§e sich analog zu "hibernatio" etwa aus dem spanischen "Pamplona" und dem franzšsischen "nation" bilden. Doch es gŠbe fŸr das RŠtselwort "pamplation" noch andere Deutungsmšglichkeiten.

          Da die Festungsstadt Pamplona mehrfach erobert und zerstšrt wurde, kšnnte "pamplation" als "gewaltsame Eroberung" verstanden werden - als "Pamplonisierung".

          Der Begriff kšnnte auch auf den Weinbau und so indirekt auf eine Christenverfolgung verweisen. Das lat. "pampinatio" bezeichnet das ZurŸckstutzen des Weinlaubs, - vgl. LE PELLETIER, Band 2, S. 345 -, eine Arbeit, die gemŠ§ PALLADIUSÕ Opus Agriculturae 6,2 im Mai zu erledigen ist. Die Kombination der mittelfranzšsischen Wšrter "pampre" (Weinlaub, Weinranke) und "ablation" (gewaltsame Wegnahme, (medizinische) Entfernung) ergŠbe ebenfalls "pamplation", - als "Entfernung der Weinranken" zu verstehen. Und dazu gibt es im Johannes-Evangelium einige interessante Stellen: "Ich [Jesus] bin der Weinstock, ihr [Christen] seid die Reben" (15,5). "Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er [Gott-Vater] ab [...]" (15,2). "Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer und sie verbrennen" (15,6). Somit kšnnte die "Entfernung der Weinranken" hier als Christenverfolgung gedeutet werden.

          Wieder in eine ganz andere Richtung kšnnte das Griechische verweisen. "Pan (pam)" lie§e sich als "ganz und gar, všllig" verstehen und "plation" auf "plate" (Ruder, Ruderschiff, Ruderfahrt) zurŸckfŸhren. Dann hŠtten wir etwa ein "gro§es Rudern" vor uns, d. h. eine intensiv betriebene Seefahrt, was zur vierten Zeile der Strophe passen wŸrde.

7) Mit dieser "Colongna" (in allen 1568ern so geschrieben) ist mšglicherweise das erwŠhnte Cordoba ("Colonia Patricia Corduba") gemeint. Cordoba kšnnte hier aber nicht die Stadt sondern das ehemalige islamische Emirat (756-929) oder Kalifat (929-1031) in Spanien bezeichnen. Auf Strophe 8/51 Ÿbertragen wŠre das einfach "Emathions" Herrschaft in Spanien.

          CLƒBERT, S. 898, vermutet La Coru–a (franz. La Corogne) an der nordwestspanischen KŸste. Eine strategisch wichtige Hafenstadt, in der noch ein von den Ršmern errichteter Leuchtturm steht (Herkulesturm). Sollte La Coru–a gemeint sein, hie§e das, dass "Emathion" wohl die gesamte Iberische Halbinsel unterwirft.

8) Oder auch mšglich: "[Das] Meer passierend, [wird die] Beute von der 'Colongna' ergriffen."

Der muslimische "Emathion" macht jemandem ein Angebot, nachdem er Cordoba (SŸdspanien) zurŸckerobert hat. Dann stš§t er weiter nach Norden in das Ebro-Gebiet und das Baskenland vor. Das wiedererrichtete "Emirat Cordoba" wird in den umliegenden Meeren zur Gefahr.

 

Wie in 5/55 und 3/20 geht es auch in diesem Vierzeiler um VorgŠnge in SŸdspanien.

 

In der zweiten Zeile ist von einer RŸckeroberung Cordobas durch einen Byzantiner die Rede. Damit knŸpft Nostradamus mit aller Wahrscheinlichkeit an die ršmische RŸckeroberung SŸdspaniens unter dem byzantinischen Kaiser Justinian I. (527-565) an. Unter dem Makedonen Justinian, der eines der Vorbilder fŸr den "Emathion" unseres Sehers war, vgl. den Kommentar zu 5/55. Anders als Justinian wird der "Byzantiner" aus 8/51/1 jedoch islamischen Glaubens sein, was aus den Parallen in 5/55 und 3/20 abzuleiten sein dŸrfte.

 

Zur Zeit des Nostradamus war das muslimische Osmanische Reich mit seiner Hauptstadt Konstantinopel (Byzanz) das machtpolitische Pendant des ostršmisch-byzantinischen Reiches unter Justinian. Beide MŠchte verfolgten einen nach Westen gerichteten Expansionskurs. Allerdings stie§ Suleiman I. (1520-1566) nicht nach Italien und Spanien vor sondern Ÿber den Balkan bis nach Wien (1529). Dennoch dŸrfte mit Suleiman I. dem PrŠchtigen wohl ein weiteres Vorbild fŸr den nostradamischen "Emathion" gefunden sein. Vgl. auch den Kommentar zu 10/62.

 

"Emathion" wird laut Zeile eins nach der RŸckeroberung Cordobas ein Angebot machen. Doch was fŸr eines und wem? Vielleicht dem VerrŠter aus 3/20/4 fŸr dessen Hilfe?

 

In der dritten Zeile erfahren wir, dass sich der Angreifer nicht mit der Eroberung SŸdspaniens zufriedengeben wird. Vielmehr wird er nach Norden vorsto§en und sowohl das Ebro-Gebiet (Anmerkung 5) als auch das Baskenland (Anmerkung 6) durchqueren.

 

Der letzten Zeile ist zu entnehmen, dass das neue "Emirat Cordoba" offensichtlich fŸr andere eine Gefahr darstellen wird. Wir lesen, dass jeder, der versucht, die Meere um Spanien zu befahren, vom "Emathions" Herrschaft auf der Halbinsel ("die eingenommene 'Colongna'") angegriffen und "zur Beute gemacht" werden wird. Solche PiratenaktivitŠten kannte Nostradamus zu seiner Zeit namentlich von Chaireddin Barbarossa (ca. 1478-1546), dem Herrscher von Algier und Vasallen des osmanischen Sultans in Instanbul (Byzanz).

 

 

 

 

 

 

 

5/34

 

[1] Du plus profond de lÕoccident Anglois1),

[2] O est le chef2) de lÕisle Britannique:

[3] Entrera classe3) dans Gyronde4) par5) Blois6),

[4] Par vin & sel7), feuz8) cachŽs aux barriques.

 

[1] Aus der tiefsten Tiefe des englischen1) Westens,

[2] wo die Spitze2) der britischen Insel ist,

[3] [von dort wird die] Flotte3) in [die] Gironde4) [und] gegen5) Blois6) vorsto§en,

[4] wegen Wein und Salz7). [Die] Feuer8) [werden dabei] in den FŠssern versteckt [sein].

 

1) "Anglois" wurde hier als Adjektiv aufgefasst. Sollte es sich um ein Substantiv und das Subjekt der Zeile handeln, wŠre diese etwa so zu verstehen: "Aus der innersten Tiefe des Westens [wird der] EnglŠnder".

2) Das mittelfranzšsische "chef" bedeutet u. a. "Kopf, Oberhaupt, Hauptstadt, Gipfel, Wipfel, Landspitze, Quelle". Ich vermute, Nostradamus meint hier die Westspitze der Insel Gro§britannien. Das wŠre die im Šu§ersten Westen gelegene Landzunge LandÕs End, die zu Cornwall (franz. "Cornouailles") gehšrt.

3) Lat. "classis" (Flotte, Heer). 


4) Die Gironde ist die auffŠllige FlussmŸndung (€stuar) bei Bordeaux. Die 1557er-Ausgabe von Budapest/Moskau schreibt hier "Gyrande".

5) Oder u. a. auch "wegen" oder "nach; Ÿber, via".

6) Stadt an der Loire, etwa auf halbem Weg zwischen OrlŽans und Tours. In der Mitte der Stadt befindet sich das Schloss Blois, das vom franzšsischen Kšnig Ludwig XII. (1498-1515) und bis 1524 auch von Franz I. (1515-1547) als Hauptresidenz genutzt wurde. Ludwig XII. wurde 1462 sogar in diesem Schloss geboren.


          CLƒBERT, S. 606f., sieht hier die Stadt Blaye an der Gironde (32 km nordwestlich von Bordeaux) gemeint. Dann mŸsste das "Anglois" in der ersten Zeile allerdings wie das moderne "anglais" ausgesprochen werden. 9/38, wo Blaye namentlich genannt wird, deutet meines Erachtens jedoch eher daraufhin, dass Nostradamus "Anglois" so ausgesprochen hat, dass es sich auf "Gaulois" gereimt hat.

7) Die Kombination "Salz und Wein" taucht in 5/34, 9/49 und 10/7 auf. CLƒBERT, S. 1008f., weist darauf hin, dass im 16. Jh. Salz und Wein in Texten exemplarisch genannt wurden, wenn die wirtschaftliche Situation in einem Gebiet anschaulich geschildert werden sollte. Vom Tisch ist dagegen meine Idee, hier einen Hinweis auf "Angevin" bzw. das Angevinische Reich - den englischen Besitz im mittelalterlichen Frankreich - zu sehen. Dieser Begriff taucht erst Jahrhunderte nach Nostradamus erstmals in der Historiographie auf.

8) "Feu" (Feuer) bezeichnet im Mittelfranzšsischen auch ein KriegsgerŠt, eine Waffe.

Eine englische Flotte stš§t von Cornwall aus in die Gironde vor und kŠmpft dann gegen Blois. Der Grund ist die škonomische Lage auf der Insel. Die Briten werden die Franzosen Ÿber ihre wahren Absichten zunŠchst tŠuschen und die Waffen in FŠssern versteckt halten.

 

In der vierten Zeile taucht wieder das Duo Wein und Salz auf. Und wieder in einer Strophe, in der es um England geht (Zeile eins).

 

Die ersten beiden Zeilen werfen den Blick auf den Šu§ersten Westen Englands - Cornwall. In Zeile zwei spricht Nostradamus von der "Spitze" des Landes, die sich dort befindet. Das kann durchaus auch so verstanden werden, dass sich der englische Machthaber dort aufhalten wird, vgl. Anmerkung 2. Dies wŸrde vielleicht auch erklŠren helfen, weshalb die Expeditionsstreitmacht aus Zeile drei ausgerechnet aus dieser abgelegenen Region nach Frankreich aufbrechen wird.

 

Laut Zeile drei werden die aus Cornwall aufbrechenden VerbŠnde in die Gironde vorsto§en und gegen Blois kŠmpfen. Ersteres ist fŸr die Seemacht England naheliegend. Doch Blois liegt weit von der MeereskŸste entfernt. Wenn die Insulaner also gegen die Stadt als solche marschieren kšnnen, bedeutet dies wohl, dass sie nach der Landung recht erfolgreich kŠmpfen werden. Ein Grund dafŸr kšnnte sein, dass die Briten unter den SŸdwestfranzosen Bundesgenossen besitzen, die auf ihrer Seite gegen Blois kŠmpfen, vgl. 2/1. Blois stŠnde hier somit mšglicherweise auch als Chiffre fŸr die franzšsische Monarchie bzw. den franzšsischen Gesamtstaat.

 

Die GrŸnde fŸr Englands Vorsto§ sind laut Zeile vier "Wein und Salz", also die wirtschaftlichen VerhŠltnisse auf der Insel, vgl. Anmerkung 7 und v. a. 9/49. Wir haben hier also mšglicherweise einen durch škonomische Not begrŸndeten Raubzug der EnglŠnder vor uns. Dazu passen wŸrde die zweite HŠlfte der vierten Zeile. Nostradamus erwŠhnt in FŠssern "versteckte" Feuer (oder Waffen, vgl. Anmerkung 8). Fahren die Briten vielleicht als HŠndler getarnt in die Gironde? Sind die geschmuggelten Waffen fŸr die VerbŸndeten der Briten vor Ort gedacht?

 

 

 

2/1

 

[1] VERS Aquitaine1) par insults2) Britanniques,

[2] Et3) par eux mesmes grandes incursions.

[3] Pluies, gelŽes fer›t terroirs4) iniques,

[4] Port Selyn5) fortes fera inuasions.

 

[1] Bei Aquitanien1), [werden] durch britische Angriffe2)

[2] und3) sie selber gro§e EinfŠlle [erfolgen].

[3] RegenfŠlle [und] Fršste werden [die] Gegenden4) Ÿbel machen.

[4] [Der] islamische Hafen5) wird gro§e Invasionen durchfŸhren.

 

1) "Aquitanien" bezeichnete in der Antike ein wechselnd gro§es Gebiet im heutigen SŸdwestfrankreich. 


2) Oder auch: "AufstŠnden, Beleidigungen".

3) In der 1555er-Ausgabe aus Wien steht hier das inhaltlich stimmige "et" (und). Sonst findet sich in allen Ausgaben von 1555 bis 1568 "de" (von).

4) Die 1557er-Ausgabe aus Budapest/Moskau zeigt "terroines". In einigen 1568ern finden wir auch "terrois".

5) "Selyn" bezieht sich auf die griechische Mondgšttin "Selene", die bei Nostradamus fŸr den Islam steht und zu deren Attributen die Mondsichel gehšrt (vgl. die AusfŸhrungen zu 10/58/1). Von einem "islamischen Hafen" (Port Selyn) ist auch in 1/94/1 und 4/23/4 (5.100) die Rede. Der bedeutendste "islamische Hafen" war zur Zeit des Nostradamus zweifellos Istanbul (Konstantinopel), die Hauptstadt des mŠchtigen Osmanischen Reiches. Schon in der Antike wurde das damalige Byzanz u. a. durch die Mondsichel der Hekate symbolisiert, nachdem die Gšttin die Stadt vor der Eroberung durch Philipp II. von Makedonien (340/339 v. Chr.) beschŸtzt haben soll. Ein Symbol, das nach der Eroberung der Stadt durch die Osmanen 1453 auf deren Reich Ÿbergegangen ist. So zeigte die Fahne des Osmanischen Reiches zur Zeit des Nostradamus wieder die altvertraute Mondsichel der Hekate bzw. Selene.

          †bersetzen wir "port Selyn" mit "Mond(sichel)hafen", kŠmen aber noch andere HafenstŠdte infrage. Mit Blick auf das sŸdwestfranzšsische Aquitanien aus der ersten Zeile v. a. Bordeaux, vgl. CLƒBERT, S. 213. Im Wappen der Stadt findet sich nŠmlich eine Mondsichel, und die Stadt wird auch Mondhafen (Port de la Lune) genannt.

          Im weiteren befand sich laut PTOLEM€US, Geographia 4,5 an der WestkŸste des heutigen €gyptens, im Raum von Maaten Shammas, etwa 80 km nordwestlich von Mersa Matruh (27.11.2009), ein "Portus Selinus". Noch eine Mšglichkeit wŠre Selinus (Selinous), der Sterbeort Kaiser Trajans. Selinus lag an der sŸdtŸrkischen KŸste, nahe des heutigen Gazipaşa.

In der NŠhe Aquitaniens finden Angriffe der Briten und sŸdwestfranzšsischer KrŠfte statt. Regen und Frost suchen dann die Gegenden heim. Istanbul wird zu dieser Zeit ebenfalls gro§e Invasionen durchfŸhren.

 

In der ersten Zeile ist vom sŸdwestfranzšsischen Aquitanien die Rede, zu dem auch Bordeaux und die Gironde gehšren. In der NŠhe dieser Region werden durch die Briten und (laut Zeile zwei) "sie selber" - das sind wohl einheimische KrŠfte aus Aquitanien - gro§e militŠrische EinfŠlle stattfinden. Die Nennung Aquitaniens und der Briten sind dabei die AnknŸpfungspunkte zu 5/34. Neu ist hier allerdings, dass SŸdwestfranzosen zusammen mit den Briten angreifen werden, also wohl deren VerbŸndete sind. Doch wohin werden sich die Vorstš§e dieser KrŠfte richten? In 5/34 ist neben der Gironde auch von Blois die Rede. Ich vermute deshalb, dass diese Stadt - oder die franzšsische Zentralmacht - das Ziel der Angreifer sein wird.

 

In Zeile drei spricht Nostradamus davon, dass "RegenfŠlle und Fršste" die Gegenden "Ÿbel" machen werden. Das kšnnte einfach ein Hinweis auf das Winterhalbjahr sein, in das diese Strophe gehšrt. Oder sollte mehr dahinter stecken? Sollte vielleicht das schlechte Wetter verantwortlich fŸr die Not in England und mšglicherweise auch anderen Regionen Europas sein?

 

In der vierten Zeile ist von einem "islamischen Hafen" die Rede. Unser Seher verwendet hier sicher nicht zufŠllig den missverstŠndlichen Begriff "Port Selyn", den man auch mit "Mond(sichel)hafen" Ÿbersetzen kšnnte. Eine wohl bewusst gelegte falsche Spur, da sich der "Mondhafen" Bordeaux im oben erwŠhnten Aquitanien befindet, vgl. Anmerkung 5.

 

Islamische HŠfen gab und gibt es viele. Ich vermute hier aber konkret Istanbul (Konstantinopel) gemeint, die Hauptstadt des Osmanischen Reiches. Und zwar deshalb, weil zur Zeit der englischen "Salz-und-Wein"-Krise der neo-osmanische Byzantiner "Emathion" auf Expansionskurs sein wird (vgl. 5/55, 10/7, 3/20 und 8/51). Dabei kann Istanbul wohl aber auch sinnbildlich fŸr die von "Emathion" befehligte neo-osmanische Macht als Ganzes stehen.

 

Laut Zeile vier wird dieses Neo-Osmanische Reich unter "Emathion" gro§e Invasionen durchfŸhren. Doch wo? GekŠmpft wird im sŸdwestlichen Europa, auf der Iberischen Halbinsel und an der ligurischen KŸste, vgl. 5/55, 3/20 und 8/51. Allerdings scheint "Emathion" auch im sŸdšstlichen Europa, auf dem Balkan vorzurŸcken (vgl. 10/62).

 

 

10/62

 

[1] Pres de Sorbin1) pour assaillir Ongrie2),

[2] LÕherault3) de Bude4) les viendra aduertir:

[3] Chef Bizantin, Sallon5) de Sclauonie6),

[4] A loy7) dÕArabes les viendra conuertir8).

 

[1] Nahe bei Serbien1) [steht man], um Ungarn2) anzugreifen,

[2] der Herold3) von Buda4) wird kommen, um sie zu warnen.

[3] [Das] byzantinische Oberhaupt [wird in] Salonae5) im Slawenland6) [stehen]

[4] [und] wird sie zum Gesetz7) der Araber bekehren8).

 

1) In allen 1568er-Ausgaben so. Wahrscheinlich als "Sorbie" zu lesen. Mit "Sorbie" ist entweder das Land der Sorben (lat. "surbi" oder "sorabi") oder der Serben gemeint, deren Bezeichnung den gleichen Ursprung hat. Denkbar wŠre auch, das Nostradamus an die Sorbische Mark des Karolingerreiches gedacht hat, die zur Hauptsache im heutigen Sachsen-Anhalt und ThŸringen lag. Aufgrund des geografischen Kontextes dŸrfte hier jedoch mit ziemlicher Sicherheit Serbien gemeint sein (vgl. die erste und dritte Zeile). Serbien erstreckte sich in der ersten HŠlfte des 15. Jh. von der Donau bzw. Save bis an die Adria. Bis 1459 eroberte das Osmanische Reich das Land aber zur GŠnze.

2) Ungarn war zur Zeit des Nostradamus weit grš§er als heute und umfasste u. a. Teile RumŠniens, der Slowakei und Kroatiens sowie die heute serbische Vojvodina. Nach dem osmanischen Sieg bei Mohacs (1526) gehšrte der grš§te Teil Ungarns zum Osmanischen Reich.

3) Ein Herold war ein Gesandter in offizieller Mission, ein VorlŠufer des heutigen Diplomaten.

4) In den 1568er-Ausgaben von Grasse, Stockholm, Chomarat und Heidelberg steht "Bude", in jenen von Schaffhausen, Mejanes, Perugia, und Arbau "Brude", Dresden, Paris und Gregorio zeigen "Brudes". Die beiden letztgenannten Varianten sind wohl blo§e Druckfehler. Buda (zu Deutsch Ofen, heute Teil Budapests) war von 1361 bis 1541 Hauptstadt des Kšnigreichs Ungarn. 1541 wurde Buda von den Osmanen erobert.

5) Das lat. "Salonae" bzw. "Salona" bezeichnet das heutige Solin an der kroatischen AdriakŸste, wenig Kilometer nordšstlich von Split. Zur Zeit des Ršmischen Reiches war Salonae das politische und wirtschaftliche Zentrum Dalmatiens. Es war Residenzstadt des letzten von Ostrom anerkannten westršmischen Kaisers Julius Nepos (ermordet 480). In der ersten HŠlfe des siebten Jahrhunderts wurde Salonae von Awaren und Slawen verwŸstet und verlor daraufhin seine Bedeutung an das benachbarte Split.

6) Die "Esclavonie" bezeichnete frŸher etwa den Raum Ostkroatien/SŸdungarn. Hier hat Nostradamus aber wohl an die Slawen im weiteren Sinne gedacht, in deren Siedlungsraum eben auch Solin liegt (vgl. griech. "sklabos/sklabenos" = Slawe und Sklave).

7) Das mittelfranzšsische "loy" (Gesetz) kann im Ÿbertragenen Sinne auch "Glaube, Religion; Lehre" bedeuten.

8) DarŸber, wie diese "Bekehrung" in praxi ablaufen wird, lŠsst sich hier nichts Abschlie§endens sagen. Das mittelfranzšsische "convertir" bedeutet auch einfach "etwas verŠndern". Die Zeile lie§e sich demnach auch so Ÿbersetzen: "zum Gesetz der Araber hin verŠndern".

"Emathion" steht mit seiner Streitmacht in Solin bei Split und macht sich auf, bis nach Ungarn vorzusto§en. Er wird Serbien und Ungarn fŸr den Islam erobern.

 

In der dritten Zeile ist von einem "byzantinischen Oberhaupt" die Rede, das laut Zeile vier jemanden zum "Gesetz der Araber" bringen wird. Das passt zum Byzantiner ("Emathion") aus 8/51/1, der in Spanien das islamische Emirat Cordoba wiedererrichtet.

 

Zwar scheinen die Araber in Zukunft einmal auch einer neuheidnischen Religion zu folgen, vgl. 5.46, doch passt die ErwŠhnung des "Byzantiners" nicht in jenen Kontext. Somit dŸrfte das "Gesetz der Araber" mit aller Wahrscheinlichkeit den Islam meinen, den Nostradamus in 3/95 (5.58) das "maurische Gesetz" nennt.

 

Laut Zeile eins wird eine Macht in der NŠhe Serbiens stehen, um von dieser Position aus Ungarn anzugreifen. Das lŠsst darauf schlie§en, dass der Angriff auf Ungarn aus sŸdlicher Richtung erfolgen soll. Ob Serbien hier noch ein eigener Staat oder bereits Teil eines neuen "Osmanischen Reiches" ist, ist dabei nicht ersichtlich. Jedenfalls schlie§t 10/62 hier an 2/1/4 an.

 

In der dritten und vierten Zeile dŸrften wir erfahren, wo "in der NŠhe" Serbiens die fŸr Ungarn bestimmte Invasionsstreitmacht stehen wird. NŠmlich in Solin bei Split. Von dort aus wird der "Byzantiner" angreifen und "sie" zum Islam "bekehren", oder wohl treffender: "sie" dem islamischen Glauben Untertan machen, vgl. Anmerkung 8.

 

Wer dabei mit "ihnen" gemeint ist, - die Ungarn, die Serben oder beide - ist hier nicht klar. Von "ihnen" ist allerdings auch in der zweiten Zeile die Rede. Ein Herold (Gesandter, Bote) aus dem heutigen Budapest oder mit Auftrag aus Budapest warnt "sie" vor dem islamisch-byzantischen "Emathion". Das lŠsst sich so verstehen, dass der Herold die Serben vor der sich zusammenbrauenden Gefahr warnt (weil ihr Land auf einem mšglichen Weg nach Ungarn liegt). Oder der Herold kšnnte etwa ein ungarischer Gesandter in Solin sein, der die Lage erkennt, nach Hause eilt und seine Landsleute warnt. Als dritte Mšglichkeit wŠre noch das Szenario vorstellbar, bei dem der ungarische Gesandte die Byzantiner vor einem Angriff auf Ungarn warnt, weil dieser Vorsto§ im Desaster enden wŸrde. Eine Warnung, die sich mit Blick auf 10/62/4 aber als unbegrŸndet erweisen wird. Bei der dritten Mšglichkeit wŠre das "sie" der zweiten Zeile aber nicht mit dem "sie" der vierten identisch.

 

Wie im Kommentar zu 8/51 schon erwŠhnt, gehšrt somit der osmanische Sultan Suleiman I. (1520-1566) zu den Vorbildern des nostradamischen "Emathion". Unter seiner Herrschaft wurde 1526 Ungarn zum grš§ten Teil erobert und 1529 sogar Wien belagert. Die Einnahme Serbiens vollzog sich allerdings bereits unter der Herrschaft Sultan Mehmeds II. (1432-1481). Zu Mehmed II. vgl. auch 1/18 (5.100).

 

 

3/62

 

[1] Proche del duero1) par mer Tyrrene3) close2)

[2] Viendra percer les grands monts PyrenŽes.

[3] La main plus courte4) & sa percŽe gloze5),

[4] A Carcassonne6) conduira ses menŽes7).

 

[1] Aus der NŠhe des Duero1), Ÿber das geschlossene2) Tyrrhenische3) Meer,

[2] wird [er] kommen, um die gro§en Berge [der] PyrenŠen zu Ÿberqueren.

[3] [Dies wird er tun,] ohne Zeit zu verlieren4). Und seinen Vorsto§ begrŸndet [er] mit falschen Worten5).

[4] Nach Carcassonne6) wird [er] seine RŠnke7) bringen.

 

1) Spanisch-portugiesischer Fluss, der in Altkastilien (zentrales Nordspanien) entspringt und bei Porto in den Atlantik mŸndet. Will Nostradamus mit der Verwendung des spanischen "del" vielleicht andeuten, dass hier vom spanischen Teil des Duero gesprochen wird?

2) Das Tyrrhenische Meer ist von Natur aus bereits gut vom restlichen Mittelmeer abgetrennt und "(ab-)geschlossen", genauer durch die Inseln Korsika, Sardinien und Sizilien. CLƒBERT, S. 412, verweist hier aber auf den lat. Begriff  "mare clausum" (geschlossenes Meer). D. h. auf den Zeitraum von November bis MŠrz, in dem zur Zeit der Ršmer das Befahren des Mittelmeers offiziell untersagt war.

3) In den vier Ausgaben von 1555 und 1557 steht hier "Tyrrene", in allen 1568ern - fŠlschlicherweise - "Cyrrene" (kyrenisch). Das "Kyrenische Meer" wŠre wohl vor der Kyrenaika (Nordostlibyen) zu finden.

4) Wšrtlich: "die Hand [ist] sehr kurz", was hier dem dt. "kurzerhand" (= ohne Zeit zu verlieren) entspricht. Vgl. BRINDÕAMOUR, S. 414.

5) Die Stelle "sa percŽe gloze" lŠsst sich auf sehr unterschiedliche Weise Ÿbersetzen und verstehen. Fasst man "gloze" (glose) als konjugiertes Verb auf, gelangt man zur obigen †bertragung. Falls "gloze" jedoch "close" hei§en sollte, wŠre die Stelle mit "sein Vorsto§ [ist] beendet" zu Ÿbersetzen. Allerdings passt diese Auslegung weniger gut zum Gesamtgeschehen.

6) Das sŸdwestfranzšsische Carcassonne liegt etwa auf gleicher Hšhe wie Narbonne, allerdings rund 53 km westlich davon. Carcassonne wird von der Aude durchflossen, die nšrdlich von Narbonne ins Mittelmeer mŸndet.

7) Das mittelfranzšsische "menŽe" bedeutet u. a. "RŠnkespiel, Intrige, geheime Machenschaft; Jagdspur, FŠhrte; Gefolge; Truppe". Das lat. "minae" hie§e "Schrecken".

"Emathion" wird im Winterhalbjahr Ÿber das Tyrrhenische Meer nach Nordspanien kommen, um von dort unverzŸglich die PyrenŠen Richtung Frankreich zu Ÿberqueren. Dabei wird er seine RŠnkespiele nach Carcassonne bringen.

 

GemŠ§ Zeile zwei wird jemand kommen, um die gro§en Berge der PyrenŠen zu Ÿberqueren. Das ist eine Parallele zu 9/64/1, zu "Emathions" PyrenŠenpassage.

 

Aufbrechen wird der PyrenŠenŸberquerer in der NŠhe des Duero (Zeile eins). Ich vermute hier konkret das zentrale Nordspanien gemeint, vgl. Anmerkung 1. Dabei scheint er aus Italien Ÿber das Tyrrhenische Meer ins Land des Duero zu kommen. Und zwar im Winterhalbjahr zwischen November und MŠrz, vgl. Anmerkung 2.

 

Von AktivitŠten "Emathions" in Italien lesen wir in 5/55/4, wo wir erfahren, dass der islamische Alexander vom Meer aus Ligurien angreifen wird. Nach meinem DafŸrhalten ist im Weiteren 9/64/3f. so zu verstehen, dass "Emathion" seine RŠnkespiele nach Italien ausdehnt, was zur Folge hat, dass es fŸr den Papst kein sicherer Aufenthaltsort mehr sein wird.

 

3/62/3 ist zu entnehmen, dass der PyrenŠenŸberquerer, sobald er am Duero steht, keine Zeit verlieren und sofort die Berge passieren wird. Dabei wird ein seinen Vorsto§ nach Frankreich mit falschen Worten begrŸnden. Doch gegenŸber wem und warum?

 

In der letzten Zeile von 3/62 erfahren wir, dass der PyrenŠenŸberquerer seine RŠnke (oder Truppen, vgl. 7) nach Carcassonne bringen wird. Nostradamus verwendet hier meines Erachtens nicht zufŠllig den gleichen Begriff ("menŽe") wie in 9/64/3 und 6/92/2. Vielmehr sehe ich in 3/62 "Emathion" beschrieben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

10/58

 

[1] Au temps du dueil que le felin1) monarque,

[2] Guerroyera3) le ieune ®mathien2):

[3] Gaule bransler4), perecliter5) la barque,

[4] Tenter Phossens6) au Ponant entretien7).

 

[1] In der Zeit der Trauer, wenn der Mondsichel1) [-Mann] Herrscher [ist],

[2] wird der junge Emathion2) Krieg fŸhren3),

[3] [wird] Gallien wanken4) [und] das Boot Schiffbruch erleiden5).

[4] [Die] PhokŠer6) werden im Westen [ein] GesprŠch7) versuchen.

 

1) Lies vermutlich: "selin", vgl. PRƒVOST, S. 68, GRUBER, S. 139, und CLƒBERT, S. 1121f. Die Drucke von 1568 lassen allerdings nicht immer eine klare Unterscheidung von "f" und "ſ" zu. Somit kšnnte hier auch ein "Katzenherrscher" bzw. "katzenartiger Herrscher" gemeint sein (bei "felin") oder ein "Mondsichelherrscher" (bei " ſelin").

          Im ersten Fall kŠme als Kandidat fŸr den Katzenherrscher wohl der englische Kšnig in Frage. Denn die Gro§katze Leopard ist im Mittelfranzšsischen ein Symbol fŸr England (vgl. z. B. BRINDÕAMOUR, S. 81). Zur Frage Leopard/Lšwe siehe 5.71.

          Das Wort "selin" taucht (sicher) in den den Zenturien-Strophen 1/94, 4/77, 6/27, 6/42, 6/58, 6/78, 8/54 und 10/53 auf, die weibliche Form "seline" in 2/79 und 5/35. Die beiden 1557er Ausgaben geben den Begriff in 4/77/1 dabei in Gro§buchstaben wieder.

          "Selin/seline" wird in der Literatur fŸr gewšhnlich auf die griech. Mondgšttin Selene zurŸckgefŸhrt. Das ist sprachlich nachvollziehbar und durch den Umstand, dass ihr Geliebter Endymion an anderer Stelle von Nostradamus ebenfalls erwŠhnt wird (2/73/4), auch nicht unwahrscheinlich. Doch was meint unser Seher, wenn er sich auf die griech. Mondgšttin bezieht? Eines der Symbole der Selene (ršm. Luna) ist seit der Antike die Mondsichel. Doch was symbolisiert die Mondsichel bei Nostradamus? Die Antwort dŸrften wir wohl in 10/95 (5.16) finden. Dort lesen wir, dass ein spanischer Kšnig die Mondsichel wird niedersinken lassen und den Leuten des Freitags (den Muslimen) die FlŸgel stutzen wird. Somit steht die Mondsichel wohl fŸr den Islam oder eine islamische Macht. Hat somit Muhammads Religion bei unserem Seher neben der Venus (dem Freitagsgestirn, vgl. dazu 5.58: 5/24/1) ein zweites Symbol bekommen? Ja und Nein. Die Mondsichel wurde erst Jahrhunderte nach Muhammads Tod zum Symbol seines Glaubens. So fŸhrten etwa die im 16. Jh. Europa bedrohenden Osmanen die Mondsichel in ihrer Fahne. Wenn Nostradamus also die Mondsichel verwendet, dŸrfte nicht der Islam als theologische Lehre an sich gemeint sein - dafŸr steht wohl die Venus. Sondern die Mondsichel verkšrpert wahrscheinlich eher eine islamische Macht (oder die islamische Welt) zu einem bestimmten Zeitpunkt. Man beachte in diesem Zusammenhang auch die €hnlichkeit zwischen dem tŸrkischen Namen Selim und "selin" (vgl. CLƒBERT, S. 548f.). Bis zur Epoche des Nostradamus gab es zwei osmanische Sultane bzw. Kalifen dieses Namens: Selim I. (1512-20) und Selim II. (1566-74). Wichtig ist dabei v. a. Selim I., der nach osmanischer Auffassung die KalifenwŸrde nach Istanbul holte.

          Doch "selin" kann bei Nostradamus auch als Agnomen einer Person verstanden werden, die den Islam bzw. eine islamische Macht besiegt, konkret "Chyren Selin" in 6/27/2 und 8/54/2 (sowie 4/77/1). Vgl. dazu die AusfŸhrungen zu "SELIN" in 4/77/1 (5.23).

2) Oder auch: "[der] Emathische, [der] Emathionartige". "Emathion" wird in 9/38/2, 9/64/1, 9/93/4, 10/7/2 und 10/58/2 erwŠhnt.  Im antiken Mythos gab es mehrere Personen dieses Namens. 1.) einen Sohn des Trojaner Prinzen Tithonos und der Gšttin Eos, was diesen Emathion zum Angehšrigen der trojanischen Kšnigsfamilie machte. GemŠ§ DIODOR 4,27,3 war er ein Kšnig von Aithiopia, wobei hier mit Aithiopia - dem "Land der sonnenverbrannten Menschen" - (Schwarz-) Afrika sŸdlich von Libyen und €gypten gemeint ist, zu dem u. a. auch die heutigen Staaten Eritrea und Somalia gehšren. Bei APOLLODOR 2,5,11 war er dagegen im benachbarten Arabien anzutreffen, wo ihn Herkules tštete. Nostradamus dŸrfte bei seinem "Emathion" wohl v. a. an Nr. 1.) gedacht haben.

          Daneben war Emathion auch der Name eines 2.) alten Mannes, der auf der Hochzeit des Perseus von Chromis getštet wurde, 3.) eines GefŠhrten des Aeneas, der von Liger erschlagen wurde, 4.) des Vaters des Rhomos und 5.) eines Sohnes des Zeus (mit der Plejade Elektra), der Kšnig der nordostgriechischen Insel Samothraki war.

          Zudem sei darauf hingewiesen, dass das griech.-lat. "Emathia" dichterisch Makedonien oder Thessalien bezeichnet. Es wŠre also durchaus denkbar, dass Nostradamus in seinen "Emathion" auch ZŸge eines gro§en Makedonen oder Thessalonichers hat einflie§en lassen. Mit Blick auf den "Byzantiner" in 8/51/1 ist hier zunŠchst an den ostršmischen (byzantinischen) Kaiser Justinian I. (527-565) zu denken, der ein gebŸrtiger Makedone war und der u. a. Teile SŸdspaniens fŸr das ršmische Reich zurŸckeroberte (vgl. dazu 5/55, 3/20, 8/51). Geboren wurde Justinian um ca. 482 in Tauresium, etwa 20 km sŸdšstlich des heutigen Skopje. Wir dŸrfen aber wohl auch nicht den bekanntesten aller Makedonen als Vorbild au§er Acht lassen, Alexander den Gro§en (336-323 v. Chr.). Dies, zumal Alexander in der Dichtung auch "dux Emathius" (emathischer Feldherr) genannt wurde, vgl. OVID, Tristia 3,5,39.

3) Das mittelfranzšsische "guerroyer" bedeutet u. a. "Krieg fŸhren, kŠmpfen; jemanden bekriegen; einfallen, erobern". Die ersten beiden Zeilen lie§en sich alternativ z. B. auch folgenderma§en Ÿbersetzen: "In der Zeit der Trauer, wenn der Mondsichel[-Mann]/Katzenherrscher den jungen Emathion bekriegen wird".

4) Gallien meint Frankreich. Allerdings wŠre auch die †bersetzung mšglich: "[Die] Peitsche/Gerte wird schwingen/geschwungen".

5) Mit Blick auf das lat. "periclitari" vielleicht auch "etwas versuchen, wagen; gefŠhrdet sein".

6) PhokŠa war eine ionische Seestadt an der kleinasiatischen KŸste gegenŸber von Lesbos. Die PhokŠer grŸndeten etliche StŠdte: etwa Lapseki an den Dardanellen (TŸrkei), Elea in SŸditalien, AlŽria auf Korsika, Empœries in Katalonien sowie an der franzšsischen MittelmeerkŸste Agde, Marseille, Cannes, Antibes und Nizza.

7) Das mittelfranzšsische "entretien" bedeutet "Instandhaltung, Wartung, Unterhalt" aber auch "Unterhaltung, GesprŠch, GesprŠchspartner".

Dann, wenn der "Mondsichel-Mann" ("CHYREN") der Herrscher sein wird, wird "Emathion" in der Zeit der Trauer (November?) Krieg fŸhren. Frankreich wird wanken und die Kirche eine sehr schwere Krise durchmachen. SŸdfranzosen (aus Marseille?) werden versuchen, mit dem Feind ein GesprŠch zu fŸhren.

 

In der zweiten Zeile wird der "junge Emathion" erwŠhnt. Wie im Kommentar zu 3/85 ausgefŸhrt, ist damit wohl eine Parallele zum ebenfalls jungen Alexander dem Gro§en gegeben.

 

In 10/58/2 erfahren wir, dass "Emathion" Krieg fŸhren wird. Und zwar zu jener Zeit, wenn der "Mondsichel-Mann" Herrscher sein wird (Zeile eins). Falls damit wie in 4/77/1 der bekannte "Mondsichel-Heinrich" gemeint ist, wŠre das "Emathion"-Thema Teil des "CHYREN"-Themas.

 

Zeile eins spricht von der "Zeit der Trauer", in der "Emathion" Krieg fŸhren wird. Mit dieser Trauerzeit kšnnte die Karwoche gemeint sein. Oder aber der Trauer- und Totenmonat November, in dem am zweiten Tag Allerseelen begangen wird. Allerseelen ist seit dem Mittelalter ein Gedenktag. Zum November passen wŸrde das mare clausum aus 3/62/1.

 

In der dritten Zeile erfahren wir, dass zu dieser Zeit Frankreich sich in gro§en Schwierigkeiten befinden ("wanken") wird. Und das die Kirche (das Boot Petri) ebenfalls in existenziellen Nšten sein oder gar "Schiffbruch" erleiden wird. Das wŸrde zu der andernorts (9/64/3f.) von mir gemachten Vermutung passen, dass der Papst in Italien keinen sicheren Platz mehr haben wird.

 

In der vierten Zeile lesen wird, dass die PhokŠer im Westen versuchen werden, ein GesprŠch zu fŸhren. Mit den PhokŠern sind vermutlich Franzosen aus den phokŠischen GrŸndungen Agde, Marseille, Cannes, Antibes oder Nizza gemeint, konkret vielleicht die Stadt Marseille.

 

Das "GesprŠch im Westen" kšnnte die "Unterhaltung" aus 9/38/4 sein, die vielleicht in Carcassonne (3/62/4) stattfindet. Carcassonne liegt westlich aller franzšsischen PhokŠergrŸndungen sowie auch westlich von Narbonne. Zudem wŸrde der GesprŠchsort Carcassonne erklŠren, weshalb "Emathion" seine RŠnke ausgerechnet in diese Stadt bringt (3/62/4).

 

 

9/38

 

[1] LÕentree1) de Blaye2) par Rochelle3) & lÕAnglois,

[2] Passera outre5) le grand Aemathien4),

[3] Non loing dÕAgen6) attendra le Gaulois,7)

[4] Secours Narbonne8) deceu par entretien9).10)

 

[1] Den Einmarsch1) in Blaye2), von La Rochelle3) und dem EnglŠnder [bewerkstelligt],

[2] wird der gro§e Emathion4) Ÿberbieten5).

[3] Nicht weit von Agen6) [entfernt] wird [er] den Gallier erwarten.7)

[4] [von der] Hilfe [wird] Narbonne8) enttŠuscht [sein, die] aus [der] Unterhaltung9) [erwŠchst].10)

 

1) Das mittelfranzšsische "entree" bedeutet u. a. "Einzug, Einmarsch; Zugang; Empfang".

2) Ort an der KŸste der Gironde, etwa 30 km nordwestlich von Bordeaux. Die Stadt galt im HundertjŠhrigen Krieg als SchlŸssel zu Aquitanien und war dementsprechend umkŠmpft. Sie gehšrt seit 1452 definitiv zu Frankreich. Es gŠbe daneben noch ein Blaye-les-Mines, etwa 15 km nšrdlich von Albi in SŸdwestfrankreich. 


3) Hier ist wohl die Stadt an der zentralen franzšsischen AtlantikkŸste gemeint. Es gŠbe jedoch noch ein La Rochelle in Ostfrankreich, etwa 32 km sŸdšstlich von Langres sowie ein La Rochelle-Normande, etwa 14 km sŸdšstlich von Granville (Normandie).
 In 2/61 (5.23) sind England, die Gironde und La Rochelle VerbŸndete, die "CHYREN" bekŠmpfen.

4) Oder auch: "[der] Emathische, [der] Emathionartige"Emathion" wird in 9/38/2, 9/64/1, 9/93/4, 10/7/2 und 10/58/2 erwŠhnt.  Im antiken Mythos gab es mehrere Personen dieses Namens. 1.) einen Sohn des Trojaner Prinzen Tithonos und der Gšttin Eos, was diesen Emathion zum Angehšrigen der trojanischen Kšnigsfamilie machte. GemŠ§ DIODOR 4,27,3 war er ein Kšnig von Aithiopia, wobei hier mit Aithiopia - dem "Land der sonnenverbrannten Menschen" - (Schwarz-) Afrika sŸdlich von Libyen und €gypten gemeint ist, zu dem u. a. auch die heutigen Staaten Eritrea und Somalia gehšren. Bei APOLLODOR 2,5,11 war er dagegen im benachbarten Arabien anzutreffen, wo ihn Herkules tštete. Nostradamus dŸrfte bei seinem "Emathion" wohl v. a. an Nr. 1.) gedacht haben.

          Daneben war Emathion auch der Name eines 2.) alten Mannes, der auf der Hochzeit des Perseus von Chromis getštet wurde, 3.) eines GefŠhrten des Aeneas, der von Liger erschlagen wurde, 4.) des Vaters des Rhomos und 5.) eines Sohnes des Zeus (mit der Plejade Elektra), der Kšnig der nordostgriechischen Insel Samothraki war.

          Zudem sei darauf hingewiesen, dass das griech.-lat. "Emathia" dichterisch Makedonien oder Thessalien bezeichnet. Es wŠre also durchaus denkbar, dass Nostradamus in seinen "Emathion" auch ZŸge eines gro§en Makedonen oder Thessalonichers hat einflie§en lassen. Mit Blick auf den "Byzantiner" in 8/51/1 ist hier zunŠchst an den ostršmischen (byzantinischen) Kaiser Justinian I. (527-565) zu denken, der ein gebŸrtiger Makedone war und der u. a. Teile SŸdspaniens fŸr das ršmische Reich zurŸckeroberte (vgl. dazu 5/55, 3/20, 8/51). Geboren wurde Justinian um ca. 482 in Tauresium, etwa 20 km sŸdšstlich des heutigen Skopje. Wir dŸrfen aber wohl auch nicht den bekanntesten aller Makedonen als Vorbild au§er Acht lassen, Alexander den Gro§en (336-323 v. Chr.). Dies, zumal Alexander in der Dichtung auch "dux Emathius" (emathischer Feldherr) genannt wurde, vgl. OVID, Tristia 3,5,39.

5) Oder geografisch: "Ÿberschreiten, passieren".

6) Stadt in SŸdwestfrankreich an der Garonne, etwa auf halbem Weg zwischen Bordeaux und Toulouse. 
Zudem gŠbe es noch ein Agen-dÕAveyron etwa 9 km šstlich von Rodez.

7) Oder umgekehrt: "Nicht weit von Agen [entfernt] wird der Gallier warten." 


8) Stadt in SŸdwestfrankreich, nahe der MittelmeerkŸste.

9) Das mittelfranzšsische "entretien" bedeutet "Instandhaltung, Wartung, Unterhalt" aber auch "Unterhaltung, GesprŠch, GesprŠchspartner".

10) Unklare Zeile. Etwa auch mšglich: "Hilfe [kommt], Narbonne [wird] von [der] Unterhaltung enttŠuscht [sein]."

Der EnglŠnder und La Rochelle werden in Blaye nahe Bordeaux einmarschieren. "Emathion" stš§t in den Raum Agen vor, wo er den Franzosen erwartet. Narbonne ist vom Ergebnis des GesprŠches in Carcassonne enttŠuscht.

 

Der ersten Zeile ist zu entnehmen, dass das BŸndnis aus "dem EnglŠnder" und La Rochelle in Blaye einmarschieren wird. Hier wird an den englischen Vorsto§ in die Gironde aus 5/34 und 2/1 angeknŸpft.

 

Doch nicht nur erwŠhntes BŸndnis ist militŠrisch aktiv. Der gro§e "Emathion" wird die Eroberung Blayes durch seine Taten noch Ÿbertreffen. Wie wir aus 3/62 und 9/64 wissen, wird er die PyrenŠen Ÿberschreiten und in SŸdfrankreich eindringen.

 

GemŠ§ 9/38/3 dŸrfte es unweit von Agen zu einer Begegnung von "Emathion" und "dem Gallier" (dem Franzosen) zu kommen. Doch um welche Art des Zusammentreffens handelt es sich? Um eine Schlacht oder eine Unterredung? Dass es ein GesprŠch geben wird, erfahren wir in 10/58 und 9/38. Allerdings kommt als Ort dieser Konferenz auch Carcassonne in Frage, wohin "Emathion" sein RŠnke bringen wird (3/62). Carcassonne liegt aber weiter (rund 177 km) von Agen entfernt.

 

Was bei Agen geschieht, lŠsst sich hier nicht entscheiden. Vielleicht ein Kampf, vielleicht ein erstes (gescheitertes) GesprŠch. 9/85 kšnnte aber eher auf einen militŠrischen Konflikt schlie§en lassen.

 

Laut Zeile vier wird Narbonne vom Ergebnis einer Unterhaltung enttŠuscht sein. Das bedeutet zunŠchst, dass Narbonne noch existiert. D. h. 9/38 ist chronologisch vor 3/85 und 6/92 einzuordnen, wo die Eroberung und Zerstšrung der Stadt erwŠhnt wird. Mit der Unterhaltung ist nun entweder das Zusammentreffen bei Agen oder - wie ich eher vermute - jenes in Carcassonne gemeint.

 

 

9/85

 

[1] Passer Guienne1), Languedoc2) & le Rosne,

[2] DÕAgen4) tenans3) de Marmande5) & la Roole6),

[3] DÕouurir par foy8) parroy7) Phocen9) tiendra son trosne

[4] Conflit aupres saint Pol de Manseole10).

 

[1] [Die] Guyenne1), [das] Languedoc2) und die Rhone durchqueren

[2] wird [der] Halter3) von Agen4), von Marmande5) und La RŽole6).

[3] FŸr das …ffnen [der] Mauer7) wegen [des] Glaubens8) wird [der] phokŠische9) [Ort] seinen Thron beherbergen.

[4] [Den] Kampf [wird es] bei Saint-Paul-de-Mausole10) [geben].

 

1) In den 1568er-Ausgaben von Mejanes und Perugia steht "Guyenne". Das sŸdwestfranzšsische Herzogtum Guyenne (1154-1453 englisch) erstreckte sich von der Region Bordeaux bis zu den PyrenŠen. Die in Zeile zwei genannten Orte liegen ebenfalls in der Guyenne.

2) Region in SŸdfrankreich, die sich vom šstlichen PyrenŠenvorland bis zur Rhone erstreckt.

3) Lies: "tenant" (Besitzer, Inhaber, Halter), vgl. CLƒBERT, S. 1045. In einigen Ausgaben wird auch "tenens" geschrieben.

4) Stadt in SŸdwestfrankreich an der Garonne, etwa auf halbem Weg zwischen Bordeaux und Toulouse. 
Zudem gŠbe es noch ein Agen-dÕAveyron etwa 9 km šstlich von Rodez.

5) Stadt in SŸdwestfrankreich an der Garonne, etwa auf halbem Weg zwischen Bordeaux und Agen gelegen. Ansonsten gŠbe es noch im nšrdlichen Zentralfrankreich, rund 50 km sŸdšstlich von Bourges, einen kleinen Fluss dieses Namens.

6) In den 1568er-Ausgaben von Grasse und Stockholm steht "la Roolle". La RŽole liegt an der Garonne, 52 km sŸdšstlich von Bordeaux.

7) In den 1568er-Ausgaben von Grasse, Stockholm, Chomarat, Lyon und Heidelberg ist der Ausdruck mehr oder weniger klar in "par" und "roy" ("wegen/fŸr [des/den] Kšnig[s]") getrennt. Schaffhausen, Dresden, Paris und Gregorio schreiben "parroy" (Mauer), Mejanes u. Perugia "paroy", Arbau schreibt "p[.] Roy". Inhaltlich trifft meines Erachtens die Version "parroy/paroy" zu, vgl. CLƒBERT, S. 1044f.

8) Im Sinne von "aus GrŸnden des Glaubens" oder auch "mit gutem Glauben (= aus Vertrauen)".

9) PhokŠa war eine ionische Seestadt an der kleinasiatischen KŸste gegenŸber von Lesbos. Die PhokŠer grŸndeten etliche StŠdte: etwa Lapseki an den Dardanellen (TŸrkei), Elea in SŸditalien, AlŽria auf Korsika, Empœries in Katalonien sowie an der franzšsischen MittelmeerkŸste Agde, Marseille, Cannes, Antibes und Nizza.

10) Teilweise auch als "saint Paul" gedruckt. Saint-Paul-de-Mausole (auch: Saint-Pol-de-Mausole) ist ein ehemaliges Kloster bei Saint-RŽmy-de-Provence, direkt neben den dortigen ršmischen Monumenten. Saint-RŽmy-de-Provence liegt etwa 27 km nordwestlich von Salon-de-Provence.

"Emathion" wird SŸdfrankreich von der Guyenne nach Osten bis in die Provence durchqueren. Eine von den PhokŠern gegrŸndete Stadt (Marseille?) wird ihm die Tore šffnen. In ihr wird "Emathion" das Zentrum seiner Macht errichten. Weniger friedlich geht es bei Saint-Paul-de-Mausole zu. Dort kommt es zu einem Kampf.

 

In der zweiten Zeile ist von einem Machthaber die Rede, der das Garonnegebiet von La RŽole bis Agen in der zentralen Guyenne, sŸdšstlich von Bordeaux beherrscht. Ich vermute hier "Emathion" gemeint, der laut 9/38/3 nahe Agen den Franzosen erwartet.

 

GemŠ§ Zeile zwei wird der vermutete islamische Alexander SŸdfrankreich von der Guyenne Ÿber das Languedoc und die Rhone bis zur Provence durchqueren.

 

In der dritten Zeile ist wieder von den PhokŠern bzw. einer ihrer GrŸndungen die Rede - ein AnknŸpfungspunkt zu 10/58/4. In 9/85 erfahren wir, dass diese Stadt (Marseille?) ihre Tore bzw. Mauern fŸr "Emathion" aus eigenen StŸcken šffnen wird. Und als Folge wird der Eindringling in ihr seinen Thron errichten, d. h. die Stadt zum Zentrum seiner Macht erheben.

 

Als Grund fŸr die freiwillige †bergabe der Stadt nennt Nostradamus den "Glauben". Das kšnnte hei§en, dass die PhokŠerstadt "Emathion" einfach vertraut oder dass sie dem gleichen Glauben wie er angehšrt - dem Islam. NŠheres erfahren wir hier leider nicht.

 

In der vierten Zeile ist zu lesen, dass es - anders als im Falle der PhokŠerstadt - bei Saint-Paul-de-Mausole zu einer Auseinandersetzung kommen wird. Ob dieser Kampf vor oder nach der Errichtung des Thrones in der Provence stattfinden wird, ist der Strophe nicht zu entnehmen. Auch nicht wer hier gegen wen antritt und wie das Resultat dieses Ringens sein wird.

 

 

 

 

 

9/64

 

[1] LÕAemathion1) passer montz Pyrennees,

[2] En Mars2) Narbon3) ne fera4) resistance,

[3] Par mer & terre fera si grand menee5).

[4] Cap.6) nÕayant terre seure pour demeurance.

 

[1] Der Emathion1) [wird die] Berge [der] PyrenŠen Ÿberqueren.

[2] Im Krieg2) wird Narbonne3) keinen Widerstand leisten4).

[3] †ber Meer und zu Land wird [er ein] sehr gro§es RŠnkespiel5) durchfŸhren.

[4] [Das] Ornat6) wird keinen sicheren Boden [mehr] fŸr [seinen] Aufenthalt haben.

 

1) "Emathion" wird in 9/38/2, 9/64/1, 9/93/4, 10/7/2 und 10/58/2 erwŠhnt.  Im antiken Mythos gab es mehrere Personen dieses Namens. 1.) einen Sohn des Trojaner Prinzen Tithonos und der Gšttin Eos, was diesen Emathion zum Angehšrigen der trojanischen Kšnigsfamilie machte. GemŠ§ DIODOR 4,27,3 war er ein Kšnig von Aithiopia, wobei hier mit Aithiopia - dem "Land der sonnenverbrannten Menschen" - (Schwarz-) Afrika sŸdlich von Libyen und €gypten gemeint ist, zu dem u. a. auch die heutigen Staaten Eritrea und Somalia gehšren. Bei APOLLODOR 2,5,11 war er dagegen im benachbarten Arabien anzutreffen, wo ihn Herkules tštete. Nostradamus dŸrfte bei seinem "Emathion" wohl v. a. an Nr. 1.) gedacht haben.

          Daneben war Emathion auch der Name eines 2.) alten Mannes, der auf der Hochzeit des Perseus von Chromis getštet wurde, 3.) eines GefŠhrten des Aeneas, der von Liger erschlagen wurde, 4.) des Vaters des Rhomos und 5.) eines Sohnes des Zeus (mit der Plejade Elektra), der Kšnig der nordostgriechischen Insel Samothraki war.

          Zudem sei darauf hingewiesen, dass das griech.-lat. "Emathia" dichterisch Makedonien oder Thessalien bezeichnet. Es wŠre also durchaus denkbar, dass Nostradamus in seinen "Emathion" auch ZŸge eines gro§en Makedonen oder Thessalonichers hat einflie§en lassen. Mit Blick auf den "Byzantiner" in 8/51/1 ist hier zunŠchst an den ostršmischen (byzantinischen) Kaiser Justinian I. (527-565) zu denken, der ein gebŸrtiger Makedone war und der u. a. Teile SŸdspaniens fŸr das ršmische Reich zurŸckeroberte (vgl. dazu 5/55, 3/20, 8/51). Geboren wurde Justinian um ca. 482 in Tauresium, etwa 20 km sŸdšstlich des heutigen Skopje. Wir dŸrfen aber wohl auch nicht den bekanntesten aller Makedonen als Vorbild au§er Acht lassen, Alexander den Gro§en (336-323 v. Chr.). Dies, zumal Alexander in der Dichtung auch "dux Emathius" (emathischer Feldherr) genannt wurde, vgl. OVID, Tristia 3,5,39.

2) Lat. "Mars" (Krieg, Mars). Oder: franz. "MŠrz". 


3) Stadt in SŸdwestfrankreich, nahe der MittelmeerkŸste. CLƒBERT, S. 1022, sieht in "Mars Narbon" den lat. Namen von Narbonne gemeint - "Narbo Martius". Dann wŠre die Zeile wohl so zu verstehen: "In Narbo Martius wird [man] keinen Widerstand leisten".

4) Die 1568er-Ausgaben von Dresden, Paris und Gregorio schreiben hier fŠlschlicherweise "fere".

5) Das mittelfranzšsische "menŽe" bedeutet u. a. "RŠnkespiel, Intrige, geheime Machenschaft; Jagdspur, FŠhrte; Gefolge; Truppe". Das lat. "minae" hie§e "Schrecken". Die Stelle erinnert an 3/62/4.

6) "Cap(.)" taucht in 7/37/4, 9/20/4, 9/30/3 und 9/64/4 auf. Als AbkŸrzung mit Punkt (oder selten: Komma) wird der Begriff in 9/20/4 (alle), 9/30/3 (alle au§er Dresden, Paris u. Gregorio) und 9/64/4 (alle au§er Dresden, Paris u. Gregorio) geschrieben. In 7/37/4 erscheint das Wort nirgends als AbkŸrzung. Das mittelfranzšsische "cap" hie§e dabei "Kopf, milit. AnfŸhrer, Kap". Ich vermute allerdings, dass es Ÿberall "cap." hei§en sollte. Doch welches Wort kšnnte Nostradamus hier abgekŸrzt haben? Auch hierzu habe ich einen Verdacht. Unser Seher verwendet in 4/11/1, 5/78/4, 8/19/1 und 9/26/2 den Begriff "cappe" (Ornat eines Geistlichen, das Ÿber den Rang seines TrŠgers Auskunft gibt). Dabei legt besonders 5/78 nahe, dass es sich dabei wohl um das Papstornat bzw. den Papst handelt. Ich vermute nun, dass mit dem "cap(.)" - dem "Ornat" - ebenfalls das Kirchenoberhaupt gemeint ist.

"Emathion" Ÿberschreitet die PyrenŠen und dringt in Frankreich ein (vgl. 8/51). Er erweist sich als gro§er RŠnkeschmied. Zeuge seines listigen Vorgehens wird man sowohl auf dem franzšsischen Kriegsschauplatz als auch jenseits des Meeres (in Italien). Narbonne wird keinen Widerstand leisten und der Papst keinen sicheren Aufenthaltsort mehr haben.

 

9/64 knŸpft wieder an 8/51 an. "Emathion" dringt aus dem bereits unterworfenen Spanien Ÿber die PyrenŠen nach Frankreich vor (Zeile eins).

 

In diesem Krieg (oder im Monat MŠrz?, vgl. Anmerkung 2) wird Narbonne sich laut Zeile zwei widerstandslos "Emathion" ergeben. Von der Einnahme der Stadt berichtet auch 3/85. "Emathion" marschiert hier also in SŸdfrankreich Richtung Osten, was zu 9/85 passt.

 

Der Umstand, dass sich Narbonne kampflos ergibt, dŸrfte mit dem "sehr gro§en RŠnkespiel" zu tun haben, dass "Emathion" Ÿber Meer und zu Land durchfŸhren wird (dritte Zeile). Von einer List wird auch im bereits erwŠhnten 3/85 gesprochen.

 

In der vierten Zeile ist meines Erachtens vom Papst ("Ornat", vgl. Anmerkung 6) die Rede. Wenn dieser keinen sicheren Boden mehr unter den FŸ§en hat, dŸrfte das hei§en, dass Italien sich in einem Konflikt befinden wird. Nach meinem DafŸrhalten in einem Konflikt mit "Emathion", dessen RŠnkespiel Ÿber das Meer auch nach Italien Ÿbergreifen wird.

 

 

 

 

3/85

 

[1] La citŽ prinse par tromperie & fraude,

[2] Par le moyen1) dÕvn beau ieune atrapŽ2):

[3] Lassaut3) donnŽ Roubine4) pres de lÕAVDE5)

[4] Luy & touts morts pour auoir bien tr›pŽ.

 

[1] Die Stadt [wird] eingenommen durch TŠuschung und Betrug.

[2] Durch den UnterhŠndler1) eines schšnen jungen Mannes [wird man] hereingelegt2).

[3] Der Angriff3) findet [bei der] Robine4) nahe der Aude5) statt.

[4] Er und alle [werden] tot [sein], weil [er] gut getŠuscht hat.

 

1) Neben "Vermittler, UnterhŠndler" bedeutet "moyen" aber u. a. auch "Vermittlung".

2) Oder das "atrapŽ" bezieht sich auf den UnterhŠndler, also: "Durch den hereingelegten (oder: gefangenen) UnterhŠndler eines schšnen jungen Mannes". Das wŠre ein Verweis auf das Schicksal dieses Vermittlers, vgl. Zeile 4 und 6/92.

3) In den beiden 1557er- und allen 1568er-Ausgaben steht hier einfach "Assau(l)t".

4) In den 1555er-, 1557er- und den beiden 1568er-Ausgaben von Grasse und Stockholm steht "Roubine", in den restlichen 1568ern "Raubine". Das mittelfranzšsische "roubine/robine" bezeichnet einen Verbindungskanal zwischen einem Salzwasserteich und dem offenen Meer. Hier ist konkret der Kanal namens Robine unweit des Flusses Aude in SŸdwestfrankreich gemeint. Die Robine war in der Antike ein Seitenarm der Aude, wurde aber schon frŸh zu einem Kanal erweitert und verband im Mittelalter die Stadt Narbonne mit dem Mittelmeer. In der Provence gŠbe es zudem noch den kleinen Fluss Roubine, etwa 15 km nordšstlich von Cavaillon, der hier aber ausscheidet.

5) In den 1555er-, 1557er- und den beiden 1568er-Ausgaben von Grasse und Stockholm steht "lÕAude" usw., in den restlichen 1568ern "LAUDE", was aber kaum in einem lat. Sinne aufzufassen ist. Die Aude entspringt in den šstlichen PyrenŠen, durchflie§t Carcassonne und mŸndet nšrdlich von Narbonne ins Mittelmeer.

Narbonne wird durch TŠuschung und Betrug eingenommen. "Emathions" UnterhŠndler wird die Stadt hereinlegen. Alle Einwohner, aber auch der betrŸgerische UnterhŠndler, werden bei der Eroberung sterben.

 

In der dritten Zeile wird von einem Angriff bei der Robine nahe der Aude gesprochen. Wir befinden uns also in unmittelbarer Nachbarschaft der sŸdwestfranzšsischen Stadt Narbonne.

 

Die erste Zeile berichtet von der Einnahme einer Stadt. Damit ist meines Erachtens von besagtem Narbonne die Rede. Wir erfahren weiter, dass die Stadt durch TŠuschung und Betrug erobert werden wird.

 

Laut Zeile zwei wird - Narbonne - durch den UnterhŠndler eines "schšnen jungen Mannes" hereingelegt werden. Doch wer ist dieser "schšne junge Mann"? Ich vermute hier "Emathion" gemeint, vgl. dazu 6/92/1 ("FŸrst von Šu§erst anmutiger Schšnheit") und 10/58/2 ("junger Emathion"). "Emathion" wird in Zusammenhang mit dem Fall Narbonnes auch in 9/64 genannt. Die Bezeichnung als "schšner junger Mann" dŸrfte dabei auf die Parallele zu Alexander dem Gro§en verweisen. Alexander wurde mit 20 Kšnig von Makedonien, mit 24 Pharao von €gypten, mit 25 Kšnig von Asien und mit 26 Kšnig von Persien. Sein kurzes aber militŠrisch erfolgreiches Leben beschloss er im Jahr 323 v. Chr. mit erst 32 Jahren. Als Šu§erlich schšn anzusehen beschreibt ihn ARRIAN in seiner Alex‡ndrou An‡basis (7,28,1).

 

In der vierten Zeile erfahren wir, welches Resultat die erfolgreiche TŠuschung Narbonnes haben wird: Die Stadt wird erobert und alle sterben. Auch der betrŸgerische UnterhŠndler des "schšnen jungen Mannes". Wie er ums Leben kommen wird, ist hier allerdings nicht ersichtlich. Vgl. dazu aber 6/92.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

6/92

 

[1] Prince1) de beautŽ tant venuste2),

[2] Au3) chef menee4), le second faict trahy5):

[3] La citŽ au glaiue de pouldre6) face7) aduste,

[4] Par trop gr‹d meurtre le chef du Roy8) hay.

 

[1] [Der] FŸrst1) [wird] von Šu§erst anmutiger2) Schšnheit [sein].

[2] Vom3) Oberhaupt [werden] RŠnke4) [geschmiedet und] der Gehilfe [zum] Verratenen gemacht5).

[3] Die Stadt [wird] dem Schwert [anheimfallen, und] vom Pulver6) [wird ihr] Antlitz7) verbrannt [sein].

[4] Wegen [des] zu gro§en Mordens wird das Oberhaupt vom Kšnig8) gehasst [werden].

 

1) Im Mittelfranzšsischen kann "prince" neben "FŸrst" u. a. auch "militŠrischer Kommandeur" bedeuten. Vgl. dazu auch lat. "princeps" (u. a. auch "AnfŸhrer").

2) Mit Blick auf das "Emathion"-Thema, zu dem diese Strophe gehšren dŸrfte, ist anzunehmen, dass das mittelfranzšsische "venuste" (lat. "venustus") auf den Islam verweist, der bei Nostradamus durch die Venus symbolisiert wird. Zum Freitagsgestirn Venus vgl. 5.58: 5/24/1.

3) Lies wohl: "du" (vom).

4) Das mittelfranzšsische "menŽe" bedeutet u. a. "RŠnkespiel, Intrige, geheime Machenschaft; Jagdspur, FŠhrte; Gefolge; Truppe". Das lat. "minae" hie§e "Schrecken".

5) Die Stelle "le second faict trahy" lŠsst sich unterschiedlich Ÿbersetzen und verstehen. So ist etwa nicht ganz klar, was hier Substantiv und was Adjektiv ist. Sicher ist nur, dass etwas oder jemand ausgeliefert oder verraten bzw. zum Ausgelieferten oder Verratenen gemacht wird ("trahy"). Wahrscheinlich der "Gehilfe" (second), vgl. CLƒBERT, S. 775. "Second" lie§e sich aber auch anders verstehen, etwa als "Zweiter". Und das - angenommene - Adjektiv "faict" (gemacht) weist ebenso ein weitergehendes Bedeutungsspektrum auf, etwa "gebildet, krŠftig" u. a.

6) Damit ist wohl das Schwarzpulver gemeint, das im westlichen Europa ab dem 14. Jahrhundert bekannt war. Zur Zeit des Nostradamus wurden Feuerwaffen mehr und mehr auch auf dem Schlachtfeld eingesetzt (z. B. Pavia 1525).

7) Das mittelfranzšsische "face" (Gesicht) bezeichnet auch die gesamte Šu§ere Erscheinung einer Sache oder einer Person (vgl. lat. "facies"). Eine andere Mšglichkeit wŠre, hier das lat. "fax, facis" (Fackel, Feuer usw.) zu erblicken und in Verbindung mit dem "Pulver" als "Feuerpulver" (Schwarzpulver) wiederzugeben.

8) Oder auch: "des Kšnigs".

"Emathion" spielt ein falsches Spiel und verrŠt den UnterhŠndler, der zuvor Narbonne hereinlegt. Die Stadt wird nach der widerstandslosen Eroberung von "Emathion" in Schutt und Asche gelegt und ihre Bevšlkerung getštet. Durch diesen Massenmord zieht sich "Emathion" den Hass des (franzšsischen) Kšnigs zu.

 

In der ersten Zeile wird ein FŸrst erwŠhnt, der von Šu§erst anmutiger oder auch "venusartiger" (vgl. Anmerkung 2) Schšnheit sein wird. Dieser FŸrst dŸrfte mit dem "schšnen jungen Mann" aus 3/85/2 und somit "Emathion" identisch sein.

 

Zeile zwei erwŠhnt zunŠchst das RŠnke schmiedende Oberhaupt, mit dem "Emathion" gemeint ist, vgl. 9/64 und 3/85. Dann taucht ein "Gehilfe" auf, der vom islamischen Alexander verraten werden wird. Damit mŸsste sein UnterhŠndler aus 3/85 gemeint sein, der die Stadt Narbonne mit TŠuschung und Betrug reif fŸr die Eroberung macht.

 

Leider erfahren wir hier nicht, weshalb "Emathion" den ihm sehr nŸtzlichen UnterhŠndler verraten wird. Ist er ein blo§es Bauernopfer oder steckt mehr dahinter? Wird etwa ein mšglicher Rivale beseitigt? Wie aus 3/85/4 zu schlie§en ist, wird der UnterhŠndler die Eroberung Narbonnes nicht Ÿberleben. Man kann vermuten, dass die getŠuschten SŸdfranzosen den von "Emathion" verratenen UnterhŠndler beim Fall der Stadt tšten werden.

 

In der dritten Zeile wird Narbonnes Schicksal nach der Einnahme beschrieben. Die Stadtbevšlkerung fŠllt dem Schwert anheim, wird also getštet, und die Stadt selber wird durch Beschuss oder Sprengung in Schutt und Asche gelegt. In 9/64/2 haben wir erfahren, dass die Stadt widerstandslos eingenommen wird. Somit handelt es sich bei der in 6/92/3f. beschriebenen Gewalt um Ereignisse, die unter "Emathions" Kontrolle geschehen werden. Doch warum tut der Eroberer Narbonne dies alles an? Sind es Vergeltungsma§nahmen? Wenn ja, wofŸr? Oder haben wir die Niederschlagung eines Aufstandes vor uns?

 

In der vierten Zeile erfahren wir, dass das Oberhaupt ("Emathion") vom Kšnig fŸr das Massaker in Narbonne gehasst werden wird. Mit dem "Kšnig" ist wahrscheinlich der Kšnig jenes Landes gemeint, zu dem Narbonne gehšrt - Frankreich. Allerdings lie§e sich die Stelle "le chef du Roy" auch so verstehen, dass "Emathion" lediglich ein Feldherr oder AnfŸhrer ("chef") sein wird, der unter dem Befehl eines (orientalischen) Kšnigs steht. Dies wŸrde aber etwa der Parallele zu Alexander dem Gro§en widersprechen.

 

 

 

 

 

 

9/93

 

[1] Les ennemis du fort1) bien eslongnez,

[2] Par chariots conduict le bastion2),

[3] Par sur3) les murs de Bourges5) esgrongnez4)

[4] Quand6) Hercules7) battra lÕH¾mathion8).

 

[1] Die Feinde der Befestigung1) [sind] weit entfernt.

[2] Mit Wagen [wird] das Bollwerk2) herangekarrt [werden],

[3] hinauf auf3) die zertrŸmmerten4) Mauern von Bourges5).

[4] [Dann,] wenn6) Herkules7) den Emathion8) schlagen wird.

 

1) Oder: "Schanze, Festung". Eine andere Mšglichkeit wŠre die †bersetzung als "der Starke, MŠchtige". In diesem Fall kšnnte damit "Herkules" gemeint sein.

2) Das mittelfranzšsische "bastion" (Bollwerk) bezeichnet den hervorspringenden Teil einer Festungsanlage (bzw. der Festungsmauer), also ein Bauwerk. Ein solches wird kaum in fertigem Zustand von Wagen transportiert werden. Vielmehr dŸrfte hier der Transport des zum Bau notwendigen Materials gemeint sein.

3) Die 1568er-Ausgabe von Arbau hat "Par sus". "Par sur" bedeutet "Ÿber etwas (hinweg)" oder auch "wŠhrend". "Par sus" hei§t "Ÿber", aber auch "oben, darauf, darŸber".

4) Wohl vom provenzalischen "engruna, esgruna, eigruna, esgruna" usw. abgeleitet, was u. a. "zermahlen, zersplittern, zermalmen, zertrŸmmern" bedeutet. Vgl. das mittelfranzšsische "esgrumer".

5) Stadt in Zentralfrankreich, 198 km sŸdlich von Paris. 
Bourges wird in 4/3/1, 9/93/3 und 10/47/1 namentlich genannt. WŠhrend des HundertjŠhrigen Krieges gegen England hielt sich Karl VII. (1422-1461) von 1418-1437 in Bourges auf und machte die Stadt ab 1422 zu seiner Hauptstadt. Daneben gŠbe es noch den kleinen Fluss Bourges im sŸdšstlichen Zentralmassiv, der hier aber wohl nicht gemeint ist.

6) Grasse und Stockholm (beide 1568) haben "quant" (was ... betrifft), ein offensichtlicher Druckfehler.

7) "Herkules" wird in 4/23/4 (5.100)?, 5/13/4 (5.47), 5/51/3, 9/33/1, 9/93/4, 10/27/1 (5.225) und 10/79/3 (5.58) genannt, wobei die ErwŠhnungen in 5/13/4 (5.47) und 5/51/3 aber wohl geografisch zu verstehen sind. Die gallische Entsprechung "Ogmios" taucht in 5/80/1 (5.187), 6/42/1, 8/44/1 (5.216) und 9/89/4 (5.106) auf.

          GemŠ§ 10/79/3 (5.58) scheint "Herkules" aus der franzšsischen Kšnigsfamilie bzw. dem Hause Bourbon zu stammen. Nostradamus war dabei ein Herkules aus dieser Dynastie durchaus bekannt, nŠmlich Franz Herkules von Valois, Herzog von Alenon (1555-1584). Franz Herkules war der jŸngste Sohn Heinrichs II., der beim Tod unseres Sehers allerdings erst elf Lenze zŠhlte. Ein interessanteres antikes Vorbild finden wir in Maximianus Herculius (Maximian), der 286-305 neben Diokletian Mitkaiser des ršmischen Reiches war. Ihm unterstand dabei die WesthŠlfte des Reiches mit Gallien und Italien (vgl. 9/33). 305 traten Diokletian und Maximian zurŸck. Maximians Nachfolger im Westen (Constantius Chlorus) starb jedoch bereits 306, worauf Maximian wieder in die Politik eingriff. 307 ernannte er sich zum Kaiser (Augustus) des Westreiches, wurde aber 308 von Diokletian zur Abdankung gezwungen. Maximian floh nach Gallien zu seinem Schwiegersohn Konstantin (Sohn des Chlorus und seit 306 rechtmŠ§iger Kaiser des Westens). Als Konstantin 310 am Rhein Krieg fŸhrte, erklŠrte sich Maximian jedoch erneut zum Kaiser des Westreiches. Allerdings konnte sich Maximian nicht gegen Konstantin durchsetzen. Er wurde von seinen eigenen Soldaten an Konstantin ausgeliefert, der ihn in Marseille zum Selbstmord zwang.

8) "Emathion" wird in 9/38/2, 9/64/1, 9/93/4, 10/7/2 und 10/58/2 erwŠhnt. Im antiken Mythos gab es mehrere Personen dieses Namens. 1.) einen Sohn des Trojaner Prinzen Tithonos und der Gšttin Eos, was diesen Emathion zum Angehšrigen der trojanischen Kšnigsfamilie machte. GemŠ§ DIODOR 4,27,3 war er ein Kšnig von Aithiopia, wobei hier mit Aithiopia - dem "Land der sonnenverbrannten Menschen" - (Schwarz-) Afrika sŸdlich von Libyen und €gypten gemeint ist, zu dem u. a. auch die heutigen Staaten Eritrea und Somalia gehšren. Bei APOLLODOR 2,5,11 war er dagegen im benachbarten Arabien anzutreffen, wo ihn Herkules tštete. Nostradamus dŸrfte bei seinem "Emathion" wohl v. a. an Nr. 1.) gedacht haben.

          Daneben war Emathion auch der Name eines 2.) alten Mannes, der auf der Hochzeit des Perseus von Chromis getštet wurde, 3.) eines GefŠhrten des Aeneas, der von Liger erschlagen wurde, 4.) des Vaters des Rhomos und 5.) eines Sohnes des Zeus (mit der Plejade Elektra), der Kšnig der nordostgriechischen Insel Samothraki war.

          Zudem sei darauf hingewiesen, dass das griech.-lat. "Emathia" dichterisch Makedonien oder Thessalien bezeichnet. Es wŠre also durchaus denkbar, dass Nostradamus in seinen "Emathion" auch ZŸge eines gro§en Makedonen oder Thessalonichers hat einflie§en lassen. Mit Blick auf den "Byzantiner" in 8/51/1 ist hier zunŠchst an den ostršmischen (byzantinischen) Kaiser Justinian I. (527-565) zu denken, der ein gebŸrtiger Makedone war und der u. a. Teile SŸdspaniens fŸr das ršmische Reich zurŸckeroberte (vgl. dazu 5/55, 3/20, 8/51). Geboren wurde Justinian um ca. 482 in Tauresium, etwa 20 km sŸdšstlich des heutigen Skopje. Wir dŸrfen aber wohl auch nicht den bekanntesten aller Makedonen als Vorbild au§er Acht lassen, Alexander den Gro§en (336-323 v. Chr.). Dies, zumal Alexander in der Dichtung auch "dux Emathius" (emathischer Feldherr) genannt wurde, vgl. OVID, Tristia 3,5,39.

Dann, wenn der franzšsische "Herkules" den islamischen "Emathion" besiegen wird, wird die Stadtmauer von Bourges wieder aufgebaut. Die (englischen) Feinde sind inzwischen weit weg.

 

In der vierten Zeile besiegt der - franzšsische - "Herkules" den - islamischen - "Emathion". Im Mythos fŸhrt dieser in Arabien erfochtene Sieg zum Tod des letzteren. Wo sich der Kampf dieses Mal zutragen wird, erfahren wir allerdings nicht. Falls in der ersten Zeile jedoch (auch) von Herkules - dem "Starken" - die Rede sein sollte, kšnnte das bedeuten, dass dessen Feinde weit von Frankreich weg sein werden, was den Ort der letzten Schlacht ebenfalls in weite Ferne rŸcken lie§e.

 

In den ersten drei Zeilen geht es um die Stadt Bourges, die wŠhrend des HundertjŠhrigen Krieges eine Zeit lang die Residenz des rechtmŠ§igen Kšnigs von Frankreich war. Die Feinde sind inzwischen weg, und man baut die Stadtmauer (oder deren zertrŸmmerte Teile) wieder auf. Dies ist wohl so zu verstehen, dass die europŠischen Feinde Frankreichs - die EnglŠnder - vertrieben sind.

 

 

8/49

 

[1] Satur.1) au beuf2) ioue3) en lÕeau4), Mars en fleche5),

[2] Six de Feurier mortalitŽ6) donra,

[3] Ceux de Tardaigne7) ˆ Bruge8) si grand breche,

[4] QuÕ9)ˆ Ponteroso10) chef Barbarin11) mourra.

 

[1] Satur[n1) steht] im Rind2) [und] spielt3) im Wasser4), Mars [steht] im Pfeil5).

[2] [Der] sechste [Tag] des Februars wird [den] Tod6) bringen.

[3] Die vom Tardenois7) [werden] in "Bruge[s]"8) [einen] sehr gro§en Durchbruch [schaffen],

[4] so dass9) bei "Ponteroso"10) [das] Barbarenoberhaupt11) sterben wird.

 

1) Lies: "Saturne" (Saturn). In allen 1568er-Ausgaben aber ohne "ne"-Endung geschrieben, z. T. auch ohne Punkt. Dem Saturn ("dem gro§en UnglŸck") werden in der Astrologie u. a. die Trauer, die Leichen und die GrŠber zugeordnet. Er wird in menschlicher Gestalt oft mit einer Sichel oder Sense dargestellt und entspricht so in etwa "Gevatter Tod".

2) Hier ist wohl das Sternzeichen Stier gemeint. Die Zeit des Tierkreiszeiches wŠre im April/Mai. "Beuf" bedeutet "Ochse" oder im weiteren Sinne einfach "Rind". Die 1568er-Ausgaben von Arbau, Dresden, Paris und Gregorio schreiben "bÏuf".

3) Z. T. auch mit "j" und/oder "‘" geschrieben. Bemerkenswert ist, dass der ernste UnglŸcksplanet Saturn hier "spielt". Im alten Rom gab es jedoch die Saturnalien, Festtage vom 17. bis 23. (spŠter 30.) Dezember, an denen ausgelassen gefeiert wurde und an denen auch das WŸrfelspiel um Geld erlaubt war. GRUBER, S. 132, liest hier "Jove" (Jupiter).

4) Damit ist entweder das Tierkreiszeichen Wassermann (Januar/Februar) oder eines der drei Wasserzeichen Krebs, Skorpion, Fische gemeint. FŸr den Wassermann spricht, dass in der zweiten Zeile ein Tag in der Zeit des Wassermanns genannt wird.

5) Auch "fleiche" geschrieben. Der Pfeil ist ein Attribut des SchŸtzen.

6) Oder u. a. : "das Sterben, die Sterblichkeit".

7) Das Tardenois ist ein kleines Gebiet in Nordfrankreich etwas sŸdšstlich von Soissons. ESTIENNEs ReisefŸhrer fŸhrt auf S. 60 durch diese Landschaft. Dort finden wir den Ort Fre-en-Tardenois und die gleichnamige Burg aus dem 13. Jh. 1528 erhielt der gro§e franzšsische Feldherr Anne de Montmorency (1493-1567) die Burg und wurde Herr des Tardenois.

8) In 5/94/2 (5.26) wird "Bruges" erwŠhnt und meint dort das belgische BrŸgge. Es gibt in Frankreich aber noch zwei Orte namens Bruges. Zum einen Bruges rund 5 km nordwestlich von Bordeaux und Bruges (heute Bruges-Capbis-Mifaget) rund 20 km sŸdšstlich von Pau im PyrenŠenvorland.

9) Oder auch: "wenn" (zeitlich). So Ÿbersetzt bei GRUBER, S. 132.

10) Unklar. Die 1568er-Ausgaben von Dresden, Paris und Gregorio schreiben "Ponterose". Der Kontext, die ErwŠhnung von "Bruges", kšnnte ein Hinweis zur Identifikation dieser …rtlichkeit sein. Meine Idee, hier die Gironde zu erblicken, die durch Meereserosion entstanden ist ("pontus" = Meer, "erosus" = abgenagt, zerfressen) erscheint mir heute eindeutig zu modern, auch wenn sie geografisch zu Bruges bei Bordeaux passen wŸrde.

          Im Mythos tštet Herkules den Emathion, somit kšnnte dieser mit dem Barbarenoberhaupt aus 8/49/4 identisch sein. TrŠfe dies zu, hat bei der Schšpfung oder Auswahl des Begriffes "Ponteroso" womšglich das Rote Meer einen Einfluss gehabt, vielleicht in der Urform "Pontus Roseus" (rosenrotes Meer), denn Herkules erschlug Emathion in Arabien am Roten Meer. Doch wie kŠme NostradamusÕ "Herkules" dorthin?

          Ein anderer Ansatz wŠre, "Ponterose" (!) als falsch gedruckte Ableitung des lat. "ponderosa" (die Gewichtige, die Schwere) zu verstehen. Nur 21 km šstlich von Bruges-Capbis-Mifaget liegt der Wallfahrtsort Lourdes, wobei "lourde" die weibliche Form von "schwer" ist.

          GRUBER, S. 132f., sieht hier eine beeindruckende BrŸcke auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela gemeint, die Puente Fitero (auch Puente de la Mula genannt), die frŸher den Namen Ponteroso trug. Dieses Bauwerk liegt beim nordspanischen Itero de la Vega (ca. 50 km westlich von Burgos). FŸr diese Auslegung spricht der Umstand, dass im vorangehenden Vierzeiler 8/48 von Ortschaften auf dem Jakobsweg die Rede ist.

          Eine BrŸcke namens "Ponte Rosso" aus der ersten HŠlfte des 16. Jh. finden wir weiter in Florenz.

11) "Barbarin" ist eine Nebenform von "barbare" (Barbar, barbarisch). Nach antikem VerstŠndnis ist ein "Barbar" ein Nichtgrieche bzw. Nichtršmer. Bei Nostradamus kommt dem Begriff des "Barbaren" aber noch ein weiterer Aspekt hinzu. NŠmlich der des Orientalen, besonders wenn es sich um einen Nichtchristen (namentlich Muslimen) handelt. Dabei schwingt sicher auch ein abwertender Gedanke mit, vgl. CLƒBERT, S. 784. Doch hinter der Wortwahl unseres Sehers stehen wohl auch rein sprachliche GrŸnde, etwa die Anspielung auf die Barbareskenstaaten, die vom 16. bis zum 19. Jahrhundert zwischen Marokko und €gypten existierten. Oder das Anagramm "barbare"-"arabe" (Barbar-Araber), das allerdings etwa auch Muslime anderer Ethnien umfassen dŸrfte. In den Zenturien tauchen "Barbaren" etliche Male auf. Die orientalische Spur scheint mir dabei v. a. in folgenden Strophen sichtbar zu sein: 5/13, 5/78, 5/80, 6/21 und 9/60.

Das Barbarenoberhaupt ("Emathion") wird an einem 6. Februar (nach julianischem Kalender) beim - vielleicht nordspanischen - "Ponteroso" sterben. Zu dieser Zeit werden franzšsische Truppen einen gro§en Erfolg verzeichnen, und am Firmament werden Saturn im Stier und Mars im SchŸtzen stehen.

 

In der vierten Zeile wird der Tod eines Barbarenoberhauptes vorhergesagt. Das wŸrde zum islamischen "Emathion" passen, dessen mythologisches Vorbild von Herkules getštet wurde.

 

Wo der Tod das Barbarenoberhaupt ereilen wird, ist leider unklar. NostradamusÕ Angabe "bei 'Ponteroso'" ist im Augenblick noch nicht geklŠrt, vgl. Anmerkung 10. Meines Erachtens hat jedoch GRUBERs Lšsung, die Puente Fitero (Puente de la Mula, Ponteroso) beim nordspanischen Itero de la Vega (ca. 50 km westlich von Burgos) die im Moment besten Chancen.

 

Um die Frage nach dem Sterbeort zu beantworten, sind †bersetzung und VerstŠndnis beider letzten Zeilen entscheidend.

 

In der dritten Zeile ist von einem Ort die Rede, der auf Franzšsisch "Bruges" hei§t. Leute, die zum "Tardenois" gehšren, werden dort einen sehr bedeutenden militŠrischen Sieg ("Durchbruch") schaffen. Bei diesem Tardenois kšnnte Nostradamus nun weniger an die Region denn an seinen Zeitgenossen, den franzšsischen Feldherren Anne de Montmorency gedacht haben, vgl. Anmerkung 7. Ich vermute, wir haben hier einen neuen Montmorency vor uns, der mit seinen Truppen fŸr Frankreich einen gro§en Sieg erkŠmpft. Doch wo? In einem der beiden sŸdwestfranzšsischen Bruges oder im belgischen BrŸgge? Von dieser Frage hŠngt auch ab, wie wir das einleitende "que" der vierten Zeile Ÿbersetzen. Kausal ("so dass") oder temporal ("wenn").

 

Sollte von einem franzšsischen Erfolg in Belgien die Rede sein, dient Zeile drei wohl lediglich der zeitlichen Verortung des Todes des Barbarenoberhauptes - Šhnlich wie die in 9/49 erwŠhnten KŠmpfe in Belgien in Bezug auf die VorgŠnge in England. Denn nach meinem DafŸrhalten ist bei Nostradamus nirgends ersichtlich, dass "Emathion" nach Belgiens Norden ziehen wird. In diesem Fall wŠre also das einleitende "que" der letzten Zeile als "wenn" zu verstehen.

 

Besteht aber ein Kausalzusammenhang zwischen dem franzšsischen Durchbruch bei "Bruges" und dem Tod des Barbarenoberhaupts - vielleicht beim nordspanischen Itero de la Vega - mŸsste "so dass" Ÿbersetzt werden. In diesem Fall wŸrde der Sieg bei "Bruges" den Weg nach Spanien freimachen. Und vor diesem Hintergrund wŠre mit "Bruges" wohl einer der beiden Orte in SŸdwestfrankreich gemeint.

 

Die ersten beiden Zeilen der Strophe umrei§en eine Zeitpunkt. Laut Zeile zwei wird der 6. Februar (nach julianischem Kalender) jemandem den Tod bringen. Es wŠre naheliegend, hier den Tod des Barbarenoberhauptes aus der vierten Zeile zu sehen.

 

Die erste Zeile beschreibt eine astronomische Konstellation, die mutma§lich dann zu beobachten sein wird, wenn an erwŠhntem 6. Februar jemanden der Tod ereilt. Leider lŠsst sich auch diese Zeile auf unterschiedliche Weise verstehen. Genannt werden der Saturn und der Mars, das "gro§e" und das "kleine UnglŸck" in der Astrologie. Saturn in Zusammenhang mit Stier und Wassermann, der Mars mit dem SchŸtzen.

 

Meines Erachtens ist Zeile eins so zu verstehen, dass Saturn im Tierkreiszeichen Stier stehen wird und der Mars im SchŸtzen. Und zwar in der Zeit des Wassermanns, d. h. im Januar/Februar (julianisch). Laut Nostradamus wird Saturn dann "spielen", d. h. sich amŸsieren. Das kšnnte beispielsweise so verstanden werden, dass dem Todesplaneten durch ein gro§es Sterben - etwa einen verheerenden Krieg - "gehuldigt" werden wird.

 

GRUBER, der "ioue" (spielt) als "Jove" (Jupiter) liest, hat folgende Konstellation: Saturn im Stier, Jupiter im Wassermann und Mars im SchŸtzen. Was fŸr diese Auslegung spricht, ist vielleicht der Umstand, dass jedem Tierkreiszeichen ein Planet zugeordnet wird. Allerdings ist die Lesung von "ioue" als "Jove" zwar mšglich, aber nicht zwingend. V. a. nicht wenn man bedenkt, dass Nostradamus in den Zenturien sonst den Begriff "Iupiter/Jupiter" verwendet.

 

 

 

 

 

8/39

 

[1] QuÕaura estŽ par prince1) Bizantin,2)

[2] Sera tollu5) par prince3) de Tholoze4).

[3] La foy6) de Foix7) par le chief Tholentin8),

[4] Luy faillira9) ne refusant lÕespouse10).

 

[1] [Das,] was dem byzantinischen FŸrsten1) gehšrt haben wird,2)

[2] wird vom FŸrsten3) von Toulouse4) weggenommen5) [werden].

[3] Der Glaube6) von Foix7) [wird] durch das Oberhaupt [von] Tolentino8)          

[4] zugrunde gehen.9) [Durch] ihn, [der] die Braut10) nicht abweist.

 

1) Im Mittelfranzšsischen kann "prince" neben "FŸrst" u. a. auch "militŠrischer Kommandeur" bedeuten. Vgl. dazu auch lat. "princeps" (u. a. auch "AnfŸhrer").

2) Das mittelfranzšsische "avoir estŽ" bedeutet "gewesen (= tot) sein". Eine †bersetzung, die sich aufgrund der PrŠposition "par" (u. a. durch, wegen) anbietet. Allerdings weist gerade "par" ein grš§eres Bedeutungsspektrum auf als heute und kann u. a. auch dem modernen "ˆ" entsprechen. Das einleitende "qu" kann zudem "qui" (der) oder "que" (das) bedeuten, womit von einer Person oder einer Sache die Rede sein kann. Die erste Zeile lie§e sich also z. B. auch so verstehen: "[Der,] der wegen des byzantinischen FŸrsten tot sein wird". Oder wir folgen CLƒBERT, S. 884, der die Stelle im oben ausgewŠhlten Sinn versteht.

3) Vgl. Anmerkung 1.

4) Die Grafschaft Toulouse existierte ab 778 und wurde 1271 mit der franzšsischen KrondomŠne vereinigt. Unter den FŸrsten von Toulouse gibt es einige interessante Kandidaten, an die Nostradamus als Vorbilder gedacht haben kšnnte. An erster Stelle ist hier wohl Raimund IV. von Saint-Gilles (1094-1105) zu nennen, der einer der bedeutendsten Feldherren des ersten Kreuzzugs war. Zur Zeit des Albigenserkreuzzuges, vgl. Anmerkung 7, gehšrten die Grafen von Toulouse (Raimund VI., 1194-1222, und VII., 1222-1249) allerdings zu den AnfŸhrern der Katharer. Als katholische Gegengrafen in dieser Zeit sind Simon (IV.) von Montfort (1215-1218) und Amalrich VII. von Montfort (1218-1229) zu erwŠhnen.

5) Oder u. a. auch "weggebracht, geraubt". Vgl. lat. "tollere".

6) Auch: "Treue, Versprechen".

7) Stadt in SŸdwestfrankreich, in der NŠhe von Andorra. Der Ort wird in 3/25, 5/100, 8/12, 8/39, 9/10, 9/63 und 9/73 erwŠhnt. Die Grafschaft Foix lag sŸdlich der Grafschaft Toulouse und existierte von 1034 bis 1607. Foix gehšrte zu den Hochburgen der hŠretischen Katharer (Albigenser). Nach Beendigung des Albigenserkreuzzuges von 1209 bis 1229 durch den Frieden von Paris wurden die Grafen von Foix zu Vasallen des franzšsischen Kšnigs. Bei diesem "Glauben von (auch: in) Foix" hat Nostradamus also mšglicherweise an das Katharertum gedacht. Sollte die †bersetzung "Treue von Foix" richtig sein, kšnnte es hier um ein kŸnftiges Pendant eines historischen Grafen von Foix gehen. 

          In Zusammenhang mit Foix gilt es aber v. a. auf  9/73 (5.14) hinzuweisen, wo ein "blauer Turban" in die Stadt eindringt und ein "wei§er Turban" aus Byzanz erwŠhnt wird. Dies wŸrde zum "Emathion"-Thema passen und den "Glauben von Foix" wohl in einen islamischen Kontext rŸcken.

          Der VollstŠndigkeit halber sei hier als Alternative zum franzšsischen Foix noch auf den Fluss Foix in Katalonien verwiesen, der bei Cubelles (rund 50 km sŸdwestlich von Barcelona) ins Meer mŸndet.

8) In allen 1568ern so. Tolentino ist eine mittelitalienische Stadt in der Provinz Marken und war Teil des Kirchenstaats. Doch wer ist das erwŠhnte "Oberhaupt" (auch: "AnfŸhrer, Kommandant")? Mit Tolentino verbunden ist der heilige Nikolaus von Tolentino (ca. 1245-1305), Patron u. a. von Tolentino und Cordoba. Ein anderer Nikolaus von Tolentino war der Condottiere (SšldnerfŸhrer) Niccolo da Tolentino (ca. 1355-1435). Er kŠmpfte fŸr verschiedene italienische Staaten, zuletzt fŸr Florenz. Sein Sohn Cristoforo folgte den Spuren seines Vaters. CLƒBERT, S. 885, bezieht "Tholentin" auf Toulouse ("toulousain"), was aber sehr fraglich ist.

9) Lies: "Faillira luy". Unter Beibehaltung der Wortfolge wŠre auch die †bersetzung mšglich: "wird ihm fehlen. [Ihm, der] die Braut ...".

10) Oder: "Ehefrau". Im Ÿbertragenen Sinne auch die Kirche, die "sponsa Christi" (vgl. dazu etwa Epheser 5,25-32 und Offenbarung 19,7f.).

"Emathions" ehemaliger Besitz (in SŸdwestfrankreich) wird vom FŸrsten von Toulouse an sich genommen. Der (muslimische) Glaube von Foix wird durch das Oberhaupt von Tolentino (einen "Nikolaus"?) zugrunde gehen.

 

In der ersten Zeile wird ein "byzantinischer FŸrst" erwŠhnt. Damit dŸrfte "Emathion" gemeint sein, der "Byzantiner" aus 8/51/1 bzw. das "byzantinische Oberhaupt" aus 10/62/3. UnterstŸtzt wird diese Identifikation durch den Umstand, dass in 8/39/2 vom FŸrsten von Toulouse die Rede ist, durch dessen (historisches) Gebiet "Emathion" ziehen wird (vgl. die ErwŠhnungen von Carcassonne und Narbonne in 3/62, 9/38, 9/64, 3/85 und 6/92).

 

In den ersten beiden Zeilen von 8/39 erfahren wir nun, dass der FŸrst von Toulouse das wegnehmen wird, was zuvor dem Byzantiner "Emathion" gehšrt hat. Dabei handelt es sich vermutlich um Gebiete. Die Frage ist nur, wie ein regionaler Machthaber es schaffen sollte, dem gro§en "Emathion" etwas wegzunehmen. Ich kšnnte mir vorstellen, dass der islamische Alexander zu diesen Zeitpunkt bereits besiegt oder gar tot ist, weshalb ich 8/39 vorderhand der Schlussphase des "Emathion"-Themas zuordnen wŸrde.

 

Der zweiten HŠlfte von 8/39 ist zu entnehmen, dass der "Glaube von (auch: in) Foix" (foy de Foix) durch das Tolentiner Oberhaupt zugrunde gehen wird. Die erste Frage ist hier, was mit dem "Glauben von/in Foix" gemeint ist. Historisch gesehen das zur Zeit des Nostradamus lŠngst verschwundene Katharertum. Mit Blick auf "Emathion" und den "blauen Turban" aus 9/73 (5.14) ist hier aber der Islam warscheinlicher, vgl. Anmerkung 7. Ob Foix ein Zentrum des eingedrungenen Islams in der Region sein wird, ist hier nicht ersichtlich. Gereizt hat unseren Seher aber wohl in jedem Fall das Wortspiel "foy/Foix". Vielleicht passiert in Foix aber auch etwas Schlimmes, das fŸr die muslimische Aggression zu jener Zeit exemplarisch sein wird? In diesem Fall kšnnte man bei "foy" weiter an das griech.-lat. Wortspiel "pistis/pestis" (Glaube/Pest, Unheil) denken.

 

Zeile drei nennt denjenigen, der dem Glauben von/in Foix den Garaus machen wird. Es wird sich um das Oberhaupt von (oder: aus) Tolentino handeln. Wie in Anmerkung 8 ausgefŸhrt, kšnnte es sich um einen HeerfŸhrer analog dem historischen Niccolo da Tolentino (ca. 1355-1435) handeln. Oder wir haben jemanden aus dem religišsen Bereich vor uns, unter dessen €gide der "Glaube von/in Foix" vernichtet wird. Als Indiz fŸr diese Annahme ist wohl der Stadtheilige von Tolentino (Nikolaus, ca. 1245-1305) anzufŸhren, der gleichzeitig ein Patron des spanischen Cordoba (!) ist. Es sei an dieser Stelle noch vermerkt, dass es bis zur Zeit des Nostradamus fŸnf PŠpste namens Nikolaus und einen Gegenpapst gegeben hat, unter denen unser Seher ein Vorbild fŸr sein "Oberhaupt von Tolentino" gefunden haben kšnnte. Einen Nikolaus erwŠhnt Nostradamus zudem in 9/59/3 (5.265).

 

Die relišse Spur unterstŸtzen kšnnte die vierte Zeile.  Dort ist davon die Rede, dass das Oberhaupt von Tolentino die "Braut" (die Kirche?) nicht abweist ... Allerdings sind gerade hinsichtlich dieser Zeile noch nicht alle Fragen geklŠrt.

 

 

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