5.52  Während einer zu guten Zeit wird ein Land von einem schwachen König regiert. Zu unrecht glaubt er an die Untreue seiner Frau. Zum Schluss wird er getötet.
 

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8/23 - 10/43

8/23  

Lettres trouuees de la royne les coffres1),
Point de subscrit sans aucun nom d’hauteur2)
Par la police3) seront cachez les offres4),
Qu’on ne scaura qui sera l’amateur.

Briefe [werden in] den Kisten1) der Königin gefunden [werden].
[Sie enthalten] überhaupt keine Unterschrift, [sind] ohne irgend einen Namen
des Verfassers2).
Von der Regierung3) werden die Avancen4) versteckt [werden],
so dass man nicht wissen wird, wer der Verehrer sein wird.
1) Das mittelfranzösische "coffre" bezeichnet u. a. eine verschließbare Kiste oder Truhe, im Besondern auch eine Transportkiste oder Reisetruhe.
2) Lies wohl "d’auteur" (des Verfassers). "Nom d’hauteur" hieße "Name von Rang", d. h. die Briefe wären unterzeichnet, allerdings von einem Verfasser ohne Bedeutung, ohne "Rang und Namen".
3) Das mittelfranzösisch "police" bedeutet "öffentliche Verwaltung, Regierung".
4) Oder auch: "Geschenke".

Eine Königin hat einen Verehrer, der ihr Liebesbriefe ohne Absender schickt. Die Regierung verheimlicht dessen Avancen.

In den Sachen einer Königin, vielleicht in ihrem Reisegepäck (vgl. Anmerkung 1), werden Briefe gefunden werden, die keinen Absender tragen (8/23/1f.). Wie aus der zweiten Hälfte des Vierzeilers zu schließen ist, dürfte es sich bei diesen Briefen um Liebesbriefe handeln. Welche Monarchie, welches Land hier betroffen ist und wer die Briefe unter welchen Umständen findet, erfahren wir leider nicht.

Die zweite Hälfte des Vierzeilers berichtet von Avancen oder Geschenken (vgl. Anmerkung 4), die von einem Verehrer ausgehen und wohl an die Königin gerichtet sein werden. Es ist anzunehmen, dass die erwähnten Briefe von demselben Urheber stammen.

Interessant ist, dass die Regierung laut Zeile drei die Beweise für die Avancen bzw. die Geschenke (für die Königin) verstecken wird. Doch vor wem? Vor dem König? Was mag der Grund für dieses Vorgehen sein? Die Regierung könnte etwa versuchen, Ansehen und Stellung der Monarchie zu schützen. Ist aus den versteckten Beweisen vielleicht zu schließen, wer der heimliche Verehrer ist? In diesem Fall könnte die Regierung den Verehrer schützen wollen. Es wäre auch denkbar, dass die Regierung durch das Verheimlichen von dessen Identität wilden Verdächtigungen und allgemeinem Misstrauen im Umfeld der Königsfamilie Vorschub leisten will, um so die Monarchie zu schwächen.






10/43  

Le trop bon temps trop de bonté1) royalle:
Fais & deffais2) prompt subit3) negligence,
Legier croira faux d’espouse loyalle,
Luy mis à mort par sa4) beneuolence.

Die zu gute Zeit [wird] zuviel an königlicher Güte1) [beinhalten].
[Ein] schnelles Hü und Hott2) muss [die] Nachlässigkeit ertragen3).
[Zu] leicht wird [er an den] Fehler der treuen Gemahlin glauben.
Er [wird] dem Tod wegen seines4) Wohlwollens überantwortet [werden].
1) Im Sinne von "Rechtschaffenheit, Vorzüglichkeit" aber auch von "Herzensgüte, Gutmütigkeit". Sinngemäß müsste hier von Gutmütigkeit die Rede sein. Vgl. dazu 5/41/2 (5.276).
2) Lies: "fait & deffait". Die Wendung "faire le fait et le deffait" bedeutet eine Sache und ihr Gegenteil tun. Sie entspricht in etwa dem deutschen "erst Hü, dann Hott (sagen)".
3) Oder "subit" ist nicht als konjugierte Form von "subir" (erdulden, ertragen, erfahren, hinnehmen) zu verstehen sondern als Adjektiv bzw. Adverb (schnell, überstürzt, plötzlich). Dann ließe sich die Zeile etwa folgendermaßen übertragen: "[Ein] schnelles [und] überstürztes Hü und Hott [wird die] Nachlässigkeit [begleiten]."
4) Oder: "mit ihrem".



Während einer zu guten Zeit wird ein schwacher König regieren. Er ist zu gutmütig, nachlässig und unstet. Leichtgläubig wird er an die Untreue seiner treuen Königin glauben. Wegen seines Entgegenkommens wird er schließlich getötet werden.

In der ersten Zeile ist von "königlicher Güte" und somit von einer Monarchie die Rede. Die ganze Strophe beschäftigt sich nun eingehender mit dem König, von dem wir allerdings nicht erfahren, welches Land er regieren wird.

Laut Zeile eins wird dieser König in einer guten, sogar zu guten Zeit herrschen. Nostradamus kritisiert ihn allerdings dafür, dass er offensichtlich zu gutmütig sein wird (vgl. Anmerkung 1).

Der zweiten Zeile ist zu entnehmen, dass es sich bei diesem Monarchen um einen schwachen König handeln wird. Seine Herrschaft wird offensichtlich von Nachlässigkeit und Widersprüchen bzw. schnellen Kurswechseln geprägt sein.

In Zeile drei erfahren wir weiter, dass er auch zu Leichtgläubigkeit neigen wird. Jedenfalls wird er zu leicht glauben, dass seine Frau Ehebruch begangen hat, obwohl diese ihm treu geblieben ist.

10/43/3 dürfte die Strophe mit 8/23 verbinden, wo eine Königin einen heimlichen Verehrer (nicht Liebhaber) zu haben scheint und die Regierung die Hinweise auf die Identität dieses Mannes verheimlicht.

Zeile vier schließlich ist zu entnehmen, dass dieser schwache König getötet werden wird. Der Grund dafür ist sein Wohlwollen, sein Entgegenkommen. Doch gegenüber wem oder was? Und wer steckt hinter seiner Ermordung, seinem Tod? Vielleicht die Regierung, vgl. oben? Wird der König möglicherweise beseitigt, weil er wegen seiner Schwäche eine Gefahr für das Land ist? Welche Rolle spielt die Königin dabei (vgl. dazu Anmerkung 4)?

In 10/43 beschreibt Nostradamus die Epoche, in die die Herrschaft dieses schwachen Königs fällt, als "zu gute Zeit". Das erinnert an 5.29, wo man erfolglos versucht, einen französischen König zu vergiften. Auch dort ist von einer sehr guten Zeit, sogar von einem Goldenen Zeitalter die Rede.



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