5.53  In Ostfrankreich entsteht mit Langres ein Machtzentrum, das in Kämpfe mit regionalen und auswärtigen Mächten (Belgien) verwickelt sein wird. Kämpfe, in die auch Schweizer und Deutsche eingreifen.

Truppen aus dem Hennegau, aus Gent und Brüssel werden das ostfranzösische Langres belagern. Dann kommt es zum offenen Konflikt unter den Belgiern. Dieser wird jedoch beigelegt, und Teile der Belagerer marschieren nach Mecheln, um dort ein "Übel" zu begehen. So kann sich Langres selbst befreien und die Truppen aus Brüssel und anschließend auch Dole besiegen. Langres wird die Stadt Dole an der Grenze zur Bresse einnehmen. Unterstützung erhält Langres dabei von seinen Verbündeten aus Arbois. Nachdem der Herzog von Langres in Dole eingezogen sein wird, werden seine Feinde nahe der Stadt einen Hinterhalt errichten und den Langres-Herzog damit in Dole festsetzen. Langres wird in Dole aber nicht alleine eingeschlossen sein. Verbündete Truppen aus Autun und Lyon werden sich ebenfalls in der Stadt befinden. Zu dieser Zeit werden die Streitkräfte Genfs und Augsburgs die Alpen nach Italien überqueren, um ihrem Verbündeten Mirandola im Kampf gegen Ancona beizustehen. Genf bzw. Streitkräfte vom Genfer See werden wohl danach im Bund mit Verbänden aus der französischen Provinz Maine sowie deutschen und Schweizer Truppen an einem ungenannten Ort gegen Kräfte aus Aquitanien kämpfen und wahrscheinlich eine Niederlage beziehen. Eine weitere Schlacht unter Beteiligung von Genf, Lausanne und den Schweizern wird bei Montélimar an der Rhone stattfinden. Genf und das mit ihm verbündete Langres werden dabei von Lausanne, den Schweizern und "Seyssel" (einem französischen Gesandten?) für rund 15 kg Gold verraten, und die Feinde aus Chartres, Dole und Grenoble werden den Sieg davontragen. Zu dieser Zeit wird Genf in Tränen und Leid versinken.


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2/50 - 6/47 - 5/82 - 7/4 - 4/74 - 4/42 - 4/9

                                              
2/50

[1] Quãd ceux d’Ainault1), de Gãd2) & de Brucelles3)
[2] Verront à Langres4) le siege5) deuant mis
[3] Derrier leurs flancz6) seront guerres7) crueles,
[4] La plaie9) antique8) fera pis qu’ennemis.

[1] Wenn die aus [dem] Hennegau1), von Gent2) und von Brüssel3)
[2] sehen werden, [wie] vor Langres4) die Belagerung5) aufgebaut [ist],
[3] wird es hinter ihren Flanken6) grausame Kämpfe7) geben.
[4] Die alte8) Wunde9) wird schlimmer sein als [die] Feinde.

1) Der Hennegau wird in 2/50/1 und 4/19/3 genannt. Die Grafschaft Hennegau existierte vom 9. Jh. bis 1548, war Teil des römisch-deutschen Reiches und lag im nördlichen Grenzgebiet des heutigen Frankreichs und Belgiens. Die beiden wichtigsten Städte waren das heute französische Valenciennes und das belgische Mons (dt. Bergen).
2)Stadt im Norwesten Belgiens. Es gäbe daneben aber u. a. noch einen Loire-Zufluss mit Namen "Gand". Die Stadt Gent wird in 2/16/3, 2/50/1, 4/19/3, 5/94/2, 9/49/1, 10/52/1 und 10/83/3 erwähnt. Gent war eines der Zentren der Grafschaft Flandern. Um etwa 400 wurde das Genter Gebiet fränkisch. 851/852 sowie zwischen 879 und 883 plünderten die Wikinger die Gegend zunächst und setzten sich dann längere Zeit fest. Gegen Ende des 9. Jh. wuchsen verschiedene Siedlungen schließlich (wieder) zur Stadt Gent zusammen. Im 11. Jh. begann in der Stadt die Textilproduktion und Gent wurde zu einer großen Wirtschaftsmacht. Dies hatte u. a. zur Folge, dass die Stadt bedeutend wuchs. Bis etwa 1550 wurde Gent zur zweitgrößten Stadt Europas außerhalb Italiens, übertroffen nur noch von Paris. 1384 ging die rebellische und für ihre Rechte (auch militärisch) kämpfende Stadt mit Flandern an Burgund, 1477 an Habsburg. 1537 weigerte sich die Stadt, Kaiser Karl V., der 1500 selbst in Gent geboren wurde, im Krieg gegen Frankreich zu unterstützen und es kam zum Aufstand. Diese Rebellion wurde vom Kaiser mit großer Härte niedergeschlagen. Die weiteren Entwicklungen, die schließlich zum niederländischen Befreiungskampf gegen Spanien führten (etwa die Hinrichtung Egmonts 1568), fanden nach der Niederschrift von Nostradamus’ Prophezeiungen oder sogar nach dem Tod des Sehers (1566) statt.
3) Die 1557er-Ausgabe aus Budapest/Moskau schreibt "Bru.". Brüssel wird in 2/16/3, 2/50/1, 4/81/3, 6/47/3, 9/49/1 und 10/54/4 genannt. Seit 1229 mit Stadtrecht ausgestattet, war Brüssel zunächst eine der Residenzen des Herzogtums Brabant, das zur Zeit des Nostradamus wesentliche Gebiete des zentralen Belgiens und der südlichen Niederlande umfasste. 1430 fiel Brabant an das Herzogtum Burgund, 1477 an das Haus Habsburg. Brüssel wurde nach 1430 erst unter dem Haus Valois-Burgund und dann auch unter den Habsburgern zur Hauptstadt Burgunds. Nach dem Tod Karls V. 1558 wurde die Stadt Statthaltersitz der Spanischen Niederlande.
4) Langres wird in 1/22/3, 2/50/2, 3/51/4, 4/98/2, 5/82/3, 6/47/3 und 7/4/1 genannt. Die Stadt Langres liegt in Ostfrankreich, 64 km nordöstlich von Dijon auf dem Plateau von Langres, wo wichtige Flüsse entspringen (etwa Seine, Marne und Maas). Die Stadt war seit dem vierten Jahrhundert Bischofssitz und kam 1284 zu Frankreich. Die dortigen Bischöfe waren Pairs von Frankreich (Hochadlige) und trugen seit 1385 den Titel Herzog von Langres. Aufgrund ihrer strategischen Lage nahe Lothringen und Burgund wurde die Stadt im 14. und 15. Jahrhundert zu einer mächtigen Festung ausgebaut. Während der Renaissance erlebte Langres eine Zeit größter Blüte.
5) Oder u. a. auch: "Sitz, Thron".
6) Die 1555er-Ausgabe aus Albi schreibt fälschlicherweise "flanez".
7) Das mittelfranzösische "guerre" kann neben "Krieg" u. a. auch "Kampf, Konflikt, Aufstand, Tumult" bedeuten.
8) Oder auch: "antike".
9) Das mittelfranzösische "plaie" bedeutet u. a.: "Wunde, Plage (Krankheit), Geißel".
Streitkräfte aus dem Hennegau, aus Gent und Brüssel werden die ostfranzösische Stadt Langres belagern. Doch dann wird es bei den Belgiern zu grausamen inneren Auseinandersetzungen kommen. Zu Auseinandersetzungen, die für die Belagerer schlimmer sein werden als die Feinde. Der Grund für die inneren Konflikte könnte sein, dass zwei Anführer der Belgier eine persönliche Feindschaft gegeneinander hegen (vgl. 6/47).

Karte zu 2/50
Leere Karte: http://histgeo.ac-aix-marseille.fr/carto/france/france12.odg (Abgerufen am 04.08.2016). Bearbeitet von Jean-Claude Pfändler am 25.09.2016.

In der zweiten Zeile erfahren wir, dass das ostfranzösische Langres belagert wird. Doch von wem?

Zeile eins berichtet, dass Belgier aus dem Hennegau (hier vielleicht zusammen mit Franzosen aus der Region), von Gent und Brüssel "sehen" werden, dass die erwähnte Belagerung aufgebaut ist. Somit müssten sich die Belgier in der Nähe von Langres befinden. Entweder als Verbündete der Stadt oder - wie ich eher vermute - als die Belagerer selber. Eine Vermutung, die dadurch erhärtet werden dürfte, dass von einem Konflikt zwischen Langres und Belgiern (Brüssel) auch an anderer Stelle die Rede ist (vgl. 6/47/3).

In der zweiten Hälfte der Strophe erfahren wir, dass es hinter den Flanken einer der Kriegsparteien grausame interne Auseinandersetzungen geben wird, die schlimmer als der Feind sein werden. Aufgrund des Textzusammenhanges dürfte hier von Vorgängen im Lager der Belgier die Rede sein. Es wird sich dabei um ein inneres Zerwürfnis ("Wunde") handeln, das schlimmere Folgen haben wird als die äußeren Feinde. Mit "den Feinden" (Plural) sind somit die Verteidiger von Langres und deren mögliche Verbündete gemeint. Als solche infrage kommen etwa Arbois (5/82/3) oder auch Autun und Lyon (beide 7/4/2).

In 6/47/1f. ist von einer privaten Feindschaft zweier Großer die Rede. Einer privaten Feindschaft, die die beiden aber aufgeben werden. Sollte hier vom gleichen Konflikt die Rede sein, müsste 2/50 sinngemäß am ehesten vor 6/47 einzuordnen sein.

Unklar ist noch, weshalb Nostradamus in Zusammenhang mit dem inneren Zerwürfnis bei den Belgiern von einer "alten (antiken) Wunde" spricht. Möglicherweise hat unser Seher tatsächlich an das lat. "plaga" gedacht, das dem mittelfranzösischen "plaie" zugrunde liegt, vgl. BRIND’AMOUR, S. 265, und CLÉBERT, S. 279. Dann könnte z. B. das Wortspiel mit "plaga" im Sinne von "Wunde" und "plaga" im Sinne von "Netz, Jagdschlinge" dahinterstecken. Hat vielleicht eine der beiden Streitparteien der anderen eine Falle gestellt bzw. sie hinters Licht geführt?


6/47

[1] Entre deux monts1) les deux grans assemblés
[2] Delaisseront leur simulté3) secrette2):
[3] Brucelle4) & Dolle5) par Langres6) acablés,
[4] Pour à Malignes7) executer9) leur peste8).

[1] Zwischen zwei Bergen1) [werden] die beiden Großen versammelt [sein].
[2] [Sie werden] ihre private2) Feindschaft3) aufgeben -
[3] Brüssel4) und Dole5) [werden dann in der Folge] von Langres6) niedergeschlagen [werden] -,
[4] um in Mecheln7) ihr Übel8) auszuführen9).

1) Hier könnte tatsächlich einfach ein Ort gemeint sein, der zwischen zwei Bergen (oder Hügeln) liegt. Allerdings gibt es im französischen Jura auch die Ortschaft Entre-deux-Monts, etwa 62 km südöstlich von Dole.
2)
"Secret" bedeutet im Mittelfranzösischen neben "geheim" u. a. noch "privat, intim; versteckt". "Secrette" reimt sich allerdings mehr als nur schlecht auf das "peste" in der vierten Zeile.
3) Lat. "simultas" (Rivalität, Feindschaft).
4) Brüssel wird in 2/16/3, 2/50/1, 4/81/3, 6/47/3, 9/49/1 und 10/54/4 genannt. Seit 1229 mit Stadtrecht ausgestattet, war Brüssel zunächst eine der Residenzen des Herzogtums Brabant, das zur Zeit des Nostradamus wesentliche Gebiete des zentralen Belgiens und der südlichen Niederlande umfasste. 1430 fiel Brabant an das Herzogtum Burgund, 1477 an das Haus Habsburg. Brüssel wurde nach 1430 erst unter dem Haus Valois-Burgund und dann auch unter den Habsburgern zur Hauptstadt Burgunds. Nach dem Tod Karls V. 1558 wurde die Stadt Statthaltersitz der Spanischen Niederlande.
5) Dole taucht namentlich in 1/100/2, 4/42/1, 5/82/4, 6/47/3 und 7/4/1 auf. Es gibt mehrere Örtlichkeiten, die hier gemeint sein können. Zunächst die Stadt Dole im französischen Jura, rund 43 km südöstlich von Dijon. Dole gehörte zur Zeit des Nostradamus zum römisch-deutschen Reich und war seit 1422 die Hauptstadt der Freigrafschaft Burgund. In den Jahren 1479-1493 versuchte Frankreich mit Gewalt, aber letztlich erfolglos, die Stadt an sich zu bringen. Dole liegt am Fluss Doubs, d. h. an der Grenze zur ostfranzösischen Region Bresse.
          Als Alternative zu Dole ist v. a. Dol-de-Bretagne zu nennen, das rund 49 km nördlich von Rennes liegt. Im Schweizer (Waadtländer) Jura finden wir zudem den Berg La Dôle, rund 10 km nordwestlich von Nyon gelegen.
6) Langres wird in 1/22/3, 2/50/2, 3/51/4, 4/98/2, 5/82/3, 6/47/3 und 7/4/1 genannt. Die Stadt Langres liegt in Ostfrankreich, 64 km nordöstlich von Dijon auf dem Plateau von Langres, wo wichtige Flüsse entspringen (etwa Seine, Marne und Maas). Die Stadt war seit dem vierten Jahrhundert Bischofssitz und kam 1284 zu Frankreich. Die dortigen Bischöfe waren Pairs von Frankreich (Hochadlige) und trugen seit 1385 den Titel Herzog von Langres. Aufgrund ihrer strategischen Lage nahe Lothringen und Burgund wurde die Stadt im 14. und 15. Jahrhundert zu einer mächtigen Festung ausgebaut. Während der Renaissance erlebte Langres eine Zeit größter Blüte.
7) Mecheln wird in 6/47/4 und 10/54/4 genannt. Die Stadt liegt etwa 21 km nordöstlich von Brüssel. Seit 1336 Teil Brabants, kam Mecheln 1383 an Burgund und schließlich 1477 in den Besitz des Hauses Habsburg. Unter Margarete von Österreich, der Statthalterin der habsburgischen Niederlande von 1507-1515 und 1517-1530, war Mecheln zeitweise die Hauptstadt der Niederlande. 1559 wurde die Stadt Sitz eines Erzbischofs.
8) "Pest" bezeichnet im Lateinischen und Mittelfranzösischen nicht nur verschiedene ansteckende Krankheiten mit hoher Sterblichkeit, sondern bedeutet auch einfach "Unglück, Unheil". Obwohl in allen Ausgaben von 1557 und 1568 "peste" steht, stimmt hier aber wohl etwas nicht, da der Reim auf "secrette" mehr als schlecht ist. Besser passen würden etwa "sette" (sägeförmige Schlachtordnung der alten Römer), "guette" (Wache, Wachtposten) oder "dette" (Schuld).
9) Oder auch: "zu exekutieren, hinzurichten".
Die beiden zerstrittenen Großen im Lager der Belgier werden ihren Streit zwischen zwei Bergen (in Entre-deux-Monts?) beilegen, um in Mecheln ein Übel ausführen zu können. Langres kann so die Truppen aus Brüssel und Dole besiegen.

Karte zu 6/47
Leere Karte: http://histgeo.ac-aix-marseille.fr/carto/france/france12.odg (Abgerufen am 04.08.2016). Bearbeitet von Jean-Claude Pfändler am 25.09.2016.

In den ersten beiden Zeilen erfahren wir, dass zwei bedeutende Personen "zwischen zwei Bergen" versammelt sein und ihre private Feindschaft aufgeben werden. Mit Blick auf die Erwähnung von Brüssel, Dole und Langres in Zeile drei dürfte die Strophe dabei in den Kontext von 2/50, 4/9, 4/42, 4/74, 5/82 und 7/4 gehören. Diese Zuordnung könnte weiter dafür sprechen, dass das Treffen der beiden Großen in der Ortschaft Entre-deux-Monts im französischen Jura stattfinden wird, vgl. Anmerkung 1.

Interessant ist hier der Blick auf 2/50. Dort ist von inneren Kämpfen bei den belgischen Belagerern (Hennegau, Gent, Brüssel) von Langres und einer "alten Wunde" die Rede. Diese "alte Wunde" könnte der Grund für die private Feindschaft aus 6/47 sein.

Doch die beiden Großen werden ihre private Feindschaft beenden (6/47/2). In der vierten Zeile erfahren wir auch den Grund dafür. Es scheint dabei nicht um den Sieg über Langres zu gehen sondern man will zu Hause in Belgien, genauer gesagt in Mecheln, anscheinend etwas Übles bewerkstelligen, vgl. dazu aber Anmerkung 8. Die Aussöhnung der beiden Großen könnte mit dem geschlossenen Vertrag aus 5/82/1 besiegelt werden. Spätenstens hier sollte aber auf den Umstand hingewiesen werden, dass es sich bei den Belagerern von Langres um drei Mächte handelt, hier aber vom Friedensschluss von lediglich zwei Machthabern die Rede ist. Warum?

Interessant ist in diesem Zusammenhang 6/47/3. Hier erfahren wir, dass Langres Brüssel und Dole besiegen wird. Brüssel ist aber eine der drei Mächte, die Langres belagern werden. Was ist mit den Kräften aus dem Hennegau und Gent? Ich könnte mir folgendes Szenario vorstellen: die beiden Anführer bzw. Oberhäupter des Hennegaus und Gents legen ihren privaten Konflikt bei, um gemeinsam in Mecheln zur Tat schreiten zu können und lassen Brüssel bei der Belagerung von Langres allein. Dies könnte man weiter so interpretieren, dass Brüssel die treibende Kraft bei dieser Belagerung sein wird.

Langres kann darauf den stark geschwächten Belagerungsring durchbrechen, und die im Stich gelassenen Brüsseler Truppen besiegen. Aber nicht nur Brüssel wird geschlagen. Auch Dole wird von Langres bezwungen. Somit müsste Dole wohl auf Seiten Brüssels (sowie des Hennegaus und Gents) stehen. Das würde vielleicht erklären, weshalb die beiden Großen ihren Friedensschluss im Hinterland von Dole (in Entre-deux-Monts?) besiegeln könnten (6/47/1).


5/82

[1] Au1) conclud pache2) hors de la forteresse,
[2] Ne sortira celuy en desespoir mis:
[3] Quant ceux d’Arbois3), de Langres4), cõtre Bresse5),
[4] Auront monts Dolle6), bouscade d’ennemis.

[1] Wegen des1) außerhalb der Festung abgeschlossenen Vertrages2)
[2] wird der nicht herauskommen, [der] in Verzweiflung gestürzt [wurde].
[3] Wenn die von Arbois3) [und] von Langres4) gegen [die] Bresse5) [vorgehen],
[4] werden [die] Berge [bei] Dole6) [einen] Hinterhalt der Feinde bereithalten.

1) Oder auch zeitlich: "beim, zur Zeit des; nach dem".
2) Oder auch: "Übereinkommen, Versprechen".
3) Arbois liegt im ostfranzösischen Gebiet Revermont (Jura), etwa 30 km südöstlich von Dole, vgl. Anmerkung 6. Daneben gäbe es allerdings noch ein Plateau de l’Arbois, auch Chaîne de Vitrolles genannt, westlich des südfranzösischen Aix-en-Provence. Die 1557er-Ausgabe aus Budapest/Moskau schreibt hier fälschlicherweise "Albois".
4) Langres wird in 1/22/3, 2/50/2, 3/51/4, 4/98/2, 5/82/3, 6/47/3 und 7/4/1 genannt. Die Stadt Langres liegt in Ostfrankreich, 64 km nordöstlich von Dijon auf dem Plateau von Langres, wo wichtige Flüsse entspringen (etwa Seine, Marne und Maas). Die Stadt war seit dem vierten Jahrhundert Bischofssitz und kam 1284 zu Frankreich. Die dortigen Bischöfe waren Pairs von Frankreich (Hochadlige) und trugen seit 1385 den Titel Herzog von Langres. Aufgrund ihrer strategischen Lage nahe Lothringen und Burgund wurde die Stadt im 14. und 15. Jahrhundert zu einer mächtigen Festung ausgebaut. Während der Renaissance erlebte Langres eine Zeit größter Blüte.
5) Die Bresse ist eine Region und ehemalige Provinz in Ostfrankreich, die im Westen von der Saône, im Norden vom Doubs, im Osten vom Jura (Revermont) und im Süden von der Region Dombes begrenzt wird. Die Bresse wurde 1536 von Frankreich besetzt, 1559 aber wieder an Savoyen zurückgegeben. Seit 1601 gehört sie endgültig zu Frankreich. Von der Bresse scheint in 1/6/3, 5/82/3, 7/31/4 und 10/59/2 die Rede zu sein. Allerdings könnte bei "Bresse" auch mindestens in 7/31/4 eine italienische Lösung infrage kommen, in erster Linie Brescia (vgl. CLÉBERT, S. 817f.), das auf Lombardisch "Brèsa" oder "Brèssa" heißt. Und schließlich finden wir in den lothringischen Vogesen noch den Ort La Bresse (dt. Woll), etwa 37 km südöstlich von Épinal.
6) Dole taucht namentlich in 1/100/2, 4/42/1, 5/82/4, 6/47/3 und 7/4/1 auf. Es gibt mehrere Örtlichkeiten, die hier gemeint sein können. Zunächst die Stadt Dole im französischen Jura, rund 43 km südöstlich von Dijon. Dole gehörte zur Zeit des Nostradamus zum römisch-deutschen Reich und war seit 1422 die Hauptstadt der Freigrafschaft Burgund. In den Jahren 1479-1493 versuchte Frankreich mit Gewalt, aber letztlich erfolglos, die Stadt an sich zu bringen. Dole liegt am Fluss Doubs, d. h. an der Grenze zur ostfranzösischen Region Bresse.
          Als Alternative zu Dole ist v. a. Dol-de-Bretagne zu nennen, das rund 49 km nördlich von Rennes liegt. Im Schweizer (Waadtländer) Jura finden wir zudem den Berg La Dôle, rund 10 km nordwestlich von Nyon gelegen.
Der Herzog oder Anführer von Langres wird nicht aus seiner belagerten Festung herauskommen um sich zu ergeben. Der Grund dafür dürfte die Übereinkunft zwischen den beiden großen Belgiern sein, die vermutlich ihre Belagerungstruppen vor der Festung Langres abziehen und mit diesen nach Belgien (Mecheln) ziehen werden, vgl. 6/47. Nach Abzug der belgischen Kräfte geht Langres zusammen mit Arbois in die Offensive und marschiert gegen die Bresse. Nachdem er in Dole angekommen ist (vgl. 7/4), werden die Feinde des Langres-Herzogs in den Bergen nahe der Stadt einen Hinterhalt errichten.

Karte zu 5/82
Leere Karte: http://histgeo.ac-aix-marseille.fr/carto/france/france12.odg (Abgerufen am 04.08.2016). Bearbeitet von Jean-Claude Pfändler am 25.09.2016.

In der ersten Zeile wird ein Vertrag erwähnt, der "außerhalb einer Festung" (siehe dazu unten) abgeschlossen wird. Da die Strophe zum Langres-Thema gehört (Zeile 3) könnte hier gut der Friedensschluss zwischen den beiden Großen unter den Belgiern gemeint sein, die die Festungsstadt Langres belagern (vgl. 2/50 und 6/47).

In 6/47 erfahren wir, dass die beiden großen Belgier den Vertrag "zwischen zwei Bergen", mutmaßlich im Jura-Ort Entre-deux-Monts, unterzeichnen werden. Das wäre aber doch schon sehr weit "außerhalb" der Festung Langres (5/82/1). Dieser scheinbare Widerspruch könnte so aufzulösen sein, dass Nostradamus mit der Angabe "außerhalb der Festung" in 5/82/1 nicht den Ort des Vertragsabschlusses meint sondern die Parteien, die den Frieden unterzeichnen - eben die belgischen Kräfte, die sich direkt außerhalb der Festung Langres befinden, lies also: "außerhalb der Festung" = "bei den Belgiern".

Laut 5/82/2 wird die Folge dieses Vertrages sein, dass jemand nicht aus einer Festung herauskommt, der sich zuvor in einer verzweifelten Lage befindet. Das wäre dann wohl der Oberkommandiere bzw. Herzog von Langres (vgl. 7/4/1). Die Belagerung durch die drei belgischen Kräfte wird ihn zunächst in eine aussichtslose Situation bringen. Eine Situation, die ihn eigentlich dazu zwingt, die Festung zu verlassen und sich zu ergeben. Doch das wird er nicht tun. Weil sich die Lage durch die Spaltung bei den Belagerern zu seinen Gunsten ändert.

In der dritten Zeile scheint sich Langres aus der Umklammerung befreit zu haben und wieder zum Angriff übergegangen zu sein. Die Stadt marschiert gegen die Bresse. Begleitet wird Langres dabei von Kräften aus Arbois. Leider erfahren wir hier nichts über diesen Verbündeten. Stand etwa Arbois von Beginn an auf Seiten von Langres oder hat es vielleicht das Lager gewechselt, nachdem die Belgier in die Defensive geraten sind?

Laut Zeile vier werden Langres’ Feinde in den Bergen bei Dole - also nahe der Grenze zur Bresse - einen Hinterhalt aufbauen. Mit diesen "Bergen" sind wahrscheinlich kleine Erhebungen nur wenige Kilometer nördlich von Dole gemeint, zu denen u. a. der Mont-Roland ("Rolandsberg") bei Jouhe gehört.


7/4

[1] Le duc1) de Langres2) assiegé dedans Dolle3),
[2] Accompaigné d’Ostun4) & Lyonnois5):
[3] Geneue6), Auspour7), ioinct ceux de Mirandole8),
[4] Passer les monts9) contre les Anconnois10).

[1] Der Herzog1) von Langres2) [wird] in Dole3) belagert [werden].
[2] Begleitet [wird er] von Autun4) und [den] Lyonern5).
[3] Genf6) [und] Augsburg7) [sind] mit denen aus Mirandola8) verbündet,
[4] um die Berge9) gegen die Anconer10) zu überqueren.

1) Neben "Herzog" kann "duc" im Mittelfranzösischen auch "Anführer, Feldherr" bedeuten, vgl. lat. "dux".
2) Langres wird in 1/22/3, 2/50/2, 3/51/4, 4/98/2, 5/82/3, 6/47/3 und 7/4/1 genannt. Die Stadt Langres liegt in Ostfrankreich, 64 km nordöstlich von Dijon auf dem Plateau von Langres, wo wichtige Flüsse entspringen (etwa Seine, Marne und Maas). Die Stadt war seit dem vierten Jahrhundert Bischofssitz und kam 1284 zu Frankreich. Die dortigen Bischöfe waren Pairs von Frankreich (Hochadlige) und trugen seit 1385 den Titel Herzog von Langres. Aufgrund ihrer strategischen Lage nahe Lothringen und Burgund wurde die Stadt im 14. und 15. Jahrhundert zu einer mächtigen Festung ausgebaut. Während der Renaissance erlebte Langres eine Zeit größter Blüte.
3) Dole taucht namentlich in 1/100/2, 4/42/1, 5/82/4, 6/47/3 und 7/4/1 auf. Es gibt mehrere Örtlichkeiten, die hier gemeint sein können. Zunächst die Stadt Dole im französischen Jura, rund 43 km südöstlich von Dijon. Dole gehörte zur Zeit des Nostradamus zum römisch-deutschen Reich und war seit 1422 die Hauptstadt der Freigrafschaft Burgund. In den Jahren 1479-1493 versuchte Frankreich mit Gewalt, aber letztlich erfolglos, die Stadt an sich zu bringen. Dole liegt am Fluss Doubs, d. h. an der Grenze zur ostfranzösischen Region Bresse. Von der Bresse scheint in 1/6/3, 5/82/3, 7/31/4 und 10/59/2 die Rede zu sein. Allerdings könnte bei "Bresse" auch mindestens in 7/31/4 eine italienische Lösung ins Auge zu fassen sein, in erster Linie Brescia (vgl. CLÉBERT, S. 817f.), das auf Lombardisch "Brèsa" und "Brèssa" genannt wird.
          Als Alternative zu Dole ist v. a. Dol-de-Bretagne zu nennen, das rund 49 km nördlich von Rennes liegt. Dieses würde zu Chartres-de-Bretagne passen, vgl. Anmerkung 3. Im Schweizer (Waadtländer) Jura finden wir zudem den Berg La Dôle, rund 10 km nordwestlich von Nyon gelegen.
4) Mit "Ostun" (gesprochen "Ôtun") ist "Autun" gemeint, vgl. etwa CLÉBERT, S. 788f. Die 1568er-Ausgabe von Gregorio schreibt auch "Autun". Die Stadt taucht in 1/22/3, 2/74/1 und 7/4/2 auf. Die römische Gründung Autun (lat. Augustodunum) liegt im ostfranzösischen Burgund, 69 km südwestlich von Dijon. Die Stadt gehörte zu den bedeutendsten Zentren des römischen Galliens und ist seit der zweiten Hälfte des 3. Jh. Bischofssitz. 356 wurde Autun erfolglos von den Alemannen belagert. In der Schlacht von Autun 532 brachten die Franken den Burgundern die endgültige Niederlage bei. Im August 725 plünderten die Araber die Stadt, 888 die Normannen. Seit dem 10. Jh. war Autun die Hauptstadt einer (französischen) Grafschaft des Herzogtums Burgund und im Mittelalter ein bedeutender Wallfahrtsort.
5)Oder auch: "[vom] Lyoner" bzw. "[von denen aus dem] Lyonnais (Grafschaft Lyon, die größtenteils westlich der Stadt lag)". Die Schaffhauser 1568er-Ausgabe schreibt fälschlicherweise "Lvonnois". Von Lyon ist wohl in 1/72/3, 2/83/1, 2/85/2, 3/46/1, 3/52/4, 3/56/3, 3/93/4, 7/4/2, 8/3/4, 8/6/1, 9/68/2, 9/69/3, 9/70/2, 9/98/3 (?) und 10/59/1 die Rede. Die römische Gründung und Sitz eines Erzbischofs Lyon (Lugdunum) fiel 461 an die Burgunder, unter denen sie Königsresidenz war, gehörte aber ab 534 zum Frankenreich. 725 wurde die Stadt von den Arabern verwüstet. Nachdem Lyon durch die Teilungen des Frankenreiches nach 843 zunächst zum Lotharii Regnum und dann zum Arelat (Burgund) gehört hatte, kam die Stadt mit dem gesamten Arelat 1032 zum römisch-deutschen Reich. Endgültig französisch wurde sie 1312. Zur Römerzeit war Lyon die Hauptstadt ("caput") Galliens (der "Tres Galliae" [= der "Drei Gallien"]). Und in dieser Tradition trägt seit 1079 der Erzbischof (Kardinal) von Lyon die Ehrenbezeichnung "Primat des Gaules", ist also nominell Oberhaupt (Primas) der katholischen Kirche in Frankreich (in den [Drei] Gallien). In der Stadt fanden zwei Konzilien statt (1245 und 1274), die die religiöse Bedeutung Lyons unterstreichen. Die erste Hälfte des 16. Jh. war für die Stadt eine Zeit wirtschaftlicher und kultureller Blüte. In den 1550er-Jahren nahmen die Spannungen zwischen dem aufkommenden Protestantismus und den Katholiken jedoch immer stärker zu. Mit der Machtergreifung der Protestanten in der Stadt im Jahr 1562 und der katholischen Rückeroberung in den Folgejahren wurde Lyon schließlich in die Wirren der Religionskriege hineingezogen.
6) Die 1557er-Ausgabe aus Budapest/Moskau schreibt: "Gene.". Genf taucht namentlich in 2/64/1, 4/9/3, 4/42/1, 4/59/4, 7/4/3, 8/6/4, 9/44/1 und 10/92/3 auf. Die Stadt Genf schloss 1526 einen Städtebund mit Bern und Freiburg i. Ü., war aber noch kein Teil der "Schweiz" (bzw. der Eidgenossenschaft). Bis 1536 war die Stadt Bischofssitz, ehe dort die Reformation eingeführt und die Republik Genf ausgerufen wurde. In der Folgezeit wurde die Stadt mit Johannes Calvin zu einem Zentrum des neuen Glaubens und deswegen u. a. auch "protestantisches Rom" genannt. Neben der Stadt gab es auch die Grafschaft Genf, die ab 1424 zu Savoyen gehörte.
7)So in den beiden 1557er-Ausgaben aus Budapest/Moskau und Utrecht sowie den meisten 1568ern. Die 1568er aus Dresden, Paris und Stockholm schreiben entweder "Auspourg" oder "Auspurg", das Gregorio-Exemplar "Ausbourg". Die bayrische Stadt Augsburg wird in 3/53/2, 5/12/3 und 7/4/3 genannt. Die römische Gründung und Provinzhauptstadt Raetiens war bereits um 300 Bischofssitz. 955 schlug Kaiser Otto I. auf dem Lechfeld südlich Augsburgs die eingefallenen Ungarn. Seit 1276 Freie Reichsstadt, entwickelte sich Augsburg bis ins 16. Jh. dank des Einflusses der Kaufmannsfamilien Fugger und Welser zu einem der bedeutendsten Wirtschaftszentren der Welt. Politische Bedeutung kam der Stadt v. a. wegen der dort seit dem 10. Jh. immer wieder stattfindenen Reichstagen zu. Zu nennen sind dabei etwa die Reichstage von 1518 (Verhör und Flucht Luthers), 1530 (Augsburger Bekenntnis als Grundlage der evangelischen Lehre), 1547/48 (Geharnischter Reichstag) oder 1555 (Augsburger Religionsfrieden). In der Stadt Augsburg fasste die Reformation früh Fuß, so gehörte die Stadt bereits auf dem Reichstag zu Speyer 1529 zur evangelischen Minderheit. In Augsburg offiziell eingeführt wurde das neue Glaubensbekenntnis 1534/37. 1536 trat die Stadt dem Schmalkaldischen Bund der Protestanten bei, der 1547 von Kaiser Karl V. besiegt wurde.
8) Die Stadt Mirandola liegt in Norditalien, 44 km nordwestlich von Ferrara. Sie war die Hauptstadt der 1310 etablierten gleichnamigen Herrschaft, die 1533 zur Grafschaft und 1619 zum Herzogtum erhoben wurde. Beherrscht wurde Mirandola von der Familie der Pico. Bekanntestes Mitglied dieses Hauses ist dabei sicher der Philosoph Giovanni Pico della Mirandola (1463-1494), ein Anhänger des radikalen Predigers Savonarola. Die Stadt Mirandola wurde 1511 von den Truppen Papst Julius II. im Rahmen des Krieges gegen Frankreich eingenommen. Ein weiteres Mal wurde um die Stadt 1551/52 gekämpft - wieder in Zusammenhang mit der Auseinandersetzung zwischen Frankreich und dem Papst. Dieses Mal belagerten die Truppen Papst Julius III. die Stadt - allerdings vergeblich. Nachdem der Neffe des Papstes bei Mirandola umgekommen war, befahl der Pontifex den Abbruch der Belagerung.
9) Die 1568er-Ausgaben von Chomarat, Grasse, Heidelberg, Lyon und Stockholm schreiben fälschlicherweise "mots" (Worte).
10) Von Ancona ist in 1/75/3, 2/74/3, 3/43/3, 7/4/4 und 8/9/3 die Rede. Ancona ist eine italienische Hafenstadt an der oberen Adria. Die 387 v. Chr. von Griechen aus Syrakus (Sizilien) gegründete Stadt, deren Name auf das griech. "ankon" (Ellbogen) zurückgeht, wurde im zweiten vorchristlichen Jahrhundert römisch. Nach dem Ende des weströmischen Reiches wurde Ancona mehrfach belagert oder eingenommen, konnte seine Bedeutung aber aufrechterhalten. Die Stadt gehörte zum Herrschaftsbereich Odoakers, der Goten und Byzantiner, bis sie 774 Teil des Kirchenstaates wurde. 840 wurde Ancona von den arabischen Sarazenen geplündert. Nostradamus spricht in 1/75/3, 2/74/3 und 8/9/3 konkret nicht von der Stadt sondern der Mark Ancona. Die Mark Ancona (Marca Anconitana) meint den zentralen Teil der heutigen Region Marken zwischen Apennin und Adria mit Städten wie Ancona, Urbino oder Fermo. Die Mark wurde 1210 als Teil des Kirchenstaates eingerichtet.
Der Herzog von Langres wird nicht alleine sein, wenn er in Dole belagert werden wird. Vielmehr werden zusammen mit ihm Leute aus Autun und Lyon in der Stadt eingeschlossen sein. Zu dieser Zeit werden Genf und Augsburg mit dem italienischen Mirandola verbündet sein und die Berge (Alpen) überqueren, um gegen Ancona zu kämpfen.

Karte zu 7/4
Leere Karte: http://www.schulatlas.com/2014/menue/stummekarte/eu/EUR_ACD.pdf Abgerufen am 03.10.2016). Bearbeitet von Jean-Claude Pfändler am 03.10.2016.

Wie in 5/82 ist auch in 7/4/1 von Langres und Dole die Rede. Wir erfahren hier, dass der Herzog von Langres in Dole belagert wird, also muss er zuvor in die Stadt einziehen können. Doch was ist mit dem Hinterhalt in den Bergen bei Dole, von dem wir in 5/82 lesen? Sollte der Hinterhalt dazu dienen, den Herzog von Langres vom Einmarsch in Dole abzuhalten, dürfte diese Falle scheitern. Oder die Situation ist umgekehrt zu verstehen: Man lässt den Herzog von Langres erst in die Stadt eindringen, doch als er sie wieder verlassen will, schnappt der Hinterhalt zu und er ist in der Stadt eingeschlossen.

Wie wir in 7/4/2 erfahren, wird sich die strategische Lage in Ostfrankreich nach dem Abzug der Belgier grundlegend ändern. Ist Langres zunächst noch eine belagerte Festung in verzweifelter Lage, hat die Stadt gemäß zweiter Zeile nun neben Arbois (5/82/3) zwei weitere Verbündete aus der Großregion - Autun und Lyon - und steht nun mit diesen in Dole. Allerdings scheint die Bresse eine Feindin von Langres zu sein (5/82/3). In diesem Fall wäre sie wohl eine Verbündete der Belgier und vielleicht sogar der Grund dafür, weshalb sich diese soweit nach Süden begeben.

Die letzten beiden Zeilen zeigen auf, dass sich die politische Lage in Mitteleuropa zu dieser Zeit stark von der heutigen unterscheiden wird. Es ist nicht mehr von Akteuren wie Frankreich, der Schweiz, Deutschland oder Italien die Rede sondern von einzelnen Städten. Städte, die vielleicht für regionale Staatsgebilde stehen, die es so noch nicht gibt. Konkret werden von Nostradamus Genf, Augsburg, Mirandola und Ancona genannt.

Genf, Augsburg und das italienische Mirandola werden dann, wenn der Herzog von Langres in Dole belagert wird, in einem Bündnis vereint sein. Und mindestens ein Mitglied dieses Bündnisses, wahrscheinlich Mirandola, wird einen Konflikt mit der italienischen Adriastadt Ancona haben. Jedenfalls werden Kräfte von Genf und Augsburg die Berge (die Alpen) überqueren, um Mirandola militärisch zu unterstützen. Näheres zu diesem Konflikt erfahren wir hier leider nicht.

Die letzten beiden Strophen stellen eine (zeitliche) Verbindung zwischen der Stadt Genf und den Kämpfen in Ostfrankreich her. Vom Städtepaar Genf-Augsburg ist möglicherweise auch in 5/12 (5.178) die Rede.


4/74

[1] Du lac lyman1) & ceux de2) Brannonices3),
[2] Tous assemblez contre4) ceulx d’5)Aquitaine6)
[3] Germains beaucoup, encor plus Souisses7),
[4] Seront defaictz8) auec ceulx d’Humaine9).

[1] [Die] vom Genfer See1) und die von den2) Brannoviken3)
[2] [werden] alle gegen4) die aus5) Aquitanien6) versammelt [sein].
[3] Viele Germanen [und] noch mehr Schweizer7)
[4] werden geschlagen8) werden, [und zwar] zusammen mit denen aus dem Maine9).

1) Lies "lac Leman" (Genfer See), so wie bei der 1568er-Ausgabe von Gregorio. Alle anderen 1557er und 1568er schreiben "lyman".
2) In allen 1557er- und 1568er-Ausgaben so. Lies: "des".
3) In allen 1557er- und 1568er-Ausgaben so. Lies: "Brannouices" (= Brannovices). Die Brannoviken (auch "Aulerci Brannovices" genannt) waren ein gallischer Keltenstamm, dessen Siedlungsgebiet wohl im Gebiet um Mâcon lag. Mâcon wird in 3/69/4 und 9/70/4 genannt. Die Stadt liegt in Ostfrankreich (Burgund) an der Saône, 61 km nördlich von Lyon. Mâcon war Grenzstadt zur Bresse, die ihrerseits zum Herzogtum Savoyen gehörte. Die Grafschaft Mâcon wiederum gehörte seit dem Mittelalter zum französischen Burgund. Die Brannoviken sind in CAESARs Gallischem Krieg (7,75) Gefolgsleute der Häduer, die somit hier ebenfalls gemeint sein könnten. Die Häduer hatten ihr Zentrum zunächst in Bribracte, das etwa 15 km westlich von Autun, ihrer späteren Hauptstadt, lag. Autun seinerseits finden wir 82 km nordwestlich von Mâcon. Mit Blick auf die erwähnte Stelle bei CAESAR könnte Nostradamus die Brannoviken aber fälschlicherweise im Maine verortet haben, vgl. Anmerkung 9.
4) Oder auch: "bei, in der Nähe von".
5) Oder: "von, zu ... gehörend".
6) Aquitanien wird in 2/1/1, 3/32/1, 3/83/3 und 4/74/2 namentlich erwähnt. Mit "Aquitanien" wurden im Laufe der Geschichte unterschiedlich große Territorien in Südwestfrankreich beiderseits der Garonne bezeichnet.
7) Als "Schweizer" (Souisses) wurden im Mittelfranzösischen zunächst die Söldner bezeichnet, die aus dem Gebiet zwischen Rhein und Alpen stammten. Gemäß CLÉBERT, S. 466, taucht "Schweizer" im Französischen als Volksbezeichnung erst 1558 auf. Vgl. auch DUBOIS/MITTERAND/DAUZAT, S. 738.
8) Oder u. a. auch: "erschlagen".
9) In allen Ausgaben von 1557 und 1568 so. "D’Humaine" bedeutet "von der Guten". Wahrscheinlich liegt hier aber ein Druckfehler vor, und es sollte heißen "du Maine" (= aus [der Provinz] Maine), vgl. CLÉBERT, S. 545. Die französische Provinz Maine lag südlich der Normandie, ihre Hauptstadt war Le Mans. In CAESARs Gallischem Krieg (7,75) ist sowohl von den Aulerci Brannovices als auch von den Aulerci Cenomani die Rede. Letztere lebten im Gebiet des Maine, lat. "Cenomanensis ager". Es ist also wenigstens denkbar, dass Nostradamus die beiden Völkerschaften wegen ihres gemeinsamen Namens (Aulerci) gleichgesetzt hat. Dann würde gelten: "die aus dem Maine" = "die von den Brannoviken".
Kräfte vom Genfer See (vermutlich aus der Stadt Genf) und aus der nordwestfranzösischen Provinz Maine werden gegen Truppen aus Aquitanien (Südwestfrankreich) kämpfen. Auf der Seite der Allianz Genf-Maine werden wahrscheinlich auch Deutsche und Schweizer streiten. Maine, viele Deutsche und noch mehr Schweizer werden besiegt werden, was auf einen Sieg Aquitaniens hindeutet.

Karte zu 4/74
Leere Karte: http://histgeo.ac-aix-marseille.fr/carto/france/france12.odg (Abgerufen am 04.08.2016). Bearbeitet von Jean-Claude Pfändler am 04.10.2016.

In 7/4 ist Genf noch so mächtig, dass es dem italienischen Mirandola militärisch zu Hilfe kommen kann. Auch in 4/74 dürfte es u. a. die Rhonestadt sein, die noch über genug Potenzial verfügt, um vermutlich in Frankreich auf dem Schlachtfeld aktiv sein zu können.

In 4/74/1f. erfahren wir, dass "die vom Genfer See" und "die von den Brannoviken" gegen "die aus Aquitanien" versammelt sein werden.

Nostradamus nennt namentlich zwei Städte, die am Genfer See liegen: Genf und Lausanne (vgl. 4/9 und 4/42). Zwei Städte, die wenigstens ursprünglich in einem Bündnis vereint sein werden, da Lausanne später Genf bei Montélimar verraten wird (vgl. 4/42).

Die "Brannoviken" dürfte Nostradamus - fälschlicherweise - am ehesten im Maine angesiedelt haben, vgl. Anmerkung 9.

Die angenommene Allianz aus Genf, (mit Lausanne?) und dem Maine wird sich also zum Kampf gegen Südwestfranzosen (Aquitanien) aufstellen. In diesem Kampf werden die Brannoviken (Maine) besiegt werden, zusammen mit vielen Deutschen (Germanen) und noch mehr Schweizern (Zeilen drei und vier). Bei Deutschen und v. a. Schweizern könnte unser Seher zunächst durchaus Söldner (Landsknechte und Reisläufer) im Sinn gehabt haben, vgl. Anmerkung 7. Allerdings gibt es auf Seiten Genfs und Lausannes tatsächlich auch Verbündete aus Deutschland und der Schweiz (vgl. 7/4: Augsburg, 4/9: Schweizer). Dass Nostradamus sogar bei den "Schweizern" nicht nur an gedungene Kriegsknechte sondern an einen eigenen politischen Akteur (Staatswesen) gedacht hat, halte ich für durchaus möglich. Auch wenn dadurch die erste im Französischen nachgewiesene Erwähnung des Begriffes "Schweizer" (franz. "souisses") im heutigen Sinne um ein Jahr auf 1557 vorverlegt würde. Er hätte dann eben nur den damals bedeutenden "Exportartikel" dieses Alpenlandes synonym für dessen Bewohner im Allgemeinen verwendet. Eine Praxis, die meines Erachtens auf der Hand liegt und auch zu anderen Zeiten und an anderen Orten zu beobachten war bzw. ist (so werden im Deutschen noch heute Niederländer scherzhaft als Tulpenzwiebeln bezeichnet).

Näheres zu dieser Schlacht - etwa wo sie stattfinden wird - erfahren wir hier nicht. Es dürfte sich aber nicht um das Geschehen bei Montélimar aus 4/42 handeln, denn dort steht Genf anderen Kontrahenten gegenüber.


4/42

[1] Geneue1) & Langres2) par ceux de Chartres3) & Dolle4)
[2] Et par Grenoble5) captif7) au Mõtlimard6)
[3] Seysset8), Losanne9) par fraudulante dole,
[4] Les trahiront par or soyxante marc10).

[1] Genf1) und Langres2) [werden] von denen aus Chartres3) und Dole4)
[2] und von Grenoble5) bei Montélimar6) gefangen7) [genommen].
[3] Seyssel8) [und] Lausanne9) werden [sie] mit betrügerischer List
[4] für sechzig Mark10) Gold verraten.

1) Genf taucht namentlich in 2/64/1, 4/9/3, 4/42/1, 4/59/4, 7/4/3, 8/6/4, 9/44/1 und 10/92/3 auf. Die Stadt Genf schloss 1526 einen Städtebund mit Bern und Freiburg i. Ü., war aber noch kein Teil der "Schweiz" (bzw. der Eidgenossenschaft). Bis 1536 war die Stadt Bischofssitz, ehe dort die Reformation eingeführt und die Republik Genf ausgerufen wurde. In der Folgezeit wurde die Stadt mit Johannes Calvin zu einem Zentrum des neuen Glaubens und deswegen u. a. auch "protestantisches Rom" genannt. Neben der Stadt gab es auch die Grafschaft Genf, die ab 1424 zu Savoyen gehörte.
2) Langres wird in 1/22/3, 2/50/2, 3/51/4, 4/98/2, 5/82/3, 6/47/3 und 7/4/1 genannt. Die Stadt Langres liegt in Ostfrankreich, 64 km nordöstlich von Dijon auf dem Plateau von Langres, wo wichtige Flüsse entspringen (etwa Seine, Marne und Maas). Die Stadt war seit dem vierten Jahrhundert Bischofssitz und kam 1284 zu Frankreich. Die dortigen Bischöfe waren Pairs von Frankreich (Hochadlige) und trugen seit 1385 den Titel Herzog von Langres. Aufgrund ihrer strategischen Lage nahe Lothringen und Burgund wurde die Stadt im 14. und 15. Jahrhundert zu einer mächtigen Festung ausgebaut. Während der Renaissance erlebte Langres eine Zeit größter Blüte.
3) Chartres wird in 3/49/4, 4/42/1, 4/61/4 und 9/86/1 genannt. Es gibt in Frankreich zwei Chartres. Das bekannte Chartres etwa 78 km südwestlich von Paris und Chartres-de-Bretagne rund acht Kilometer südwestlich von Rennes, in der östlichen Bretagne. Das erstgenannte Chartres ist seit Ende der Antike Bischofssitz und seit dem 9. Jh. Zentrum der gleichnamigen Grafschaft, bis dort 1528 das Herzogtum Chartres geschaffen wurde. Die Stadt wurde in ihrer Geschichte mehrfach zerstört. Im Hundertjährigen Krieg (1337-1453) wurde Chartres von 1417 bis 1432 von den Engländern beherrscht. 1409 wurde der Vertrag von Chartres geschlossen, mit dem (vergeblich) versucht wurde, den französischen Bürgerkrieg zwischen den Armagnacs und den Burgundern (1407-1435) zu beenden. In 4/61/4 ist allerdings wohl das eher unbedeutende Chartres-de-Bretagne gemeint.
4) Dole taucht namentlich in 1/100/2, 4/42/1, 5/82/4, 6/47/3 und 7/4/1 auf. Es gibt mehrere Örtlichkeiten, die hier gemeint sein können. Zunächst die Stadt Dole im französischen Jura, rund 43 km südöstlich von Dijon. Dole gehörte zur Zeit des Nostradamus zum römisch-deutschen Reich und war seit 1422 die Hauptstadt der Freigrafschaft Burgund. In den Jahren 1479-1493 versuchte Frankreich mit Gewalt, aber letztlich erfolglos, die Stadt an sich zu bringen. Dole liegt am Fluss Doubs, d. h. an der Grenze zur ostfranzösischen Region Bresse. Von der Bresse scheint in 1/6/3, 5/82/3, 7/31/4 und 10/59/2 die Rede zu sein. Allerdings könnte bei "Bresse" auch mindestens in 7/31/4 eine italienische Lösung ins Auge zu fassen sein, in erster Linie Brescia (vgl. CLÉBERT, S. 817f.), das auf Lombardisch "Brèsa" und "Brèssa" genannt wird.
          Als Alternative zu Dole ist v. a. Dol-de-Bretagne zu nennen, das rund 49 km nördlich von Rennes liegt. Dieses würde zu Chartres-de-Bretagne passen, vgl. Anmerkung 3. Im Schweizer (Waadtländer) Jura finden wir zudem den Berg La Dôle, rund 10 km nordwestlich von Nyon gelegen.
5) Grenoble wird in 4/42/2 und 9/69/2 genannt. Die Stadt liegt in den französischen Westalpen, rund 94 km südöstlich von Lyon. Grenoble ist seit dem 4. Jh. Bischofssitz und kam 1349 mit der gesamten Dauphiné zu Frankreich. Seit 1453 war die Stadt auch offiziell Hauptstadt der Dauphiné, für die sie hier pars pro toto stehen könnte. Seit der Mitte des 14 Jh. trug der französische Kronprinz den Titel "Dauphin" (eigentlich: "Delfin"), d. h. Herr der Dauphiné.
6) Montélimar liegt links der Rhone, 68 km nördlich von Avignon. Die Stadt liegt am Rande der Provence, gehört aber noch zur Dauphiné.  
7) In der 1557er-Ausgabe von Budapest/Moskau steht korrekterweise der Plural "captifs", sonst finden wir in allen anderen Ausgaben von 1555 bis 1568 den Singular "captif".
8) In allen Ausgaben von 1555 bis 1568 so, nur Budapest/Moskau 1557 schreibt "Seisset". Aufgrund der formalen und inhaltlichen Ähnlichkeit zu 4/9/4 könnte hier einfach eine Verschreibung von "Souysse(s)" (Schweiz, Schweizer) vorliegen. "Seysset" wäre ansonsten wohl als Seyssel zu lesen, vgl. auch BRIND’AMOUR, S. 523, und CLÉBERT, S. 509. In Frankreich gibt es heute zwei Ortschaften namens Seyssel, die beide rund 35 km südwestlich von Genf und im Abstand von etwa einem halben Kilometer nebeneinander an der Rhone liegen. Im 16. Jh. waren beide noch eine einzige Gemeinde. Im Vertrag von Seyssel aus dem Jahr 1124 erkannte der damalige Graf von Genf, Aymon I., die weltliche Herrschaft des Bischofs über die Stadt an.
          Weiter existiert das weitverzweigte Haus Seyssel aus altem savoyardischem Adel. Bis zur Zeit des Nostradamus gab es einige Angehörige dieser Familie mit Bezug zu Genf, an die unser Seher gedacht haben könnte. Zu nennen wäre v. a. Charles de Seyssel (vor 1460-1513), Bischof der Stadt. Mit Blick auf die Schweizer ist dagegen Claude de Seyssel (ca. 1450-1520) von Interesse. Claude de Seyssel war ab 1511 Bischof von Marseille und ab 1517 Erzbischof von Turin. Er diente den französischen Königen Karl VIII. und Ludwig XII. als Gesandter. Als solcher erreichte er 1512 die Neutralität der Eidgenossen in den Italienkriegen. 1513 scheiterte er allerdings damit, die Schweizer zu einem Bündnis mit Frankreich zu bewegen, um so die Heilige Liga zu schwächen.
           Der Vollständigkeit halber sei hier noch auf drei weitere Möglichkeiten zur Erklärung des Begriffes "Seysset" hingewiesen: Seyssinet-Pariset, etwa vier Kilometer südwestlich von Grenoble, Seyssins, rund einen Kilometer von Seyssinet-Pariset entfernt sowie Seyssuel, etwa 22 km südlich von Lyon.
9) Lausanne wird in 4/9/4, 4/42/3 und 8/10/1 genannt. Das heute schweizerische Lausanne liegt am Nordufer des Genfer Sees. Die Stadt war seit dem sechsten Jahrhundert Bischofssitz innerhalb des Königreiches Hochburgund. Im 11. Jh. entwickelte sich das Bistum Lausanne zu einer eigenständigen Herrschaft, die aber immer wieder von den Grafen von Savoyen bedrängt wurde. 1476 zogen die Burgunder Karls des Kühnen in die Stadt ein. Nach deren Niederlage gegen die "Schweizer" bei Murten (22.06.1476) wurde Lausanne von den Eidgenossen geplündert und verwüstet. Rund ein halbes Jahrhundert später schloss die Stadt allerdings ein Bündnis mit Bern und Freiburg i. Ü. 1536 eroberte Bern das Waadtland inklusive Lausanne, wo die Reformation eingeführt wurde und der Bischof fliehen musste. Stadt und Land wurden Untertanengebiet der Berner.
           An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass es neben dem Lausanne am Genfer See in Frankreich noch eine Ortschaft namens Lozanne (gleiche Aussprache), rund 16 km nordwestlich von Lyon gibt.
10) Mit der "Mark" ist hier ein altes französisches Gewichtsmaß gemeint, das 244,75 Gramm entspricht. 60 Mark sind also umgerechnet 14,685 Kilogramm.
Gemäß finanzen.net (abgerufen am 17.06.2016) betrug in den letzten Jahren der Wert von 14,685 kg Gold in Euro:

am 31.12.1999: 134’946,18 EUR (bei 1 Feinunze (31,10 g) = 285,79 EUR)
am 31.12.2004: 152’601,23 EUR (bei 1 Feinunze (31,10 g) = 323,18 EUR)
am 31.12.2009: 361’713,74 EUR (bei 1 Feinunze (31,10 g) = 766,04 EUR)
am 31.12.2014: 461’845,61 EUR (bei 1 Feinunze (31,10 g) = 978,10 EUR).

Für Normalverdiener auch heute noch beachtliche Summen. Erst recht für die große Mehrheit von Nostradamus’ Zeitgenossen, die in aller Regel von der Hand in den Mund gelebt haben. Allerdings sollte man nicht außer Acht lassen, dass hier von Staaten bzw. Gemeinwesen und nicht von Privatpersonen die Rede ist.
Die Kräfte eines Bündnisses von Genf und Langres werden beim südfranzösischen Montélimar von einer Allianz aus Chartres, Dole und Grenoble besiegt und ausgeschaltet. Genf und Langres werden dabei zuvor von Lausanne und "Seyssel" (einem französischen Gesandten bei den Schweizern?) gegen eine Zahlung von rund 15 kg Gold verraten werden.

Karte zu 4/42
Leere Karte: http://histgeo.ac-aix-marseille.fr/carto/france/france12.odg (Abgerufen am 04.08.2016). Bearbeitet von Jean-Claude Pfändler am 05.10.2016.

Bei der südfranzösischen Rhonestadt Montélimar steht ein Bündnis aus Genf und Langres einer Allianz aus Chartres, Dole und Grenoble gegenüber (Zeilen eins und zwei). Interessant ist dabei, dass Langres von Dole bekämpft wird, währenddem in 7/4 der Herzog von Langres in Dole noch unter Belagerung steht.

Wie aus 4/42/2 zu entnehmen ist, werden Genf und Langres das Treffen bei Montélimar als Verlierer verlassen. Das schließt ein mögliches Szenario aus, das so aussähe, dass Langres sich an der Rhone durchsetzt und dann weiter nach Norden zieht und das geschlagene Dole (oder Grenoble) einnimmt. Ich vermute daher, dass 4/42 eher zum Ende einer Entwicklung gehört. Nostradamus spricht sogar davon, dass Genf und Langres bei Montélimar in Gefangenschaft gehen werden. D. h. die Truppen der beiden Städte werden nicht nur besiegt sondern deren geschlagene Reste (oder die beiden Oberkommandierenden) werden endgültig handlungsunfähig gemacht.

Die letzten beiden Zeilen offenbaren, dass die Niederlage von Genf und Langres nicht nur ein Resultat der militärischen Tüchtigkeit der Gegner sondern auch eines Verrates in den eigenen Reihen sein wird. "Seyssel" und Lausanne werden Genf und Langres für den Preis von über vierzehn Kilogramm Gold hintergehen. Doch wer verrät hier genau wen? Zeile drei ist zu entnehmen, dass "Seyssel" und Lausanne sowohl Genf wie Langres ("les") gegen Gold die Treue brechen werden. 4/9/4 berichtet davon, dass nur Genf von Lausanne und den Schweizern verraten werden wird.

Die Frage ist nun, wer in 4/42/3 mit "Seyssel" ("Seysset") gemeint ist. Die einfachste Lösung wäre, dass es sich dabei einfach um einen Druckfehler für "Souysses" (Schweizer) handelt. Dies würde perfekt zu 4/9/4 passen. Sollte dies nicht der Fall sein, müsste eine andere Lösung für "Seyssel" gefunden werden.

"Seyssel" müsste auf jeden Fall zunächst auf Seiten von Genf und Langres stehen. Möglicherweise hat Nostradamus hier an einen Gesandten - ein Pendant zu Claude de Seyssel - gedacht, vgl. Anmerkung 8. Doch wessen Gesandter könnte er sein und wo? Vielleicht wieder ein Gesandter Frankreichs bei den Schweizern (und Lausanne)? Dann könnte die Stelle so verstanden werden, dass Frankreich es zunächst mit dem Bündnis Genf-Lausanne-Schweiz-Langres hält, sich aber dann gegen dieses wendet. Und um dieses entscheidend zu schwächen, besticht der neue "Claude de Seyssel" zunächst Lausanne und dann die Schweizer (4/9/4) dazu, Genf und Langres im Kampf bei Montélimar allein zu lassen. Nutznießer dieses Seitenwechsels wären dann Chartres, Dole und Grenoble.
 
Die Stelle könnte jedoch auch so verstanden werden, dass sich "Seyssel" ebenfalls bestechen lässt. In diesem Fall würde sich aber u. a. die Frage stellen, ob ein angenommener Gesandter so viel Macht hätte, die Bündnispolitik seines Dienstherren (Frankreich) eigenmächtig zu bestimmen. Ich vermute deshalb eher, dass Nostradamus hier meint, dass "Seyssel" den Auftrag erhält, Genf und Langres zu hintergehen und dazu Lausanne mit (französischem) Gold besticht.

Etwas nicht ganz Unähnliches gab es nach Niederlage und Tod des Burgunderherzogs Karls des Kühnen (1433-1477) bei Nancy. Als es um die Aufteilung Burgunds ging, verzichteten 1479 die Eidgenossen auf die territoriale Expansion in die Freigrafschaft Burgund hinein und ließen sich als Preis dafür vom französischen König Ludwig XI. 150’000 Gulden ausbezahlen. Bei einem Gewicht von 3,54 g Gold pro Gulden entsprach dies 531 kg Gold.

Betrachten wir den bedeutenden Unterschied was die Bezahlung der Eidgenossen in den beiden Fällen angeht, darf man sich getrost die Frage stellen, ob das Gold das Hauptmotiv für den Verrat der Lausanner und Schweizer in 4/42 und 4/9 ist. Allerdings wissen wir natürlich nicht, ob der heutige Wohlstand in West- und Mitteleuropa auf Dauer aufrechterhalten werden kann. Vielleicht wird zum Zeitpunkt des hier beschriebenen Krieges die alte Armut nach Europa zurückgekehrt sein und über 14 Kilogramm Gold werden wieder ein Vermögen darstellen, über das in der Regel nur Staaten, Gemeinwesen oder Fürsten verfügen. Das würde erklären, weshalb die heute reichen Schweizer bereits mit rund 15 Kilogramm Gold "gekauft" werden können.

Die Schweiz aus der Zeit dieses Krieges scheint sich aber jedenfalls in anderer Hinsicht von der heutigen Alpenrepublik zu unterscheiden. So spricht Nostradamus in 4/9 von Genf, Lausanne und der Schweiz als drei unabhängigen Akteuren, die durch ein Bündnis vereint scheinen.

Das entspricht nur teilweise der Situation, die Nostradamus aus seiner Zeit gekannt hat. Genf hatte zwar schon 1526 ein Bündnis mit den eidgenössischen Orten Bern und Freiburg i. Ü. geschlossen, war aber tatsächlich noch kein Vollmitglied der "Schweiz". Allerdings wurden Unabhängigkeit und Sicherheit der Rhonestadt zu einem nicht unwesentlichen Teil erst durch das Bündnis mit den beiden Eidgenossen (v. a. Bern) garantiert. Lausanne und das umliegende Gebiet (Waadtland) wurden 1536 von Bern erobert und kamen so als Teil Berns zur Schweiz. Ein Bündnispartner der Schweizer war Lausanne aber nicht. Sollten sich vielleicht in der Zukunft einmal Teile der französischsprachigen Schweiz abspalten (Genf, Lausanne), die aber durch ein Bündnis mit der restlichen Schweiz verbunden bleiben?


4/9

[1] Le chef du camp au milieu de la presse1)
[2] D’vn coup de fleche sera blessé aux cuisses2),
[3] Lors que Geneue3) en larmes4) & detresse
[4] Sera trahie par Lozan5) & Souysses6).

[1] Der Anführer der Armee [wird] mitten in der Schlacht1)
[2] von einem Pfeilschuss an den Lenden2) verwundet [werden].
[3] Dann, wenn Genf3) in Tränen4) und Leid [sein wird],
[4] wird [die Stadt] von Lausanne5) und [den] Schweizern6) verraten werden.

1) "Presse" bedeutet im Mittelfranzösischen u. a. "Schlacht, Volksmenge".
2) Oder: "Hüften".
3) Genf taucht namentlich in 2/64/1, 4/9/3, 4/42/1, 4/59/4, 7/4/3, 8/6/4, 9/44/1 und 10/92/3 auf. Die Stadt Genf schloss 1526 einen Städtebund mit Bern und Freiburg i. Ü., war aber noch kein Teil der "Schweiz" (bzw. der Eidgenossenschaft). Bis 1536 war die Stadt Bischofssitz, ehe dort die Reformation eingeführt und die Republik Genf ausgerufen wurde. In der Folgezeit wurde die Stadt mit Johannes Calvin zu einem Zentrum des neuen Glaubens und deswegen u. a. auch "protestantisches Rom" genannt. Neben der Stadt gab es auch die Grafschaft Genf, die ab 1424 zu Savoyen gehörte.
4) Die beiden 1568er-Ausgaben aus Dresden und Paris schreiben fälschlicherweise "larme" (Waffe).
5) Lausanne wird in 4/9/4, 4/42/3 und 8/10/1 genannt. Das heute schweizerische Lausanne liegt am Nordufer des Genfer Sees. Die Stadt war seit dem sechsten Jahrhundert Bischofssitz innerhalb des Königreiches Hochburgund. Im 11. Jh. entwickelte sich das Bistum Lausanne zu einer eigenständigen Herrschaft, die aber immer wieder von den Grafen von Savoyen bedrängt wurde. 1476 zogen die Burgunder Karls des Kühnen in die Stadt ein. Nach deren Niederlage gegen die "Schweizer" bei Murten (22.06.1476) wurde Lausanne von den Eidgenossen geplündert und verwüstet. Rund ein halbes Jahrhundert später schloss die Stadt allerdings ein Bündnis mit Bern und Freiburg i. Ü. 1536 eroberte Bern das Waadtland inklusive Lausanne, wo die Reformation eingeführt wurde und der Bischof fliehen musste. Stadt und Land wurden Untertanengebiet der Berner.
           An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass es neben dem Lausanne am Genfer See in Frankreich noch eine Ortschaft namens Lozanne (gleiche Aussprache), rund 16 km nordwestlich von Lyon gibt.
6) Die 1557er-Ausgabe aus Budapest/Moskau und die beiden 1568er aus Dresden und Paris schreiben "Souisses". Als "Schweizer" (Souysses) wurden im Mittelfranzösischen zunächst die Söldner bezeichnet, die aus dem Gebiet zwischen Rhein und Alpen stammten. Gemäß CLÉBERT, S. 466, taucht "Schweizer" im Französischen als Volksbezeichnung erst 1558 auf. Vgl. auch DUBOIS/MITTERAND/DAUZAT, S. 738.
Genf wird von Lausanne und den Schweizern verraten werden, womit 4/9 an 4/42 anknüpft. Zu diesem Zeitpunkt wird die Rhonestadt in Tränen und Leid versinken. In einer Schlacht wird der Kommandant einer Armee von einem Pfeilschuss an den Lenden verletzt. Doch von welcher Armee und welcher Schlacht ist die Rede? Von der Genfer in der Schlacht bei Montélimar?

In 4/9/4 erfahren wir, dass Lausanne und die Schweizer jemanden verraten werden. Das ist eine Parallele zu 4/42/3f., wo Lausanne und "Seyssel" Genf und Langres hintergehen. Von Genf ist auch in 4/9/3 die Rede. Somit ist es sehr wahrscheinlich, dass Lausanne und die Schweizer hier ebenfalls der Rhonestadt die Treue brechen werden, womit die beiden Vierzeiler zusammengehören dürften.

Neu ist in 4/9/4, dass hier nicht mehr von "Seyssel" sondern von den Schweizern die Rede ist. Somit könnten die beiden identisch sein oder wenigstens in einem engen Verhältnis zueinander stehen. Wie schon zu 4/42 ausgeführt, könnte "Seyssel" ein neuer "Claude de Seyssel" sein, ein französischer Gesandter bei den Schweizern, der diese in 4/42 und 4/9 zum Bruch mit Genf bewegt. Zum Begriff "Schweizer" vgl. den Kommentar zu 4/74.

In Zeile 4/9/3 lesen wir, dass Genf zur Zeit dieses Verrates "in Tränen und Leid" sein wird. Doch warum? Die Niederlage bei Montélimar wird in der Stadt sicher keine Begeisterungsstürme auslösen. Doch scheint mir diese Niederlage allein nicht auszureichen, um Genf "in Tränen und Leid" zu stürzen. Was geschieht zu dieser Zeit in der Rhonestadt selbst? Wird die Stadt vielleicht direkt angegriffen? Oder kommt es zu Unruhen?

In der ersten Hälfte des Vierzeilers wird der Anführer einer Armee mitten in der Schlacht von einem Pfeilschuss an den Lenden verletzt werden. Doch um wen bzw. welche Armee handelt es sich? Und in welcher Schlacht wird der Anführer verletzt? Mit Blick auf die zweite Hälfte der Strophe könnte der Anführer der Genfer Truppen gemeint sein, der in der Schlacht von Montélimar verwundet wird. Sollte er an der Verletzung sterben, könnte dies Genf vielleicht tatsächlich "in Tränen und Leid" stürzen. Doch im Moment lässt sich hierzu noch nichts Genaueres sagen.












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(Letzte Änderung dieser Seite: 08.01.2017)