5.46 Der Angriff neopunischer Heiden auf Europa und ihre
Niederlage.
In Mesopotamien begrŸndet ein neuer
"Nebukadnezar" eine neopunisch-heidnische Religion und Macht. Spanien
wird von einem neuen "Hannibal" aus Nordafrika kontrolliert, der
diesem neopunischen Glauben anhŠngt. "Hannibal" kann den Kšnig von
Frankreich fŸr diese neue Religion begeistern, der ihre Verbreitung fšrdert.
Frankreich schlŠgt militŠrisch das ršmisch-deutsche Reich und
"Hannibal" den Malteserorden. "Nebukadnezar" wird
"Hadrie" (wohl einen nordostitalienischen Staat) und Rom militŠrisch
bedrŠngen. "Hannibal" unterstŸtzt ihn dabei. Auch die Franzosen
greifen nun Italien an. Der geschlagene, machtlose ršmisch-deutsche Herrscher
kann die Situation nur beklagen. Italien ist noch handlungsfŠhig und vertreibt
die Franzosen. Nach der Niederlage der Franzosen werden zwei "Feinde"
besiegt. "Hannibal" segelt nach Pannonien. Von dort marschiert er
siegreich nach Slawonien/SŸdungarn. Die Franzosen greifen wieder Italien an,
durchqueren Ligurien und Norditalien und sto§en bis Ravenna vor.
"Hannibals" Araber aus Pannonien werden dann Italien angreifen, wenn
in Mittel- und SŸditalien Ÿber ein halbes Jahr kein Regen fŠllt. Venedig sieht
sich durch die Franzosen bedroht, wird aber nicht angegriffen. "Hannibal"
vernichtet die Latiner, Toskaner und SŸdwestitaliener. Es wird einen lange
andauernden Krieg geben. Wenn "Hadries" Herrscher unterliegt, kommt
es in Rom zu Gewalt, der Papst wird gestŸrzt oder getštet. HŠretiker
beherrschen die Szene und es kommt zur Kirchenspaltung. Zu dieser Zeit wird es
auch zu einer †berschwemmung als Vorzeichen kommen. Nach dieser werden die
Araber Rom gro§e Sorgen bereiten. Ein Papst wird gefangen, der Vatikan aber
nicht geplŸndert. Wie bisher das ršmisch-deutsche Reich ist nun auch Frankreich
machtlos - weil es im Innern gespalten ist. Die Neopunier werden Rom erobern,
und die Stadt wird sehr unter ihrer Fremdherrschaft leiden. "Hadrie"
kann aber das Wichtigste der Stadt retten - das Papsttum. Die Araber sto§en weiter
bis Vicenza vor. Das šstlich davon gelegene Venedig greift nun in den Krieg
ein, und der AnfŸhrer der Franzosen wird geschlagen. Die Kirche errichtet ihren
Sitz im Westschweizer Saint-Maurice. "Hadries" Truppen werden dort
eine bedeutende Geisel gefangen halten. Saint-Maurice wird belagert und die
Geisel gegen Orsini-Leute ausgetauscht werden. Aus Angst vor den Belagerern
lassen aber die "Hadrie"-Truppen die Orsini-Leute frei. Im
ršmisch-deutschen Reich wird ein franzšsischer Bourbone Herrscher, der die
neopunischen Araber aus Europa vertreiben und der Kirche ihre alte Ÿberragende
Stellung zurŸckgeben wird. Die Franzosen und Araber werden in Italien gegen
zwei Herren (das ršmisch-deutsche Herrscherduo) Verluste erleiden. Der mit den
Franzosen verbŸndete "Hannibal" gerŠt zunŠchst in die Defensive, kann
aber dann das ršmisch-deutsche Herrscherduo mit militŠrischer Gewalt trennen.
Der Oberkommandierende der Franzosen glaubt, er kšnne den Hauptteil einer
Streitmacht vernichten. Die Neopunier marschieren siegreich Ÿber Genua in die
Provence ein. Die fŸr die franzšsische Monarchie wichtige Loire-Region und
Reims werden durch eine plštzliche VerŠnderung in Mitleidenschaft gezogen. Die
neopunischen Araber werden in die NŠhe der PyrenŠen marschieren, um einem neuen
franzšsischen Kšnig helfen zu kšnnen. Der neue franzšsische Kšnig wird dabei
nahe Le Mas-dÕAgenais von einem ršmisch-deutschen Herrscher eingekesselt sein.
Nachdem die neopunischen Araber besiegt sind werden sie vertrieben, und in
Lausanne geschieht etwas Ekelhaftes, das den Ursprung einer Sache verschleiern
soll. Einer Sache, die als segensreich betrachtet werden wird. Man verzeiht
einem Gro§en, dass er "Neptun" nicht dazu bewegt, weiter Krieg zu
fŸhren. Der besiegte "Hannibal" ist weit von seiner Heimat entfernt. Er
muss fliehen und wird in einer "Meeresscheune" gerettet. Thessalien
ist gefallen und auf Kreta sind 5000. "Belschazzar" - ein Nachfolger
"Nebukadnezars" tut gegen Ende eines Konflikts etwas Gewagtes.
"Hadrie" sieht die Notwendigkeit einer Sache ein, und
"Belschazzar" wird ermordet. Nach "Belschazzars" Tod wird
das neopunische Babylon im Orient von einem gro§en Herrscher vernichtet werden,
der vielleicht arabischer Herkunft ist. Zu dieser Zeit werden sich FlŸsse in
Frankreich, Iberien und vielleicht sogar Indien verŠndern.
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2/30
- 5/14 - 3/27 - 1/9 - 4/4 - 5/48 - 2/32 - 2/84 - 2/94 - 1/83 - 3/11 - 2/54 -
1/8 - 7/22 - 8/11 - 10/38 - 5/74 - 5/13 - 3/38 - 5/23 - 7/39 - 1/20 - 6/1 -
8/10 - 6/90 - 1/98 - 2/55 - 2/60
2/30 [1] Vn qui les dieux dÕAnnibal1) infernaulx [2] Fera renaistre2), effrayeur des humains [3] OncqÕ plus dÕhorreurs ne plus pire[s]3) [f]ournaux4) [4] QuÕauint5) viendra par Babel6) aux Romains. [1] Einer, der die hšllischen Gštter Hannibals1) [2] wiederauferstehen2) lŠsst, [wird zum] Schrecken der Menschen. [3] Niemals [gab es] mehr Schrecken, nie schlimmere3) …fen4) [4] wie [die, die] aufgetaucht sind5) [und die] von Babylon6)
zu den Ršmern kommen werden. 1) Der punische Feldherr Hannibal (247-183 v. Chr.) stammte aus
Nordafrika (Karthago). Hannibal soll schon als Knabe einen feierlichen Schwur
geleistet haben, niemals ein Freund der Ršmer zu werden. Und diesem Schwur
gehorchend blieb er tatsŠchlich zeitlebens ein Feind der Ršmer. Im
Lateinischen wurde deshalb sein Name ein Synonym fŸr Todfeind, Šhnlich wie im
Deutschen Judas fŸr VerrŠter. Die Phšnizier (Punier) verehrten semitische
Gottheiten wie Eschmun, Baal, Adonis, Melkart oder Astarte. Auch
Menschenopfer gehšrten zu ihrer Religion. Sie lebten an der OstkŸste des
Mittelmeers und grŸndeten u. a. Karthago beim heutigen Tunis. Auf Hannibal
wird auch in 3/93 (5.23) verwiesen. 2) Oder: "wiedergeboren werden". 3) In den 1555er- und 1557er-Ausgaben steht hier "pire"
(schlimmer). In sŠmtlichen 1568er-Ausgaben lesen wir dagegen "dire"
(fŸrchterlich, furchterregend). 4) In allen Ausgaben von 1555, 1557 und 1568 steht hier allerdings
"iournaux/journaux" (Tage). BRINDÕAMOUR, S. 235f., - ihm folgt
CLƒBERT, S. 251 - korrigiert zu "fournaux" (…fen) und begrŸndet
dies mit den Parallelen in 9/17 (5.276) und 9/53 (5.17). Dort greift
Nostradamus zweimal auf eine in Daniel 3 geschilderte Episode zurŸck: Der
Kšnig von Babylon Nebukadnezar II. (604-562 v. Chr.) lie§ ein goldenes
Standbild errichten, das anzubeten war. Drei Juden, denen Nebukadnezar die
Verwaltung der Provinz Babel anvertraut hatte, Schadrach, Meschach und
Abed-Nego, verweigerten jedoch die Anbetung des Standbildes und wurden
daraufhin zur Strafe lebendig in einen gro§en glŸhenden Feuerofen geworfen.
Doch Gott schickte ihnen einen Engel, der die Flammen aus dem Ofen vertrieb,
so dass die Hitze ihnen nichts anhaben konnte. BRINDÕAMOURs Korrektur macht
inhaltlich Sinn. 5) Oder sinngemŠ§ auch: "die vorgenannten". 6) Das Babylonische Reich umfasste je nach Epoche verschieden gro§e
Teile des Nahen Ostens. Das antike Babylon (Babel) lag etwa 90 km sŸdlich des
heutigen Bagdad. Im Christentum steht Babylon sinnbildlich fŸr die Gott
feindlich gesinnten MŠchte der Welt. In der Offenbarung des Johannes konkret
fŸr das heidnische Rom (vgl. etwa Offenbarung 17, 9). Auf Babylon wird auch
in 1/55, 8/96 (5.251) und 10/86 (5.252) verwiesen. |
Der neue "Nebukadnezar" wird das punische Heidentum
neubegrŸnden und zum Schrecken der Menschen werden. Er wird seine Herrschaft
von Mesopotamien bis zu den Ršmern ausdehnen. Die erste und zweite Zeile kŸndigt das Auftauchen eines Mannes an, der
die heidnische Religion der Punier wiederbegrŸnden wird. Dieser Neopunier
wird - wohl in der Funktion eines Machthabers - zum Schrecken der Menschen. Der Hinweis auf die "…fen" in der dritten Zeile macht ihn
zum kŸnftigen Pendant des babylonischen Kšnigs Nebukadnezars II. Er dŸrfte
also wohl wiederum gegen Juden (und wohl auch Christen) vorgehen, die sich
seinem neuheidnischen Kult verweigern. Nostradamus vergleicht auch einen
anderen Akteur mit dem biblischen Kšnig von Babylon: den neuen
(franzšsischen) "Nero" (5.17: 9/53, 5.276: 9/17). Da hier aber
tatsŠchlich vom vorderen Orient die Rede sein dŸrfte (vgl. Zeile vier), haben
wir wohl den eigentlichen DoppelgŠnger dieses Herrschers vor uns. In der vierten Zeile erfahren wir, dass diese Verfolgungen - und somit
die Macht des punischen Neuheidentums - von Babylon zu den Ršmern gelangen
wird. Aus den letzten beiden Zeilen lŠsst sich wohl schlie§en, dass der Ursprung
dieses neuheidnischen Glaubens tatsŠchlich im Zweistromland
("Babylon") liegen wird. Der Umstand, dass im Nahen Osten ein Machthaber das polytheistische
Heidentum der Punier wiederbegrŸnden kann, verlegt diesen Vierzeiler in eine fernere
Zukunft. In eine Zeit, in der der heute dominierende Islam seine Kraft
verloren haben wird oder vielleicht gar nicht mehr existiert (vgl. dazu 5.58:
3/95). |
5/14 [1] Saturne & Mars en leo Espagne captifue1), [2] Par chef lybique2) au conflict attrapŽ3), [3] Proche de Malthe, Heredde4) prinse viue, [4] Et Romain sceptre sera par coq5) frappŽ. [1] Saturn und Mars [befinden sich] im [Sternzeichen] Lšwe, [wenn] Spanien
gefangen1) [sein wird]. [2] [Und zwar] vom libyschen2) AnfŸhrer, [der] vom Konflikt
angelockt3) [werden wird]. [3] Nahe bei Malta [wird] "Heredde"4) lebendig gefangen, [4] und [zur gleichen Zeit] wird [das] ršmische Zepter vom Hahn5)
geschlagen werden. 1) Das kann z. B. "besetzt" oder auch "beeinflusst"
bedeuten.
2) "Libysch" ist hier sinngemŠ§ wohl als
"nordafrikanisch" zu verstehen. Vgl. griech. "Libye" (u.
a. ganz Afrika, nordafrikanische KŸste) und lat. "Libya" (das ganze
bekannte Afrika, nordafrikanische KŸste).
3) Oder u. a. auch: "[der] im Konflikt ergriffen/getŠuscht/Ÿberrascht
[werden wird]." 4) LE PELLETIER, Band 2, S. 330, vermutet hier Rhodos, vgl. griech.
"he Rhodos", bzw. die von Rhodos stammenden Johanniter, vgl. Ebd.,
S. 353. Der Begriff "Heredde" ist tatsŠchlich weiblichen
Geschlechts. Er kšnnte auf das lat. "hereditas" (Erbschaft)
zurŸckgehen. Einige vermuten hier "Herodes", vgl. LEONI, S. 252,
doch der wŠre wohl kaum weiblich. Eine etwas umstŠndlichere ErklŠrung mit
einem aber sehr einfachen Resultat wŠre folgende: "Heredde" kšnnte
ein vom Drucker falsch verstandenes und falsch gesetztes "NŽrŽide"
(Nere•de) sein. Die Nere•den waren im antiken Mythos weibliche
Meeresgottheiten. Die bekannteste Nere•de war dabei Thetis, die Mutter des
Achilles. "Thetis" wurde spŠter im Lateinischen aber auch ein
Synonym fŸr "Meer", so dass hier einfach gemeint sein kšnnte, dass
das Meer nahe Malta unter Kontrolle gebracht ("lebendig gefangen")
werden wird.
Die
ErwŠhnung Maltas (seit 1530 Sitz des Johanniter, d. h. Malteser Ordens)
dŸrfte aber zurŸck zu LE PELLETIER fŸhren. Der 32. Gro§meister des Ordens
(1376-1396) - damals noch auf Rhodos
beheimatet - hie§ Juan Fern‡ndez de Heredia (ca. 1310-1396). Er
leitete den Orden zur Zeit des HundertjŠhrigen Krieges (England-Frankreich)
und des AbendlŠndischen Schismas (1378-1417, Urban VI./Rom-Clemens
VII./Avignon). Er ergriff dabei die Partei ClemensÕ VII., stand also auf
derselben Seite wie Frankreich. Doch der Spanier bzw. Aragonese war ein Mann,
weshalb sollte Nostradamus dann von einer weiblichen "Heredde"
sprechen? Mšglicherweise hat unser Seher hier nicht an einen menschlichen
DoppelgŠnger, d. h. an einen neuen Heredia als Person gedacht. Er kšnnte
vielmehr die Johanniter/Malteser als Organisation zur Zeit des Heredia
gemeint haben, die hier wieder in einer Šhnlichen Lage sein wird. Dann wŠre
also etwa von "einer Heredia" die Rede. Einer "Heredia", die in
einem Konflikt wieder auf Seiten Frankreichs stehen kšnnte. An dieser Stelle
sei angemerkt, dass der Begriff "Orden" (als religišse
Organisation) im Spanischen und Aragonesischen weiblich ist und im
Mittelfranzšsischen sowohl weiblichen wie auch mŠnnlichen Geschlechts sein
kann. Nun war aber der Avignoner Gegenpapst ein Schismatiker. Somit wŠre es
durchaus denkbar, dass Nostradamus dessen Gefolgsmann Heredia vielleicht auch
wegen der €hnlichkeit von dessen Namen mit dem Begriff "herite,
herete" (hŠretisch, HŠretiker) ausgewŠhlt hat. 5) Mit dem "Hahn" dŸrfte Frankreich oder ein franzšsischer
Machthaber gemeint sein, vgl. lat. "gallus" ("Hahn" und
"Gallier"). Der "Hahn" taucht auch in 1/31 (5.159), 1/93
(5.159), 2/42 (5.129), 3/52 (5.34), (4/4 (5.47)), 5/14 (5.47), 5/68 (5.169),
6/28 (5.103), 6/54, 8/4 (5.190), 8/5, 8/6 (5.212), 8/9 (5.16), 8/46 (5.159)
und 8/61 (5.211) auf. GemŠ§ 8/5 wird der "Hahn" im Sarg liegen, was
eher auf eine Person denn ein Land hindeutet. |
Im Sternzeichen Lšwe sind Saturn und Mars vereint, wenn Spanien vom
neuen "Hannibal" kontrolliert werden wird. "Hannibal"
wird von einem Konflikt angelockt werden. Nahe Malta wird der Malteserorden
Ÿberwunden werden, wenn Frankreich die ršmisch-deutsche Macht schlŠgt. In der ersten Zeile scheint eine astrologische Konstellation
beschrieben zu sein. Saturn und Mars befinden sich beide im Sternzeichen
Lšwe. Da Saturn bei Nostradamus aber auch fŸr das Judentum steht (vgl. 5.58:
5/24/2, Anmerkung 5) und Mars der Kriegsgott ist, kšnnte die Stelle auch so
verstanden werden, dass sich das Judentum - oder ein jŸdisches Gemeinwesen -
zur Zeit des Lšwen (Juli/August) im Krieg befindet. Doch mit wem? Vielleicht
mit dem neuen "Nebukadnezar" aus 2/30? Jedenfalls wird dann, wenn Saturn und Mars im Lšwen vereint sein
werden, Spanien unter fremder Kontrolle stehen oder gar besetzt sein (vgl.
Anmerkung 1). Und zwar von einem libyschen, d. h. nordafrikanischen AnfŸhrer.
Dieser Nordafrikaner, von dem auch in 3/27/1 als "prince" die Rede
ist, wird dabei von einem Konflikt angelockt werden. An dieser Stelle sei
angemerkt, dass das mittelfranzšsische "prince" neben
"FŸrst" u. a. auch "militŠrischer Kommandeur" bedeuten
kann. In 3/27 erfahren wir, dass dieser Nordafrikaner im "Westen",
mšglicherweise ist damit konkret Spanien gemeint, mŠchtig sein wird. †ber den
"Konflikt" aus 5/14 erfahren wir nichts Genaueres. Allerdings
ermšglichen uns die Informationen aus 5/14 und 3/27, eine klare Parallele zum
bedeutendsten nordafrikanischen Kriegsherrn der Antike - Hannibal - zu
erkennen. Hannibal Barkas (247-183 v. Chr.) war seit 221 v. Chr.
Oberbefehlshaber des karthagischen Heeres in Spanien, von dem bereits sein
Vater Hamilkar und sein Schwager Hasdrubal der Schšne Teile erobert hatten.
Hannibal war damit zu Beginn seines Kommandos im Westen, d. h. in Spanien,
bereits in einer mŠchtigen Position. Der schon bestehende Ebro-Vertrag mit
den Ršmern machte zudem Spanien sŸdlich dieses Flusses zur EinflusssphŠre der
Punier und somit Hannibals. Die Stadt Sagunt an der spanischen MittelmeerkŸste lag in Hannibals
Machtbereich. GemŠ§ POLYBIOS (Historien 3,15) kam es in Sagunt um etwa 220
v. Chr. zu einem internen Konflikt, zu dem die Ršmer als Vermittler
hinzugerufen wurden. Als solche lie§en sie jedoch ungerechtfertigterweise
einige der fŸhrenden MŠnner der Stadt hinrichten. Hannibal nahm diesen
Rechtsbruch als Vorwand zum Angriff auf die Stadt, um so den Opfern dieser
Ungerechtigkeit zu ihrem Recht verhelfen zu kšnnen. Was auch immer die wahren BeweggrŸnde fŸr Hannibals Eingreifen waren,
er belagerte die Stadt, die schlie§lich 218 v. Chr. fiel. Ein Vorgang, der
zum Ausbruch des Zweiten Punischen Krieges (218-201 v. Chr.) mit den Ršmern
fŸhrte. In 5/14 kšnnte NostradamusÕ neuer "Hannibal" ebenfalls von
einem innerspanischen Konflikt angelockt werden. Vielleicht von einem
Konflikt zwischen AnhŠngern und Gegnern der neopunischen Glaubens aus 2/30? Oder unser Seher hat an eine Auseinandersetzung auf Malta bzw.
innerhalb des Malteser Ordens gedacht, wie sich mit Blick auf die dritte
Zeile vermuten lie§e (vgl. die †berlegungen zu
"Heredde"-"Heredia"). Besiegt "Hannibal" die
Malteser - oder einen Teil von ihnen - nahe Malta und inkorporiert die
Besiegten "lebendig" in sein Machtsystem? Dazu passen wŸrde 1/9/3f. Zur gleichen Zeit wird die ršmische Macht von Frankreich angegriffen,
vielleicht sogar besiegt werden, vgl. Zeile vier. Es stellt sich nur die
Frage, wer hier mit der ršmischen Macht gemeint ist. Ein Staat in Italien?
Oder - wie ich vermute - vielmehr das ršmisch-deutsche Reich als Nachfolger
des alten Roms (vgl. 4/4)? Wie auch immer, mit Blick auf die Analogie zum
Geschehen in der Antike mŸssten diese ršmische Macht und der neue "Hannibal"
Feinde sein. |
3/27 [1] Prince3) Libyque2) puissant en Occident1)
[2] Francois4) dÕArabe5) viendra tant enflammer. [3] Scauans aux letres6) fera condescendent, [4] La langue7) Arabe en Francois translater. [1] [Ein]
im Westen1) mŠchtiger libyscher2) FŸrst3) [2] wird [den] Franzosen4) sehr stark fŸr das Arabische5)
begeistern. [3] [Die] Gelehrten6) wird [er] dazu bringen, zustimmend [4] die arabische Sprache7) ins Franzšsische zu Ÿbertragen. 1) Mit Blick auf 5/14 hat Nostradamus hier mšglicherweise konkret an
Spanien gedacht, vgl. lat. "Hesperia" (Abendland, d. h. Italien,
Spanien, Westafrika). Zur Gleichsetzung der "Hesperia" mit Spanien
vgl. 5/40/2 (5.23). 2) "Libysch" ist hier sinngemŠ§ wohl als
"nordafrikanisch" zu verstehen. Vgl. griech. "Libye" (u.
a. ganz Afrika, nordafrikanische KŸste) und lat. "Libya" (das ganze
bekannte Afrika, nordafrikanische KŸste).
In den beiden
1557er-Ausgaben und allen 1568ern steht hier fŠlschlicherweise "libinique". 3) Im Mittelfranzšsischen kann "prince" neben
"FŸrst" u. a. auch einen militŠrischen Kommandeur bezeichnen. Vgl.
dazu auch lat. "princeps" (u. a. auch "AnfŸhrer"). 4) Oder auch: "[die] Franzosen". BRINDÕAMOUR, S. 373, und mit
ihm CLƒBERT, S. 372, weisen darauf hin, dass mit "Francois"
vielleicht der franzšsische Kšnig Franz I. -"Franois Ier"
- (1515-1547) gemeint sein kšnnte, der nicht nur ein BŸndnis mit den
muslimischen Osmanen geschlossen hat, sondern in dessen Regierungszeit auch
ein Arabischlehrstuhl am Collge de France eingerichtet wurde. Doch wer wŠre
in diesem Zusammenhang der "libysche FŸrst" der ersten Zeile
gewesen? 5) Damit kann die Sprache gemeint sein, oder im Ÿbertragenen Sinne etwa
auch die "arabische Sache". 6) Hier sind Geisteswissenschaftler und Literaten gemeint.
BRINDÕAMOUR,
S. 373, liest "scauant" und sieht hier einen gelehrten
"Francois". 7) Das mittelfranzšsische "langue" bedeutet neben
"Sprache" u. a. auch "Volk, Nation". Doch beides passt hier
nicht recht in den Kontext. †bersetzungen aus dem Arabischen etwa gab es
schon lange vor Nostradamus und fŸr die †bersiedlung arabischer
Bevšlkerungsteile nach Frankreich wŠre wohl eher die politische FŸhrung denn
die Intellektuellen zustŠndig. Ich vermute, es geht hier um die †bersetzung
eines ganz bestimmten Textes oder Textbestandes ins Franzšsische, - wohl um
dessen Verbreitung in Frankreich zu ermšglichen. Vgl. dazu griech.
"logos" (u. a. Sprache, Wort, Buch, ErzŠhlung) und lat. "sermo"
(u. a. Sprache, Schriftwerk). Dabei kšnnte hier durchaus ein abwertender
Aspekt mitschwingen, vgl. griech. "logos" (u. a. auch Fabel) oder
lat. "lingua" (u. a. Zunge, Sprache; Schwatzhaftigkeit,
Vermessenheit). |
Der neue "Hannibal" wird im Westen (Spanien?) mŠchtig sein
und die Franzosen - oder einen franzšsischen Herrscher - fŸr die arabische
Sache begeistern. Damit ist wohl das neopunische Heidentum gemeint.
"Hannibal" (oder der franzšsische Machthaber) wird die Gelehrten
dazu bringen, dieser neuen Lehre zuzustimmen und deren Schriften ins
Franzšsische zu Ÿbersetzen. In der ersten Zeile taucht ein "libyscher"
(nordafrikanischer) FŸrst oder HeerfŸhrer auf, vgl. Anmerkung 3, der wohl mit
dem neuen "Hannibal" aus 5/14 identisch ist. Zu dieser
Gleichsetzung passt, dass er als "im Westen" - vielleicht konkret
in Spanien, vgl. Anmerkung 1 - mŠchtig sein wird. Genauso wie sein antikes
Vorbild. Laut Zeile zwei wird er die Franzosen (oder einen franzšsischen
Herrscher?) stark fŸr "das Arabische" begeistern. Dazu passt 5/14/4,
wo wir erfahren, dass Frankreich die ršmische Macht angreifen wird.
Frankreich steht also wohl auf Seiten des neuen "Hannibals". Doch
diese Allianz dŸrfte eine gewšhnliche WaffenbrŸderschaft weit Ÿbersteigen.
Die erwŠhnte "Begeisterung" fŸr "das Arabische" deutet
meines Erachtens auf eine weltanschauliche oder religišse †bereinstimmung
hin, vgl. Anmerkung 5. Mutma§lich ist hier von der neopunischen Religion die
Rede. Zu dieser Vermutung passt die zweite HŠlfte der Strophe.
"Er", entweder ein franzšsischer Machthaber oder der neue
"Hannibal", wird die (franzšsischen) Gelehrten dazu bringen, den
arabischen "Schriften" (vgl. Anmerkung 7) zuzustimmen und diese ins
Franzšsische zu Ÿbertragen. |
1/9 [1] De lÕOrient1) viendra le cueur3) Punique2)
[2] Facher6) Hadrie4) & les hoirs Romulides5).
[3] AcompaignŽ7) de la classe9) Libycque8), [4] Trembler Mellites10): & proches illes vuides. [1] Aus dem Orient1) wird das punische2) Herz3)
kommen, [2] [um] "Hadrie"4) und die Erben [der] Romuliden5)
einzuengen6). [3] [Er wird] begleitet7) von der libyschen8) Flotte9). [4] [Die] Meliter10) werden zittern, und [die] nahen Inseln [sind]
leer. 1) Oder auch einfach: "aus dem Osten". 2) Der Begriff "punisch" taucht wšrtlich in 1/9/1, 2/60/1, 2/78/2
und 2/81/3 auf. 8/27/3 kšnnte vielleicht von einem Phšnizier sprechen. Die
semitischen Phšnizier (in Nordafrika Punier genannt) stammten aus dem Nahen
Osten, von der libanesisch-syrischen KŸste. Sie grŸndeten etliche Kolonien,
so u. a. auch Karthago beim heutigen Tunis. Sie verehrten Gottheiten wie
Baal, Eschmun, Astarte oder Melkart. Auch Menschenopfer gehšrten zu ihrer
Religion. Der bekannteste Punier ist zweifelsohne Hannibal, auf den bei
Nostradamus die Strophen 2/30 und 3/93 (5.23) verweisen. 3) Schon in den 1557er-Ausgaben lesen wir hier "cÏur".
"Cueur" ("Herz") weist im Mittelfranzšsischen eine ganze
Reihe von Nebenbedeutungen auf, u. a. auch "Groll" usw. Das Herz
wird dem Tierkreiszeichen Lšwen sowie der Sonne zugeordnet. AGRIPPA VON
NETTESHEIM, Buch 1, Kapitel 23, kšnnen wir entnehmen, was dem astrologischen
Herz-Planeten sonst noch angehšrt. Wir finden darunter u. a. den "Kšnig
der Tiere", den Lšwen, oder den "Kšnig der Všgel", den Adler,
vgl. dazu auch Ebd., Buch 2, Kapitel 14. Analog dŸrfte in 1/9 wohl der
Herrscher ("Kšnig") der Punier gemeint sein. 4) "Hadrie" taucht wšrtlich in 1/8/4, 1/9/2, 3/11/4 und
10/38/3 auf. Unklar ist, ob der Begriff fŸr eine Person oder fŸr eine Macht,
einen Staat steht. GemŠ§ 1/8/4 ist "Hadrie" wohl weiblichen Geschlechts,
was meines Erachtens die Wahrscheinlichkeit fŸr eine Identifikation mit einer
Macht erhšht. 3/11/4 spricht gar von "Hadries" Herrscher. Doch wo
wŠre ein solcher Staat zu finden? Nicht unwahrscheinlich ist BRINDÕAMOURs
Idee (S. 57), hier Venedig, die gro§e Adria-Macht zur Zeit des Nostradamus zu
vermuten. In Italien finden wir aber zwei weitere StŠdte, die sprachlich gut
zu "Hadrie" passen wŸrden. Zum einen die Stadt Adria (lat.
"Hatria") in Venetien und das heutige Atri (lat. u. a.
"Hadria/Hatria") nahe der zentralen italienischen AdriakŸste. Das
venetische Adria war in der Antike wesentlich bedeutender als heute. So
grŸndete etwa der syrakusische Tyrann Dionysios I. (405-367 v. Chr.) im
etruskischen Adria eine Kolonie, um so seine Stellung im Adriatischen Meer zu
stŠrken. Dionysios I. war ein Gegner Karthagos, gegen das er vier
verlustreiche Kriege fŸhrte. Eine
andere interessante Spur fŸhrt uns ins Mittelalter, zum real nicht existiert habenden
Kšnigreich Adria. Dieses Kšnigreich wurde am 17.04.1379 von Gegenpapst
Clemens VII. (1378-1394) dem Bruder des franzšsischen Kšnigs versprochen,
wenn er helfen wŸrde, den rechtmŠ§igen Papst Urban VI. (1378-1389)
militŠrisch aus Rom zu vertreiben. Doch die Truppen von Clemens VII.
unterlagen wenige Tage spŠter, am 30.04.1379, jenen Urbans VI. bei Marino
(Latium), was schlie§lich dazu fŸhrte, dass Clemens VII. Italien verlassen
musste und sich in Avignon niederlie§. Ein Ereignis, das zum Gro§en AbendlŠndischen
Schisma (bis 1417) fŸhrte. Das so verhinderte Kšnigreich Adria, dessen
Herrscher Ludwig I. von Anjou (der Bruder des franzšsischen Kšnigs Karls V.)
gewesen wŠre, hŠtte gro§e Gebiete im nordšstlichen Italien umfasst: so etwa
die Marken von Ancona, die Romagna, das Herzogtum Spoleto, Massa, Trabaria
sowie die StŠdte und Gebiete von Bologna, Ferrara (ca. 45 km sŸdwestlich von
Adria), Ravenna, Perugia und Todi. Nostradamus kšnnte bei "Hadrie"
also an einen - dieses Mal existierenden - nordostitalienischen Staat gedacht
haben, der eng mit einem neuen "Clemens VII." verbŸndet ist.
"Hadries" Herrscher (3/11/4) wŠre demzufolge ein neuer "Ludwig
I. von Anjou". Dessen historisches Vorbild (1339-1384) war als Feldherr
im HundertjŠhrigen Krieg aktiv. 1380-1382 regierte er zusammen mit seinen
beiden BrŸdern anstelle Kšnig Karls VI. Frankreich. 1382 bis zu seinem Tod
war Ludwig Graf der Provence sowie Titularkšnig von Neapel und Jerusalem.
Nachdem ihn Clemens VII. in Avignon zum Kšnig von Neapel gekršnt hatte, zog
Ludwig mit einem Heer nach Italien Richtung Neapel, verstarb aber 1384 in
Bari an einer Epidemie. Am
mittelitalienischen Atri ist dagegen v. a. der Umstand interessant, dass die
Familie des ršmischen Kaisers Hadrian ursprŸnglich aus diesem Ort stammte.
Publius Aelius Hadrianus (117-138) verzichtete auf die zuvor von Trajan
eroberten Gebiete im Nahen Osten und schloss mit den Parthern einen Frieden
ab. Er schlug den jŸdischen Aufstand unter Bar Kochba (132-135) blutig
nieder, zerstšrte Jerusalem endgŸltig und vertrieb die Juden aus JudŠa. Oder
Nostradamus hat vielmehr an einen der sechs PŠpste dieses Namens gedacht: Der
Ršmer Hadrian I. (772-795) rief Karl den Gro§en gegen die Langobarden zu Hilfe.
Hadrian II. (867-872) stammte aus dem Geschlecht der Colonna. Ebenso Hadrian
III. (884-885). Hadrian IV. (1154-1159) war der bisher einzige EnglŠnder auf
dem Stuhl Petri. WŠhrend seines Pontifikats begann der Konflikt zwischen den
Staufern (Friedrich I. Barbarossa) und der Kurie. Allerdings erst nachdem
beide die Kommune von Rom des HŠretikers Arnold von Brescia besiegt und so
das Papsttum in seiner damaligen Form gerettet hatten. Hadrian V. war 1276
nur 38 Tage Pontifex. Der NiederlŠnder Hadrian VI. war von 1522-1523 Papst.
Was ihn als mšgliches Vorbild interessant macht, ist v. a. der Vormarsch der
Osmanen zu seiner Zeit. Diese eroberten 1522/23 Rhodos und vertrieben den
Ritterorden der Johanniter von der Insel. Diese verlagerten ihren Hauptsitz
zunŠchst nach Kreta und 1530 schlie§lich nach Malta. 5) "Romulides" bezeichnet im Lateinischen die mŠnnlichen
Nachkommen des Romulus, die Ršmer. Hier kšnnten somit die Ršmer oder
Italiener gemeint sein, oder eine Gruppe, die als geistige Nachkommen Roms in
Erscheinung tritt. Obige Stelle lie§e sich auch so verstehen: "... die
Erben, [die] Romuliden, einzuengen." 6) In den beiden 1557er-Ausgaben lesen wir "Fascher".
"Fa(s)cher" bedeutet u. a. "anwidern; ermŸden, ermatten;
stšren, einengen; wŸtend machen, Šrgern". 7) In den beiden 1555er-Ausgaben steht noch "acompaigne", die
beiden 1557er korrigieren richtigerweise zu "acompaignŽ". 8) "Libysch" ist hier sinngemŠ§ wohl als
"nordafrikanisch" zu verstehen. Vgl. griech. "Libye" (u.
a. ganz Afrika, nordafrikanische KŸste) und lat. "Libya" (das ganze
bekannte Afrika, nordafrikanische KŸste). 9) Vgl. lat. "classis" (Heer, Flotte). Mit Blick auf Zeile
vier ist wohl eher von einer Seestreitmacht die Rede. 10) Das lat. "Melita" bezeichnet entweder Malta oder die
dalmatinische Insel Mljet, etwa 30 km nordwestlich von Dubrovnik. Unmittelbar
nordwestlich von Malta liegen die Eilande Gozo, Comino und Cominotto, daneben
weist der Archipel noch einige weitere Inseln auf, etwa Filfla im SŸden. In
etwas Entfernung von Mljet finden wir die Inseln Korcula und Lastovo im Westen
sowie die Elaphiten im Osten (u. a. Kolocep, Lopud u. Sipan). Mit Blick auf
5/14/3 dŸrfte aber wohl eher Malta gemeint sein. |
Der neue "Nebukadnezar" wird aus dem Orient kommen, um
"Hadrie" (ein nordostitalienischer Staat?) und Rom zu bedrŠngen.
UnterstŸtzt wird sein Vormarsch von "Hannibals" Seestreitmacht, die
nach Malta vorstš§t. In den ersten beiden Zeilen erfahren wir, dass das Oberhaupt
("Herz") der Neopunier aus dem Orient kommen wird, um
"Hadrie" und die Erben der Ršmer zu bedrŠngen. Mit dem Oberhaupt
der Neopunier ist der neue "Nebukadnedzar" aus 2/30 gemeint. Die
"Erben der Romuliden" sind wohl einfach die Ršmer oder die
Italiener. Unklar ist noch die IdentitŠt von "Hadrie", vgl. Anmerkung
4. Handelt es sich vielleicht um einen Staat, eine Macht im nordšstlichen
Italien, der, was seine Bedeutung betrifft, der Republik Venedig im 16. Jh.
gleichkommt? FŸr diese Vermutung wŸrde u. a. auch der Begriff als solcher
sprechen, vgl. "Italie", "Germanie", "Romanie".
Au§er, "Hadrie" wŠre ein falsch gesetztes "Hadriẽ"
(= "Hadrien"), womit wieder einer der Hadriane ins Spiel kŠme. Zeile drei ist zu entnehmen, dass "Nebukadnezar" von der
nordafrikanischen Flotte begleitet werden wird. Damit ist wohl die
Streitmacht des neuen "Hannibal" gemeint. In der vierten Zeile erfahren wir, wie "Hannibal" vorsto§en
wird. Anders als der historische Hannibal wird NostradamusÕ Pendant Ÿber das
Meer angreifen. Sein Ziel scheint dabei Malta zu sein, dass vor Angst
zittert. Die nahe bei Malta liegenden Inseln scheinen zu diesem Zeitpunkt
schon leer zu sein. Dazu erfahren wir hier aber nichts Genaueres. Wo ist etwa
die Bevšlkerung geblieben? |
4/4 [1] LÕimpott pr”ce fachŽ1), plainctz2) & quereles3).
[2] De rapts & pilles4) par coqz5) & par
libyques6): [3] Grand est par terre7), par mer infinies voiles8), [4] Seule9) Italie sera chassant11) Celtiques10).
[1] Der machtlose FŸrst [wird] wŸtend1) [sein]. Klagen2)
und Jammern3) [wird man von ihm hšren]. [2] [Und
zwar] Ÿber [die] RaubzŸge und PlŸnderungen4) durch [die] HŠhne5)
und durch [die] Libyschen6). [3] [Der] Gro§e ist auf [dem] Land7), auf [dem] Meer [sind]
unzŠhlige Schiffe8). [4] Allein9) Italien wird [die] Keltischen10)
vertreiben11). 1) Oder: "verstšrt, angewidert, ermŸdet".
2) Im Sinne von "Wehklagen" wie auch von
"Protesten". 3) Das mittelfranzšsische "querele" bedeutet u. a.
"Streit, Konflikt; Klagen; Anklage; Angelegenheit".
4) Die 1557er-Ausgabe aus Utrecht sowie alle 1568er zeigen hier
"pillŽ", die 1557er aus Budapest/Moskau "pillŽs". 5) Mit den "HŠhnen" dŸrften Franzosen gemeint sein, vgl. lat.
"galli" ("HŠhne" und "Gallier"). 6) "Libysch" ist hier sinngemŠ§ wohl als
"nordafrikanisch" zu verstehen. Vgl. griech. "Libye" (u.
a. ganz Afrika, nordafrikanische KŸste) und lat. "Libya" (das ganze
bekannte Afrika, nordafrikanische KŸste).
7) Oder ebenso mšglich: "am Boden", d. h. besiegt.
8) Oder: "Segel, Segelschiffe". "Voiles" ist hier
wie die Nebenform "veelles" auszusprechen, vgl. BRINDÕAMOUR, S.
470. 9) In den vier Ausgaben von 1555 und 1557 steht hier "seure"
(sicher; vertrauenswŸrdig, tugendhaft), in allen 1568ern "seule"
(allein, einsam, verlassen). Die lat. Wurzel von "seure" -
"secura" - bedeutet "sorglos". Und zwar im Sinne von "furchtlos"
als auch von "fahrlŠssig". Denkbar wŠre auch, dass hier
"seur" (Schwester) gemeint ist. Am stimmigsten dŸrfte hier wohl
"seule" sein. 10) Bei Nostradamus meinen die Kelten Gallier und somit Franzosen, vgl.
Anmerkung 5. 11) Oder: "verfolgen". Lies: "chassante". |
Ein machtloser FŸrst (mutma§lich der ršmisch-deutsche Kšnig, der
gerade eine Niederlage gegen Frankreich hat einstecken mŸssen) ist wŸtend. Er
klagt und jammert Ÿber die RaubzŸge und PlŸnderungen, die die Franzosen und
Nordafrikaner unternehmen. Das Meer ist angefŸllt mit "Hannibals"
Flotte, ein Gro§er ("Hannibal"?) befindet sich an Land. Italien
steht in seinem Kampf gegen die Franzosen allein da, ist aber noch
handlungsfŠhig und vertreibt sie. In der zweiten Zeile lesen wir von "RaubzŸgen und
PlŸnderungen" durch Franzosen und Nordafrikaner. Inhaltlich und
sprachlich (siehe den Begriff "libyques") dŸrfte die Strophe somit
zur nordafrikanisch-franzšsischen Allianz gehšren, auf die wir in 3/27
gesto§en sind. Die Angriffe werden laut Zeile eins von einem wŸtenden aber machtlosen
und jammernden FŸrsten beklagt werden. Doch welcher FŸrst ist hier gemeint
(siehe unten)? Zeile drei spricht davon, dass es auf dem Meer unzŠhlige Schiffe hat,
der Gro§e sich aber auf dem Land befindet. Mit den Schiffen ist wohl "Hannibals"
Seestreitmacht aus 1/9/3 gemeint. Der "Gro§e" kšnnte
"Hannibal" selber sein, der sich noch auf dem Land aufhŠlt oder
bereits am Zielort wieder an Land gegangen ist. Verstehen wir die Stelle als
"der Gro§e ist am Boden", vgl. Anmerkung 7, wŠre damit wohl der
machtlose (weil besiegte) FŸrst aus der ersten Zeile gemeint. Doch vergessen wir nicht, dass nicht nur die Nordafrikaner sondern
auch die Franzosen angreifen werden. Von diesen ist wieder in 4/4/4 die Rede.
Wir erfahren, dass es Italien gelingen wird, sie zu vertreiben. Das Land ist
also durchaus noch handlungsfŠhig. Bleibt also die Frage, wer mit dem machtlosen FŸrsten der ersten Zeile
gemeint sein kšnnte. In 5/14/4 besiegt Frankreich das "ršmische
Zepter". Ich vermute deshalb, dass mit dem wŸtenden machtlosen FŸrsten
aus 4/4/1 der noch nicht zum Kaiser gekršnte Herrscher ("ršmischer
Kšnig") des ršmisch-deutschen Reiches gemeint ist, der gerade die
erwŠhnte Niederlage gegen Frankreich hat einstecken mŸssen. |
5/48 [1] Apres la grande affliction1) du sceptre, [2] Deux ennemis par eulx seront defaictz: [3] Classe2) dÕAffrique aux Pannons3) viendra naistre4), [4] Par mer & terre feront5) horribles faictz. [1] Nach der gro§en Niedergeschlagenheit1) des Zepters [2] [werden]
zwei Feinde von ihnen besiegt werden. [3] [Eine] Flotte2) wird aus Afrika kommen, [um bei] den
Pannoniern3) zu erscheinen4). [4] Zur
See und zu Land werden [sie] schreckliche Taten vollbringen5). 1) Im Sinne selischer Niedergeschlagenheit (BetrŸbnis, Trauer) wie auch
kšrperlicher Leiden bzw. Krankheit. Daneben bedeutet "affliction"
u. a. auch "Reue, Bu§e". 2) Lat. "classis" (Flotte, Heer). 3) Pannonien bezeichnete in der Antike wechselnd gro§e Gebiete im
norwestlichen Balkan und im heutigen Ungarn. 4) Das mittelfranzšsische "naistre" kann neben "geboren
werden" u. a. auch "auftauchen, erscheinen" bedeuten. 5) In der 1557er-Ausgabe von Utrecht steht hier eher "seront".
Die meisten 1568er schreiben hier "seront" - mit Ausnahme von
Dresden, Paris und Gregorio, die zu "feront" tendieren. |
Nach der Niederlage des ršmisch-deutschen Kšnigs werden zwei Feinde
(der Franzosen?) besiegt werden. "Hannibals" Streitmacht aus Afrika
wird in Pannonien erscheinen und zu Wasser und zu Land schreckliche Taten
vollbringen. In der ersten Zeile ist von der Zeit nach der Niedergeschlagenheit des
"Zepters" die Rede. Mit dem Zepter ist wohl das von Frankreich
besiegte ršmisch-deutsche Zepter aus 5/14/4 gemeint. Laut Zeile zwei werden dann zwei Feinde von "ihnen" besiegt
werden. Doch wer ist mit "ihnen" gemeint? Die bereits siegreichen
Franzosen, vgl. CLƒBERT, S. 623? In 2/94 stehen die Franzosen in Nordtalien.
Sollte hier von ihnen die Rede sein, kšnnte das bedeuten, dass sie auf dem
Weg dahin zwei Gegner (ital. Teilstaaten?) besiegen werden. Im zweiten Teil der Strophe geht es um eine Flotte oder Streitmacht
aus Afrika, die in Pannonien erscheinen wird. Sie wird zu Wasser und zu Land
schreckliche Taten vollbringen. Mit dieser afrikanischen Flotte ist wohl die
libysche Flotte des neuen "Hannibal" gemeint. Dass die Libyer nach
Pannonien vorsto§en werden, ist aus 5/13 ersichtlich, wo der ršmische Kšnig
sie spŠter "von den Pannoniern bis zur Schranke des Herkules"
vertreiben wird. |
2/32 [1] Laict, sang, grenoilles1) escoudre3) en Dalmatie2),
[2] Conflit4) donnŽ, peste5) pres de Balenne6):
[3] Cry sera grand par toute Esclauonie7) [4] Lors naistra monstre8) pres & dedans Rauenne. [1] Milch, Blut [und] Fršsche1) werden in Dalmatien2) hinabgeregnet3)
werden. [2] [Der] Konflikt4) [wird dann] ausgebrochen [und die] Seuche5)
in der NŠhe von "Balenne"6) [sein]. [3] [Das] Schreien wird gro§ sein im ganzen Slawenland7), [4] wenn [das] Wunderzeichen8) bei und in Ravenna erscheinen wird. 1) Milch, Blut und Fršsche, die vom Himmel regnen, gehšren seit der Antike
zum klassischen Vorzeichenrepertoire, vgl. GRUBER, S. 160f. sowie CLƒBERT, S.
252-254, und verhei§en kommendes Unheil. 2) Dalmatien ist Teil der
kroatischen AdriakŸste. Die ršmische Provinz Dalmatia umfasste hingegen die
gesamte AdriakŸste von Istrien bis ins nšrdliche Albanien sowie angrenzende
Gebiete in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro. 3) "Escoudre"
geht entweder auf das lat. "excudere" (etwas hervorbringen,
ausbrŸten usw.) zurŸck oder auf das ebenfalls lat. "excutire" (u.
a. aussto§en, hinabwerfen), vgl. BRINDÕAMOUR, S. 238. 4) Konflikt im weitesten
Sinne. Es kšnnen auch ein Krieg oder eine Schlacht gemeint sein. 5) "Pest"
bezeichnet im Mittelfranzšsischen und Lateinischen jede Epidemie mit hoher
Sterblichkeit. Im Ÿbertragenen Sinne aber auch generelles UnglŸck. In den
Ausgaben von 1555 und 1557 steht "peste", in spŠteren z. T.
"pesste". 6) Unklar. Es gibt beim franzšsischen
Bost, etwa 10 km nordšstlich von Vichy, ein Ch‰teau de Balenne (Baleine,
Baleyne) aus dem 15. Jahrhundert (20.09.2009). LEONI sieht hier das antike
Trebula Balliensis (Treglia, nordšstlich von Capua) gemeint, DUFRESNE sieht
mit LE PELLETIER ein antikes Volk im Latium. Im ITINERARIUM ANTONINI AUGUSTI ET
HIEROSOLYMITANUM (Nr. 295) finden wir ein Costa Balenae an der
ligurischen KŸste, das auf dem Gebiet des heutigen Riva Ligure (20.09.2009), etwa 10 km šstlich von Sanremo,
lag (vgl. auch BRINDÕAMOUR, S. 238). 7) "Esclavonie"
bezeichnete frŸher etwa den Raum Ostkroatien-SŸdungarn. Wie aber 10/62
(5.220) nahelegt, kšnnen damit wohl auch andere Siedlungsgebiete der Slawen
gemeint sein (vgl. griech. "sklabos/sklabenos" = Slawe und Sklave).
Siehe ebenfalls GRUBER, S. 430, Anmerkung 56. 8) Vgl. lat.
"monstrum" (Wahrzeichen, Wunderzeichen). Bei diesem Wunderzeichen, das
bei und in Ravenna erscheinen wird, bezieht sich Nostradamus auf ein
Geschehen im Jahr 1512 (vgl. BRINDÕAMOUR, S. 238-240 und CLƒBERT, S. 255). In
Ravenna wurde dabei ein arg missgestaltetes hermaphrodites Kind geboren
("monstre"),
das als Vorzeichen fŸr die Eroberung der Stadt durch die Franzosen im Jahr
1512 gewertet wurde. Um Ravenna gekŠmpft wird auch in 8/72 (5.175). |
Die arabischstŠmmigen Nordafrikaner stehen in Dalmatien und sto§en
nach Slawonien/SŸdungarn vor. Die Franzosen marschieren siegreich durch
Ligurien und Norditalien und erobern Ravenna. In der ersten Zeile lŠsst Nostradamus es in
Dalmatien Milch, Blut und Fršsche regnen, d. h. dieser Region droht Unheil
(vgl. Anmerkung 1). Doch in welcher Form? In 2/84/3 erfahren wir, dass in
Dalmatien Leute arabischer Herkunft stehen werden. Dabei dŸrfte es sich um
Invasoren handeln. GemŠ§ Zeile zwei wird zu diesem Zeitpunkt ein
Konflikt ausgebrochen und das Unheil bei "Balenne" sein. Das kšnnte
einen innerfranzšsischen Konflikt meinen (beim Ch‰teau de Balenne) oder etwa
eine Schlacht bei Riva Ligure (vgl. Anmerkung 6). GemŠ§ 2/94/1 wird der "gro§e Po" durch die Franzosen gro§es
Unheil erleiden. Auf dem Weg dahin kšnnten sie zunŠchst Nordwestitalien der
KŸste entlang durchqueren und beim erwŠhnten Riva Ligure - unweit der
heutigen franzšsischen Grenze - einen entscheidenen Sieg davontragen. Die dritte Zeile blickt wieder auf den nordwestlichen Balkan. Das
"Slawenland" - hier ist der Raum Ostkroatien-SŸdungarn gemeint -
wird schreien. Das ist wohl so zu verstehen, dass die in Dalmatien
eingedrungenen Araber (siehe oben) nach Nordosten vorsto§en. In der vierten Zeile betrachtet Nostradamus erneut die Lage in
Italien. Nun steht nicht mehr Ligurien sondern Nordostitalien im Zentrum des
Interesses: Bei und in Ravenna lŠsst er ein Wunderzeichen erscheinen. Hier
greift unser Seher auf ein Vorzeichen zurŸck, das 1512 die Eroberung der
Stadt durch die Franzosen angekŸndigt haben soll, vgl. Anmerkung 8. Und hier
dŸrfte sich der Kreis schlie§en. Ich vermute, die Franzosen werden erneut
durch Norditalien bis zur Adria (Ravenna) vorsto§en. Dabei werden sie
wahrscheinlich auch das Gebiet am Po in Angst und Schrecken versetzen (der
"gro§e Po" in 2/94/1). |
2/84 [1] Entre Campaigne, Sienne, Flora, Tuscie1) [2] Six moys neufz iours ne plouura vne goute. [3] LÕestrange langue2)
en terre Dalmatie3) [4] Courira sus: vastant la terre4) toute. [1] [In den Gebieten] zwischen Kampanien, Siena, Florenz [und] Tuszien1) [2] wird [es wŠhrend] sechs Monaten [und] neun Tagen nicht einen Tropfen
regnen. [3] Das fremde Volk2) [wird] in Dalmatien3) [stehen]. [4] [Es] wird angreifen [und] das ganze Land4) verwŸsten. 1) Tuszien meint die Toskana, Kampanien ist die Region um Neapel. Flora, die
ršmische Gšttin der BlŸte, stand in der Florentiner Kunst der Renaissance fŸr
die Stadt Florenz, vgl. BRINDÕAMOUR, S. 315. Florenz und Siena liegen beide
in der Toskana. In der ersten Zeile ist also von Teilen Mittel- und
SŸditaliens die Rede. 2) Das mittelfranzšsische
"langue" bedeutet neben "Zunge, Sprache" auch "Volk,
Nation". Mit dem "fremden Volk" dŸrften Araber gemeint sein,
vgl. 5/74/3, wo das "fremde arabische Volk" ("gent estrange Arabique")
erwŠhnt wird. 3) Dalmatien ist Teil der kroatischen
AdriakŸste. Die ršmische Provinz Dalmatia umfasste hingegen die gesamte
AdriakŸste von Istrien bis ins nšrdliche Albanien sowie angrenzende Gebiete
in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro. 4) Oder auch: "die
ganze Erde". Mit dem "Land" ist vermutlich Italien gemeint,
von dem in den ersten beiden Zeilen die Rede ist. GemŠ§ 2/32 werden die
arabischen Nordafrikaner allerdings von Dalmatien aus auch nach
Slawonien/SŸdungarn vorsto§en. |
Wenn in Mittel- und SŸditalien Ÿber ein halbes Jahr kein Regen fallen
wird, werden die Araber in Dalmatien stehen und von dort aus Italien
angreifen. In den ersten beiden Zeilen erfahren wir, dass
es in Teilen SŸd- und Mittelitaliens Ÿber ein halbes Jahr lang nicht regnen
wird. Auch solche Trockenperioden gehšren zum klassischen
Vorzeichenrepertoire. Bei OBSEQUENS lesen wir im sechsten Kapitel u. a., dass
181 v. Chr. nach sechsmonatigem Ausbleiben des Regens gebetet wurde und ein
ršmischer Sieg Ÿber die Ligurer zu verzeichnen gewesen sei. Doch in 2/84 ist nicht den Ršmern sondern dem
arabischstŠmmigen "fremden Volk" Erfolg vorhergesagt. Laut Zeile
drei steht es in Dalmatien (vgl. 2/32). Von dort aus wird es angreifen und
gemŠ§ vierter Zeile das ganze Land verwŸsten. Da das Vorzeichen (die Trockenheit)
in Italien zu beobachten sein wird, ist nach meinem DafŸrhalten hier von
Italien die Rede. Interessanterweise ist dabei nur von Gebieten
SŸd- und Mittelitaliens die Rede, den Norden spart unser Seher aus. Das lie§e
sich etwa so verstehen, dass die Araber nicht Ÿber den Landweg
(Kroatien/Slowenien) sondern Ÿber die Adria nach Italien vorsto§en werden.
Dazu passen wŸrde, dass sich gemŠ§ 2/94/2 Venedig umsonst fŸrchten wird. |
2/94 [1] GRAN. Po1), gr‹d mal pour Gauloys receura, [2] Vaine terreur au maritin Lyon2): [3] Peuple3) infini par la mer passera, [4] Sans eschapper vn quart dÕvn milion. [1] [Der] gro§e Po1) wird gro§es Unheil wegen [den] Galliern
erleiden. [2] Umsonst [ist die] Angst des Lšwen des Meeres2). [3] Unendliches Volk3) wird das Meer Ÿberqueren, [4] [um] ohne ein Viertel einer Million [zu] entkommen. 1) Mit "Po" kšnnte alternativ auch das sŸdwestfranzšsische Pau
gemeint sein. Mšglicherweise sollte es hier auch "Grandi Po" (der
angestiegene Po) hei§en, analog zu 6/79/4 (5.192), vgl. CLƒBERT, S. 334. In
diesem Fall wŠre die Zeile etwa so zu Ÿbertragen: "[Der] angestiegene Po
wird fŸr [die] Gallier gro§es Unheil bereithalten." Das Hochwasser des
gro§en norditalienischen Stroms wŸrde also wohl einen Vorsto§ der Gallier
(Franzosen) verhindern, was gut zur zweiten Zeile passen wŸrde, vgl.
Anmerkung 2. 2) Lies: "maritime
Lyon". Hier ist wohl kaum das franzšsische Lyon gemeint, das im
Binnenland liegt, v. a. da in der ersten Zeile wahrscheinlich von Norditalien
die Rede ist. Vielmehr dŸrfte mit "maritime Lyon (lion)" - dem
"Lšwen des Meeres" - Venedig gemeint sein, das den geflŸgelten
Lšwen des Evangelisten Markus zum Zeichen hat und zur Zeit des Nostradamus
noch eine der gro§en SeemŠchte war (vgl. BRINDÕAMOUR, S. 327). 3) Auch im Sinne von
"Kriegsvolk, Armee". |
Die Franzosen stehen in Norditalien, doch Venedig fŸrchtet sich
umsonst. Die arabischen Nordafrikaner werden mit einer gro§en Invasionsarmee
die Adria Ÿberqueren. In den beiden ersten Zeilen geht es um VorgŠnge
in Norditalien. Die Franzosen ("Gallier") stehen offensichtlich in
der Po-Ebene. Dort werden sie dem Land entweder gro§en Schaden zufŸgen oder
umgekehrt: der Strom wird ihren weiteren Vormarsch durch Hochwasser
verunmšglichen, vgl. Anmerkung 1. Das Ziel der Franzosen kšnnte dabei Venedig
sein ("Lšwe des Meeres"), dessen Angst aber umsonst ist. Doch
warum? Mšglicherweise werden die Franzosen tatsŠchlich gestoppt und bleiben
in Ravenna sŸdlich des Po (vgl. 2/32/4). Oder Nostradamus bezieht sich hier
vielmehr auf 2/84. Auf den von mir vermuteten Umstand, dass die Araber von
Dalmatien aus nicht Ÿber den Land- sondern Ÿber den Seeweg nach Italien
vorsto§en werden. Eine Route, die Venedig unbehelligt lŠsst. In der zweiten HŠlfte der Strophe steht das
"unendliche Volk" im Zentrum des Interesses. Das "unendliche
Volk" dŸrfte dabei mit dem bekannten "fremden Volk" identisch
sein (vgl. unten, 1/98) und die arabischen Nordafrikaner aus Dalmatien
meinen. Doch wird gemŠ§ Zeile vier die Italieninvasion
letztlich nicht von Erfolg gekršnt sein: Die arabischen Nordafrikaner werden
zum Schluss fliehen mŸssen - Nostradamus verwendet hier den Begriff "eschapper"
(entkommen). Dabei werden sie anscheinend eine Viertelmillion Mann verlieren
(vierte Zeile). InvasionsstreitkrŠfte, die somit mindestens 250 000 Mann
umfassen, wŠren zur Zeit des Nostradamus nahezu unvorstellbar gewesen. Es
passt also, dass unser Seher diese Streitmacht als "unendliches
Volk" bezeichnet hat. Unter welchen UmstŠnden der nordafrikanische Misserfolg zustande
kommen wird, erfahren wir hier allerdings nicht. |
1/83 [1] La gent estrange1) diuisera butins2), [2] Saturne en Mars son regard furieux:3) [3] Horrible strage4) aux Tosquans & Latins5), [4] Grecs6), qui seront ˆ frapper curieux. [1] Das fremde Volk1) wird [die] Beute2) aufteilen. [2] Saturn [wird] auf Mars seinen wŸtenden Blick [richten].3) [3] [Es wird eine] schreckliche Vernichtung4) der Toskaner, Latiner5) [und] [4] Griechen6) [geben], die begierig darauf sein werden
loszuschlagen. 1) Mit dem "fremden Volk" dŸrften Araber gemeint sein. Vgl.
5/74/3, wo das "fremde arabische Volk" ("gent estrange Arabique") erwŠhnt
wird. 2) Nostradamus verwendet
hier die Pluralform, mšglicherweise in Anlehnung an das lat.
"exuviae" bzw. "manubiae". 3) Saturn und Mars
(astrologisch gesprochen das gro§e und das kleine UnglŸck) stehen hier in
einer ungŸnstigen Konstellation, entweder in Opposition oder im Quadrat (vgl.
BRINDÕAMOUR, S. 164). 4) Lat. "strages"
(u. a. Blutbad, všllige Vernichtung). 5) Die Latiner waren die
Einwohner des Latiums, der Region um Rom. 6) In der Antike
besiedelten die Griechen u. a. auch das westliche SŸditalien und Sizilien.
Aufgrund des italienischen Kontextes sind hier wohl Leute aus diesen Gegenden
gemeint. |
Die arabischen Nordafrikaner erringen einen Sieg, der die Toskaner,
Latiner und SŸdwestitaliener všllig vernichten wird. In der ersten Zeile erfahren wir, dass Araber
(das "fremde Volk") die Beute aufteilen werden. Das bedeutet, dass
sie zuvor einen Sieg erringen. Doch Ÿber wen? Wahrscheinlich Ÿber die KrŠfte aus der
Toskana, dem Latium und dem sŸdwestlichen Italien, von denen in der dritten
und vierten Zeile die Rede ist. Damit knŸpft Nostradamus wohl an 2/84/1 an,
wo er vom Italien von der Toskana bis Kampanien berichtet. Die dort erwŠhnte
Trockenheit scheint ein Vorzeichen fŸr die katastrophale Niederlage in
1/83/3f. zu sein. Eine Niederlage, mit der die Italiener
vielleicht gar nicht rechnen. Jedenfalls werden sie - oder zumindest die
"Griechen" unter ihnen - als kampfeslustig charakterisiert (Zeile
vier). Es wird gemŠ§ 1/9 aber nicht
"Hannibal" sondern "Nebukadnezar" sein, der die
latinische Stadt Rom bedrŠngt. Mšglicherweise wird der neue "Hannibal"
wie sein historisches Vorbild zwar die Ršmer (Latiner) schlagen, diesen Sieg
aber nicht zur Einnahme der Stadt nutzen. So, dass Rom als Ziel fŸr den
Mesopotamier erhalten bleibt. In der zweiten Zeile scheint Nostradamus eine
astronomische Konstellation zu beschreiben, die zur Zeit der geschilderten
VorgŠnge zu beobachten sein wird: eine Opposition oder ein Quadrat von Saturn
und Mars, vgl. Anmerkung 3. Die Stelle "Saturne en Mars" lie§e sich
allerdings auch als "Saturn ist im Mars [= Krieg]" verstehen. In
diesem Fall stŠnden die Juden, d. h. die Leute, die den Samstag feiern, im
Krieg (dies Saturni = Tag des Saturns = Samstag). Doch gegen wen? |
3/11 [1] Les armes batre au ciel longue saison1),2) [2] LÕarbre au milieu de la citŽ tombŽ3): [3] Vermine4), rongne5), glaiue, en face6)
tyson7), [4] Lors le monarque dÕHadrie8) succombŽ9). [1] Die Waffen [werden] wŠhrend langer Zeit1) am Himmel kŠmpfen.2) [2] Der Baum in der Mitte der Stadt [ist] umgefallen3). [3] [Es wird] SchŠdlinge4), KrŠtze5) [und] Schwert im
Angesicht6) [des] brennenden Holzscheits7) [geben], [4] wenn "Hadries"8) Herrscher besiegt9)
[sein wird]. 1) "Saison" bedeutet u. a. "Jahreszeit; Zeit, Zeitspanne;
Feldzug". Nostradamus spielt hier wohl auf die Wendung "par longue
saison" (wŠhrend langer Zeit) an. 2) Ganz Šhnlich Šu§ert sich unser Seher in 4/43/1 (5.58), wo am Himmel
kŠmpfende Waffen gehšrt werden. Hier wie dort greift Nostradamus auf die
Vorzeichensammlung des Julius OBSEQUENS zurŸck. GemŠ§ dieser wurde im Jahr
104 v. Chr. in Rom beobachtet wie himmlische Waffen aus dem Westen gegen
solche aus dem Osten kŠmpften, wobei jene aus dem Westen siegten (Kapitel
43). Zudem wurden im Jahr 154 v. Chr. in Compsa (heute Conza della Campania)
am Himmel Waffen fliegen gesehen (Kapitel 17). Im Jahr 106 v. Chr. fielen
Speere vom Himmel (Kapitel 41). Und fŸr das Jahr 43 v. Chr. berichtet
OBSEQUENS von Waffen und Wurfgeschossen, die in den Himmel aufgestiegen seien
(Kapitel 69). Nostradamus spricht zudem auch in 1/64/3 (5.133) von einer am
Himmel geschlagenen Schlacht und in 2/85/4 (5.34) von WaffenlŠrm am Himmel. 3) In den beiden 1555er-Ausgaben steht hier "tumbŽ", was sich
aber nicht sonderlich gut auf "succombŽ" reimt. Die beiden 1557er
zeigen das passendere "tombŽ". 4) Alle 1568er-Ausgaben haben hier "Verbine" - ein
offensichtlicher Druckfehler. "Vermine" (SchŠdlinge, GewŸrm) kann
dabei Tiere und - im Ÿbertragenen Sinne - auch Menschen meinen. 5) Die KrŠtze taucht auch in 1/80 und 3/73 (beide 5.58) auf. Und wohl in
einem religišsen Zusammenhang. Die KrŠtze
(bei Tieren: RŠude) ist eine sehr ansteckende, hartnŠckige Hautkrankheit, die
von einem quŠlenden Juckreiz begleitet wird. In der Bibel ist die KrŠtze
einmal eine der Strafen Gottes fŸr Ungehorsam (Deuteronomium 28,27) und einer
der GrŸnde, die der Tauglichkeit zum Priesteramt im Wege stehen (Levitikus
21,20). Alternativ lie§e sich "rongne" auf "ro(n)gner"
(abschneiden, beschneiden; abnagen usw.) zurŸckfŸhren. Denkbar wŠre
vielleicht noch, dass hier "gro(n)gne" gemeint ist (er knurrt,
faucht usw.). Wir hŠtte dann wohl ein Brummen oder Knurren vor uns, vgl. dazu
1/80/4, Anmerkung 6. 6) Oder: "in Gegenwart von, vor". PRƒVOST, S. 233, versteht
die Stelle als "das brennende Holzscheit im Gesicht" und erklŠrt
diese mit einer Begebenheit aus dem Jahr 1521, als Franz I. bei einem Kriegsspiel
tatsŠchlich von einem derartigen Scheit im Gesicht verbrannt wurde. 7) Interessanterweise hei§t "Scheit" auf Griechisch
"schiza", was wiederum mit dem Verb "schizo" (u. a.
spalten) zusammenhŠngt. Sollte hier ein Hinweis auf eine Kirchenspaltung
("Schisma") versteckt sein? 8) "Hadrie" taucht wšrtlich in 1/8/4, 1/9/2, 3/11/4 und
10/38/3 auf. Unklar ist, ob der Begriff fŸr eine Person oder fŸr eine Macht,
einen Staat steht. GemŠ§ 1/8/4 ist "Hadrie" wohl weiblichen
Geschlechts, was meines Erachtens die Wahrscheinlichkeit fŸr eine
Identifikation mit einer Macht erhšht. 3/11/4 spricht gar von
"Hadries" Herrscher. Doch wo wŠre ein solcher Staat zu finden?
Nicht unwahrscheinlich ist BRINDÕAMOURs Idee (S. 57), hier Venedig, die gro§e
Adria-Macht zur Zeit des Nostradamus zu vermuten. In Italien finden wir aber
zwei weitere StŠdte, die sprachlich gut zu "Hadrie" passen wŸrden.
Zum einen die Stadt Adria (lat. "Hatria") in Venetien und das
heutige Atri (lat. u. a. "Hadria/Hatria") nahe der zentralen
italienischen AdriakŸste. Das venetische Adria war in der Antike wesentlich
bedeutender als heute. So grŸndete etwa der syrakusische Tyrann Dionysios I.
(405-367 v. Chr.) im etruskischen Adria eine Kolonie, um so seine Stellung im
Adriatischen Meer zu stŠrken. Dionysios I. war ein Gegner Karthagos, gegen
das er vier verlustreiche Kriege fŸhrte. Eine
andere interessante Spur fŸhrt uns ins Mittelalter, zum real nicht existiert
habenden Kšnigreich Adria. Dieses Kšnigreich wurde am 17.04.1379 von
Gegenpapst Clemens VII. (1378-1394) dem Bruder des franzšsischen Kšnigs
versprochen, wenn er helfen wŸrde, den rechtmŠ§igen Papst Urban VI.
(1378-1389) militŠrisch aus Rom zu vertreiben. Doch die Truppen von Clemens
VII. unterlagen wenige Tage spŠter, am 30.04.1379, jenen Urbans VI. bei
Marino (Latium), was schlie§lich dazu fŸhrte, dass Clemens VII. Italien
verlassen musste und sich in Avignon niederlie§. Ein Ereignis, das zum Gro§en
AbendlŠndischen Schisma (bis 1417) fŸhrte. Das so verhinderte Kšnigreich
Adria, dessen Herrscher Ludwig I. von Anjou (der Bruder des franzšsischen
Kšnigs Karls V.) gewesen wŠre, hŠtte gro§e Gebiete im nordšstlichen Italien
umfasst: so etwa die Marken von Ancona, die Romagna, das Herzogtum Spoleto,
Massa, Trabaria sowie die StŠdte und Gebiete von Bologna, Ferrara (ca. 45 km
sŸdwestlich von Adria), Ravenna, Perugia und Todi. Nostradamus kšnnte bei
"Hadrie" also an einen - dieses Mal existierenden -
nordostitalienischen Staat gedacht haben, der eng mit einem neuen
"Clemens VII." verbŸndet ist. "Hadries" Herrscher
(3/11/4) wŠre demzufolge ein neuer "Ludwig I. von Anjou". Dessen
historisches Vorbild (1339-1384) war als Feldherr im HundertjŠhrigen Krieg
aktiv. 1380-1382 regierte er zusammen mit seinen beiden BrŸdern anstelle
Kšnig Karls VI. Frankreich. 1382 bis zu seinem Tod war Ludwig Graf der
Provence sowie Titularkšnig von Neapel und Jerusalem. Nachdem ihn Clemens
VII. in Avignon zum Kšnig von Neapel gekršnt hatte, zog Ludwig mit einem Heer
nach Italien Richtung Neapel, verstarb aber 1384 in Bari an einer Epidemie. Am
mittelitalienischen Atri ist dagegen v. a. der Umstand interessant, dass die
Familie des ršmischen Kaisers Hadrian ursprŸnglich aus diesem Ort stammte.
Publius Aelius Hadrianus (117-138) verzichtete auf die zuvor von Trajan
eroberten Gebiete im Nahen Osten und schloss mit den Parthern einen Frieden
ab. Er schlug den jŸdischen Aufstand unter Bar Kochba (132-135) blutig
nieder, zerstšrte Jerusalem endgŸltig und vertrieb die Juden aus JudŠa. Oder
Nostradamus hat vielmehr an einen der sechs PŠpste dieses Namens gedacht: Der
Ršmer Hadrian I. (772-795) rief Karl den Gro§en gegen die Langobarden zu
Hilfe. Hadrian II. (867-872) stammte aus dem Geschlecht der Colonna. Ebenso
Hadrian III. (884-885). Hadrian IV. (1154-1159) war der bisher einzige
EnglŠnder auf dem Stuhl Petri. WŠhrend seines Pontifikats begann der Konflikt
zwischen den Staufern (Friedrich I. Barbarossa) und der Kurie. Allerdings
erst nachdem beide die Kommune von Rom des HŠretikers Arnold von Brescia
besiegt und so das Papsttum in seiner damaligen Form gerettet hatten. Hadrian
V. war 1276 nur 38 Tage Pontifex. Der NiederlŠnder Hadrian VI. war von
1522-1523 Papst. Was ihn als mšgliches Vorbild interessant macht, ist v. a.
der Vormarsch der Osmanen zu seiner Zeit. Diese eroberten 1522/23 Rhodos und
vertrieben den Ritterorden der Johanniter von der Insel. Diese verlagerten
ihren Hauptsitz zunŠchst nach Kreta und 1530 schlie§lich nach Malta. 9) Oder auch: "getštet, gestorben". |
Es wird zu einem lange andauernden Krieg kommen. Der Papst wird
gestŸrzt oder vielleicht sogar getštet, es kommt zur Kirchenspaltung. In Rom
herrscht kriegerische Gewalt, HŠretiker und Kirchenfeinde bestimmen die
Szene. Das alles geschieht, wenn "Hadries" Herrscher unterliegt. Laut Zeile eins werden wŠhrend langer Zeit Waffen am Himmel kŠmpfen.
Ein RŸckgriff auf die Vorzeichensammlung des OBSEQUENS, vgl. Anmerkung 2. Die
lange Sichtbarkeit der Waffen kšnnte als Hinweis auf die lange Dauer des
angekŸndigkten Konfliktes verstanden werden. Zeile zwei scheint sich ebenfalls auf Kapitel 43 des OBSEQUENS zu
beziehen. Wir lesen dort, dass in Nuceria eine Ulme, die vom Wind gefŠllt
wurde, wieder an ihren Wurzeln erstarkte. In der Vergangenheit gab es mehrere
StŠdte in Italien, die den Namen Nuceria trugen. So Nuceria Alfaterna (heute
Nocera Inferiore), Nuceria Camellaria (Nocera Umbra), Nuceria Saracenorum
(Luceria) und Nuceria Paganorum (Nocera deÕ Pagani bei Nocera Inferiore). Die
hier interessanteste Kandidatin ist dabei wohl Nocera Inferiore, etwa 17 km
nordwestlich von Salerno). Papst Urban VI. floh in die Burg der Stadt, wo er
von Karl III., dem Kšnig von Neapel, belagert wurde. Noch in dieser Festung
exkommunizierte er Karl III. und setzte ihn ab. Sechs ihm feindliche
gesonnene KardinŠle lie§ er auf der Burg einsperren und fast verhungern. Per
Schiff entkam Urban VI. aus der belagerten Festung nach Genua. Doch die
Festung von Nocera Inferiore, das Castello del Parco, liegt auf einem HŸgel
eher neben als in der historischen Stadt, zudem fiel damals kein
"Baum" um. FŸr die Deutung des "Baumes" scheint mir PRƒVOSTs Idee (S.
232) interessanter zu sein, hier den Familiennamen eines Papstes zu sehen. Es
gab bis zur Zeit des Nostradamus nŠmlich zwei KirchenoberhŠupter namens Della
Rovere. Die Familie Della Rovere stammte aus Savona (Ligurien). Dabei
bedeutet das italienische "rovere" Traubeneiche. Ein Baum, den wir
auch im Wappen der Della Rovere (und deren PŠpsten) finden. Der erste
Papst aus dieser Familie war Sixtus IV. (1471-1484), der zweite Julius II.
(1503-1513). Beide betrieben ausgreifenden Nepotismus und sind v. a. als
italienische TerritorialfŸrsten ihrer Zeit zu begreifen. Beide starben in
Rom, an natŸrlichen Ursachen.
Interessant ist dabei besonders Julius II., der ab 1511 in der
Heiligen Liga zusammen mit Kaiser Maximilian I., Aragonien, Venedig, den
Schweizern und England gegen Frankreich und dessen Expansionspolitik in
Italien stand. Wir haben hier also ein BŸndnis aus Papst, "Ršmischem
Reich" (Maximilian I.) und einem nordostitalienischen Staat (Venedig)
gegen Frankreich vor uns, was eine Parallele darstellt. Sollte mit dem Baum also ein Papst - ein neuer Julius II.? - gemeint
sein, stŠnde die Stadt in der zweiten Zeile wohl fŸr Rom. Der umgefallene
Baum wŠre also wahrscheinlich der gestŸrzte oder gar getštete Pontifex. Der Baum kšnnte aber gleichzeitig weniger spezifisch einfach die in
Rom besiegte Kirche meinen. Der Baum wŠre dann mit dem Kreuzesbaum, dem Kreuz
gleichzusetzen (vgl. lat. "arbor", das sowohl "Baum" wie
auch "Kreuz" bedeutet). In der dritten Zeile spricht Nostradamus von einem brennenden
Holzscheit. Ein Holzscheit ist ein abgespaltenes StŸck Holz (vgl. Anmerkung
7), das ursprŸnglich einmal zu einem Baum gehšrte. Haben wir hier eine durch
Kirchenspaltung entstandene Teilkirche vor uns, die jetzt brennt, d. h. sich
in existenzieller Not befindet? In diesem Fall kšnnte das Scheit die
Ÿbriggebliebene rechtglŠubige Restkirche verkšrpern. Dieses brennende Holzscheit wird dabei von "SchŠdlingen",
"KrŠtze" und dem "Schwert" umgeben sein. Das Schwert
steht wohl einfach fŸr kriegerische Gewalt. Leute, die von der KrŠtze
befallen sind, waren bzw. sind Gott gegenŸber ungehorsam, vgl. Anmerkung 5.
In etwa die gleiche Kategorie dŸrften wohl die SchŠdlinge gehšren. Die
KrŠtzebefallenen und SchŠdlinge kšnnten die AnhŠnger des hŠretischen Teils
der Kirche sein. Zu diesem Zeitpunkt wird der Herrscher von "Hadrie"
unterliegen. Damit ist wohl der Herrscher eines nordostitalienischen Staates
gemeint, vielleicht ein DoppelgŠnger Ludwigs I. von Anjou (1339-1384). Doch wer ist der Sieger? Falls "Hadrie" ein neues Kšnigreich
Adria sein sollte, kŠmen die Franzosen in Frage, die laut 2/94 in Ravenna
stehen. GemŠ§ 1/9 wird es allerdings "Nebukadnezar" sein, der die
"Hadrie" und Rom bedrŠngt. Ein Szenario, das zu den VorgŠngen in
3/11 passen wŸrde. In diesem Fall kšnnte die "Hadrie" aber auch mit
Venedig identisch sein, das - anders als von "Hannibal" und den
Franzosen - angegriffen und wohl besiegt wŸrde. |
2/54 [1] Par gent estr‹ge, & de Romains loingtaine1) [2] Leur grand citŽ apres eaue2) fort troublee, [3] Fille sans main3), trop different5) domaine4), [4] Prins chief, sarreure6) nÕauoir estŽ riblee. [1] Vom fremden und von den Ršmern [weit] entfernten Volk1) [2] [wird] ihre gro§e Stadt nach [dem] Wasser2) stark erschŸttert [werden]. [3] [Die] Tochter [wird] ohne Hand3) [und das] Besitztum4) sehr uneins5)
[sein]. [4] [Das] Oberhaupt [wird] gefangen, [das] TŸrschloss6) [aber]
nicht geplŸndert worden sein. 1) Mit dem "fremden Volk" dŸrften Araber gemeint sein. Vgl.
5/74/3, wo das "fremde arabische Volk" ("gent estrange Arabique") erwŠhnt
wird. Das Attribut "loingtaine" finden wir in diesem Zusammenhang
auch in 8/10/3. 2) D. h. wohl nach einer
†berschwemmung. BRINDÕAMOUR, S. 267, liest die Stelle als "aupres
eaue" (beim Wasser), was mšglich, aber nicht zwingend ist. 3) Oder auch: "[Das]
MŠdchen [wird] ohne Hand [... sein]". Auf den ersten Blick scheint hier
wieder von einem missgestalteten Menschen oder Kind die Rede zu sein. Und
tatsŠchlich hatte das zweigeschlechtliche "Monster" aus Ravenna
(vgl. 2/32/4) keine Arme und somit keine Hand bzw. HŠnde, vgl. BRINDÕAMOUR,
S. 238-240. Doch das mittelfranzšsische "main" bedeutet neben
"Hand" u. a. auch "Macht", vgl. lat. "manus"
bzw. griech. "cheir", was uns zusŠtzliche
Interpretationsmšglichkeiten erschlie§t. Es wŸrde auch gut zu Nostradamus
passen, dass er verschiedene Deutungsebenen vermischt. Doch wer oder was
kšnnte mit dieser "machtlosen Tochter" gemeint sein? In der gleichen Zeile ist
von einem uneinen Besitztum die Rede. Da Uneinigkeit oft auf Kosten der Macht
geht, ist es gut mšglich, dass die "Tochter" und das "uneine
Besitztum" sich auf denselben Akteur beziehen. In anderen Vierzeilern,
die in Zusammenhang mit dem "fremden Volk" stehen, scheinen
innerfranzšsische VerŠnderungen angesprochen zu werden (vgl. 1/20 und 6/1).
Es wŠre also durchaus denkbar, dass mit der "Tochter" und dem
"Besitztum" (vgl. Anmerkung 4) Frankreich gemeint ist, das seit dem
19. Jahrhundert auch "fille a”nŽe de lÕŽglise" (Šlteste Tochter der
Kirche) genannt wird. Obwohl Nostradamus die erwŠhnte neuzeitliche
Bezeichnung seines Landes (auf natŸrlichem Weg) nicht hat kennen kšnnen, wŠre
die Gleichsetzung Frankreichs mit einer Tochter der Kirche auch fŸr ihn nicht
všllig unmšglich gewesen. Denn der Frankenherrscher Chlodwig (den man auch
als ersten franzšsischen Kšnig betrachten kann), wurde nach seiner Taufe 496
(?) als "einziger Sohn der Kirche unter den Kšnigen des Westens"
("fils unique de l'Žglise entre les rois d'Occident") bezeichnet (23.09.2009).
Somit war sein Reich - Frankreich (la France) - analog einst die einzige Tochter der
Mutter Kirche im Westen. 4) Das mittelfranzšsische
"domaine" bedeutet u. a. "Grundbesitz, Besitztum; Macht,
Herrschaft". Hier dŸrfte wohl von einem Herrschaftsgebiet die Rede sein.
Falls es um Frankreich geht, mutma§lich vom "domaine royal", der
KrondomŠne. Die KrondomŠne umfasste die Gebiete, die direkt dem Kšnig
unterstellt waren. 5) Das mittelfranzšsische
"different" bedeutet neben "unterschiedlich, verschieden"
auch "geteilt, uneins". 6) Oder auch Schloss einer
Kiste usw. |
Nach einer †berschwemmung bereiten die Araber Rom gro§e Sorge. Das im
Innern gespaltene Frankreich ist machtlos. Der Papst wird gefangen, der
Vatikan aber nicht geplŸndert. In den ersten beiden Zeilen geht es um Araber
(das "fremde Volk") und die Ršmer. Wir erfahren, dass die Araber
die Stadt Rom ("ihre", d. h. der Ršmer "gro§e Stadt")
nach einer †berschwemmung ("Wasser") stark erschŸttern, d. h. in
gro§e Sorge stŸrzen werden. Das dŸrfte die Folge der "schrecklichen
Vernichtung" sein, der in 1/83/3 u. a. die Latiner anheimfallen werden.
Dort dŸrfte es "Hannibal" sein, der zuschlŠgt. Interessant ist in 2/54/1 das Attribut
"loingtaine" (weit entfernt) in Zusammenhang mit den Arabern. Das
arabische Nordafrika des "Hannibal" liegt von Rom eher mŠ§ig weit
entfernt. Anders das arabische Mesopotamien des neuen
"Nebukadnezars". Sollte diese Stelle vielleicht so zu verstehen
sein, dass die "ErschŸtterung" der Stadt Rom selber nicht von
"Hannibal" sondern von seinem VerbŸndeten aus dem Zweistromland
verursacht werden wird? Dazu passen wŸrde 1/8. In 8/10 scheinen jedoch das
"fremde" und das "weit entfernte" Volk identisch zu sein. Das "Wasser" kann eine
†berschwemmung meinen, bei der vielleicht (auch) Rom in Mitleidenschaft
gezogen wird. Von einem Po-Hochwasser ist mšglicherweise auch in 2/94 die
Rede. Oder das "Wasser" meint hier "†berschwemmung" im
Ÿbertragenen Sinn: Katastrophe. Vgl. dazu das Bedeutungsspektrum des
mittelfranzšsischen "dŽluge" (u. a. †berschwemmung, Katastrophe,
Unheil, Massaker). In diesem Fall kšnnte das "Wasser" mit der
erwŠhnten schweren Niederlage der Italiener identisch sein. Eine weitere Mšglichkeit wŠre, das
"Wasser" als Hinweis zur zeitlichen Einordnung zu verstehen. Zum
Wasser bzw. den Wasserzeichen gehšren dabei die Tierkreiszeichen Krebs
(Juni/Juli), Skorpion (Oktober/November) und Fische (Februar/MŠrz). In der dritten Zeile von 2/54 ist von einer
"Tochter ohne Hand" und einem sehr uneinen Besitztum die Rede. Wie
in Anmerkung 3 ausgefŸhrt, ist hier meines Erachtens von einer machtlosen
"Tochter" die Rede, der es deswegen an Macht fehlt, weil sie im
Innern uneins ist. Ich vermute weiter, mit dieser "Tochter" ist
Frankreich gemeint, da in 1/20 (wo ebenfalls vom "fremden Volk" und
dessen Einmarsch in die Provence gesprochen wird) von innerfranzšsischen
VerŠnderungen (Spaltungen?) und in 6/1 von einem neuen Kšnig die Rede ist. Die vierte Zeile von 2/54 berichtet von einem
gefangenen Oberhaupt und einem nicht geplŸnderten "TŸrschloss". Da
man ein solches Schloss hšchstens aufbrechen aber nicht plŸndern kann, ist
diese Stelle wohl sinnbildlich zu verstehen. Falls von VorgŠngen in Italien
die Rede sein sollte, kšnnten damit der Papst und der Vatikan gemeint sein:
Zu einem Schloss gehšrt bekanntlich ein SchlŸssel, ein Attribut der PŠpste,
denen als Nachfolger Petri die SchlŸssel zum Himmel anvertraut sind und die
auch im Wappen SchlŸssel tragen (besonders Nikolaus V., 1447-1455). Analog
entsprŠche das Schloss dann wohl dem Vatikan. Interessant wŠre in diesem Fall aber die
Frage, weshalb der Pontifex Maximus zwar gefangen genommen, der Vatikan aber
nicht geplŸndert wird. Begibt sich das Oberhaupt der Kirche vielleicht
freiwillig in Gefangenschaft, unter der Bedingung, dass die Feinde auf die
PlŸnderung des Vatikans verzichten? Oder wollen die Angreifer blo§ den Papst
austauschen, die Kirchenorganisation aber intakt Ÿbernehmen um sie fŸr ihre
Zwecke einzuspannen? |
1/8 [1] Combien de foys prinse citŽ solaire1) [2] Seras, changeant5) les loys4) barbares2)
& vaines3). [3] Ton mal sÕaproche: Plus6) seras tributaire [4] La grand7) Hadrie8) reourira10) tes
veines9). [1] Wieviele Male [wirst du], Sonnenstadt1), eingenommen! [2] [Und wieviele Male] werden sich die barbarischen2) und
sinnlosen3) Gesetze4) abwechseln5). [3] Dein UnglŸck nŠhert sich. In hšchstem Ma§e6) wirst [du]
unterworfen sein. [4] Die gro§e7) "Hadrie"8) wird deine Venen9)
retten10). 1) Von der "Sonnenstadt" (citŽ solaire) ist auch in 5/81/1
(5.31) die Rede. Die Sonne steht bei Nostradamus fŸr das Christentum, das den
Sonntag (lat. "dies Solis") feiert. Und das Zentrum, die Stadt des
(katholischen) Christentums ist Rom. Vgl. dazu auch PRƒVOST, S. 204f.
BRINDÕAMOUR, S. 58, sieht hier Rhodos gemeint, wo dem Sonnengott Helios der
berŸhmte Koloss errichtet wurde. Rhodos war bis zur osmanischen Eroberung
1522/23 Sitz der Johanniter (heute Malteser). CLƒBERT, S. 61, erinnert daran,
dass "citŽ solaire" die †bersetzung von Heliopolis ist, eines
Namens, den in der Antike mehrere StŠdte trugen. Dazu gehšrte das alte
Heliopolis nordšstlich von Kairo, von wo der Obelisk stammt, der seit 1586
auf dem Petersplatz in Rom steht (zur Zeit des Nostradamus befand er sich
noch neben dem Petersdom). Das heutige Baalbek im šstlichen Libanon hie§
ebenfalls Heliopolis. CLƒBERT, S. 61, zitiert weiter eine Stelle aus
NostradamusÕ Vorwort an Kšnig Heinrich II., wo unser Seher in einem Satz von
der Sonnenstadt, Malta und den Stoechaden spricht: "& vsurperont les Martiaulx ce que
sera retournŽ de la citŽ du Soleil de Melite, & des isles Stechades"
(Und die zum Mars Gehšrigen werden sich
aneignen, was zurŸckgekehrt sein wird aus der Sonnenstadt, aus Malta und von
den Stoechaden.) CLƒBERT versteht die Stelle "de la citŽ du Soleil de
Melite" dabei als "aus der Sonnenstadt auf Malta". 2) Nach antikem VerstŠndnis
sind "Barbaren" Nichtgriechen bzw. Nichtršmer. Nostradamus meint
damit allem Anschein nach Orientalen, besonders Nichtchristen (namentlich
Muslime). Dabei schwingt sicher auch ein abwertender Gedanke mit, vgl.
CLƒBERT, S. 784. Doch hinter der Wortwahl unseres Sehers stehen wohl auch
rein sprachliche GrŸnde, etwa die Anspielung auf die Barbareskenstaaten, die
vom 16. bis zum 19. Jahrhundert zwischen Marokko und €gypten existierten.
Oder das Anagramm "barbare"-"arabe" (Barbar-Araber), das
allerdings etwa auch Muslime anderer Ethnien umfassen dŸrfte. In den
Zenturien tauchen "Barbaren" etliche Male auf. Die orientalische
Spur scheint mir dabei v. a. in folgenden Strophen sichtbar zu sein: 5/13
(5.47), 5/78 (5.23), 5/80 (5.187), 6/21 (5.16) und 9/60 (5.8). 3) Oder u. a. auch: "nutzlosen, leeren, eitlen". Die beiden
1557er-Ausgaben sowie die 1568er von Grasse und Stockholm schreiben hier
fŠlschlicherweise "veines". 4) Bei Nostradamus kann "loi/loy" (Gesetz) auch
"Lehre" meinen, vgl. griech. "nomos" (u. a. Gesetz,
Brauch, Sitte, Satzung, Altes und Neues Testament). 5) Oder: "verŠndern". 6) Oder: "von nun an". 7) In allen Ausgaben von 1555, 1557 und 1568 steht hier "La
grand". Im Mittelfranzšsischen kann dabei "grand" sowohl
mŠnnlich wie weiblich sein, vgl. BRINDÕAMOUR, S. 57. Wenn "Hadrie"
ein mŠnnlicher Akteur wŠre, mŸsste es allerdings "le grand" hei§en.
Sollte "la grand" richtig sein, hŠtten wir eine Frau oder eine
Macht vor uns. 8) "Hadrie" taucht wšrtlich in 1/8/4, 1/9/2, 3/11/4 und 10/38/3
auf. Unklar ist, ob der Begriff fŸr eine Person oder fŸr eine Macht, einen
Staat steht. GemŠ§ 1/8/4 ist "Hadrie" wohl weiblichen Geschlechts,
was meines Erachtens die Wahrscheinlichkeit fŸr eine Identifikation mit einer
Macht erhšht. 3/11/4 spricht gar von "Hadries" Herrscher. Doch wo
wŠre ein solcher Staat zu finden? Nicht unwahrscheinlich ist BRINDÕAMOURs
Idee (S. 57), hier Venedig, die gro§e Adria-Macht zur Zeit des Nostradamus zu
vermuten. In Italien finden wir aber zwei weitere StŠdte, die sprachlich gut
zu "Hadrie" passen wŸrden. Zum einen die Stadt Adria (lat.
"Hatria") in Venetien und das heutige Atri (lat. u. a.
"Hadria/Hatria") nahe der zentralen italienischen AdriakŸste. Das
venetische Adria war in der Antike wesentlich bedeutender als heute. So
grŸndete etwa der syrakusische Tyrann Dionysios I. (405-367 v. Chr.) im
etruskischen Adria eine Kolonie, um so seine Stellung im Adriatischen Meer zu
stŠrken. Dionysios I. war ein Gegner Karthagos, gegen das er vier
verlustreiche Kriege fŸhrte. Eine andere
interessante Spur fŸhrt uns ins Mittelalter, zum real nicht existiert
habenden Kšnigreich Adria. Dieses Kšnigreich wurde am 17.04.1379 von
Gegenpapst Clemens VII. (1378-1394) dem Bruder des franzšsischen Kšnigs
versprochen, wenn er helfen wŸrde, den rechtmŠ§igen Papst Urban VI.
(1378-1389) militŠrisch aus Rom zu vertreiben. Doch die Truppen von Clemens
VII. unterlagen wenige Tage spŠter, am 30.04.1379, jenen Urbans VI. bei
Marino (Latium), was schlie§lich dazu fŸhrte, dass Clemens VII. Italien
verlassen musste und sich in Avignon niederlie§. Ein Ereignis, das zum Gro§en
AbendlŠndischen Schisma (bis 1417) fŸhrte. Das so verhinderte Kšnigreich
Adria, dessen Herrscher Ludwig I. von Anjou (der Bruder des franzšsischen
Kšnigs Karls V.) gewesen wŠre, hŠtte gro§e Gebiete im nordšstlichen Italien
umfasst: so etwa die Marken von Ancona, die Romagna, das Herzogtum Spoleto,
Massa, Trabaria sowie die StŠdte und Gebiete von Bologna, Ferrara (ca. 45 km
sŸdwestlich von Adria), Ravenna, Perugia und Todi. Nostradamus kšnnte bei
"Hadrie" also an einen - dieses Mal existierenden -
nordostitalienischen Staat gedacht haben, der eng mit einem neuen
"Clemens VII." verbŸndet ist. "Hadries" Herrscher
(3/11/4) wŠre demzufolge ein neuer "Ludwig I. von Anjou". Dessen historisches
Vorbild (1339-1384) war als Feldherr im HundertjŠhrigen Krieg aktiv.
1380-1382 regierte er zusammen mit seinen beiden BrŸdern anstelle Kšnig Karls
VI. Frankreich. 1382 bis zu seinem Tod war Ludwig Graf der Provence sowie
Titularkšnig von Neapel und Jerusalem. Nachdem ihn Clemens VII. in Avignon
zum Kšnig von Neapel gekršnt hatte, zog Ludwig mit einem Heer nach Italien
Richtung Neapel, verstarb aber 1384 in Bari an einer Epidemie. Am
mittelitalienischen Atri ist dagegen v. a. der Umstand interessant, dass die
Familie des ršmischen Kaisers Hadrian ursprŸnglich aus diesem Ort stammte.
Publius Aelius Hadrianus (117-138) verzichtete auf die zuvor von Trajan
eroberten Gebiete im Nahen Osten und schloss mit den Parthern einen Frieden
ab. Er schlug den jŸdischen Aufstand unter Bar Kochba (132-135) blutig
nieder, zerstšrte Jerusalem endgŸltig und vertrieb die Juden aus JudŠa. Oder
Nostradamus hat vielmehr an einen der sechs PŠpste dieses Namens gedacht: Der
Ršmer Hadrian I. (772-795) rief Karl den Gro§en gegen die Langobarden zu
Hilfe. Hadrian II. (867-872) stammte aus dem Geschlecht der Colonna. Ebenso
Hadrian III. (884-885). Hadrian IV. (1154-1159) war der bisher einzige
EnglŠnder auf dem Stuhl Petri. WŠhrend seines Pontifikats begann der Konflikt
zwischen den Staufern (Friedrich I. Barbarossa) und der Kurie. Allerdings
erst nachdem beide die Kommune von Rom des HŠretikers Arnold von Brescia
besiegt und so das Papsttum in seiner damaligen Form gerettet hatten. Hadrian
V. war 1276 nur 38 Tage Pontifex. Der NiederlŠnder Hadrian VI. war von
1522-1523 Papst. Was ihn als mšgliches Vorbild interessant macht, ist v. a.
der Vormarsch der Osmanen zu seiner Zeit. Diese eroberten 1522/23 Rhodos und
vertrieben den Ritterorden der Johanniter von der Insel. Diese verlagerten
ihren Hauptsitz zunŠchst nach Kreta und 1530 schlie§lich nach Malta. 9) Die beiden 1557er- und die
1568er-Ausgaben von Grasse und Stockholm schreiben hier "vaines"
(vgl. lat. "vanitates" = u. a. Unwahrheiten, LŸgenhaftigkeiten), was
vermutlich aber blo§ Druckfehler sind. Hier kšnnte Nostradamus
"veines" im Sinne des lat. "venae" (u. a. Inneres,
innerstes Wesen, Herz, Charakter) gemeint haben. 10) Die Ausgaben von 1555 und 1557 zeigen hier "reourira",
ebenso einige 1568er. Jene 1568er aus Schaffhausen,
Mejanes, Perugia und Arbau schreiben "recourira", die drei von
Dresden, Paris und Gregorio "recouurira". Die Version
"reourira" - als "reou[u]rira" gelesen - hie§e "wird
wieder šffnen". "Recourira" hingegen bedeutet u. a. "wird
auf etwas zurŸckgreifen; wird retten, helfen, befreien",
"recouurira" u. a. "wird entschŠdigen, wird helfen". Da
das Subjekt der vierten Zeile ("Hadrie") aber wohl der
abendlŠndischen und nicht der angreifenden orientalischen SphŠre zuzuordnen
sein dŸrfte, ist hier sinngemŠ§ wahrscheinlich "recourira" (wird
retten) gemeint. |
Rom wird einmal mehr militŠrisch erobert. Und dieses Mal von den
AnhŠngern einer weiteren orientalischen Irrlehre, den Neopuniern. Die Ewige
Stadt wird sehr unter der Fremdherrschaft leiden, aber die "Hadrie"
wird Roms Herz , das Papsttum, retten. In der ersten Zeile beklagt Nostradamus eine weitere Eroberung Roms.
Die ewige Stadt wurde in der Geschichte schon einige Male militŠrisch
eingenommen. So 387 v. Chr. von den Galliern, 410 n. Chr. von den Westgoten,
455 von Vandalen und Alanen oder 1527 von Sšldnern Karls V., unter denen sich
auch viele lutherische Deutsche befanden. Wer sich dieses Mal Roms bemŠchtigt, ist wohl der zweiten Zeile zu
entnehmen. Unser Seher beklagt sich hier erneut. Doch jetzt Ÿber die aus
katholischer Sicht unwahren ("sinnlosen") Lehren
("Gesetze") orientalischen ("barbarischen") Ursprungs,
die im Laufe der Geschichte eine nach der anderen aufgetaucht sind bzw. in
Zukunft noch auftauchen werden. Als historische Beispiele lassen sich hier u.
a. etwa Zoroastrismus, ManichŠismus, Arianismus oder der Islam anfŸhren. Das in 2/30 und 3/27 erwŠhnte neopunische Heidentum, das von Babylon
zu den Ršmern kommen wird (2/30/4), dŸrfte Nostradamus wohl ebenfalls in die
Reihe der orientalischen Irrlehren einordnen. Laut Zeile drei wird sich der Ewigen Stadt das UnglŸck nŠhern und sie
in einem noch nie gekannten Ma§ unterjochen: die Besetzung durch die
Neopunier. Doch gemŠ§ letzter Zeile wird die laut 3/11 bereits geschlagene
"Hadrie" doch noch Roms Innerstes, Roms Herz ("Venen")
retten. Damit mŸsste sinngemŠ§ das Zentrum der Kirche - die Kurie oder das
Papsttum - gemeint sein. Die Frage ist nur, wie "Hadrie" das Papsttum konkret retten
wird. GemŠ§ 2/54 dŸrfte der Papst wohl gefangen werden. Kauft
"Hadrie" ihn vielleicht frei oder tauscht sie ihn aus? |
7/22 [1] Les citoyens1) de Mesopotamie2), [2] YrŽs3) encontre amis4) de Tarraconne5), [3] Ieux6), ritz7), banquetz, toute gent8)
endormie9) [4] Vicaire10) au Rosne, prins11) citŽ, ceux dÕAusone12). [1] Die BŸrger1) von Mesopotamien2) [2] [werden] wŸtend3) auf [die] Freunde4) von Tarragona5)
sein. [3] Spiele6), VergnŸgen7), Bankette, [das] ganze Volk8)
[ist] eingeschlafen9). [4] [Der] Stellvertreter10) [ist] an der Rhone. [Die] Stadt [ist]
erobert11) [wie auch] diejenigen von Ausonien12). 1) Oder auch: "Landsleute, Stadtbewohner, nicht unter dem
kanonischen Recht Stehende". 2) Das Zweistromland zwischen Eufrat und Tigris im Irak, Syrien und der
SŸdtŸrkei. 3) In einigen Ausgaben wird hier das "Y" durch "I"
und das "s" durch "z" ersetzt. 4) Das mittelfranzšsische "ami" bedeutet neben
"Freund" u. a. auch "ParteigŠnger, VerbŸndeter,
Landsmann". 5) Die 1568er-Ausgaben von Dresden, Paris und Gregorio schreiben hier
"Tarragonne". Tarragona (lat. "Tarraco") ist eine
Hafenstadt in Katalonien, Spanien. Die nach ihr benannte ršmische Provinz
(Hispania) Tarraconensis umfasste den Norden und Osten der Iberischen
Halbinsel. 6) Die beiden 1557er-Ausgaben schreiben hier "geux", eine
orthografische Variante von "jeux". Die 1568er zeigen entweder
"ieux" oder "jeux". "Gueux" wŠren Bettler oder
Schlawiner. 7) In einigen 1568er-Ausgaben lesen wir auch "rits".
"Ritz" bzw. "ritez" bedeutet "BrŠuche,
GebrŠuche". Hier ist aber wohl eher "riz"/"ris"
(GelŠchter, Freuden, VergnŸgen, SpŠ§e) gemeint, vgl. CLƒBERT, S. 807. 8) Auch im Sinne von Kriegsvolk, Truppen. 9) Oder auch: "geschwŠcht, trŠge". 10) Hier dŸrfte der Papst gemeint sein. Die PŠpste verstehen sich Seit Leo
I. (440-461) als "Vicarii Christi" (Stellvertreter Christi). Auch
die Bezeichnung "vicarius filii dei" (Stellvertreter des Sohnes
Gottes) kšnnte Nostradamus gekannt haben, da diese in der sogenannten
"Konstantinischen Schenkung" (Punkt Nr. 11) auftaucht. 11) Hie§e es "prinse", wŠre die Stelle anders zu verstehen:
"[Die] Stadt [ist] erobert, [von] denen aus Ausonien", vgl.
CLƒBERT, S. 807. 12) "Ausonien" bezeichnet im engeren Sinne SŸd- und
Mittelitalien, im weiteren aber auch die gesamte Apenninenhalbinsel bis zu
den Alpen. |
Rom ist gefallen, der Papst ist an der Rhone. Die Neopunier aus
Mesopotamien werden wŸtend auf ihre ršmischen VerbŸndeten sein, die lieber
Feiern und den Sieg genie§en als weiterzukŠmpfen. In der ersten Zeile ist von den BŸrgern Mesopotamiens die Rede, also
von Leuten aus dem Nahen Osten. Mesopotamien ist die Region, in der der neue
"Nebukadnezar" sein neopunisches Heidentum begrŸnden wird.
"Nebukadnezar" wird dabei seine Macht bis zu den Ršmern ausdehnen,
vgl. 2/30. Die Verbindung zu Italien finden wir in 7/22/4 ("Ausonien").
Doch die zweite Zeile scheint die Mesopotamier eher in Zusammenhang mit
Spanien/Katalonien zu bringen. Nostradamus nennt dabei konkret "die
Freunde Tarragonas", die den Zorn der Mesopotamier auf sich ziehen
werden. Allerdings ist nicht gesagt, dass die Freunde dieser iberischen Stadt
auch selber von der PyrenŠenhalbinsel stammen mŸssen. 218 v. Chr. eroberten
die Ršmer den Ort und machten Tarragona zur Hauptstadt der Hispania
Tarraconensis, die gro§e Teile der Iberischen Halbinsel umfasste. Die Stadt
bildete fortan eines der Zentren der ršmischen Macht auf der Halbinsel.
LIVIUS nennt Tarragona einmal sogar eine mit Rom verbŸndete und befreundete
Stadt (28,42: "ad
socios et amicos populi Romani Tarraconem"). Falls Nostradamus an
diese Stelle gedacht hat, wŠren Tarragonas Freunde die Ršmer. Zur Tibermetropole wŸrde auch die vierte Zeile passen. Falls mit dem
"Stellvertreter" der Papst gemeint ist, vgl. Anmerkung 10, der sich
an der Rhone befindet, wŠre zudem erneut der Bogen zum Neopunier-Thema,
genauer zu 10/38 geschlagen. Dort erfahren wir nach meinem DafŸrhalten, dass
der Papstsitz nach Saint-Maurice verlegt wird, das an der Rhone liegt. Mit
Avignon war von 1309-1423 allerdings bereits einmal eine andere Rhonestadt
Papstsitz. In der vierten Zeile erfahren wir, dass die Stadt, wohl "die
Urbs" (der Papstsitz Rom), erobert sein wird. Genauso wie die Menschen -
bzw. deren Land - in Ausonien (v. a. Mittel- und SŸditalien). Das passt zum
neopunischen Vormarsch, den wir etwa aus 2/54 und 1/8 kennen. 1/8 spricht
dabei von der Eroberung Roms. Von Angriffen auf bzw. Einnahmen Roms lesen wir bei Nostradamus auch
an anderen Stellen. 5.36 berichtet vom Angriff eines "Albaner"
HeerfŸhrers, allerdings ohne sichtbaren Bezug zu den Neopuniern. Von einer
sehr blutigen Eroberung der Tiberstadt und der Verlegung der Kurie lesen wir
in 5.63, aber auch hier werden die Neopunier wenigstens nicht namentlich
erwŠhnt. In der Apokalypse taucht die Ewige Stadt ebenfalls als Opfer
kriegerischer Gewalt auf (5.48: 1/11). Allerdings hat dieses Geschehen aus
der biblischen Endzeit mit "Nebukadnezars" religišser Schšpfung
chronologisch wohl nichts zu tun. Interessanter sind in diesem Zusammenhang die VorgŠnge in 5.45 und
5.103. 5.103 handelt von einer franzšsischen Eroberung Roms und erwŠhnt
gleichzeitig das "fremde Volk" (Araber), das auf Sizilien zu
verhungern droht. Allerdings ist zur Zeit nicht zu entscheiden, ob das
"fremde Volk" auf Sizilien noch in den unmittelbaren Zusammenhang
mit dem neopunischen Vorsto§ nach Europa gehšrt. Es kšnnte z. B. auch so
sein, dass die nordafrikanischen Araber nach der Niederlage der Neopunier
trotzdem ihre Herrschaft Ÿber Sizilien behaupten kšnnen und spŠter in neue Konflikte
verwickelt werden. In 5.45 erfahren wir, dass der "punische KnŸppel" Sardinien
misshandelt (2/81). Und zwar zur der Zeit, wenn Rom erobert wird (4/80).
Allerdings gibt es bei 5.45 noch etliche Unklarheiten, so dass jene Gruppe
aus arbeitstechnischen GrŸnden hier noch ausgeklammert bleiben soll. Laut 7/22/2 werden die Mesopotamier wŸtend auf die Ršmer sein. Doch
was lassen sich die Ršmer zu Schulden kommen? Auf diese Frage kšnnte die
dritte Zeile Auskunft geben. Nostradamus spricht von "Spielen",
"VergnŸgen" und "Banketten" und davon, dass das ganze
Volk oder Kriegsvolk (vgl. Anmerkung 8) "eingeschlafen" sein wird. Doch warum sollte dies die Orientalen in Wut versetzen? Eine
Mšglichkeit wŠre, dass diese Ršmer VerbŸndete der Mesopotamier sind, die in
ihrer Stadt sitzen, sich mit dem Erreichten zufrieden geben, den bisherigen
Erfolg feiern und den Kampf einstellen. Ganz im Gegensatz zu den Neopuniern,
die den Krieg fortfŸhren wollen. In diesem Fall mŸsste man sich aber fragen,
um welche Art von Ršmern es sich hierbei konkret handelt. Wohl kaum um
Gefolgsleute des ršmische-katholischen Papstes, der ja an die Rhone
ausgewichen ist. Sollten wir es hier mit HŠretikern und Papstfeinden zu tun haben, vgl.
3/11, die im Bund mit den Neopuniern Rom Ÿbernehmen? |
8/11 [1] Peuple1) infiny paroistra ˆ2) Vicence3) [2] Sans force4) feu brusler la Basilique5) [3] Pres de Lunage6) deffait grand de Valence7), [4] Lors que Venise par more8) prendra pique9). [1] Unendliches Volk1) wird in2) Vicenza3)
erscheinen. [2] Ohne Gewaltanwendung4) [wird] Feuer die Basilika5)
verbrennen. [3] In der NŠhe von "Lunage"6) [wird der] Gro§e von
Valence7) geschlagen [werden], [4] wenn Venedig wegen [des] Mauren8) in den Krieg eingreifen9)
wird. 1) Auch im Sinne von "Kriegsvolk, Armee". 2) Oder: "bei". 3) Vicenza liegt etwa 60 km
westlich von Venedig. 4) Oder: "Streitmacht,
Truppe". 5) Mit dieser Basilika ist
entweder eine Kirche in Vicenza gemeint oder die dortige Basilica Palladiana.
Als Basilica Palladiana wird der ab 1549 von Andrea Palladio erneuerte
Palazzo Communale (Palazzo della Ragione) bezeichnet, dessen Umbau allerdings
erst 1614 abgeschlossen wurde. GemŠ§ PRƒVOST, S. 79, und CLƒBERT, S. 851,
brannte der Palazzo della Ragione bereits einmal 1496 ohne Gewalteinwirkung
ab. 6) Nach LEONI vielleicht
Lunigiana, eine Region im Norden der Toskana zwischen Apennin und Ligurischem
Meer. CLƒBERT, S. 851, sieht hier Lugano im schweizerischen Tessin gemeint
("Lugane", vgl. lombardisch "LŸgann"). In SŸdtirol gŠbe
es als weitere Mšglichkeit San Lugano bzw. den San Lugano-Pass, etwa 25 km
sŸdlich von Bozen. 7) Unklar. Hier kšnnte
eines der franzšsischen Valence gemeint sein oder die spanische Stadt
Valencia. Da in der ersten, zweiten und dritten Zeile von VorgŠngen in
Italien die Rede ist, kommt allerdings auch eine italienische Lšsung in
Betracht. Das piemontesische Valenza liegt in der westlichen Po-Ebene, wenige
Kilometer nordšstlich von Alessandria. In der ersten HŠlfte des 16.
Jahrhunderts wurde die Stadt mehrmals von Franzosen und Spaniern erobert, bis
sie 1559 endgŸltig an letztere fiel. Es gŠbe im weiteren noch ein Valenzano
in Apulien. 8) Oder: "morte"
(die Tote). In den 1568er Ausgaben von Grasse, Stockholm, Chomarat, Lyon,
Heidelberg und Arbau steht hier "more" (Maure, Araber, Muslim;
Sumpf, Moor), in jenen von Schaffhausen, Mejanes, Perugia, Dresden, Paris und
Gregorio "morte". 9) Wšrtlich: "[die]
Pike ergreifen" (Infanterist werden). |
Die Araber werden Vicenza erreichen. Der AnfŸhrer der Franzosen wird
geschlagen werden, wenn Venedig wegen der Araber - oder Mailands - in den
Krieg eingreift. In der ersten Zeile taucht das -
arabisch-nordafrikanische - "unendliche Volk" auf, vgl. dazu 2/94/3
und 1/98. Es wird in oder bei Vicenza erscheinen, das rund 60 km westlich von
Venedig liegt. Es dŸrfte dabei aus Mittelitalien kommen, wo es gemŠ§ 1/83
einen bedeutenden Sieg erringt. Laut Zeile zwei wird in Vicenza die
"Basilika" (wahrscheinlich die Basilica Palladiana, vgl. Anmerkung
5) ohne Gewalteinwirkung niederbrennen. Ein Ereignis, das sich schon einmal
1496 zugetragen hat, vgl. Anmerkung 5. Doch wieso brennt hier die
"Basilika" ab? Wird sie von der fliehenden Bevšlkerung angesteckt,
um dem anrŸckenden Feind nur verbrannte Erde zu hinterlassen? Oder hat
Nostradamus vielleicht einen Hinweis auf den Zeitpunkt geben wollen, wann
dies geschehen wird (vielleicht in einem Jahr, dessen Jahreszahl ebenfalls
mit 96 endet)? In der vierten Zeile erfahren wir, dass
Venedig nun in den Krieg eingreifen wird. Der Grund wird der
"Maure", d. h. vielleicht der nordafrikanische Araber
"Hannibal" sein (vgl. allerdings Anmerkung 8). Genauer wohl der
Umstand, dass dieser der Lagunenstadt immmer nŠher kommt. Oder der "Maure"
meint vielmehr einen neuen MailŠnder Ludovico Sforza, vgl. unten. Mit der Verwendung des Begriffs
"Maure" kšnnte Nostradamus den Leser auf eine falsche FŠhrte locken
wollen. In 3/95/1 (5.58) spricht unser Seher vom "maurischen
Gesetz", meint damit aber den Islam, den die nordafrikanischen Mauren
nach Europa gebracht haben. Der neue "Hannibal" wird aufgrund
seiner geografischen Herkunft zwar ebenfalls "Maure" sein, mit
Muhammads Religion aber nichts zu tun haben, vgl. 3/27. Der Mann wird
vielmehr dem neopunischen Heidentum zuzuordnen sein. Eine andere Mšglichkeit wŠre, um im
norditalienischen Kontext zu bleiben, den "Mauren" mit Ludovico
Sforza zu identifizieren. Ludovico Sforza, der das Herzogtum Mailand
1494-1499 und 1500 beherrschte, trug den Beinamen "il Moro" bzw.
auf Franzšsisch "le More" (der Maure). In der Schlacht von Fornovo
(1495) besiegte Ludovico Sforza zusammen mit Venedig und Mantua die
Franzosen, wurde aber schlie§lich fŸnf Jahre spŠter von letzteren besiegt und
gefangen genommen. Sollte Venedig in 8/11 wieder im Bund mit Mailand die
Franzosen besiegen? Ist vielleicht die Situation um Mailand - die Bedrohung
der Stadt durch die Franzosen - und nicht der Vormarsch der Araber der Grund
fŸr das Eingreifen der Lagunenstadt? Noch einiges unklar ist in der dritten Zeile.
Beim "Gro§en von Valence" kšnnte Nostradamus an Cesare Borgia
(1475-1507) gedacht haben, der mit siebzehn Jahren Erzbischof des spanischen
Valencias wurde und ab 1498 Herzog des franzšsischen Valence (Valentinois) war
(vgl. auch PRƒVOST, S. 80). Als solcher war er ein Vasall des franzšsischen
Kšnigs. Hier kšnnte unser Seher also einen franzšsischen Machthaber oder
Feldherrn meinen, der ebenfalls in Italien kŠmpfen und somit wohl die
Franzosen aus 2/94/1 anfŸhren wŸrde. Doch der mutma§liche neue Borgia wird
nahe "Lunage" (Lugano? San Lugano? Vgl. Anmerkung 6) geschlagen
werden. Doch von wem? Von Venedig und Mailand, vgl. oben? |
10/38 [1] Amour2) alegre1) non loing pose le siege3), [2] Au sainct barbar4) seront les garnisons5), [3] Vrsins6) Hadrie7) pour Gaulois8) feront
plaige9), [4] Pour peur rendus de lÕarmee aux Grisons10). [1] [Die]
lebhafte1) Liebe2) richtet nicht weit [davon] entfernt
den Sitz3) ein. [2] Beim "heiligen Barbaren"4) werden die Garnisonen5)
sein. [3] [Die] Orsini6) werden "Hadrie"7) wegen
[des] Galliers8) [ein] Pfand9) abgeben. [4] Aus Angst [werden sie] von der Armee den Grauen10)
ausgeliefert. 1) Auch: "munter, wohlauf, glŸcklich, liebenswert". 2) Neben der eigentlichen GefŸhlsregung gŠbe es noch den umtriebigen
ršm. Liebesgott Amor, den Sohn von Mars und Venus, der hier in Betracht kŠme.
3) Oder auch: "Belagerung". 4) Nach antikem VerstŠndnis sind "Barbaren" Nichtgriechen bzw. Nichtršmer.
Nostradamus meint damit allem Anschein nach Orientalen, besonders
Nichtchristen (namentlich Muslime). Dabei schwingt sicher auch ein
abwertender Gedanke mit, vgl. CLƒBERT, S. 784. Doch hinter der Wortwahl
unseres Sehers stehen wohl auch rein sprachliche GrŸnde, etwa die Anspielung
auf die Barbareskenstaaten, die vom 16. bis zum 19. Jahrhundert zwischen
Marokko und €gypten existierten. Oder das Anagramm
"barbare"-"arabe" (Barbar-Araber), das allerdings etwa
auch Muslime anderer Ethnien umfassen dŸrfte. In den Zenturien tauchen
"Barbaren" etliche Male auf. Die orientalische Spur scheint mir
dabei v. a. in folgenden Strophen sichtbar zu sein: 5/13 (5.47), 5/78 (5.23),
5/80 (5.187), 6/21 (5.16) und 9/60 (5.8). Wenn wie in 10/38/2 der Barbar als
"heilig" bezeichnet wird, mŸsste es sich aber um einen Christen
handeln. Einer der bekanntesten Heiligen "barbarischer" Herkunft
ist im Abendland wohl Mauritius aus Theben (€gypten). Der †berlieferung
zufolge sollen Mauritius und die von ihm befehligte Legion gegen Ende des
dritten Jahrhunderts im heutigen Saint-Maurice im schweizerischen Wallis auf
Befehl des ršmischen Kaisers Maximian getštet worden sein, weil sie sich
weigerten, Christen zu verfolgen. Im Hinblick auf die ErwŠhnung GraubŸndens in der
vierten Zeile kšnnte aber auch Sankt Moritz gemeint sein, das in Namen und
Wappen den heiligen Mauritius trŠgt. 5) "Garnison" bedeutet u. a. "Truppen, VorrŠte, Proviant,
BŸrgschaft". 6) "Ursins" ist eine franzšsische Form des italienischen
"Orsini", vgl. CLƒBERT, S. 1101. Die Orsini waren ein ršmisches
Adelsgeschlecht, dem bis zur Zeit des Nostradamus zwei PŠpste entstammten
(Cšlestin III., 1191-1198; Nikolaus III., 1277-1280) und das wŠhrend des
Investiturstreits lange Zeit die Guelfen (Papstpartei) gegen die Ghibellinen
(Kaiserpartei) anfŸhrte. Die Orsini standen im Mittelalter dem
Franziskanerorden nahe, den sie protegierten (so Matteo Rosso Orsini, ca.
1178-1246; Nikolaus III., 1277-1280 und Matteo Rubeo Orsini, 1230-1305/06).
Weiter waren die Orsini Gegner der Colonna. Aus ihrem Geschlecht stammten
zahlreiche Adlige und KirchenfŸrsten, daneben aber auch SšldnerfŸhrer
(Condottieri). Die Orsini stellten in Griechenland zwischen 1195-1395 die
Pfalzgrafen von Kefalonia bzw. Despoten von Epirus, im 14. und 15. Jh. zeitweise
die FŸrsten von Tarent, ab 1436 die Herzšge von Gravina (SŸditalien) und ab
1560 die Herzšge von Bracchiano (Latium). Das Geschlecht existiert in seiner
Gravina-Linie bis heute. 7) "Hadrie" taucht wšrtlich in 1/8/4, 1/9/2, 3/11/4 und
10/38/3 auf. Unklar ist, ob der Begriff fŸr eine Person oder fŸr eine Macht,
einen Staat steht. GemŠ§ 1/8/4 ist "Hadrie" wohl weiblichen
Geschlechts, was meines Erachtens die Wahrscheinlichkeit fŸr eine
Identifikation mit einer Macht erhšht. 3/11/4 spricht gar von "Hadries"
Herrscher. Doch wo wŠre ein solcher Staat zu finden? Nicht unwahrscheinlich
ist BRINDÕAMOURs Idee (S. 57), hier Venedig, die gro§e Adria-Macht zur Zeit
des Nostradamus zu vermuten. In Italien finden wir aber zwei weitere StŠdte,
die sprachlich gut zu "Hadrie" passen wŸrden. Zum einen die Stadt
Adria (lat. "Hatria") in Venetien und das heutige Atri (lat. u. a.
"Hadria/Hatria") nahe der zentralen italienischen AdriakŸste. Das
venetische Adria war in der Antike wesentlich bedeutender als heute. So
grŸndete etwa der syrakusische Tyrann Dionysios I. (405-367 v. Chr.) im
etruskischen Adria eine Kolonie, um so seine Stellung im Adriatischen Meer zu
stŠrken. Dionysios I. war ein Gegner Karthagos, gegen das er vier
verlustreiche Kriege fŸhrte. Eine andere
interessante Spur fŸhrt uns ins Mittelalter, zum real nicht existiert
habenden Kšnigreich Adria. Dieses Kšnigreich wurde am 17.04.1379 von
Gegenpapst Clemens VII. (1378-1394) dem Bruder des franzšsischen Kšnigs
versprochen, wenn er helfen wŸrde, den rechtmŠ§igen Papst Urban VI.
(1378-1389) militŠrisch aus Rom zu vertreiben. Doch die Truppen von Clemens
VII. unterlagen wenige Tage spŠter, am 30.04.1379, jenen Urbans VI. bei
Marino (Latium), was schlie§lich dazu fŸhrte, dass Clemens VII. Italien verlassen
musste und sich in Avignon niederlie§. Ein Ereignis, das zum Gro§en
AbendlŠndischen Schisma (bis 1417) fŸhrte. Das so verhinderte Kšnigreich
Adria, dessen Herrscher Ludwig I. von Anjou (der Bruder des franzšsischen
Kšnigs Karls V.) gewesen wŠre, hŠtte gro§e Gebiete im nordšstlichen Italien
umfasst: so etwa die Marken von Ancona, die Romagna, das Herzogtum Spoleto,
Massa, Trabaria sowie die StŠdte und Gebiete von Bologna, Ferrara (ca. 45 km
sŸdwestlich von Adria), Ravenna, Perugia und Todi. Nostradamus kšnnte bei
"Hadrie" also an einen - dieses Mal existierenden -
nordostitalienischen Staat gedacht haben, der eng mit einem neuen
"Clemens VII." verbŸndet ist. "Hadries" Herrscher
(3/11/4) wŠre demzufolge ein neuer "Ludwig I. von Anjou". Dessen
historisches Vorbild (1339-1384) war als Feldherr im HundertjŠhrigen Krieg
aktiv. 1380-1382 regierte er zusammen mit seinen beiden BrŸdern anstelle
Kšnig Karls VI. Frankreich. 1382 bis zu seinem Tod war Ludwig Graf der
Provence sowie Titularkšnig von Neapel und Jerusalem. Nachdem ihn Clemens
VII. in Avignon zum Kšnig von Neapel gekršnt hatte, zog Ludwig mit einem Heer
nach Italien Richtung Neapel, verstarb aber 1384 in Bari an einer Epidemie. Am
mittelitalienischen Atri ist dagegen v. a. der Umstand interessant, dass die
Familie des ršmischen Kaisers Hadrian ursprŸnglich aus diesem Ort stammte.
Publius Aelius Hadrianus (117-138) verzichtete auf die zuvor von Trajan
eroberten Gebiete im Nahen Osten und schloss mit den Parthern einen Frieden
ab. Er schlug den jŸdischen Aufstand unter Bar Kochba (132-135) blutig
nieder, zerstšrte Jerusalem endgŸltig und vertrieb die Juden aus JudŠa. Oder
Nostradamus hat vielmehr an einen der sechs PŠpste dieses Namens gedacht: Der
Ršmer Hadrian I. (772-795) rief Karl den Gro§en gegen die Langobarden zu
Hilfe. Hadrian II. (867-872) stammte aus dem Geschlecht der Colonna. Ebenso
Hadrian III. (884-885). Hadrian IV. (1154-1159) war der bisher einzige
EnglŠnder auf dem Stuhl Petri. WŠhrend seines Pontifikats begann der Konflikt
zwischen den Staufern (Friedrich I. Barbarossa) und der Kurie. Allerdings
erst nachdem beide die Kommune von Rom des HŠretikers Arnold von Brescia
besiegt und so das Papsttum in seiner damaligen Form gerettet hatten. Hadrian
V. war 1276 nur 38 Tage Pontifex. Der NiederlŠnder Hadrian VI. war von
1522-1523 Papst. Was ihn als mšgliches Vorbild interessant macht, ist v. a.
der Vormarsch der Osmanen zu seiner Zeit. Diese eroberten 1522/23 Rhodos und
vertrieben den Ritterorden der Johanniter von der Insel. Diese verlagerten
ihren Hauptsitz zunŠchst nach Kreta und 1530 schlie§lich nach Malta. 8) Oder: "[der] Gallier". 9) Oder: "BŸrgschaft, Garantie". 10) Oder: "den GraubŸndnern". CLƒBERT, S. 1102, weist darauf
hin, dass Sšldner aus GraubŸnden in gro§er Zahl in den Italienkriegen des 16.
Jh. gekŠmpft haben. Mit den "Grauen" kšnnten hier aber die grau
gewandeten Franziskaner gemeint sein, denen die Orsini verbunden waren. |
Die Kirche errichtet ihren Sitz im Westschweizer Saint-Maurice. Der
Ort wird belagert werden. "Hadrie" wird dort einen bedeutenden
Franzosen in Geiselhaft halten. Um diesen zu befreien, werden die Orsini
seinen Platz einnehmen. Aus Angst vor den Belagerern wird "Hadries"
Armee die Orsini aber den "Grauen" (Franziskaner? GraubŸndner
Sšldner?) ausliefern. In der dritten Zeile ist wieder von "Hadrie" die Rede, jener
mutma§lich nordostitalienischen Macht, die gemŠ§ 1/8/4 wohl das Papsttum, die
Kurie retten wird. Das Subjekt sind hier allerdings die Orsini. Sie werden
"Hadrie" ein Pfand fŸr einen Gallier abgeben. Somit mŸsste
"Hadrie" wohl im "Besitz" dieses Franzosen sein.
Vermutlich ist er "Hadries" Gefangener. Handelt es sich vielleicht
um den Franzosen aus 3/27/2 und gleichzeitig den "Hahn" aus 5/14/4?
Falls Nostradamus in 3/27/2 tatsŠchlich auch an Kšnig Franz I. (1515-1547)
gedacht haben sollte, hŠtten wir eine Parallele vor uns. In der Schlacht von
Pavia (1525) geriet Franz I. nŠmlich in habsburgische Gefangenschaft. Franz
I., der mit dem Medici-Papst Clemens VII. (1523-1534) und Venedig verbŸndet
war, wurde aber nicht befreit sondern musste im Frieden von Madrid (1526) den
Habsburgern gro§e Gebiete in Italien zugestehen. Wenn in 10/38/3 die Orsini fŸr den Franzosen bŸrgen, dŸrften beide auf
derselben Seite stehen. Die Zeile kšnnte sogar dahingehend verstanden werden,
dass mehrere Angehšrige aus dem Hause Orsini als Geiseln den Platz des
Franzosen einnehmen, um diesen befreien zu kšnnen. "Hadrie" ist
also jedenfalls ein Gegner des Franzosen und der Orsini. In der vierten Zeile erfahren wir, dass "sie" - wohl die
Orsini - dann aber aus Angst von "der Armee" den "Grauen"
Ÿbergeben werden. SinngemŠ§ mŸsste es sich bei der Armee um
"Hadries" Streitmacht handeln. Dass hier gesondert von der Armee
die Rede ist, kšnnte als Hinweis darauf verstanden werden, dass es in
"Hadries" Lager Meinungsverschiedenheiten Ÿber die Beurteilung der
Lage gibt und die Truppe die Auslieferung auf eigene Initiative hin
durchfŸhrt. †bergeben werden die mutma§lichen Orsini-Geiseln aus Angst. Wenn eine
Armee aus Angst handelt, muss wohl eine konkrete militŠrische Bedrohung
vorliegen. Somit kšnnten die "Grauen" tatsŠchlich GraubŸndner
Sšldnertruppen sein. Allerdings scheiden die Franziskaner etwa als den Orsini
verbundene MittelsmŠnner ebenfalls nicht aus. Von militŠrischen VerbŠnden ("Garnisonen") ist wohl auch in
der zweiten Zeile die Rede. Oder von den vermuteten Orsini-Geiseln
("LeibbŸrgen", vgl. Anmerkung 5). Somit meinen die erwŠhnten
Garnisonen wohl "Hadries" Armee und/oder die sie bedrohenden
Truppen (GraubŸndner Sšldner?). Wir erfahren, dass sich diese Garnisonen beim "heiligen
Barbaren" befinden werden. Wie in Anmerkung vier erwŠhnt, vermute ich
mit dem "heiligen Barbaren" den heiligen Mauritius (franz.
"saint Maurice") gemeint. Allein in Frankreich gibt es Dutzende von
Orten mit Namen "Saint-Maurice". Doch das Westschweizer
Saint-Maurice an der Rhone ist das Ur-Saint-Maurice, der Ort des Martyriums
und der Auffindung der Reliquien des Heiligen. Somit dŸrfte wohl am ehesten
dieses gemeint sein. In der ersten Zeile ist zu lesen, dass die "lebhafte Liebe"
nicht weit davon - also Saint-Maurice - entfernt den Sitz oder die Belagerung
(vgl. Anmerkung 3) errichten wird. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass
die Abtei Saint-Maurice, die Ÿber dem Grab des Heiligen steht, ursprŸnglich
nur nahe
des eigentlichen Ortes lag. Heute ist die Abtei jedoch Teil des
Gemeindegebietes. Typisch fŸr Nostradamus ist wieder, dass unser Seher hier einen
mehrdeutigen Begriff ("siege") gewŠhlt hat, mit dem ganz Unterschiedliches
bezeichnet werden kann: Sitz und Belagerung. Falls letzteres gemeint ist,
wiederholt die erste Zeile die Aussage der zweiten. Nostradamus bezeichnet
die Belagerer - "Hadries" Gegner, unter denen sich vielleicht auch
GraubŸndner Sšldner oder Franziskaner befinden kšnnten, vgl. oben - als
"lebhafte Liebe". Doch passt diese Beschreibung auf jemanden, der
eine militŠrische Belagerung aufbaut? Hier kšnnte wieder ein Wortspiel vorliegen. Verstehen wir die
"lebhafte Liebe" nicht als GefŸhl sondern als Person
("Liebe" = "Geliebte") wŸrde das griech.
"phile" (u. a. Freundin, Geliebte, Ehefrau) dazu passen. Das
Šhnlich geschriebene "phyle" hingegen bezeichnet neben einem Stamm
u. a. auch eine Heeresabteilung ("Stammesaufgebot"). Man beachte in
diesem Zusammenhang aber auch die Pluralform "phylai"
(Heeresabteilungen) und das Wort "philia" (Liebe). Ich vermute, hier ist (ebenfalls) vom Sitz einer Akteurin die Rede,
die besser in den Liebeskontext der ersten Zeile passt - die Kirche. Ein
Indiz in diese Richtung wŠre die Wahl eines Ortes, der fŸr das Christentum
eine gro§e Bedeutung hat: das von mir vermutete Saint-Maurice. Bekannterma§en wird die Kirche seit alters her als "sponsa
Christi", als "Braut Christi" bezeichnet (vgl. dazu etwa
Epheser 5,25-32 und Offenbarung 19,7f.). Es wŠre also durchaus
nachvollziehbar, dass Nostradamus hier die Kirche als Christi Liebe
bezeichnet. Die ErwŠhnung "Hadries", der die Kirche aus Rom rettet
(vgl. 1/8/4), und der Orsini unterstŸtzen meines Erachtens die Verortung im
kirchlichen Bereich. "Lebhaft" oder "wohlauf" ist diese
Liebe dank "Hadries" Rettung. Was die obige Strophe mit dem neopunischen Krieg in Italien verbindet,
ist die ErwŠhnung "Hadries" und das inhaltlich passende Exil der
Kirche in den Westschweizer Alpen. Doch bleiben Fragen. Etwa: Wie genau
greift der Konflikt auf die Schweiz Ÿber? Wer ist der bedeutende franzšsische
Gefangene? Vielleicht der neue "Cesare Borgia" aus 8/11/3? Wer sind
die Belagerer der "Hadrie"-Truppen bzw. wer steckt hinter den
Orsini und den "Grauen"? Vielleicht eine "Hannibal"
dienende hŠretische Teilkirche im besetzten Rom, vgl. 3/11? |
5/74 [1] De sang Troyẽ1) naistra3) cÏur2) Germanique [2] Qui4) deuiendra en si haulte puissance [3] Hors chassera5) gent estrange Arabique [4] Tournant lÕEglise en pristine6) preeminẽce [1] Aus trojanischem Blut1) wird [das] germanische Herz2) stammen3), [2] das4) eine Ÿberaus hohe Machtposition erreichen wird. [3] [Es] wird [das] fremde arabische Volk hinaustreiben5) [4] [und] die Kirche in [die] alte6) Ÿberragende Stellung zurŸckfŸhren. 1) Der Begriff "troien" bzw. "troyen" (trojanisch)
taucht in 1/19/2, 2/61/2, 5/74/1, 5/87/3 und 6/52/3 auf. In 3/51/4 ist von
"Troye" die Rede, womit aber wohl die franzšsische Stadt Troyes und
nicht das antike Troja gemeint sein dŸrfte. 1/19/2, 2/61/2, 5/74/1 und 5/87/3
sprechen konkret vom "sang troien" (trojanischen Blut), 6/52/3 von
einer "trojanischen Hoffnung". Das alte Troja lag in der heutigen
NordwesttŸrkei. Als Nachkommen der Trojaner verstanden sich die Ršmer (Ÿber
Aeneas) aber auch die Franzosen bzw. das franzšsische Kšnigsgeschlecht (Ÿber
den sagenhaften Francus/Francion), vgl. GRUBER, S. 175. Darauf, dass bei
Nostradamus mit dem "trojanischen Blut" die Franzosen oder genauer
ein franzšsischer Herrscher gemeint ist, deutet 2/61/1f. hin, wo das
Trojanerblut in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Konflikt in Frankreich
genannt wird. 2) "CÏur" bedeutet grundsŠtzlich "Herz". SinngemŠ§
muss hier jedoch vom deutschen Herrscher die Rede sein, vgl. GRUBER, S.
175-178 (siehe auch CLƒBERT, S. 651). Vielleicht hat Nostradamus hier mit
"kardia" (griech. "Herz") einen versteckten Hinweis auf
das spŠtlat. "cardinalis" geben wollen ("cardinalis
germanicus" = der oberste, wichtigste Deutsche)?
Noch
wahrscheinlicher ist, dass unser Seher an die Astrologie gedacht hat, die im
medizinisch-anatomischen Bereich das Herz dem Tierkreiszeichen Lšwe und der
Sonne zuordnet. AGRIPPA VON NETTESHEIM, Buch 1, Kapitel 23, kšnnen wir
entnehmen, was dem Herz-Planeten Sonne alles zugeordnet wird. Dort finden wir
u. a. auch den "Kšnig der Tiere", den Lšwen, oder den "Kšnig
der Všgel", den Adler, vgl. auch Ebd., Buch 2, Kapitel 14. Die
Identifikation des "germanischen Herzens" mit dem deutschen Kšnig
bzw. ršmisch-deutschen Kaiser passt also durchaus in den grš§eren
Symbolkontext. Vgl. dazu 1/9/1. Eine
andere Mšglichkeit wŠre, das "cÏur germanique" auf den "furor
teutonicus" des ršmisch-deutschen Kaisers aus 5/13 zu beziehen, der mit "zŠhneknirschender
Wut" Nordafrikaner vom Balkan vertreiben wird. Die Zeile wŠre dann aber
wahrscheinlich als "Le sang Troyen naistra cÏur Germanique" zu lesen und mit
"Das trojanische Blut wird germanischen Herzens (= mit teutonischer
Raserei) erscheinen" zu Ÿbersetzen. 3) Vgl. lat. "nasci" (u. a. auch "entstammen,
entspringen"). Das mittelfranzšsische "naistre" bedeutet neben
"geboren werden" zudem "erscheinen". 4) In allen Ausgaben von 1557 und 1568 steht hier "quÕil" (so dass),
mit Ausnahme der 1568er von Dresden, Paris und Gregorio die hier
"qui" (das, welches) zeigen. LE PELLETIER, Band 2, S. 110, LEONI,
S. 270, und GRUBER, S. 175, korrigieren hier ebenfalls zu "qui".
SinngemŠ§ ist dieser Variante wohl der Vorzug zu geben. 5) In den 1568er-Ausgaben von Chomarat und Lyon fehlt bei
"chassera" das "c".
6) Oder: "vergangen, vorangegangen, vorherig;
anfŠnglich. Vgl. lat. "pristinus" (alt, ehemalig usw.). |
Ein franzšsischer Bourbone wird deutscher Herrscher und Ÿberaus mŠchtig
werden. Er wird die neopunischen Araber aus Europa vertreiben und der Kirche
ihre alte Ÿberragende Stellung zurŸckgeben. Die entscheidende Stelle fŸr die Zuordnung dieser Strophe dŸrfte in
der dritten Zeile zu finden sein. Nostradamus spricht hier vom "fremden
(arabischen) Volk". Diese Stelle schafft die Verbindung zum
"fremden Volk" in 1/20, 1/83, 1/98, 2/54, 2/84, 3/38, 6/1, 7/39 und
8/10 und identifiziert es gleichzeitig. Ebenfalls in der dritten Zeile erfahren wir, dass das "fremde
arabische Volk" von jemandem "hinausgetrieben" werden wird.
Und zwar vom Akteur, den Nostradamus in den beiden ersten Zeilen vorstellt. Es wird sich dabei um einen deutschen Herrscher handeln, der aus dem
franzšsischem Kšnigsgeschlecht der Bourbonen stammt. Dieser Bourbone wird
eine Ÿberaus hohe Machtposition erringen. Wenn wir dann noch in der vierten Zeile erfahren, dass dieser
Herrscher die Kirche in die alte Ÿberragende Stellung zurŸckfŸhren, also fŸr
sie Partei ergreifen wird, scheint die Identifizierung dieses Monarchen
einfach zu sein: Man denkt unweigerlich an "CHYREN" oder allenfalls
noch an "Herkules" (vgl. 5.23). Doch ordnet die entscheidende
ErwŠhnung des "fremden arabischen Volkes" die Strophe dem Thema des
"fremden Volkes" zu, vgl. oben. Ordnen wir 5/74 dem Thema des neopunisch-arabischen Angriffs auf
Europa zu, ist mit Blick etwa auf
5/13 klar, was mit dem fremden arabischen "Volk" gemeint
ist: Nicht wie von mir einst vermutet orientalische Bevšlkerungsteile im
Westen sondern eingedrungene orientalische Truppen. Bleibt noch die Wiederherstellung der alten, Ÿberragenden Stellung der
Kirche in der vierten Zeile. Bezieht man die Stelle auf die VorgŠnge, deren
Zeitzeuge Nostradamus im 16. Jahrhundert war, kšnnte man hier etwa an eine
Rekatholisierung Deutschlands denken. Doch mit Blick auf das "fremde
arabische Volk" und die Zuordnung der Strophe zum Thema des
neopunisch-arabischen Angriffs auf Europa mŸsste hier die RŸckkehr zum
Zustand vor diesen Umtrieben gemeint sein. |
5/13 [1] Par grand fureur le Roy Romain2) Belgique1) [2] Vexer vouldra par phalange3) barbare4): [3] Fureur grinsseant chassera gent6) lybique5) [4] Despuis Pannons7) iusques Hercules la hare8). [1] Mit gro§er Kampfeswut wird der belgische1) ršmische Kšnig2) [2] mit [seinem] Heer3) den Barbaren4) heimsuchen
wollen. [3] [Mit] zŠhneknirschender Wut wird [er das] libysche5) Volk6)
vertreiben, [4] [und zwar] von [den] Pannoniern7) bis zur Schranke8)
[des] Herkules. 1) Die ehemalige ršmische Provinz Gallia Belgica umfasste Belgien und
gro§e Gebiete Nord- und Ostfrankreichs. Zur Zeit des Nostradamus gehšrte die
alte Gallia Belgica zu gro§en Teilen zum Heiligen Ršmischen Reich Deutscher
Nation. Von einem belgischen FŸrsten ist auch in 5.194 (6/83 - 4/81) die
Rede. 2) Das alte Rom hatte sieben Kšnige, bevor der letzte gestŸrzt und die
Republik begrŸndet wurde. Mit dem "Kšnig von Rom" ist hier aber
wohl eher der Herrscher des ršmisch-deutschen Reiches gemeint, der zwar
bereits gewŠhlter ršmisch-deutscher Kšnig aber noch nicht gesalbter Kaiser
war. In der Epoche des Nostradamus wurde der Titel "ršmischer
Kšnig" zur Bezeichnung des designierten Nachfolgers des Kaisers. 3)
Eine Phalanx ("phalange") ist eine
Schlachtanordnung, im Ÿbertragenen Sinne einfach ein Heer. Das griech.
"phalagx" bedeutet ursprŸnglich "Baumstamm, StŸck Holz, runder
Block" aber auch "Gelenk" und "Spinne". 4) Oder - falls "barbare" hier weiblich sein sollte - die
barbarische Phalanx, das barbarische Heer. Nach antikem VerstŠndnis
sind "Barbaren" Nichtgriechen bzw. Nichtršmer. Nostradamus meint
damit allem Anschein nach Orientalen, besonders Nichtchristen (namentlich
Muslime). Dabei schwingt sicher auch ein abwertender Gedanke mit, vgl.
CLƒBERT, S. 784. Doch hinter der Wortwahl unseres Sehers stehen wohl auch
rein sprachliche GrŸnde, etwa die Anspielung auf die Barbareskenstaaten, die
vom 16. bis zum 19. Jahrhundert zwischen Marokko und €gypten existierten.
Oder das Anagramm "barbare"-"arabe" (Barbar-Araber), das
allerdings etwa auch Muslime anderer Ethnien umfassen dŸrfte. In den
Zenturien tauchen "Barbaren" etliche Male auf. Die orientalische
Spur scheint mir dabei v. a. in folgenden Strophen sichtbar zu sein: 5/13
(5.47), 5/78 (5.23), 5/80 (5.187), 6/21 (5.16) und 9/60 (5.8). 5) "Libysch" ist hier sinngemŠ§ wohl als
"nordafrikanisch" zu verstehen. Vgl. griech. "Libye" (u.
a. ganz Afrika, nordafrikanische KŸste) und lat. "Libya" (das ganze
bekannte Afrika, nordafrikanische KŸste). 6) Auch im Sinne von Kriegsvolk, Truppen. 7) Pannonien bezeichnete in der Antike wechselnd gro§e Gebiete im
norwestlichen Balkan und im heutigen Ungarn. 8) Lies wohl: "bare" (siehe unten). In allen Ausgaben von 1557
und 1568 lesen wir hier allerdings "hare". FŸr "hare"
gŠbe es verschiedene Deutungsmšglichkeiten. LEONI, S. 252, sieht hier das
lat. "ara" im Sinne von "Monument" und die "SŠulen
des Herkules" gemeint - also den Felsen von Gibraltar und den Dschebel
Musa in Marokko (alternativ den Monte Hacho bei Ceuta). "Hare"
kšnnte aber ebenso das lat. "hara" (Stall, Schweinestall) meinen:
Der mythologische Herkules hat nŠmlich den Stall des Augias, Kšnig von Elis
gereinigt. In diesem Fall wŠre also die westlichste Peloponnes gemeint, die
zudem nŠher am balkanischen Pannonien liegen wŸrde. PRƒVOST, S. 110, und
CLƒBERT, S. 585, machen einen Druckfehler fŸr "bare" (u. a. Riegel,
Barriere, Schranke) aus und sehen ebenfalls die "SŠulen des
Herkules" gemeint. FŸr die Lšsung "bare" sprŠche, dass sich
dieses Wort besser auf das "barbare" der zweiten Zeile reimen
wŸrde. |
Das ršmisch-deutsche Reich hat sich von seiner Niederlage gegen
Frankreich (5/14) erholt. Der Bourbone auf dem ršmisch-deutschen
Herrscherthron (5/74) wird "Hannibals" Nordafrikaner besiegen und
aus SŸdeuropa vertreiben. In der ersten Zeile wird ein ršmischer Kšnig belgischer Herkunft
erwŠhnt. Damit dŸrfte ein Herrscher des ršmisch-deutschen Reiches gemeint sein, vgl.
Anmerkung 2. Dazu passt auch die ErwŠhnung der gro§en Kampfeswut ("grand
fureur"), was wohl als Hinweis auf den "furor teutonicus" zu verstehen ist. Doch obwohl mit "teutonischer Angriffslust" ausgestattet,
scheint dieser ršmisch-deutsche Herrscher eher aus dem franzšsischsprachigen
Europa zu stammen - aus der alten Gallia Belgica (nordšstliches Frankreich,
Belgien). Einem Gebiet, das zur Zeit des Nostradamus zu gro§en Teilen zum
ršmisch-deutschen Reich gehšrt hat. Dieser Umstand passt zum franzšsischen
Bourbonen aus 5/74. "CHYREN" scheidet als Kandidat dagegen aus, da
dieser in Blois (in der alten Gallia Lugdunensis, in der Aremorica) geboren
werden dŸrfte, vgl. 5.23: 8/38. In der zweiten Zeile erfahren wir, dass dieser Herrscher militŠrisch
gegen "den Barbaren" (die Orientalen) kŠmpfen wird. Zeile drei spricht wieder vom Herrscher mit teutonischer Angriffslust
bzw. "zŠhneknirschender (verbissener) Wut" - dem franzšsischen
Herrscher des ršmisch-deutschen Reiches. Gleichzeitig erfahren wir, wer die
Orientalen sind, die er vertreiben wird. Es handelt sich um die Nordafrikaner
des neuen "Hannibal", vgl. 5/14. In der letzten Zeile erfahren wir, aus welcher Region die
Nordafrikaner vertrieben werden. Leider ist diese Angabe aber nicht ganz
klar. Entweder aus dem ganzen sŸdlichen Europa von Pannonien bis Gibraltar
(d. h. etwa auch aus Spanien und Italien) oder vielleicht nur von der
Balkanhalbinsel zwischen Pannonien und Griechenland, vgl. Anmerkung 8. |
3/38 [1] La gent1) Gauloise & nation estrange2) [2] Outre les monts, morts prins & profligŽs3): [3] Au mois contraire4) & proche de vendage [4] Par les seigneurs5) en accord6) redigŽs. [1] Das gallische Volk1) und [die] fremde Nation2) [2] [werden] jenseits der Berge Tote, Gefangene [und] Niedergeschlagene3) [zu
beklagen haben]. [3] Im gegenŸberliegenden4) Monat und nahe der Weinlese [4] durch die Herren5), [die] im Abkommen6) zusammengefŸhrt
[sein werden]. 1) Auch im Sinne von "Kriegsvolk, Armee". 2) Die "fremde
Nation" dŸrfte dem "fremden Volk" entsprechen, das die Araber
meint. Vgl. 5/74/3, wo das "fremde arabische Volk" ("gent estrange
Arabique") erwŠhnt wird. 3) Lat.
"profligare" (niederschlagen, ŸberwŠltigen). 4) Oder u. a. auch:
"gegensŠtzlich, feindlich". In der dritten Zeile ist von zwei
Zeitpunkten im Jahr die Rede, vgl. BRINDÕAMOUR, S. 385f. FŸr die Weinlese
kommen die Monate September/Oktober in Frage. Mit einem
"gegenŸberliegenden Monat" ist ein Monat gemeint, der im
Jahreskreis 180 Grad oder sechs Monate gegenŸberliegt, hier also MŠrz/April. 5) "Seigneur"
(saigneur) kann im Mittelfranzšsischen auch "Aderlasser,
SchlŠchter" bedeuten. 6) Oder u. a. auch
"Harmonie, Eintracht". |
Die Franzosen und die neopunischen Araber werden beide in Italien
Verluste erleiden. Verluste, die sie einem BŸndnis zweier Herren zu verdanken
haben werden. In der ersten Zeile wird eine "fremde Nation" erwŠhnt, die wohl
mit dem "fremden Volk" aus 1/20, 1/83, 1/98, 2/54, 2/84, 3/38,
5/74, 6/1, 7/39 und 8/10 identisch sein dŸrfte. Es wird sich also um
neopunische Araber handeln. Gleichzeitig werden die Franzosen
("gallisches Volk") genannt. Beide Akteure scheinen gemŠ§ Zeile zwei "jenseits der Berge"
Gefallene, Verwundete ("Niedergeschlagene"?) und Gefangene zu
beklagen zu haben. Mit den Bergen sind dabei wohl entweder die PyrenŠen oder
die Westalpen gemeint. In Zusammenhang mit dem Neopunier-Thema sprechen die Strophen (4/4), 2/94, 2/84, 1/83, 1/8 und 8/11 sowie 2/32 meines Erachtens dafŸr, dass
hier von Italien als Ort kriegerischer Auseinandersetzungen unter Beteiligung
der Araber und der Franzosen die Rede ist. Mit den "Bergen" der
zweiten Zeile dŸrften somit die Westalpen gemeint sein. Die erwŠhnten Verluste kšnnten auf die direkte
Konfrontation von Franzosen und Arabern zurŸckzufŸhren sein. Im zweiten Teil
der Strophe werden jedoch zwei durch ein Abkommen verbundene
"Herren" erwŠhnt, die der Grund fŸr die Veluste zu sein scheinen.
Verluste, die einmal im FrŸhjahr (MŠrz/April) und einmal im Herbst
(September/Oktober) zu verzeichnen sein werden. BRINDÕAMOUR, S. 385, versteht die letzten
beiden Zeilen dahingehend, das die beiden Herren die Franzosen und Araber im
FrŸhjahr und Herbst in einem Abkommen zusammenfŸhren werden. |
5/23 [1] Les deux contens1) seront vnis ensemble, [2] Quant2) la pluspart ˆ Mars3) seront conioinct: [3] Le grand dÕAffrique en effraieur & tremble: [4] DVVMVIRAT4) par la classe5) desioinct. [1] Die zwei Streitenden1) werden zusammen vereint sein, [2] wenn2) der grš§te Teil mit Mars3) verbŸndet sein
wird. [3] Der Gro§e aus Afrika [ist] in Schrecken [versetzt] und zittert. [4] [Das] DUUMVIRAT4) [wird] durch die Flotte5)
getrennt. 1) In der Utrechter Ausgabe von 1557 steht "contents", sonst
finden wir in allen Ausgaben von 1557 und 1568 "contens". Das
mittelfranzšsische "conten(t)s" kann als "die
Zufriedenen" oder "die Streitenden, die KŠmpfenden" verstanden
werden, vgl. dazu auch CLƒBERT, S. 594. 2) In den 1568ern von Arbau, Dresden, Paris und Gregorio ist hier zu
"Quand" korrigiert. "Quant" hie§e u. a. auch:
"betreffend, was ... angeht". 3) Hier ist wohl der Kriegsgott Mars bzw. der Krieg als solcher gemeint.
4) 1557 (Budapest/Moskau) hat hier "Duumuirat". Alle 1568er
schreiben "DVVMVIRAT". Im alten Rom war ein Duumvirat eine
Kommission oder ein Amt, das von zwei MŠnnern gleichzeitig besetzt wurde. Im
weiteren Sinne meint der Begriff auch ein "ZweimŠnnerbŸndnis".
5) Lat. "classis" (Flotte, Heer). In den 1568ern von Dresden,
Paris und Gregorio steht hier "chasse" (Jagd). |
Wenn der "grš§te Teil" (der LŠnder?) im Krieg stehen wird,
bilden die Franzosen und die arabischen Neopunier eine Allianz.
"Hannibal" gerŠt zunŠchst in die Defensive, doch die Neopunier
(7/39) kšnnen ihre Gegner, das ršmisch-deutsche Herrscherduo, mit
militŠrischer Gewalt trennen. In der dritten Zeile wird ein "Gro§er aus Afrika" erwŠhnt.
In den Zenturien taucht der Begriff "Afrika" vier Mal wšrtlich auf.
In 5/11, 5/23, 5/48 und 5/69. 5/11 und 5/69 gehšren zu Konflikten zwischen
der islamischen Welt und dem Abendland. Von einem "Gro§en"
afrikanischer Herkunft lesen wir dort allerdings nichts. 5/48 gehšrt
demgegenŸber zum Thema des neopunischen Angriffes auf den Westen. Und hier
finden wir einen passenden Gro§en - den neuen "Hannibal". Ich
vermute, dass dieser mit dem in 5/23/3 erwŠhnten bedeutenden (Nord-)
Afrikaner identisch ist. GemŠ§ Zeile drei wird also "Hannibal" vor Angst zittern. Das
deutet darauf hin, dass er sich in der Defensive befindet. Damit wŸrde die
Strophe zu 3/38 passen, wo wir erfahren, dass sowohl die Franzosen als auch
die neopunischen Araber in Italien Verluste erleiden werden. ZufŸgen werden
ihnen die Verluste dort zwei Herren, die in einem BŸndnis vereint sind. Von einem Duumvirat, einem ZweierbŸndnis, lesen wir auch in Zeile
5/23/4. Doch wieso bedient sich Nostradamus hier ausgerechnet eines Begriffes
aus dem ršmischen Staatswesen? Ist das vielleicht ein Hinweis auf das
ršmisch-deutsche Reich? Auf das "Duumvirat" von ršmisch-deutschem
Kaiser und ršmischem Kšnig, so wie es unser Seher in den Jahren 1531 bis 1558
gekannt hat (Karl V. und Ferdinand I.)? Von einer Zweierallianz ist ebenfalls in 5/23/1 die Rede. Bei den
beiden Partnern handelt es sich um zwei "Streitende". Somit ist es
aber mindestens fraglich, ob sie gegeneinander streiten. Vermutlich ist die
Stelle eher so zu verstehen, dass beide mit einer oder mehreren anderen
MŠchten "streiten". Ob die Allianz aus der ersten Zeile mit dem Duumvirat aus der vierten
Zeile identisch ist, lŠsst sich aus 5/23 allein nicht entscheiden. Wir
erfahren nur, dass der "grš§te Teil" (der LŠnder?) zu dieser Zeit
mit Mars im Bund sein wird (5/23/2). Das lie§e sich etwa so verstehen, dass
der "grš§te Teil" am Krieg beteiligt ist. Und klar ist auch, dass
das Duumvirat durch eine Streitmacht getrennt werden wird (Zeile vier). Sollte das Duumvirat (wie von mir angedacht) einem ršmisch-deutschen
Herrscherduo entsprechen, mŸsste die es trennende Streitmacht entweder
franzšsisch oder neopunisch-arabisch sein. Und das wŠre ein klarer Hinweis
darauf, dass der zitternde "Hannibal" vielleicht kurzfristig in der
Defensive aber noch lange nicht endgŸltig besiegt ist. Dazu passen wŸrde der neopunisch-arabische Vorsto§ nach Frankreich,
den wir in 7/39 finden. |
7/39 [1] Le conducteur de lÕarmŽe Franoise, [2] Cuidant1) perdre3) le principal phalange2):
[3] Par sus4) pauŽ5) de lÕauaigne6) &
dÕardoise7), [4] Soy parfondra10) par Gennes9) gent estrange8).
[1] Der AnfŸhrer der franzšsischen Armee [2] glaubt1), das Hauptheer2) zu ruinieren3). [3] Zudem4) [wird auf der] Stra§e5) des Rohres6)
und des Schiefers7) [4] [das] fremde Volk8) von Genua9) her eindringen10). 1) Oder auch: "versucht". 2) Eine Phalanx ist eine
Schlachtordnung, im Ÿbertragenen Sinne einfach ein Heer. Das griech.
"phalagx" bedeutet ursprŸnglich "Baumstamm, StŸck Holz, runder
Block" aber auch "Gelenk" und "Spinne". Das
mittelfranzšsische "principal" bedeutet zudem "fŸrstlich",
so dass hier auch von einem "fŸrstlichen Heer" gesprochen werden
kšnnte. 3) "Perdre"
bedeutet im Mittelfranzšsischen neben "verlieren" u. a. auch
"zerstšren, ruinieren". 4) Oder auch:
"Oberhalb von ..., Ÿber der ...", was aber nur beschrŠnkt Sinn macht. 5) "PauŽ"
bedeutet "gepflasterte Stra§e, šffentliche Stra§e, Stra§e".
"Paue" hie§e "er pflastert". 6) In der 1557er-Ausgabe
aus Budapest/Moskau steht hier fŠlschlicherweise "liuaigne". Das
mittelfranzšsische "auaigne" bedeutet "Hafer".
Nostradamus kšnnte aber eher an das lat. "avena" gedacht haben, das
neben "Hafer" auch "Halm, Rohr" bedeutet. Und dies wŠre
dann wohl als Anspielung auf den Ortsnamen Cannes zu verstehen, vgl.
"canne" (= Rohr, Schilf, Ried). In Frankreich gibt es drei Orte
dieses Namens: das bekannte Cannes an der šstlichen C™te dÕAzur,
Cannes-et-Clairan rund 50 km sŸdwestlich von Laudun-lÕArdoise (vgl. Anmerkung
7) und Cannes-ƒcluse, das etwa 70 km sŸdšstlich von Paris liegt. Cannes am
Mittelmeer ("La Canne") finden wir bei ESTIENNE auf S. 167 als Teil
des Weges von Avignon nach Antibes, wo sich der Weg nach Nizza anschlie§t
(Ebd., S. 168). 7) Mit diesem
"Schiefer" ist vielleicht der sŸdfranzšsische Ort LÕArdoise an der
Rhone gemeint (heute Laudun-lÕArdoise), etwa 20 km nordwestlich von Avignon.
Bei ESTIENNE finden wir allerdings auf S. 162 einmal Schiefer erwŠhnt, der
aus Ch‰teauroux-les-Alpes kommt. Ch‰teauroux-les-Alpes ist dabei Teil des in
den franzšsischen Westalpen gelegenen Weges Embrun - Saint-CrŽpin -
Ch‰teauroux-les-Alpes - Saint-ClŽment-sur-Durance - Brianon. 8) Mit dem "fremden
Volk" dŸrften Araber gemeint sein. Vgl. 5/74/3, wo das "fremde
arabische Volk" ("gent estrange Arabique") erwŠhnt wird. 9) In Frankreich gibt es
daneben noch eine Handvoll Orte namens Gennes, die aber allesamt nicht einmal
in der NŠhe der Provence (vgl. Laudun-lÕArdoise) liegen und somit hier wohl
eher ausscheiden. 10) In der
Budapester/Moskauer Ausgabe von 1557 steht hier "profondra", in der
Utrechter und allen 1568ern "parfondra". "(Soy)
profonder" hei§t "eindringen", was besser in den Kontext passt
(vgl. auch CLƒBERT, S. 824f.). Das mittelfranzšsische "parfondre"
bedeutet "(einen Graben) graben" oder "etwas vollstŠndig
schmelzen lassen". Sollte es hier tatsŠchlich "parfondra"
hei§en, kšnnte Nostradamus vielleicht gemeint haben, dass das "fremde
Volk" sich vollstŠndig "auflšsen", d. h. untergehen wird. |
Der Kommandierende der franzšsischen Armee glaubt, das Hauptheer zu
ruinieren. Die neopunischen Araber dringen von Genua her in die Provence ein.
In der vierten Zeile wird wieder das
"fremde Volk", die neopunischen Araber, erwŠhnt. In 3/38 haben die
Nordafrikaner und Franzosen in Italien noch Verluste erlitten. Doch jetzt
stš§t das "fremde Volk" westwŠrts Ÿber Genua nach Frankreich, in
die Provence vor. Dabei scheint es zunŠchst an der KŸste Ÿber Cannes und dann
im Landesinneren auf dem Weg Richtung Avignon (vor Laudun-LÕArdoise gelegen)
vorzusto§en. GemŠ§ ESTIENNEs ReisefŸhrer kšnnten die Stationen folgende sein:
(S. 168:) Nizza - Saint-Laurent-du-Var - Villeneuve-Loubet - Antibes - (S.
167:) - "Sainct Victor" - Cannes - Mandeleu-la-Napoule - FrŽjus -
Puget-sur-Argens - Le Muy (?) - Vidauban - Le Luc - "Briquelles" -
Saint-Maximin-la-Sainte-Baume - Trets - "Sainct Eloy de Crau" -
Tarascon - Avignon. Vgl. jedoch Anmerkung 7 zum Schiefer. In der ersten HŠlfte des Vierzeilers geht es
um den Kommandierenden der franzšsischen Armee. Er scheint zu glauben, den
Hauptharst eines Heeres zu ruinieren. Doch welchen Heeres? Seines eigenen
oder eines feindlichen? Und wer wŠren diese Feinde? In Italien waren die
Neopunier und die Franzosen noch VerbŸndete. Doch gilt das immer noch? In
2/54 ist von einem gespaltenen Frankreich die Rede. Falls diese Spaltung
einen Einfluss auf das VerhŠltnis zu den Neopuniern hat, kšnnten die
Franzosen und die Invasoren aus 7/39 sowohl VerbŸndete wie auch Gegner sein. |
1/20 [1] Tours, Orle‹s, Bloys, Angiers, Re”s, & n‹tes1) [2] CitŽs vexŽes2) par subit changement: [3] Par langues estr‹ges3) seront tendues tentes [4] Fluues, dardsRenes4), terre & mer trblemt. [1] Tours, OrlŽans, Blois, Angers, Reims und Nantes1) [2] [sind] StŠdte, [die] durch [die] plštzliche VerŠnderung in
Mitleidenschaft gezogen2) [werden]. [3] Vom fremden Volk3) werden Zelte aufgeschlagen werden. [4] FlŸsse, Sande4), Land und Meer: [ein] Erzittern! 1) Nantes liegt nahe der Loire-MŸndung. Folgt man dem Fluss landeinwŠrts
folgen Angers, Tour, Blois und OrlŽans, die ebenfalls nahe oder an der Loire
liegen. Nur Reims, die Kršnungsstadt der franzšsischen Kšnige, liegt im
Nordosten des Landes. 2) Oder u. a. auch:
"gequŠlt". 3) Das mittelfranzšsische
"langue" bedeutet neben "Zunge, Sprache" auch "Volk,
Nation". In allen Ausgaben von 1555 bis 1568 (bei Dresden nicht vorhanden)
steht hier der Plural, also "fremde Všlker". BRINDÕAMOUR, S. 75,
korrigiert aus reimtechnischen GrŸnden zu "langue estr‹ge" (fremdes
Volk). Inhaltlich wŸrde diese Korrektur passen, da wir das "fremde
Volk" aus einer Reihe anderer Vierzeiler kennen. Mit dem "fremden
Volk" dŸrften Araber gemeint sein. Vgl. 5/74/3, wo das "fremde
arabische Volk" ("gent estrange Arabique") erwŠhnt wird. 4) Die Stelle
"dardsRenes" (in allen vorliegenden 1555er- bis 1568er-Versionen
Šhnlich) lie§e sich in "dards" (Stacheln, kurze Speere) und
"Renes" (die Stadt Rennes) zerlegen. Das bretonische Rennes liegt
etwa 100 km nšrdlich von Nantes. BRINDÕAMOUR, S. 75, sieht hier einen
VerstŠndnisfehler beim Druck und korrigiert zu "dÕarenes". Das
mittelfranzšsische "arene" bedeutet "Sand", womit etwa
SandstrŠnde gemeint sein kšnnten. "Arenes" sind aber auch
(ršmische) Arenen. In der Provence, die die Neopunier durchqueren werden,
vgl. 7/39, finden wir solche antiken Bauwerke, sie ist also auch ein Land der
Arenen. Bei ESTIENNE lesen wir zu Nizza (S. 168) den Vermerk: "Port de
mer, uille antique,contŽ memorable des Arenes & Amphitheatre."
Zu Arles (S. 165): "Voy dans la uille dÕArles les arenes, qui est amphitheatre
antique: [...]". Zu N”mes (S. 171): "A Nymes uoy les Arenes dans la uille,
qui estoit un amphitheatre, [...]". |
StŠdte in der Loire-Region, die fŸr das Kšnigreich Frankreich wichtig
war, sowie die Kršnungsstadt Reims werden durch eine plštzliche VerŠnderung
in Mitleidenschaft gezogen. Die neopunischen Araber schlagen in der Provence
ihre Zelte auf, und das Land wird erbeben. In der dritten Zeile ist mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder vom
bekannten "fremden Volk", d. h. den neopunischen Arabern die Rede.
Wir erfahren, dass es Zelte aufschlagen wird. Die Araber waren, wie viele Všlker, ursprŸnglich Nomaden. Und in der
Vorstellungswelt des EuropŠers hat das Bild vom Araber im Beduinenzelt einen
festen Platz. Somit ist es durchaus denkbar, dass Nostradamus hier auch einen
stereotypen Hinweis auf die Herkunft des "fremden Volkes" hat
einflie§en lassen. Doch mit Blick auf die kriegerische Natur des "fremden
Volkes" sind wohl eher militŠrische Kommando- und Mannschaftszelte
gemeint. Dazu passen wŸrde die vierte Zeile, wo eine offensichtlich am Meer
liegende Region mit FlŸssen und SandflŠchen (oder Arenen) erzittern wird.
Allerdings wŠre es auch denkbar, dieses Erzittern wšrtlich zu verstehen und
als Erdbeben zu deuten, was dann wohl wiederum als Vorzeichen zu
interpretieren wŠre. Doch von welcher Gegend, welchem Land ist hier die Rede? Ich
vermute SŸdfrankreich gemeint,
in das die Neopunier gemŠ§ 7/39 eindringen werden. DafŸr spricht meines
Erachtens die mutma§liche ErwŠhnung ršmischer Arenen, von denen in der
kleinen Provence gleich drei erhalten sind (Nizza, Arles, N”mes). Im 16.
Jahrhundert waren diese Amphitheater allerdings durch spŠtere Bebauung usw.
weniger imposant anzusehen als heute. Zur franzšsischen Zuordnung wŸrde die erste HŠlfte der Strophe passen.
In den ersten beiden Zeilen ist von Frankreich, vom Loire-Gebiet von
Nantes bis OrlŽans sowie vom nordostfranzšsischen Reims die Rede. Beide RŠume
werden durch eine "plštzliche VerŠnderung" in Mitleidenschaft
gezogen werden. Um welche Art von "VerŠnderung" es sich dabei konkret
handelt, ist nicht ersichtlich. Interessant ist, dass wŠhrend des
HundertjŠhrigen Krieges gegen England, genauer ab 1422 bis zur RŸckverlegung
des kšniglichen Hofes nach Paris im Jahr 1528, die Loire-Region das
politische Zentrum Frankreichs war. Begonnen hatte diese Entwicklung mit Karl
VII., der in Bourges residierte. Reims seinerseits war die Kršnungsstadt der
franzšsischen Kšnige, wo sich Karl VII. auch 1429 kršnen lie§. Dass Nostradamus hier ausgerechnet das Loire-Tal und Reims fŸr diese
"plštzliche VerŠnderung" ausgesucht hat, kšnnte als Hinweis darauf
verstanden werden, dass es zu einem Wechsel auf dem Thron kommt. Und zwar zu
einer Zeit, in der Frankreich - wie im HundertjŠhrigen Krieg - in einem Krieg
und BŸrgerkrieg steckt. Dazu passen wŸrde 2/54/1, wo wie in 1/20/3
ebenfalls vom "fremden Volk" die Rede ist und wo beschrieben sein
kšnnte, dass Frankreich im Innern geteilt und deswegen machtlos ist. Doch
2/54 dŸrfte eine Spaltung meinen, die schon dann vorhanden ist, wenn die Neopunier
noch lange nicht daran denken, nach Frankreich zu marschieren. Vielleicht ist
jene Spaltung somit auch ein lŠnger andauernder Zustand. In 1/20 ist
demgegenŸber von einer plštzlichen VerŠnderung die Rede. Hier lohnt sich wohl
ein Blick auf 6/1, wo das "fremde Volk" einem "neuen"
Kšnig zu Hilfe eilt, der in der Defensive ist. Mit dem abrupten Wechsel in
1/20 kšnnte die Thronbesteigung dieses neuen Monarchen gemeint sein. Eines
Monarchen, der Unheil bringt, vgl. 1/20/2. |
6/1 [1] AVtour1) des monts Pyrenees gr‹s amas2) [2] De gent estr‹ge3), secourir roy nouueau: [3] Pres de Garonne du grand tẽple du Mas4), [4] Vn Romain chef5) le6) caindra7) dedans
lÕeau. [1] Bei1) den pyrenŠischen Bergen [wird die] gro§e Armee2) [2] des fremden Volkes3) [stehen,] um [dem] neuen Kšnig zu helfen. [3] Nahe der Garonne [und] des gro§en Tempels von Le Mas-dÕAgenais4) [4] wird ein ršmisches Oberhaupt5) ihn6) im Wasser
umzingeln7). 1) Oder: "um ... herum". 2) Oder auch: "Menschenmenge,
Versammlung von Menschen". 3) Mit dem "fremden
Volk" dŸrften Araber gemeint sein. Vgl. 5/74/3, wo das "fremde
arabische Volk" ("gent estrange Arabique") erwŠhnt wird. 4) Ort in SŸdwestfrankreich
an der Garonne, etwa 15 km sŸdšstlich von Marmande. Mit dem "gro§en
Tempel" mŸsste die Kirche Saint-Vincent gemeint sein, die in ihrer
jetzigen Form aus dem 11. Jahrhundert stammt. Diese Kirche trŠgt den Namen
des MŠrtyrers Vinzenz von Agen, der im 3. oder 4. Jahrhundert starb, nachdem
er einen heidnischen Sonnenkult gestšrt hatte. Seine Reliquien wurden bei
Castrum Pompeiacum aufbewahrt, was frŸher mit Le Mas-dÕAgenais identifiziert
wurde und diesen Ort zu einem Wallfahrtsziel machte. CLƒBERT, S. 679, schlŠgt
hier Le Mas-d'Azil, etwa 20 km westlich von Pamiers vor, das eine Hochburg
der Hugenotten war, aber nicht in der NŠhe der Garonne liegt. 5) Oder:
"AnfŸhrer". 6) Entweder
"ihn", den neuen Kšnig aus Zeile zwei oder "sie", die
Armee (un amas) des "fremden Volkes". 7) In den beiden Ausgaben
von 1557 steht hier "caindra", in jenen von 1568
"craindra". "Ceindra" hie§e "wird umgeben, wird
umzingeln", "craindra" hingegen "wird fŸrchten". |
Die gro§e Armee der neopunischen Araber wird in der NŠhe der PyrenŠen
stehen, um einem neuen franzšsischen Kšnig zu helfen. Der neue Kšnig wird bei
Le Mas-dÕAgenais von einem ršmischen-deutschen Machthaber eingekesselt sein. In der zweiten Zeile ist wieder vom
"fremden Volk", den neopunischen Arabern die Rede. Ihre gro§e Armee
wird nahe der PyrenŠen stehen (erste Zeile), um dem neuen Kšnig zu helfen. In 7/39 haben wir erfahren, dass das fremde
Volk von Italien kommend Ÿber Genua nach SŸdfrankreich vorsto§en wird. Die
Provence durchquerend (1/20) sind "Hannibals" Truppen somit offenbar
nach Aquitanien, ins nšrdliche PyrenŠenvorland gelangt. Die Neopunier wollen einem neuen Kšnig zu
Hilfe eilen. Da wir uns in Frankreich befinden, wŠre es naheliegend, hier an
einen franzšsischen Herrscher zu denken, doch scheidet etwa auch der Monarch des
nahen Spaniens nicht všllig aus. Da aber Franzosen und Neopunier eine Allianz
bilden (vgl. etwa 3/38 u. 5/23), ist hier wohl tatsŠchlich ein franzšsischer
Kšnig gemeint. Auch in der zweiten HŠlfte der Strophe ist von
SŸdwestfrankreich die Rede. Vom Gebiet nahe der Garonne und dem Ort Le
Mas-dÕAgenais (Zeile drei). Leider kann Zeile vier unterschiedlich
verstanden werden, schon aufgrund des Ÿberlieferten Textbestandes, vgl.
Anmerkung 7. So kšnnte auch Ÿbersetzt werden: "wird ein ršmisches
Oberhaupt [ihn/sie (vgl. Anmerkung 6)] im Wasser fŸrchten". Klar ist nur, dass es ein "ršmisches
Oberhaupt" geben wird. Doch wer kšnnte damit gemeint sein? Der Papst?
Dazu passen wŸrde, neben der ErwŠhnung der Kirche Saint-Vincent (vgl.
Anmerkung 4), das erwŠhnte Wasser, denn als Oberhaupt des Kirchenschiffes
hŠlt sich der Pontifex ja auf solchem auf. Sollte hier ein Papst gemeint sein, wŠre
anstelle von "caindra" wohl eher "craindra" zu lesen. Doch wie kŠme ein Kirchenoberhaupt in die
sŸdwestfranzšsische Provinz? WŠre er vielleicht auf der Flucht? Ich vermute, mit dem "ršmischen
Oberhaupt" ist vielmehr ein Herrscher des ršmisch-deutschen Reiches
gemeint, der u. a. Ÿber bedeutende militŠrische Machtmittel verfŸgt.
Machtmittel, mit denen auch ein anderer Kšnig umzingelt ("caindra")
und in eine derart schwierige Lage gebracht werden kann, dass dieser die
Hilfe des "fremden Volkes" benštigt. Zum "ršmischen"
Gegner der Araber vgl. 5/74 und 5/13. Doch was bedeutet der Hinweis, dass die
Umzingelung "im Wasser" stattfinden wird? Gibt es zeitgleich
†berschwemmungen? Oder ist hier vielleicht eines der astrologischen
Wasserzeichen gemeint? In diesem Fall kšnnte sich das Geschehen im Juni/Juli
(Krebs), Oktober/November (Skorpion) oder Februar/MŠrz (Fische) zutragen. |
8/10 [1] Puanteur1) grande sortira de Lausanne2), [2] QuÕon ne scaura lÕorigine du fait3), [3] Lon mettra hors toute la gent5) loingtaine4) [4] Feu veu au ciel6), peuple estranger7) deffait. [1] [Ein] gro§er Gestank1) wird aus Lausanne2)
aufsteigen, [2] so dass man den Ursprung der Sache3) nicht kennen wird. [3] Man wird das ganze weit entfernte4) Volk5)
vertreiben. [4] Feuer [wird] am Himmel6) gesehen [und das] fremde Volk7)
besiegt. 1) Wohl auch im Sinne von "etwas Ekelhaftes", vgl. lat.
"foetor" (Gestank, Ekelhaftigkeit). 2) Neben dem
schweizerischen Lausanne am Genfer See gŠbe es noch das franzšsische Lozanne
(gleiche Aussprache), 16 km nordwestlich von Lyon. Aber beide Ortsnamen
reimen sich nicht sonderlich gut auf "loingtaine". Lorraine
(Lothringen) wŸrde etwa besser passen. 3) Oder: "Tat,
Handlung". 4) Im Mittelfranzšsischen
kann "loingtain" u. a. auch die Bedeutung von "fremd,
fremdlŠndisch" annehmen, was mit Blick auf die vierte Zeile hier wohl
gemeint sein dŸrfte. Die gleiche Formulierung findet sich auch in 2/54/1: "Par gent
estr‹ge, & de Romains loingtaine". 5) Auch im Sinne von
"Kriegsvolk, Truppen". 6) Feuer oder feurige
Erscheinungen am Himmel gehšren zum klassischen Vorzeichenrepertoire. So
finden wir auch bei Julius OBSEQUENS etliches Feuer am Himmel. Etwa in den
Kapiteln 3 oder 11, wobei in letzterem eine "brennende Fackel"
gesehen wird. Solche Fackeln finden wir auch in den Kapiteln 12, 24, 45, 51,
53, 68 und 71. In Kapitel 52 treffen wir auf eine Flamme aus dem Himmel, wŠhrenddem
in 54 von einem Feuerball die Rede ist. Der Himmel brennt zudem in 14, 20 und
51. Mit dem "Feuer am Himmel" kšnnte Nostradamus aber auch an den
astrologischen Bereich gedacht haben. In der Astrologie wird das Feuer der
Sonne und dem Mars sowie den Sternzeichen Widder, Lšwe und SchŸtze
zugeordnet. Hier kšnnte unser Seher also beispielsweise meinen, dass Krieg
herrscht (bzw. Mars zu sehen ist) oder dass das "fremde Volk" zur
Zeit des Widders (MŠrz/April), des Lšwen (Juli/August) oder des SchŸtzen (November/Dezember)
besiegt sein wird. 7) Mit dem "fremden
Volk" dŸrften Araber gemeint sein. Vgl. 5/74/3, wo das "fremde
arabische Volk" ("gent estrange Arabique") erwŠhnt wird. "Peuple
estranger" entspricht dabei "gent estrange". |
Die neopunischen Araber sind besiegt und werden vertrieben. In
Lausanne geschieht etwas Ekelhaftes, das den Ursprung einer Sache
verschleiert. Im zweiten Teil des Vierzeilers tauchen wieder
die neopunischen Araber, das "fremde Volk" auf, vgl. Anmerkungen 4
und 7. Laut Zeile vier wird es besiegt sein. †ber den Sieger erfahren wir in
dieser Strophe nichts. Doch mit Blick auf 5/13 und 5/74 dŸrfte es vom dort
erwŠhnten Bourbonenspross auf dem ršmisch-deutschen Herrscherthron geschlagen
werden. GemŠ§ dritter Zeile wird man es (aus Europa)
vertreiben. Eine inhaltliche Parallele zu 5/13/3 (Libyer) und 5/74/3 (fremdes
arabisches Volk). Zu diesem Zeitpunkt wird man am Himmel
"Feuer" erblicken (Zeile vier), was hier vielleicht als Zeitangabe
zu verstehen ist, vgl. dazu Anmerkung 6. Dann, wenn die besiegten Neopunier vertrieben
werden, wird im schweizerischen Lausanne (vgl. Anmerkung 2) etwas Ekelhaftes
passieren, dessen Auswirkungen ("Gestank") den Ursprung einer Sache
oder einer Tat verschleiern werden. Die Zeilen eins und zwei verbinden diese
Strophe mit 6/90. |
6/90 [1] LÕhonnissement puant abhominable [2] Apres le faict1) sera felicitŽ2), [3] Grand excusŽ, pour nÔestre fauorable3), [4] QuÕˆ paix Neptune4) ne sera incitŽ5). [1] Die Schande stinkt [zum Himmel und ist] abscheulich. [2] Danach wird die Sache1) als segensreich betrachtet werden2). [3] [Dem] Gro§en [wird] verziehen [werden], nicht dazu geneigt3)
zu sein, [4] dass Neptun4) nicht zum Frieden gedrŠngt5) werden
wird. 1) Oder: "Tat, Handlung". 2) Das mittelfranzšsische
"fŽliciter" bedeutet "glŸcklich machen" und
"glŸcklich sein". Hier kšnnte unser Seher aber zudem die
lateinische Wurzel dieses Verbs ("felix") im Auge gehabt haben. Das
lat. "felix" bedeutet neben "glŸcklich" u. a. auch
"glŸckbringend, gesegnet". Mit der "glŸcklich gemachten
Sache" kšnnte also eine Sache gemeint sein, die im Nachhinein als
Segnung aufgefasst werden wird, obwohl sie dies zunŠchst gar nicht ist oder
nicht als solche wahrgenommen wird. Die Lesart "Nach der Tat wird
[er/man] beglŸckwŸnscht [werden]", vgl. auch CLƒBERT, S. 773, scheint zu
modern zu sein (vgl. DUBOIS/MITTERAND/DAUZAT, S. 294.) 3) Oder auch: "kein
BefŸrworter zu sein", wenn man "fauorable" als Substantiv
auffasst. 4) Neptun (griech. Poseidon)
war der Gott des Meeres und wird wšrtlich in den Strophen 1/77, 2/59, 2/78,
3/1, 4/33 und 6/90 erwŠhnt, vgl. 5.50. Er beherrschte den weltumspannenden
Ozean, den er mit seinem Dreizack aufrŸhrte und Ÿber den seine Rosse jagten.
Sein Palast stand in den Tiefen der €gŠis. Er war ein Sohn des Saturn und
Bruder des Jupiter. Das Pferd war ihm heilig. In diesem Zusammenhang
interessant ist die Verwendung des Begriffes "honnissement" in
6/90/1: Das mittelfranzšsische "hennissement" bedeutet nŠmlich "das Wiehern".
BRINDÕAMOUR, S. 273-280, sieht hier, mit Blick auf 2/59, den Baron de
la Garde Antoine Escalin des Aimars, genannt Polin (1498?-1578) gemeint.
Polin, den Nostradamus 1557 auch tatsŠchlich in einem Atemzug mit Neptun
genannt hat (BRIND, AMOUR, S. 277), war u. a. franzšsischer Befehlshaber zur
See und Botschafter in Konstantinopel. Allerdings gŠbe es im 16. Jh. auch
noch andere Kommandanten, die Nostradamus im Sinn gehabt haben kšnnte.
CLƒBERT, S. 290, verweist hier etwa auf den Genueser Andrea Doria
(1466-1560). 5) Oder auch: "bewegt,
angeregt". |
Die Sache, deren Ursprung vom Ekelhaften aus Lausanne verschleiert
werden wird, wird als segensreich betrachtet werden. Einem Gro§en wird
verziehen werden, dass er sich nicht darum bemŸht, dass "Neptun"
weiterhin auf dem Kriegspfad bleibt. Zeilen eins und zwei knŸpfen an die erste
HŠlfte der Strophe 8/10 an. Die abscheuliche und zum Himmel stinkende Schande
entspricht dabei dem aus Lausanne aufsteigenden "Gestank". Leider
erfahren wir aber auch hier nicht, was damit konkret gemeint sein kšnnte. Dank dieses "Gestankes" wird nachher eine Sache oder Tat als
segensreich gewertet werden. Dies, weil der "Ÿble Geruch" deren
Ursprung verschleiert, vgl. 8/10/2. Der "Gestank"
kšnnte vielleicht mit "Neptun" zu tun haben, der in 6/90/4 erwŠhnt
wird (vgl. Anmerkung 4, genauer das Wortpaar "honissement" -
"henissement"). In der zweiten HŠlfte der Strophe 6/90 geht es
um "Neptun", der auch in anderen Vierzeilern auftaucht (vgl.
Anmerkung 4). Zudem wird ein "Gro§er" erwŠhnt, dem verziehen werden
wird. Es scheint darum zu gehen, dass es eine Partei oder Allianz geben wird,
die nicht will, dass "Neptun" Frieden schlie§t. Eine Partei oder
Allianz, die vielleicht auf Friedensverhandlungen den ršmischen Meeresgott dazu
drŠngen wird, den Krieg fortzufŸhren. Und vom "Gro§en" der dritten
Zeile erwartet diese Partei, dass er sich ihr diesbezŸglich anschlie§t, was
der "Gro§e" aber nicht tut. Dieses Fernbleiben wird dem
"Gro§en" jedoch verziehen werden. Sind mit den ekelhaften VorgŠngen in Lausanne
vielleicht Friedensverhandlungen mit "Neptun" gemeint, bei denen
Ÿble Machenschaften im Gange sein werden? |
1/98 [1] Le chef quÕaura conduit peuple1) infini [2] Loing de son ciel, de meurs2) & l‹gue estrange3):
[3] Cinq mil en Crete & Thessale4) fini,5) [4] Le chef fuiant sauuŽ en marine grange7). [1] Das Oberhaupt, das unendliches Kriegsvolk1) angefŸhrt haben
wird, [2] [wird] weit [weg] von seinem Himmel, von [seinen] GebrŠuchen2)
und [seinem] fremden Volk [sein]3). [3] 5000 [sind] auf Kreta, und Thessalien4) [ist] erledigt.5) [4] Das fliehende Oberhaupt [wird] in [einer]6) Meeresscheune7)
gerettet [werden]. 1) Auch im Sinne von "Kriegsvolk, Armee". 2) Mit Blick auf das
griech. "ethos" vielleicht auch "Heimat". 3) Oder auch nur: "É
[dem] fremden Volk". Das mittelfranzšsische "langue" bedeutet
neben "Zunge, Sprache" auch "Volk, Nation". 4) Gebiet im nšrdlichen
Griechenland. Thessalien ist im Franzšsischen weiblich
("Thessalie"), "Thessale" hier aber mŠnnlich. Somit wŠre
es etwa auch denkbar, dass in 1/98/3 ein Mann aus Thessalien (vielleicht ein
Machthaber oder Feldherr) gemeint ist. Aus Thessalien stammten etwa Achilles
(Pelion) und Iason (Iolkos). In den beiden 1557er- und allen 1568er-Ausgaben
steht Ÿbrigens "Thessalie". 5) Oder: "5000 auf
Kreta und [in] Thessalien [sind] tot", wobei es dann "finis"
statt "fini" hei§en mŸsste. 6) Die 1568er-Ausgaben von
Paris, Dresden und Gregorio fŸgen zwischen "en" und
"marine" ein "la" (die) ein. 7) Unklar, was hier gemeint
ist. Eine "Meeresscheune" kšnnte z. B. ein Lastschiff sein. Eine
andere Mšglichkeit wŠre, dass hier nicht "grange" sondern
"range" bzw. "renge" (Reihe, Linie, Schlachtordnung)
stehen sollte. Dann wŠre wohl einfach eine Flotte, ein "Meeresheer"
gemeint (vgl. lat. "acies" und griech. "taxis"). Oder die
Stelle ist so zu verstehen, dass das fliehende Oberhaupt sich in einer
Lagerhalle am Meer, vielleicht in einem Hafen, vor seinen Verfolgern
verstecken kann. |
"Hannibal", das Oberhaupt der neopunischen Araber, ist weit
von seiner Heimat entfernt. Auf Kreta sind 5000, und Thessalien ist gefallen.
"Hannibal" muss fliehen und wird in einer "Meeresscheune"
gerettet. In der ersten Zeile ist von einem Oberhaupt
oder AnfŸhrer die Rede, der "unendliches Kriegsvolk" (vgl. 2/94/3)
angefŸhrt haben wird. In der zweiten Zeile erfahren wir, dass dieses
Oberhaupt weit von seiner Heimat ("Himmel", "GebrŠuche")
und seinem "fremden Volk" weg sein wird, vgl. Anmerkung 3. Es
dŸrfte also wohl so sein, dass das "unendliche Volk" oder
"Kriegsvolk" (vgl. Anmerkung 1) mit dem "fremden Volk"
identisch ist bzw. zu letzterem gehšrt. In 5/74/3 ist vom "fremden
arabischen Volk" ("gent estrange Arabique") die Rede, es besteht also
eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit, dass hier ebenfalls (neopunische)
Araber gemeint sind. Das Oberhaupt der ersten Zeile dŸrfte mit dem
neuen "Hannibal" identisch sein, den wir bereits kennen. Sein
historisches Vorbild wurde 195 v. Chr. von innenpolitischen Gegnern aus Karthago
ins Exil getrieben. Im šstlichen Mittelmeerraum war er u. a. als Feldherr fŸr
den Seleukidenherrscher Antiochos III. tŠtig, der mit Rom um die Herrschaft
in Griechenland focht. Nach AntiochosÕ Niederlage musste Hannibal fliehen,
hielt sich in verschiedenen hellenistischen Staaten der Region auf und beging
183 v. Chr. Selbstmord, um der Auslieferung an die Ršmer zu entgehen. In 1/98/3 erfahren wir, dass auf Kreta
"5000" - wohl: Mann - stehen und Thessalien besiegt oder gefallen
sein wird. Vgl. allerdings Anmerkung 5. Die vierte Zeile spricht erneut von
einem Oberhaupt, wahrscheinlich vom selben wie die ersten beiden Zeilen. Wir
erfahren nun wohl, weshalb Nostradamus eingangs das Futurum II verwendet hat.
Das Oberhaupt hat seine Funktion als AnfŸhrer des "unendlichen
Volkes" verloren oder aufgegeben und muss fliehen. Doch wieso, von wo
und wohin? Hat es vielleicht den Kampf um Thessalien verloren? Flieht es nach
Kreta, wo vielleicht noch eine kleine Garnison seiner Truppen steht? Anders als der historische Hannibal, wird der
neue "Hannibal" hier in einer "Meeresscheune" gerettet
und scheint - wenigstens vorerst - keinen Selbstmord zu begehen. |
2/55 [1] Dans le conflit le grand qui peu valloyt1), [2] A son dernier fera cas3) merueilleux2): [3] Pendant quÕHadrie4) verra ce quÕil falloyt5), [4] Dans le banquet7) pongnale6) lÕorguilleux8).
[1] Im Konflikt [wird] der Gro§e, der wenig taugte1), [2] zu seinem Ende eine erstaunliche2) Sache3) machen. [3] WŠhrend "Hadrie"4) sehen wird, was nštig war5), [4]
erdolcht6) [man] auf dem Bankett7) den KŸhnen8). 1) Oder: "wenig wert war". 2) Im guten wie im schlechten Sinne. "Merveilleux" kann im
Mittelfranzšsischen neben "wunderbar" auch etwa
"unheilvoll" bedeuten. 3) "Sache" im weitesten Sinne. Etwa auch: "Schlag,
Verbrechen". 4) "Hadrie" taucht wšrtlich in 1/8/4, 1/9/2, 3/11/4 und
10/38/3 auf. Unklar ist, ob der Begriff fŸr eine Person oder fŸr eine Macht,
einen Staat steht. GemŠ§ 1/8/4 ist "Hadrie" wohl weiblichen
Geschlechts, was meines Erachtens die Wahrscheinlichkeit fŸr eine
Identifikation mit einer Macht erhšht. 3/11/4 spricht gar von
"Hadries" Herrscher. Doch wo wŠre ein solcher Staat zu finden?
Nicht unwahrscheinlich ist BRINDÕAMOURs Idee (S. 57), hier Venedig, die gro§e
Adria-Macht zur Zeit des Nostradamus zu vermuten. In Italien finden wir aber
zwei weitere StŠdte, die sprachlich gut zu "Hadrie" passen wŸrden.
Zum einen die Stadt Adria (lat. "Hatria") in Venetien und das
heutige Atri (lat. u. a. "Hadria/Hatria") nahe der zentralen
italienischen AdriakŸste. Das venetische Adria war in der Antike wesentlich
bedeutender als heute. So grŸndete etwa der syrakusische Tyrann Dionysios I.
(405-367 v. Chr.) im etruskischen Adria eine Kolonie, um so seine Stellung im
Adriatischen Meer zu stŠrken. Dionysios I. war ein Gegner Karthagos, gegen
das er vier verlustreiche Kriege fŸhrte. Eine
andere interessante Spur fŸhrt uns ins Mittelalter, zum real nicht existiert
habenden Kšnigreich Adria. Dieses Kšnigreich wurde am 17.04.1379 von Gegenpapst
Clemens VII. (1378-1394) dem Bruder des franzšsischen Kšnigs versprochen,
wenn er helfen wŸrde, den rechtmŠ§igen Papst Urban VI. (1378-1389)
militŠrisch aus Rom zu vertreiben. Doch die Truppen von Clemens VII.
unterlagen wenige Tage spŠter, am 30.04.1379, jenen Urbans VI. bei Marino
(Latium), was schlie§lich dazu fŸhrte, dass Clemens VII. Italien verlassen
musste und sich in Avignon niederlie§. Ein Ereignis, das zum Gro§en
AbendlŠndischen Schisma (bis 1417) fŸhrte. Das so verhinderte Kšnigreich Adria,
dessen Herrscher Ludwig I. von Anjou (der Bruder des franzšsischen Kšnigs
Karls V.) gewesen wŠre, hŠtte gro§e Gebiete im nordšstlichen Italien umfasst:
so etwa die Marken von Ancona, die Romagna, das Herzogtum Spoleto, Massa,
Trabaria sowie die StŠdte und Gebiete von Bologna, Ferrara (ca. 45 km
sŸdwestlich von Adria), Ravenna, Perugia und Todi. Nostradamus kšnnte bei
"Hadrie" also an einen - dieses Mal existierenden -
nordostitalienischen Staat gedacht haben, der eng mit einem neuen "Clemens
VII." verbŸndet ist. "Hadries" Herrscher (3/11/4) wŠre
demzufolge ein neuer "Ludwig I. von Anjou". Dessen historisches
Vorbild (1339-1384) war als Feldherr im HundertjŠhrigen Krieg aktiv.
1380-1382 regierte er zusammen mit seinen beiden BrŸdern anstelle Kšnig Karls
VI. Frankreich. 1382 bis zu seinem Tod war Ludwig Graf der Provence sowie
Titularkšnig von Neapel und Jerusalem. Nachdem ihn Clemens VII. in Avignon
zum Kšnig von Neapel gekršnt hatte, zog Ludwig mit einem Heer nach Italien
Richtung Neapel, verstarb aber 1384 in Bari an einer Epidemie. Am
mittelitalienischen Atri ist dagegen v. a. der Umstand interessant, dass die
Familie des ršmischen Kaisers Hadrian ursprŸnglich aus diesem Ort stammte.
Publius Aelius Hadrianus (117-138) verzichtete auf die zuvor von Trajan
eroberten Gebiete im Nahen Osten und schloss mit den Parthern einen Frieden
ab. Er schlug den jŸdischen Aufstand unter Bar Kochba (132-135) blutig
nieder, zerstšrte Jerusalem endgŸltig und vertrieb die Juden aus JudŠa. Oder
Nostradamus hat vielmehr an einen der sechs PŠpste dieses Namens gedacht: Der
Ršmer Hadrian I. (772-795) rief Karl den Gro§en gegen die Langobarden zu
Hilfe. Hadrian II. (867-872) stammte aus dem Geschlecht der Colonna. Ebenso
Hadrian III. (884-885). Hadrian IV. (1154-1159) war der bisher einzige
EnglŠnder auf dem Stuhl Petri. WŠhrend seines Pontifikats begann der Konflikt
zwischen den Staufern (Friedrich I. Barbarossa) und der Kurie. Allerdings
erst nachdem beide die Kommune von Rom des HŠretikers Arnold von Brescia
besiegt und so das Papsttum in seiner damaligen Form gerettet hatten. Hadrian
V. war 1276 nur 38 Tage Pontifex. Der NiederlŠnder Hadrian VI. war von
1522-1523 Papst. Was ihn als mšgliches Vorbild interessant macht, ist v. a.
der Vormarsch der Osmanen zu seiner Zeit. Diese eroberten 1522/23 Rhodos und
vertrieben den Ritterorden der Johanniter von der Insel. Diese verlagerten
ihren Hauptsitz zunŠchst nach Kreta und 1530 schlie§lich nach Malta. 5) Oder vielleicht: "was zu Ende ging, was verschwand, was fehlte,
was misslang" ("failloyt" statt "falloyt"). 6) Ein "po(i)ngnale" ist ein Dolch, vgl. BRINDÕAMOUR, S. 269
und CLƒBERT, S. 284. Der Begriff wird hier offenbar als Verbform verwendet
("pongnaler" = erdolchen). Da allerdings nicht ersichtlich ist,
welches das Subjekt ist, kšnnte die Zeile auch so verstanden werden, dass der
"KŸhne" jemanden erdolcht. 7) Oder auch: "Sitzbank, Ladentisch, Handelskontor,
HŠndlerwaage". 8) Auch: "Furchtlose; Stolze; Reiche, PrŠchtige". |
Ein neuer "Belschazzar" (ein Nachfolger des neopunischen
"Nebukadnedzars") tut gegen Ende eines Konflikts etwas Gewagtes.
Seine Gegnerin "Hadrie" sieht die Notwendigkeit einer Sache ein.
"Belschazzar" wird ermordet. In der dritten Zeile wird wieder "Hadrie" erwŠhnt, was die
Strophe dem Thema des neopunischen Angriffes auf Europa zuordnen dŸrfte. Das
neopunische Heidentum wird dabei von einem neuen "Nebukadnezar" in
Mesopotamien begrŸndet werden, vgl. 2/30. Dies verweist uns auf die Bibel,
genauer auf das alttestamentarische Buch Daniel. Und bei Daniel finden wir
auch eine Vorlage, zu der Strophe 2/55 recht gut passt. Es handelt sich dabei
um das Gastmahl des Belschazzar (Belsazzar), das in Daniel 5,1-6,1
geschildert wird. Belschazzar war ein Nachkomme (biblisch: "Sohn")
Nebukadnezars II. und beherrschte von 552-543 v. Chr. Babylon als Regent. Er
war der biologische Sohn Nabonids, des letzten Kšnigs des Neubabylonischen
Reiches (555-539 v. Chr.). GemŠ§ Daniel wurde Belschazzar bei oder nach einem
gro§en Festmahl ermordet: Laut Daniel gab Belschazzar ein gro§es Gelage fŸr die fŸhrenden Kšpfe
seines Reiches. Aus einer Weinlaune heraus lie§ er dabei die goldenen und
silbernen GefŠ§e bringen, die Nebukadnezar aus dem Tempel in Jerusalem
geraubt hatte, und verwendete sie als TrinkgefŠ§e. Zugleich wurde den
heidnischen Gštzen Babylons gehuldigt. Da erschien eine geisterhafte Hand und
schrieb etwas an eine wei§ getŸnchte Wand des Palastes. Niemand konnte die
Schrift deuten, auch Belschazzars Wahrsager und Ratgeber nicht. Da lie§ er
Daniel kommen, der als einziger den Text zu lesen verstand. Daniel sagte,
Gott habe die geisterhafte Hand geschickt und diese Schrift schreiben lassen.
Der Text laute "mene mene tekel u-parsin". "Mene" bedeute
gezŠhlt, "tekel" gewogen und peres "geteilt". Und der
Sinn der Worte sei: Gott habe die Tage von Belschazzars Herrschaft gezŠhlt
und wŸrde sie jetzt beenden. Belschazzar sei auf der Waage gewogen und fŸr zu
leicht befunden worden. Und sein Reich wŸrde geteilt werden - zwischen Medern
und Persern. Trotz dieser dŸsteren Auslegung belohnte Belschazzar Daniel
reich und erhob ihn zum dritten Mann im Staat. Allerdings wurde Belschazzar
noch "in derselben Nacht" getštet. Von einem Mord in Zusammenhang mit einem Bankett lesen wir bei
Nostradamus in 2/55/4. Dort wird ein "KŸhner" erdolcht. Dieser neue
"Belschazzar" kšnnte ein Sohn oder Nachfolger des neuen
"Nebukadnezar" als Herrscher im nahšstlichen Babylon (Irak) sein.
Der biblische Belschazzar kann wegen des Missbrauchs der TempelgefŠ§e aus
Jerusalem als "kŸhn" bezeichnet werden. Doch was tut wohl sein
nostradamisches Pendant, um diese Qualifizierung zu verdienen? Wie im biblischen Bericht erfahren wir auch hier nicht, wer den Mord
begeht. Doch in den ersten beiden Zeilen sind einige vage Informationen zum
neuen "Belschazzar" enthalten. Der "Gro§e, der wenig taugte" dŸrfte wieder der neue
"Belschazzar" sein. Hier wird wahrscheinlich auf das biblische
"Tekel: Gewogen [...] und zu leicht befunden" (Daniel 5,27)
angespielt, vgl. dazu auch Anmerkung 1. Wir erfahren weiter, dass dieser
Akteur ("Gro§er") am Ende der Auseinandersetzung etwas
Erstaunliches tun wird. Doch was? Kšnnte diese erstaunliche Tat der Grund fŸr
seine Ermordung sein? "ErkŸhnt" sich (vgl. oben) der neue
"Belschazzar" vielleicht, Frieden zu schlie§en, was einigen Leuten
in seiner Umgebung nicht passt und die ihn daraufhin aus Rache ermorden? Hat
er sich zudem vielleicht wŠhrend des Konflikts als untauglicher AnfŸhrer
erwiesen? Noch etwas unklar ist Zeile drei. Die "Hadrie" dŸrfte dem
neuen "Belschazzar" feindliche gesinnt sein, genau wie seinem
VorlŠufer "Nebukadnezar". Laut Nostradamus wird sie
"sehen" (d. h. wohl begreifen), was nštig sein wird. Und zwar dann,
wenn "Belschazzar" ermordet wird. Soll das bedeuten, dass
"Hadrie" als Auftraggeberin hinter dem Anschlag steht? Oder ist es
vielleicht genau anders herum: "Hadrie" schlie§t mit
"Belschazzar" Frieden, weil sie sieht, das es dazu keine
Alternative gibt? Dann wŠre die Ermordung des "Belschazzar" ein
Mittel, diesen Frieden zu verhindern, vgl. oben. |
2/60 [1] La foy Punicque1) en Orient2) rompue [2] Gang.4) Iud.3) & Rosne, Loyre, & Tag5)
changeront,6) [3] Quand du mulet7) la faim sera repue, [4] Classe8) espargie9), sang & corps nageront. [1] Der punische1) Glaube [wird] im Orient2) besiegt, [2] [wenn sich der] ind[ische]3) Gang[es]4) und Rhone,
Loire und Tajo5) verŠndern werden.6) [3] Wenn der Hunger des Maultiers7) gestillt sein wird, [4] [wird] die Flotte8) zersprengt9) [sein], Blut und
Kšrper werden [im Wasser] schwimmen. 1) Der Begriff "punisch" taucht wšrtlich in 1/9/1, 2/60/1,
2/78/2 und 2/81/3 auf. 8/27/3 kšnnte vielleicht von einem Phšnizier sprechen.
Die semitischen Phšnizier (in Nordafrika Punier genannt) stammten aus dem
Nahen Osten, von der libanesisch-syrischen KŸste. Sie grŸndeten etliche
Kolonien, so u. a. auch Karthago beim heutigen Tunis. Sie verehrten
Gottheiten wie Baal, Eschmun, Astarte oder Melkart. Auch Menschenopfer
gehšrten zu ihrer Religion. Der bekannteste Punier ist zweifelsohne Hannibal,
auf den bei Nostradamus die Strophen 2/30 und 3/93 (5.23) verweisen. 2) Oder einfach: "im Osten". 3) Analog zu den vier Exemplaren von 1555 und 1557 ("Iud.")
schreiben die 1568er-Ausgaben
aus Mejanes und Perugia "Jud." GemŠ§ Vorlage (vgl. Anmerkung
6) mŸsste hier aber wohl "Ind." und somit "Ganges Indien"
(indischer Ganges) gemeint sein. Bei "Iud./Jud." hŠtten wir
wahrscheinlich "Iudaea/JudŽe" (JudŠa, Israel/PalŠstina) vor uns. In
Frankreich gŠbe es allerdings noch den Fluss Indre, der im Zentralmassiv entspringt
und westlich von Tours in die Loire mŸndet. Zudem existiert noch ein
gleichnamiger Ort 8 km westlich von Nantes. 4) Die vier Ausgaben von 1555 und 1557 haben hier "Gang.",
alle 1568er zeigen demgegenŸber "Grand". Das wohl richtigere
"Gang." mŸsste gemŠ§ Vorlage den indischen Ganges meinen, vgl.
Anmerkung 6. In Frankreich gŠbe es alternativ dazu aber noch den Ort Ganges
am Fluss HŽrault, etwa 50 km nordwestlich von Montpellier. 5) "Tagus" ist der lat. Name fŸr den Tajo, der im
nordšstlichen Zentralspanien entspringt und bei Lissabon als Tejo in den
Atlantik mŸndet. 6) Die Vorlage fŸr diese Zeile stammt aus APIANUS/AMANTIUS, 1534, S.
II., vgl. DE LUCA. Wir lesen dort folgenden Orakelspruch, der auf einem 1505
am portugiesischen Cabo de Roca ausgegrabenen ršmischen Steinblock gestanden
haben soll: SIBILL.a)
VATICINIUM OCCIDIISb) DECRETVM. VOLVENTUR
SAXAc) LITERISd) ET ORDINE RECTIS CVM VIDEAS
OCCIDENS ORIENTISf) OPESe). GANGES
INDVSg) TAGVSh) ERIT MIRABILE VISV MERCES COMMVTABIT
SVAS VTERQ.i) SIBI. SOLI
AETERNO AC LVNAE DECRETVM. Eine
sibyllinischea) Weissagung, bestimmt fŸr die Leute des Westensb). Es stŸrzen
Steinblšckec) mit ordentlichen und geraden Inschriftend), wenn du,
Westen, die ReichtŸmere) des Orientsf) siehst. Der
indischeg) Ganges und der Tajoh) - das wird wunderbar anzusehen
sein -, jeder von
beideni) wird fŸr sich seine Waren austauschen. Der ewigen
Sonne und dem Mond bestimmt. a) Lies: "sibyllinum". Mšglich wŠre auch "Sibyllae"
(der Sibylle). b) Nach DE LUCA wahrscheinlich als "occiduis" (den Westlichen)
zu lesen. c) Neben "Fels, Stein" bedeutet "saxum" u. a. auch
"(Marmor-) Steinblock, Steinmauer". d) Lies: "litteris" (u. a. mit Buchstaben, Schriften,
Wissenschaften). e) Oder: "StreitkrŠfte". f) Oder: "Osten". g) Die Stelle aufzŠhlend als "Ganges, Indus" zu lesen wŸrde
wegen "uterque" bedingen, die beiden Stršme gemeinsam als Synonym
fŸr den Orient und den Tagus als Synonym fŸr den Westen zu verstehen. h) Lat. "Tagus" meint den Tajo (span.) bzw. den Tejo
(portug.), der im nordšstlichen Zentralspanien entspringt und nahe Lissabon
in den Atlantik mŸndet. i) Lies: "uterque" (jeder von beiden). Nostradamus greift in seinen Prophezeiungen in Prosaform (1554)
bereits auf diese Quelle zurŸck. Er schreibt dort: "Grand merveille que
Ganges, Indus & Tagus changeront leurs marchandises" (zitiert nach
CLƒBERT, S. 291f.). Der Orakelspruch findet auch in einem lat. Vierzeiler auf
S. 6 der von Nostradamus drei Jahre spŠter (1557) veršffentlichen
"Paraphrase de C. Galen" ihren Widerhall, vgl. BRINDÕAMOUR, S. 281
und 277. Unser Seher kopiert dort die vier zentralen Zeilen und ersetzt nur
"mirabile" (wunderbar) durch "mutabile" (wandelbar,
verŠnderlich, launisch). 7) Der Begriff "mulet" (Maultier) taucht auch in 6/36/4 auf.
Im Mittelfranzšsischen kann mit einem Maultier das Produkt eines
Pferdehengstes mit einer Eselin (lat. "hinnus") oder eines Esels
mit einer Pferdestute (lat. "mulus") gemeint sein. CLƒBERT, S. 292,
verweist das Maultier betreffend auf eine Prophezeiung des Orakels von
Delphi, gerichtet an den lydischen Kšnig Kršsus (ca. 590-541 v. Chr.). Wir
finden diese Vorhersage bei HERODOT, Historien 1,55. Dort wird Kršsus geraten,
dass wenn ein Maultier Kšnig der Meder sein wird, er beim Fluss Hermos (heute
der tŸrkische Gediz) die Flucht ergreifen soll. HERODOT verwendet dabei den
Begriff "hemionos", was Maulesel bzw. wšrtlich "Halbesel"
bedeutet. Bei HERODOT ist damit der Perserkšnig Kyros II. gemeint, der einen
persischen Vater und eine medische Mutter gehabt hat, also ein
"Hybrid" war. Bei Nostradamus steht der Esel wohl fŸr einen Araber,
vgl. 5.8: 9/60/3, Anmerk. 5 und 10/31/3, Anmerk. 5. Beim "Maultier"
aus 2/60/3 kšnnte es sich somit um eine Person handeln, die zur HŠlfte
arabischer Abstammung ist. 8) Lat. "classis" (Flotte, Heer). 9) "Espargir" ist wohl als Nebenform von "spargir"
(u. a. verstreuen) zu verstehen, vgl. lat. "spargere".
Mšglicherweise unter Einfluss des lat. "expergere" (u. a.
zersprengen, zerstreuen). |
Nach "Belschazzars" Tod wird das neopunische Babylon
endgŸltig besiegt werden. Zu dieser Zeit werden sich FlŸsse in Frankreich,
Iberien und vielleicht sogar Indien verŠndern. Besiegt werden die Neopunier
im Orient von einem gro§en Herrscher wie Kyros II., der vielleicht arabischer
Herkunft ist. In der ersten Zeile ist vom "punischen Glauben" die Rede.
Wir erfahren, dass er im Orient - also nicht etwa in Europa - (endgŸltig)
besiegt werden wird, vgl unten. Mit dem "punischen Glauben" ist
dabei wohl das neopunische Heidentum gemeint, das wir aus 2/30 und 1/8 kennen
und das vom neuen "Nebukadnezar" in Mesopotamien begrŸndet werden
wird. Zur Zeit des Untergangs des neopunischen Heidentums werden sich
verschiedene FlŸsse - oder auch die von ihnen durchflossenen Gebiete -
"verŠndern", vgl. Zeile zwei. Woraus diese
"VerŠnderungen" bestehen, ist hier nicht ersichtlich. Die FlŸsse
kšnnten etwa Ÿber die Ufer treten oder im Gegenteil versiegen. Von welchen FlŸssen oder Gebieten unser Seher spricht, ist leider
nicht mit endgŸltiger Sicherheit zu sagen. Klar sind die ErwŠhnungen von
Rhone, Loire und Tajo. Betrachten wir die Quelle dieser Zeile, mŸsste hier
zusŠtzlich vom indischen Ganges, vielleicht auch vom Indus die Rede sein,
vgl. Anmerkungen 3, 4 und 6. Der Textbefund von 1555 und 1557 und der
Umstand, dass Indien eigentlich den Vorhersagebereich des Nostradamus
verlŠsst, sprechen allerdings eher fŸr Israel/PalŠstina ("JudŠa")
statt den Indus und den sŸdfranzšsischen Ort Ganges statt Indiens gro§en
Strom. Ebenfalls Unklarheiten gibt es in der zweiten HŠlfte der Strophe. In
der vierten Zeile ist allem Anschein nach von der Niederlage einer
Kriegsmacht zur See die Rede. Das wŸrde zur Niederlage der Neopunier passen,
deren klassische Vorbilder tatsŠchlich eine der gro§en SeemŠchte der Antike
waren. In Zeile drei wird erwŠhnt, dass das Fiasko auf dem Meer sich dann
zutragen wird, wenn der "Hunger des Maultiers" gestillt sein wird.
Doch wer ist hier mit dem "Maultier" gemeint? Wie in Anmerkung 7
ausgefŸhrt, kšnnte Nostradamus bei diesem Bild an HERODOT und sein
"Maultier" gedacht haben, das beim griechischen Vater der
Geschichtsschreibung fŸr den persisch-medischen Mischling Kyros II. steht. Blicken wir an dieser Stelle auf 2/55 zurŸck, wo wohl das
alttestamentarische Gastmahl des Belschazzar Pate gestanden hat. In Daniel
5,28 erfahren wir, dass der biblische Prophet die Schrift "mene mene
tekel u-parsin" u. a. so gedeutet hat, dass Belschazzars Herrschaft
(552-543 v. Chr.) den Persern und Medern gegeben wird. 539 v. Chr. eroberte
der erwŠhnte Perserkšnig Kyros II. Babylon. Und als Statthalter von Babylon -
und somit Nachfolger von Belschazzar bzw. von dessen Vater Nabonid (555-539
v. Chr.) - setzte Kyros den Meder Darius ein (Daniel 6,1, vgl. dazu auch
Daniel 6,29). Wenn Nostradamus also von einem "hungrigen Maultier"
spricht, kšnnte damit eine Macht oder ein Herrscher gemeint sein, der analog
zum historischen Kyros II. das Reich des neuen "Belschazzars"
erobert. Es scheint sich um einen auf Expansion erpichten
("hungrigen") Machthaber zu handeln. †ber seine Herkunft erfahren
wir hier nichts. Da bei Nostradamus aber der Esel fŸr einen Araber stehen
kann, vgl. Anmerkung 7, kšnnte das "Maultier" jemand mit
(teilweise) arabischem Blut sein. Dazu passen wŸrde die Information aus
2/60/1, dass der punische Glaube im Orient - der Heimat der Araber - besiegt
werden wird. |
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