5.58  Die "Jupiter"-Religion. Sie wird sich dann ausdehnen, wenn der zunŠchst mŠchtige Islam zerfallen ist. Ihr erstes Opfer wird die Ukraine sein, dann gelangt sie auch nach Westen, nach Italien, und dringt in die katholische Kirche ein. Die Abwehrversuche des Papstes werden scheitern und die AnhŠnger der "Jupiter"-Religion werden die Macht in der Kirche Ÿbernehmen. Der Papst stirbt, und der christustreue Teil der Kirche wird in den Untergrund gehen. Die "Jupiter"-Kirche wird ihre Macht auch nach Frankreich ausdehnen. Zentren werden dabei das Burgund und Aquitanien sein. SpŠter wird die "Jupiter"-Kirche aber durch einen inneren Konflikt gelŠhmt werden. "Merkur", einem franzšsischen Herrscher, wird es in dieser Situation schlie§lich gelingen, den "Jupiter"-Kult militŠrisch zu vernichten und das ganze Mittelmeer zu beherrschen.

 

 

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5/24

 

[1] Le regne1) & loy2) souz Venus3) esleuŽ4),

[2] Saturne5) aura sus Iupiter6) empire:

[3] La loy & regne par le Soleil7) leuŽ,

[4] Par Saturnins8) endurera le pire.

 

[1] Die Herrschaft1) und [das] Gesetz2) unter [der] Venus3) [werden] mŠchtig4) [sein],

[2] Saturn5) wird [die] Herrschaft Ÿber Jupiter6) innehaben.

[3] Das Gesetz und [die] Herrschaft werden durch die Sonne7) hochgehoben [werden].

[4] Unter [den] Saturnleuten8) wird [er]9) das Schlimmste erdulden.

 

1) Oder auch: "Kšnigsherrschaft, Kšnigtum; Land".
2) Das mittelfranzšsische "loy" (Gesetz) kann im Ÿbertragenen Sinne auch "Glaube, Religion; Lehre" bedeuten.
3) Venus (griech. Aphrodite) war die Gšttin der Schšnheit und der (geschlechtlichen) Liebe. Sie wurde bei Zypern aus dem Schaum des Meeres geboren. Verheiratet war sie mit Vulcanus (griech. Hephaistos), dem Gott der Schmiedekunst. Sie war aber auch die Geliebte des Mars. Ihr Tag war der Freitag (lat. "dies Veneris"), weshalb sie bei Nostradamus auch fŸr den Islam steht. FŸr den Freitag vgl. 10/95/4 (5.16).
4) Das mittelfranzšsische "estre esleuŽ" (erhšht, hochgehoben sein) bedeutet u. a. auch "mŠchtig, gro§; ausgebreitet sein".Wie das "leuŽ" in der dritten Zeile als "leuŽs" ist "eleuŽ" als "eleuŽs" zu verstehen.
5) Saturn (griech. Kronos) war der Gott des Ackerbaus. Selber ein Sohn des Uranus, wurde er von seinem eigenen Sohn Jupiter gestŸrzt und floh daraufhin ins Latium, wo er die Menschen den Ackerbau lehrte. Sein Tag war der Samstag (lat. "dies Saturni"), weshalb er bei Nostradamus auch fŸr das Judentum steht. CLƒBERT, S. 596f., fŸhrt aus, dass die Zuordnung Saturn-Judentum bereits bei der hl. Birgitta von Schweden (1524) existiert.
6) Gšttervater Jupiter (griech. Zeus) war der oberste der olympischen Gštter und oberster Staatsgott des heidnischen Roms. Eines seiner Attribute war der Blitz. Der ihm geweihte Tag war der Donnerstag (lat. "dies Iovis"). Zur Zeit des Nostradamus gab es im Abendland keine Religion, die den Donnerstag als Wochenfeiertag begangen hŠtte (vgl. Anmerkungen 3 und 5). In 1/50, 10/71 und 2/28 (alle 5.48) erfahren wir aber, dass jemand den Donnerstag zum Feiertag machen wird. Allerdings scheinen diese Strophen zur biblischen Apokalypse zu gehšren. Es sei denn, in 2/28/2 wŠre tatsŠchlich von der Mondgšttin Diana ("Diane") und somit vom Montag als apokalyptischem Wochenfeiertag die Rede. Das wŸrde dann bedeuten, dass 1/50 und 10/71 nicht zur Apokalypse sondern zum "Jupiter"-Thema gehšren (vgl. GRUBER, S. 233).
          In 1/50 ist von der "Dreiergruppe des Wassers" oder vom astrologischen Wassertrigon die Rede, aus der bzw. dem jener geboren werden wird, der den Donnerstag zum Feiertag erhebt. Das Wassertrigon umfasst dabei die Tierkreiszeichen Krebs, Skorpion und Fische. Sollte Nostradamus jene Stelle astrologisch gemeint haben, wŸrden folgende Gebiete als Herkunftsregionen des "Jupiter"-Mannes in Betracht kommen (nach PTOLEM€US, Tetrabiblos 2,3): - unter dem Krebs: Numidien (Ostalgerien u. Westtunesien), Karthago, u. Africa (Tunesien u. libysche KŸste); Bithynien (nordwestl. Kleinasien), Phrygien (westl. Kleinasien sŸdl. v. Bithynien), Kolchis (westl. Georgien), - unter dem Skorpion: Metagonitis (marokkanische MittelmeerkŸste), Mauretania (Nordafrika westl. von Numidien), Gaetulien (wesentliche Teile Inneralgeriens); Syria (Syrien u. Libanon), Kommagene (SŸdtŸrkei nšrdl. von Syria), Kappadokien (zwischen Phrygien u. Kommagene), - und unter den Fischen: Phazania (Fessan: das sŸdl. Westlibyen), Nasamonitis (Libyen sŸdl. d. Gro§en Syrte), Garamantica (Zentrallibyen); Lydien (WesttŸrkei), Kilikien (SŸdkŸste d. TŸrkei), Pamphylien (westl. v. Kilikien). Der Regent der Fische ist der Jupiter. Laut PTOLEM€US verehrten die Menschen in Phazania, Nasamonitis und Garamantica Jupiter unter dem Namen Ammon.
7) Analog zu Venus und Saturn steht die Sonne bei Nostradamus fŸr das (katholische) Christentum, das den Tag der Sonne (lat. "dies Solis"), den Sonntag feiert.
8) Das sind wieder die Juden, vgl. Anmerkung 5.
9) Damit kann die Sonne (le soleil) oder Jupiter gemeint sein.

Die AnfŠnge der "Jupiter"-Religion: Der Islam wird zunŠchst gro§ und mŠchtig sein und der "Jupiter"-Kult wird vom Judentum dominiert werden. Dann steigt das Christentum auf, und die "Jupiter"-Religion wird durch die Juden Verfolgung erleiden.

 

Mit Blick auf 3/95 beschreibt 5/24 kurz die Lage verschiedener Religionen zu der Zeit, in der der Islam noch als mŠchtiger Glaube existiert (vgl. Zeile eins).

In der zweiten Zeile tauchen das Judentum (Saturn) und die neuheidnische "Jupiter"-Religion auf. Wir erfahren, dass die Juden offenbar den "Jupiter"-Kult beherrschen werden. Das kšnnte bedeuten, dass dieser Glaube im Bereich des Judentums entstehen wird. Vielleicht werden seine BegrŸnder abgefallene Juden sein; oder dieser Glaube wird in einem Gebiet entstehen, das von Juden besiedelt oder beherrscht sein wird. Mšglich wŠre auch, dass "beherrschen" hier als "unterdrŸcken" zu verstehen ist, die "Jupiter"-Religion also von den Juden zunŠchst bekŠmpft werden wird. FŸr diese Annahme sprŠche auch Zeile vier.

In der dritten Zeile spricht Nostradamus davon, dass das Christentum (Sonne) "Gesetz und Herrschaft" hochheben (nach oben bringen) wird. Doch wessen Gesetz und wessen Herrschaft? Die eigenen oder - wohl unwillentlich - die eines fremden Glaubens? Werden die Fehler der Christen fŸr den Aufstieg des Islams oder des noch unterdrŸckten "Jupiter"-Kultes verantwortlich sein?

In der vierten und letzten Zeile ist wieder von den Juden die Rede (Saturnleute). Unter diesen wird jemand das Schlimmste zu erdulden haben. Damit dŸrfte wohl am ehesten "Jupiter" bzw. dessen AnhŠngerschaft gemeint sein. Sollte die "Jupiter"-Religion, wie vermutet, innerhalb des Judentums entstehen, wŸrden diese Neuheiden wohl mindestens aus der israelitischen Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Und da sie laut Nostradamus sogar "das Schlimmste" zu erdulden haben werden, ist es denkbar, dass die Juden sie gewaltsam verfolgen werden.

 

 

3/95

 

[1] La loy2) Moricque1) on verra defaillir3):

[2] Apres vne autre beaucoup plus seductiue,4)

[3] Boristhenes5) premier viendra faillir6):

[4] Pardons7) & langue8) vne plus attractiue.

 

[1] Das maurische1) Gesetz2) wird man zerfallen3) sehen.

[2] Danach [wird] ein anderes [auftauchen, das] viel verfŸhrerischer [sein wird4)

[3] und dem die Leute am] Borysthenes5) [als] Erste anheim fallen6) werden.

[4] Wegen [seiner] Geschenke7) und [seiner] Sprache8) [ist es] ein attraktiveres [Gesetz].

 

1) "Maurisch" (franz. mauresque/moresque) bezieht sich auf die Mauren (nordafrikanische Araber), die zwischen dem 8. und 15. Jahrhundert auch auf der Iberischen Halbinsel herrschten. Das Gesetz oder die Lehre, die sie nach Europa brachten, war der Islam.
2) Das mittelfranzšsische "loy" (Gesetz) kann im Ÿbertragenen Sinne auch "Glaube, Religion; Lehre" bedeuten.
3) Neben "zerfallen, sterben, verschwinden" bedeutet "dŽfaillir" auch: "fehlen (nicht vorhanden sein), Fehler begehen, schwach werden".
4) Die ersten beiden Zeilen lie§en sich auch so verstehen: "Das maurische Gesetz wird man zerfallen sehen nach einem anderen, das viel verfŸhrerischer [sein wird]."
5) "Borysthenes" ist der antike Name des Flusses Dnjepr. Dieser entspringt in Russland, flie§t zuerst durch Wei§russland und dann durch die Ukraine ins Schwarze Meer. Der ukrainische Abschnitt ist dabei der bedeutendste Teil dieses Stromes. "Borysthenes" war zudem der Name der Insel Beresan im MŸndungsgebiet des Dnjepr, die von Griechen besiedelt war. CLƒBERT, S. 450, verweist auf HERODOT, demgemŠ§ die Einwohner von Borysthenes sich den Rasereien der dionysischen Mysterien hingegeben hŠtten.
6) Diese Stelle lŠsst auf zwei Arten verstehen. Es wŠre erstens mšglich, dass die Leute am Dnjepr freiwillig diesen neuen Kult Ÿbernehmen, also dessen Verlockungen als Erste anheim fallen. Oder zweitens: sie werden dazu gezwungen, weil z. B. eine fremde Macht das Land besetzt hat. Eine Macht, in der dieser neue Glaube zur Staatsreligion geworden ist, und die nun versucht, ihren Herrschaftsraum zu erweitern. In diesem Fall wŠre das Land am Dnjepr das erste Opfer dieser Expansion.
7) In den beiden Ausgaben von 1555 steht hier "Pardons" (Verzeihungen), in den 1557ern "Par dons" (durch Geschenke), was inhaltlich mehr Sinn ergibt. Bei diesen "Geschenken" hat Nostradamus mšglicherweise an das lat. "munera" gedacht, was neben "Geschenken" u. a. auch "Festspiele, šffentliche Schauspiele" bedeuten kann.
8) Hier mšglicherweise im Sinne von "Beredsamkeit", vgl. lat. "lingua" und "oratio".

Die AnfŠnge der "Jupiter"-Religion: Der Islam wird zerfallen, dann taucht aber eine andere Lehre auf (der "Jupiter"-Kult), der die Ukraine als erstes Land anheim fallen wird. Durch materielle Zuwendungen und schšne Worte wird die neue Lehre attraktiver sein als der Islam.

 

In der ersten Zeile ist vom "maurischen Gesetz" die Rede, wahrscheinlich vom Islam, vgl. Anmerkung 1. Er wird zerfallen, d. h. wohl seine Bedeutung, Macht und Grš§e verlieren. Ob der Islam zur GŠnze verschwinden oder in †berresten weiter existieren wird, lŠsst sich hier nicht sagen, vgl. Anmerkung 3. Ebensowenig erfahren wir Ÿber die Ursache dieses Zerfalls. Es wŠre aber denkbar, dass die Niederlage im Kampf um das Abendland ("CHYREN"-Thema) mit ursŠchlich fŸr diese Entwicklung sein wird.

Nach dem Ende des Islams als weltbestimmende Macht wird ein anderes Gesetz, eine andere Lehre auftauchen, die viel verfŸhrerischer sein wird als Muhammads Religion (zweite Zeile).

In der vierten Zeile erfahren wir, dass diese neue Lehre wegen ihrer "Geschenke" und ihrer "Sprache" attraktiver als der Islam sein wird. Unser Seher hat hier vielleicht an beeindruckende oder verfŸhrerische šffentliche FestivitŠten (vgl. Anmerkung 7) und an schšne Worte und Versprechungen (vgl. Anmerkung 8) gedacht, die diese Lehre den Menschen machen wird.

GemŠ§ Zeile drei wird die Ukraine entweder das erste Land sein, dass diesen Glauben freiwillig annimmt oder das erste, dass der Expansion einer Macht anheim fŠllt, in der diese Lehre Staatsreligion ist (vgl. Anmerkung 6).

Leider erfahren wir in dieser Strophe nichts Weiteres Ÿber diese Religion. Die ErwŠhnung der wohl sinnenfreudigen Šu§eren Erscheinung dieses Glaubens kšnnte allerdings als Verweis auf das antike Heidentum interpretiert werden. Und in diesem Zusammenhang bšte sich wiederum die neuheidnische "Jupiter"-Religion als Identifizierung an. 4/33/1 (5.50) kšnnte diese Hypothese vielleicht erhŠrten. Wir erfahren dort, dass "Jupiter" inhaltlich oder zeitlich nŠher bei der Venus (Islam) als beim Mond (zweites Tier der Apokalypse) stehen wird. Dieser Hinweis lie§e sich so verstehen, dass "Jupiters" gro§e Zeit jener des Islams folgen wird und nicht im Umfeld der biblischen Apokalypse zu suchen ist, was aufgrund des neuheidnischen Inhalts dieser Religion naheliegen wŸrde.

 

 

 

4/43

 

[1] Seront ouys au ciel les armes battre:1)

[2] Celuy an mesme les diuins ennemis:2)

[3] Voudront loix3) sainctes iniustement debatre4),

[4] Par foudre5) & guerre bien croyans ˆ mort mis.

 

[1] Es werden die Waffen gehšrt, die am Himmel kŠmpfen.1)

[2] [In] jenem Jahr [werden] selbst die Gšttlichen Feinde.2)

[3] [Sie] werden [die] heiligen Gesetze3) ungerechtfertigterweise debattieren4).

[4] Durch [den] Blitz5) und [den] Krieg [werden] RechtglŠubige getštet [werden].

 

1) Hier greift Nostradamus einmal mehr auf die Vorzeichensammlung des Julius OBSEQUENS zurŸck. GemŠ§ dieser wurde im Jahr 104 v. Chr. in Rom beobachtet wie himmlische Waffen aus dem Westen gegen solche aus dem Osten kŠmpften, wobei jene aus dem Westen siegten (Kapitel 43). Zudem wurden im Jahr 154 v. Chr. in Compsa (heute Conza della Campania) am Himmel Waffen fliegen gesehen (Kapitel 17). Im Jahr 106 v. Chr. fielen Speere vom Himmel (Kapitel 41). Und fŸr das Jahr 43 v. Chr. berichtet OBSEQUENS von Waffen und Wurfgeschossen, die in den Himmel aufgestiegen seien (Kapitel 69). Nostradamus spricht zudem auch in 1/64/3 (5.133) von einer am Himmel geschlagenen Schlacht und in 2/85/4 (5.34) von WaffenlŠrm am Himmel.
2) Eine Parallele zum Kampf um Troja, bei dem selbst die Gštter sich in zwei feindlichen Lagern gegenŸber gestanden haben sollen. Partei fŸr die Griechen ergriffen dabei Hera (Juno), Pallas Athene (Minerva), Poseidon (Neptun), Hermes (Merkur) und Hephaistos (Vulcanus). Auf der Seite der Trojaner standen Ares (Mars), Phoibos (Apollo), Artemis (Diana), Leto (Latona), Skamander (ein Flussgott bzw. Fluss nahe Troja) und Aphrodite (Venus). Da den Gšttern auch Gestirne und Sternzeichen zugeordnet wurden, kšnnte hier z. B. von astrologisch-astronomischen Vorzeichen die Rede sein. Vgl. 1/91/1f.
          Oder man sieht in "les diuins ennemis" das Subjekt der dritten Zeile und versteht die "gšttlichen Feinde" als Streitparteien in religišsen ("gšttlichen") Fragen. Vgl. dazu BRINDÕAMOUR, S. 524, PRƒVOST, S. 63f., GRUBER, S. 150f., und CLƒBERT, S. 509.
3) Das mittelfranzšsische "loy" (Gesetz) kann im Ÿbertragenen Sinne auch "Glaube, Religion; Lehre" bedeuten.
4) Auch im Sinne von "anfechten, bestreiten; angreifen, bekŠmpfen".
5) Blitze haben einen festen Platz in der Vorzeichenliteratur. Bei OBSEQUENS finden wir sie in den Kapiteln 1, 3, 5, 7, 11f., 14-17, 24f., 27, 28, 29, 31, 36-38, 41, 43f., 46, 47, 49f., 52-54, 56a f., 61, 63, 65a, (66), 68f. und 71. Bei Nostradamus werden sie wšrtlich in 1/26, 1/65, 2/51, 2/76, 3/6, 3/13, 3/44, 4/35, 4/43, 4/54, 4/99, 8/2, 8/6, 9/19 und 9/36 erwŠhnt. In der antiken Mythologie war der Blitz ein Attribut des Jupiter (Zeus). Im Mittelfranzšsischen bedeutet "fou(l)dre" neben "Blitz" zudem auch "Verurteilung".

Neuer Kampf um Troja bzw. dessen Tochterstadt Rom. Die AnhŠnger der "Jupiter"-Religion sto§en militŠrisch vor und in der Kirche stellt man die heiligen Lehren infrage.

 

Mit dem "Blitz" in der vierten Zeile ist wohl Jupiter gemeint (vgl. Anmerkung 5), was den Vierzeiler der neuheidnischen "Jupiter"-Religion zuordnet. Dieser Kult ist hier auf dem Vormarsch. Der Vormarsch scheint (auch) militŠrisch vonstatten zu gehen, denn RechtglŠubige (Christen) werden vom "Blitz" und vom "Krieg" getštet werden.

Laut Zeile drei wird man dann die "heiligen Gesetze (Lehren)" ungerechtfertigterweise zur Diskussion stellen. Damit sind wohl die Lehren der katholischen Kirche gemeint. Da gemŠ§ 5/77 die Kirche spŠter in eine heidnische Kultgemeinschaft der "Jupiter"-Religion umgewandelt werden wird, ist zu vermuten, dass die in die Kirche eingedrungenen AnhŠnger dieses neopaganen Glaubens fŸr die Diskussion bzw. das Infragestellen der traditionellen katholischen Lehre verantwortlich sein werden.

Unklar ist, warum Nostradamus in der ersten Zeile OBSEQUENSÕ Vorzeichensammlung zitiert. Hat unser Seher vielleicht moderne LuftkŠmpfe gesehen? Oder werden tatsŠchlich derartige Vorzeichen beobachtet werden?

Was ist mit den zu Feinden werdenden Gšttlichen und dem RŸckgriff auf den Trojanischen Krieg in den ersten beiden Zeilen gemeint? Da die alten Gštter u. a. auch als Gestirne am Himmel standen, kšnnten spezielle astrologisch-astronomische Konstellationen gemeint sein. Und sollte der erwŠhnte Krieg vielleicht tatsŠchlich besonders das Gebiet des alten Trojas (das nordwestliche Kleinasien) heimsuchen? Mindestens so denkbar dŸrfte allerdings sein, dass hier nicht um das untergegangene Troja sondern um dessen Tochterstadt Rom gekŠmpft werden wird.

 

 

 

1/91

 

[1] Les dieux feront aux humains apparence,1)

[2] Ce quils seront auteurs de grand conflit:2)

[3] Auant ciel veu serain3) espŽe & lance4),

[4] Que vers main gauche5) sera plus grand afflit6)

 

[1] Die Gštter werden [es] den Menschen aufzeigen,1)

[2] dass sie [die] Urheber des gro§en Konfliktes sein werden.2)

[3] Bevor [der] Himmel klar3) gesehen [wird, erscheinen] Schwert und Lanze4),

[4] so dass es in Richtung linker Hand5) [die] grš§ere Zerstšrung geben wird.6)

 

1) Oder auch nur: "Die Gštter werden bei den Menschen [den] Anschein erwecken".
2) Eine Parallele zum Trojanischen Krieg, der im Mythos auf die Machenschaften der Gštter zurŸckgeht und in dem sich diese in zwei feindlichen Lagern gegenŸber standen. Partei fŸr die Griechen ergriffen dabei Hera (Juno), Pallas Athene (Minerva), Poseidon (Neptun), Hermes (Merkur) und Hephaistos (Vulcanus). Auf der Seite der Trojaner standen Ares (Mars), Phoibos (Apollo), Artemis (Diana), Leto (Latona), Skamander (ein Flussgott bzw. Fluss nahe Troja) und Aphrodite (Venus). Da den Gšttern auch Gestirne und Sternzeichen zugeordnet wurden, kšnnte hier z. B. von astrologisch-astronomischen Vorzeichen die Rede sein. Vgl. 4/43/2.
3) Auch: "ruhig, friedlich". Das Substantiv "serain" bedeutet zudem "Abend".
4) Falls "Schwert und Lanze" an besagtem Himmel erscheinen sollten, greift Nostradamus wieder auf die Vorzeichensammlung des OBSEQUENS zurŸck. GemŠ§ dieser wurde im Jahr 104 v. Chr. in Rom beobachtet wie himmlische Waffen aus dem Westen gegen solche aus dem Osten kŠmpften, wobei jene aus dem Westen siegten (Kapitel 43). Zudem wurden im Jahr 154 v. Chr. in Compsa (heute Conza della Campania) am Himmel Waffen fliegen gesehen (Kapitel 17). Im Jahr 106 v. Chr. fielen Speere vom Himmel (Kapitel 41). Und fŸr das Jahr 43 v. Chr. berichtet OBSEQUENS von Waffen und Wurfgeschossen, die in den Himmel aufgestiegen seien (Kapitel 69). Nostradamus spricht zudem auch in 1/64/3 (5.133) von einer am Himmel geschlagenen Schlacht und in 2/85/4 (5.34) von WaffenlŠrm am Himmel. Als Attribute verstanden, kšnnten Schwert und Lanze aber auch einfach fŸr den Kriegsgott Mars stehen, dessen Erscheinen Nostradamus hier ankŸndigt.
5) Nach altršmischem Ritus stand der Augur (hier wŠre das der Seher Nostradamus) mit dem Gesicht nach SŸden, so dass seine linke Hand nach Osten wies. Nach einer jŸngeren griechischen Auffassung stand der Augur allerdings mit dem Gesicht Richtung Norden, so dass der Westen auf seiner linken Seite zu liegen kam. Mit Blick auf 1/34 (5.114) ist mit "links" wohl eher der Westen gemeint. Den Osten vermutet hier CLƒBERT, S. 200 bzw. 105.
6) Oder auch: "so dass in Richtung linker Hand der Grš§te betrŸbt sein wird". Zu "afflit" als Substantiv siehe BRINDÕAMOUR, S. 177.

Neuer Kampf um Troja bzw. dessen Tochterstadt Rom. Warnende Vorzeichen am Himmel werden zu spŠt verstanden, so dass es im Westen oder im Lager des Westens die grš§ere Zerstšrung geben wird.

 

Wie 4/43/2 greifen auch die ersten beiden Zeilen von 1/91 auf den Trojanischen Krieg zurŸck. Wir erfahren, dass die Gštter den Menschen mitteilen werden, dass sie - die Himmlischen - die Urheber des gro§en Konflikts sind. Das wŸrde zu speziellen am Firmament sichtbaren Konstellationen passen, die auf den Ausbruch eines Krieges hindeuten, vgl. Anmerkung 4.

In der dritten Zeile erfahren wir, dass "Schwert und Lanze" erscheinen werden, bevor man den Himmel "klar" sehen wird. Mit diesen Waffen kšnnten wieder himmlische Vorzeichen aus der Sammlung des OBSEQUENS gemeint sein (vgl. 4/43/1). Oder das Erscheinen von Kriegsgott Mars, d. h. der Ausbruch des Krieges (vgl. Anmerkung 4). Das "klar sehen" ist mšglicherweise als das richtige Deuten der Vorzeichen oder Konstellationen am Himmel zu verstehen. Man wird diese also vielleicht erst richtig interpretieren, wenn der Krieg schon begonnen hat.

Der vierten Zeile ist zu entnehmen, dass es gegen Westen hin die grš§ere Zerstšrung geben wird als im Osten (vgl. allerdings Anmerkung 5). Falls hier tatsŠchlich ein neuer "Kampf um Troja" (bzw. dessen Tochterstadt Rom) stattfinden sollte lie§e sich die Stelle so verstehen, dass dieses Mal die šstliche Seite (die "Trojaner") den Sieg Ÿber die "Griechen" aus dem Westen davon tragen werden. Sollten hier die neuen "Trojaner" vielleicht die AnhŠnger des von Osten anrŸckenden "Jupiters" sein?

 

 

3/6

 

[1] Dans temples1) clos le foudre2) y entrera3),

[2] Les citadins dedans leur[s] forts4) greuŽs:

[3] Cheuaux, beufs, h›mes. lÕ›de5) mur touchera,

[4] Par faim, soif sous les plus foibles arnŽs6).

 

[1] In [die] geschlossenen Tempel1) wird der Blitz2) einschlagen3).

[2] Die BŸrger in ihren Befestigungen4) [werden] bedrŠngt [werden].

[3] [Von] Pferden, Ochsen [und] Menschen. Die Welle5) wird [die] Mauer erreichen.

[4] Neben Hunger [und] Durst [sind sie] unter den schwŠchsten RŸstungen6).

 

1) In den Ausgaben von 1555 und 1557 steht hier "temples". BRINDÕAMOUR, S. 344, PRƒVOST, S. 50 und CLƒBERT, S. 350 sehen hier den Singular "temple" gemeint. "Tempel" sind Kirchen, vgl. lat. "templum" (u. a. Tempel, Kirche).
2) Blitze haben einen festen Platz in der Vorzeichenliteratur. Bei OBSEQUENS finden wir sie in den Kapiteln 1, 3, 5, 7, 11f., 14-17, 24f., 27, 28, 29, 31, 36-38, 41, 43f., 46, 47, 49f., 52-54, 56a f., 61, 63, 65a, (66), 68f. und 71. Bei Nostradamus werden sie wšrtlich in 1/26, 1/65, 2/51, 2/76, 3/6, 3/13, 3/44, 4/35, 4/43, 4/54, 4/99, 8/2, 8/6, 9/19 und 9/36 erwŠhnt. In der antiken Mythologie war der Blitz ein Attribut des Jupiter (Zeus). Im Mittelfranzšsischen bedeutet "fou(l)dre" neben "Blitz" zudem auch "Verurteilung".
3) Oder auch einfach: "einziehen".
4) In den beiden Ausgaben von 1555 steht "leur forts", 1557 "leux fors" (Utrecht) bzw. "leur fors" (Moskau/Budapest). "Fort" bedeutet neben "Festung" u. a. auch "Befestigung, Festungswerk".
5) BRINDÕAMOUR, S. 345, PRƒVOST, S. 51, und CLƒBERT, S. 350f., sehen hier eine †berschwemmung gemeint. Eine †berschwemmungskatastrophe, die Pferde, Ochsen und Menschen einer Stadt (-mauer) entgegenschwemmen wird. Ich vermute hier allerdings eher, dass diese "Flut" aus den erwŠhnten Tieren und Menschen selber bestehen wird und entweder angreifende Armeen oder FlŸchtlingsstršme meint. Vgl. lat. "unda" (u. a. Welle, unruhige Menge).
6) In den beiden Ausgaben von 1555 steht hier "arnŽs", in jenen von 1557 "armŽs". BRINDÕAMOUR, S. 344f., versteht die letzte Zeile dahingehend, dass mit "sous" das lat. "sucidus" (schmutzig) gemeint und substantiviert worden sei (also: "Schmutz") und mit "arnŽs" "das Kreuz gebrochen", "erschšpft", wobei "arner" eine Form von "esrener" wŠre. In die gleiche Richtung geht CLƒBERT, S. 350. Er fŸhrt "sous" auf das lat. "sus" (Schwein) zurŸck und sieht hier Dreck oder Schlamm gemeint. In "arnŽs" erblickt er "navrŽs" (heimgesucht). Meines Erachtens besteht allerdings kein Ÿberzeugender Grund, in "sous" etwas Anderes als die bekannte PrŠposition ("unter") zu sehen. Falls, wie ich vermute, hier von kriegerischen Auseinandersetzungen bzw. deren Folgen die Rede ist, bšte es sich an, "arnŽs" als "harnŽs" (RŸstungen, Harnische) zu verstehen.

Die "Jupiter"-Religion wird in die geschlossenen christlichen Kirchen einziehen. Eine Stadt - wohl Rom - wird angegriffen und belagert werden.

 

In der ersten Zeile erfahren wir, dass der "Blitz" in die geschlossenen Kirchen einschlagen oder einziehen wird, vgl. Anmerkung 3. Mit dem "Blitz" ist wohl Jupiter bzw. die neuheidnische "Jupiter"-Religion gemeint, die sich der Kirchen bemŠchtigt, die zuvor bereits aufgegeben (geschlossen) wurden.

Zeile zwei berichtet von einer Stadt, deren BŸrger sich offenbar in Befestigungswerken befinden, wo sie bedrŠngt werden. Die Stadt wird also angegriffen.

Eine Flut ("Welle") von Pferden, Ochsen (Zugtiere) und Menschen brandet bei diesem Angriff in der dritten Zeile gegen die "Mauer" - wohl die Stadtmauer der Stadt aus der zweiten Zeile.

In der vierten Zeile lesen wir von Menschen, die unter Hunger und Durst leiden und offenbar nur schwach bewaffnet sind. Das sind wahrscheinlich die in der oben genannten Stadt belagerten BŸrger, die ausgehungert werden. Doch um welche Stadt kšnnte es sich handeln?

Beim militŠrischen Vordringen der "Jupiter"-AnhŠnger werden wohl viele StŠdte belagert werden. Ich vermute allerdings, dass Nostradamus hier, in 4/43 sowie in 1/91 an das "zweite Troja", Rom, gedacht hat. Die Stadt, die als Zentrum der Kirche zu den Hauptzielen der "Jupiter"-AnhŠnger gehšren dŸrfte. 


 

 

 

3/44

 

[1] Quand lÕanimal1) ˆ2) lÕhomme domestique3)

[2] Apres gr‹ds peines & saults4) viendra parler5):

[3] Le foudre6) ˆ vierge7) sera si maleficque,

[4] De terre prinse, & suspendue8) en lÕair.

 

[1] Wenn das Haustier1) [dazu kommen wird,] zum2) Christenmenschen3)

[2] nach gro§en Leiden und Niederlagen4) zu sprechen5).

[3] [Dann] wird der Blitz6) der Jungfrau7) so schŠdlich sein,

[4] [dass sie] von der Erde genommen und in die Luft gehŠngt8) [werden wird].

 

1) Das mittelfranzšsische "animal" (Tier) kann im Ÿbertragenen Sinn auch einen dummen Menschen bezeichnen. Vgl. dazu auch lat. "pecus" (Vieh, Kleinvieh, Haustier; dummer oder roher Mensch). Falls sich das "domestique" auf dieses Tier bezieht, hŠtten wir ein Haustier vor uns, vielleicht einen Hund, vgl. Anmerkung 3.
2) Wahrscheinlich gehšrt dieses "ˆ" zum "parler" der zweiten Zeile. Falls mit dem "(Haus-) Tier" und dem "(Christen-) Menschen" aber ein und dieselbe Person gemeint sein sollte, kšnnte die erste Zeile auch verstanden werden als "wenn der Idiot von Christenmensch".
3) Das mittelfranzšsische "domestique" (hŠuslich, zum Haus gehšrend usw.) bedeutet u. a. auch "der Christenheit zugehšrig". Falls das Adjektiv sich auf "lÕhomme" bezieht, kšnnte hier somit von einem Christenmenschen die Rede sein. Sollte es jedoch, wie etwa BRINDÕAMOUR, S. 391, meint, zu "lÕanimal" gehšren, hŠtten wir einfach ein Haustier vor uns, das zum Menschen sprechen wird. In obiger †bersetzung wurde "domestique" sowohl auf das "Tier" wie auch den Menschen bezogen, allerdings mit jeweils unterschiedlichem Sinngehalt.
          Sprechende Tiere gehšren zum Repertoire der Vorzeichenliteratur. Bei OBSEQUENS finden wir sprechende Rinder in den Kapiteln 15, 26, 27 und 43. In Kapitel 43 zudem noch einen sprechenden Hund. Sprechende wilde Tiere erwŠhnt Nostradamus in 5.133: 1/64/4 ("bestes brutes"), die dort dumme Menschen meinen kšnnten.
4) Das mittelfranzšsische "sault" (Sprung) bedeutet u. a. auch "Ansturm, Sturmangriff". Mit Blick auf die Wendung "prendre le sault" (fallen, eine Niederlage einstecken) gleichfalls "Niederlage". Vgl. auch lat. "saltus" (u. a. bedenkliche Lage).
5) "Parler" (sprechen) bedeutet u. a. auch noch "verhandeln".
6) Blitze haben einen festen Platz in der Vorzeichenliteratur. Bei OBSEQUENS finden wir sie in den Kapiteln 1, 3, 5, 7, 11f., 14-17, 24f., 27, 28, 29, 31, 36-38, 41, 43f., 46, 47, 49f., 52-54, 56a f., 61, 63, 65a, (66), 68f. und 71. Bei Nostradamus werden sie wšrtlich in 1/26, 1/65, 2/51, 2/76, 3/6, 3/13, 3/44, 4/35, 4/43, 4/54, 4/99, 8/2, 8/6, 9/19 und 9/36 erwŠhnt. In der antiken Mythologie war der Blitz ein Attribut des Jupiter (Zeus). Im Mittelfranzšsischen bedeutet "fou(l)dre" neben "Blitz" zudem auch "Verurteilung".
7) Die letzten beiden Zeilen erinnern an OBSEQUENS, Kapitel 37. Dort wird berichtet, wie die jungfrŠuliche Tochter des Ritters P. Elvius vom Blitz erschlagen wurde. Elvius war zuvor offenbar bei den Ludi Romani (den "ršmischen Spielen") gewesen, die jeweils vom 4. bis 19. September eines Jahres zu Ehren Jupiters ausgetragen wurden. Auf dem RŸckweg ins heimatliche Apulien wurde seine ihn begleitende Tochter auf dem Sternenfeld (Stellas Ager bzw. Campus in Kampanien) vom Blitz getroffen, wobei die Kleidung bis zu den Geschlechtsteilen hochgezogen und die Zunge herausgestreckt wurde, wie wenn der Blitz, die unteren Kšrperregionen passierend, beim Mund hervorgezuckt wŠre. Allerdings steht in der Quelle nichts davon, dass die Tochter in die Luft gehoben oder "gehŠngt" worden sei.          

          Betrachten wir das Paar Blitz-Jungfrau auf der religišsen Ebene, so ist der Blitz wohl mit der in 5/77 erwŠhnten neuheidnischen "Jupiter"-Religion gleichzusetzen. Mit der "Jungfrau" dŸrfte hingegen auf die Muttergottes, die heilige Jungfrau Maria verwiesen werden. In der Apokalypse (5.48: 10/98) ist ebenfalls von einer "Jungfrau" die Rede. Dort ist mit ihr, d. h. der Muttergottes, meines Erachtens die Kirche (als Organisation) gemeint, die sich in die Hure Babylon verwandelt. In 3/44/3f. scheint nun die "Jupiter"-Religion die Kirche "aufzuhŠngen". Bedeutet das aber nun, dass die Kirche vernichtet werden wird? Nein! Abgesehen davon, dass Jesus dem Apostel Petrus versichert hat, dass die Kirche nie untergehen wird (MatthŠus 16,18) sagt auch Nostradamus in seiner Apokalypse voraus, dass der letzte Papst sein Amt dem wiedergekommenen Herrn Ÿbergeben wird (5.48: 8/95). Das ist aber nur mšglich, wenn das Papstamt bzw. die dazu gehšrende Kirche bis zum Schluss existiert. Aus 3/44/3f. kann man allerdings schlie§en, dass die "Jupiter-Religion" wohl die Vernichtung der Kirche versuchen und ihr sehr schwer zusetzen wird. Mšglicherweise wird die Kirche sogar ihre Funktionen eine Zeit lang nicht mehr erfŸllen kšnnen - wenigstens nicht šffentlich. Nostradamus dŸrfte gerade in diesem Zusammenhang nicht zufŠllig statt "pendre" (aufhŠngen) das mehrdeutige "suspendre" verwendet haben (vgl. Anmerkung 8).
8) Das mittelfranzšsische "suspendre" bedeutet neben "aufhŠngen" u. a. auch "suspendieren, jemanden seiner Funktion oder TŠtigkeit entbinden".

Der AnfŸhrer der "Jupiter"-Religion (das "Haustier": Hund?) wird mit dem AnfŸhrer der Christen sprechen, nachdem er letzterem gro§e Leiden und Niederlagen zugefŸgt hat. Der "Jupiter"-Kult wird dann fŸr die Kirche tšdlich sein.

 

In der zweiten HŠlfte der Strophe tauchen zwei Figuren auf, die wir kennen. Zum einen der "Blitz", der wohl die neuheidnische "Jupiter"-Religion meint (vgl. Anmerkung 6) und die "Jungfrau", die wahrscheinlich fŸr die Kirche bzw. deren Urbild, die Muttergottes, stehen dŸrfte (vgl. Anmerkung 7). Dabei erfahren wir, dass "Jupiter" der Kirche derart schaden wird, dass sie regelrecht "aufgehŠngt" oder von ihren eigentlichen Aufgaben "suspendiert" zu sein scheint (vgl. Anmerkungen 7 und 8).

Unklar sind die ersten beiden Zeilen. Es scheint zwei Akteure zu geben. Zum einen ein "Tier" oder "Haustier" (vgl. Anmerkungen 1 und 3) und zum anderen einen "Menschen" oder "Christenmenschen" (vgl. Anmerkung 3).

In Zeile zwei erfahren wir, dass jemand gro§e Leiden und Niederlagen wird ertragen mŸssen. Mit Blick auf die dritte Zeile dŸrften das der Christenmensch sein. Konkret wohl der Papst, das Oberhaupt der "Jungfrau" (Kirche) oder vielleicht auch ein anderer bedeutender FŸhrer der Christenheit.

Mit dem "Haustier" (Hund, vgl. Anmerkung 3?) mŸsste demzufolge ein Gegner der Kirche und Exponent der "Jupiter"-Religion gemeint sein. Dieser wird anscheinend erst zum Christenmenschen sprechen bzw. mit ihm verhandeln, wenn er letzterem empfindliche SchlŠge zugefŸgt hat.

Doch warum sollte der Feind, der Exponent der neuheidnischen "Jupiter"-Religion als "Hund" bezeichnet werden? In der Bibel gibt es hierzu einige interessante Stellen, an die Nostradamus gedacht haben kšnnte. Es geht in diesen um Irrlehrer, die vom Glauben an Jesus Christus abgefallen sind. Besonders interessant ist dabei das zweite Kapitel des zweiten Petrusbriefes, in dem u. a. auch ein sprechendes Tier - ein Esel (vgl. Numeri 22,28f.) - auftaucht:

"[...] so wird es auch bei euch falsche Lehrer geben. Sie werden verderbliche Irrlehren verbreiten und den Herrscher, der sie freigekauft hat [Jesus Christus], verleugnen; [...]" (2 Petr 2,1).

"Sie haben den geraden Weg verlassen und sind in die Irre gegangen. Sie folgten dem Weg Bileams, des Sohnes Bosors; ihm ging es nur um den Lohn fŸr sein Unrecht, aber er wurde wegen seines Vergehens zurechtgewiesen: Ein stummes Lasttier redete mit menschlicher Stimme und verhinderte das wahnwitzige Vorhaben des Propheten"
(2 Petr 2,15f.).

"Sie fŸhren geschwollene und nichts sagende Reden; sie lassen sich von ihren fleischlichen Begierden treiben und locken mit ihren Ausschweifungen die Menschen an, die sich eben erst von denen getrennt haben, die im Irrtum leben"
(2 Petr 2,18).

"Sie waren dem Schmutz der Welt entronnen, weil sie den Herrn und Retter Jesus Christus erkannt hatten; wenn sie sich aber von neuem davon fangen und ŸberwŠltigen lassen, dann steht es mit ihnen am Ende schlimmer als vorher. Es wŠre besser fŸr sie, den Weg der Gerechtigkeit gar nicht erkannt zu haben, als ihn erkannt zu haben und sich danach wieder von dem heiligen Gebot abzuwenden, das ihnen Ÿberliefert worden ist. Auf sie trifft das wahre Sprichwort zu: Der Hund kehrt zurŸck zu dem, was er erbrochen hat, und: Die gewaschene Sau wŠlzt sich wieder im Dreck" (2 Petr 2,20-22).

Unser Seher kšnnte hier mit dem "Haustier" bzw. dem Hund den oder einen AnfŸhrer der "Jupiter"-AnhŠnger meinen, der somit ein abgefallener Christ sein mŸsste. Jemand, der, wenn wir Petrus folgen, wie ein Hund zu seinem Erbrochenen, zum "Schmutz der Welt"  (dem Heidentum in Form des "Jupiter"-Kultes) zurŸckkehrt.

 

 

2/56

 

[1] Que1) peste4) & glaiue nÕa3) peu2) seu definer

[2] Mort dans le puys5), sommet6) du ciel frappŽ7).

[3] LÕabbŽ8) mourra quand verra ruiner9)

[4] Ceulx du naufraige lÕescueil10) voul‹t grapper

 

[1] [Der,] der1) es nicht im Mindesten2) verstanden hat3), Pest4) und Schwert zu beenden,

[2] [liegt] tot im Brunnen5). [Der] hšchste Punkt6) [wird] vom Himmel geschlagen [sein]7).

[3] Der Abt8) wird sterben, wenn [er] sehen wird,

[4] [wie] die vom Schiffbruch [zugrunde gehen9), wenn sie] die Klippe10) ergreifen wollen.

 

1) "Que" (was) kann im Mittelfranzšsischen u. a. auch "qui" (wer) bedeuten. Ansonsten hie§e es hier: "[Das,] was ..."
2) CLƒBERT, S. 285, korrigiert hier "ne ... peu" (nicht im Mindesten) zu "ne ... pas" (nicht).
3) Das konjugierte Verb scheint sich hier auf das "que" und nicht auf "peste & glaiue" zu beziehen. Da die fŸr den Bezug auf "peste & glaiue" notwendige Pluralform ("ont") die Silbenzahl nicht verŠndern wŸrde, kann die Verwendung von "a" wohl auch nicht einfach als dichterischer Kunstgriff verstanden und trotzdem "peste & glaiue" zugeordnet werden.
4) "Pest" steht im Mittelfranzšsischen fŸr jede Epidemie mit hoher Sterblichkeit. Wie im Lateinischen kann "Pest" aber auch generell "Unheil, UnglŸck" bedeuten.
5) Auch: "Quelle; Schacht, Grube". Hier hat Nostradamus aber vielleicht eher an das lat. "puteus" gedacht, das sowohl "Brunnen" wie auch "Verlies" bedeutet. Mit Blick auf den vom Himmel geschlagenen "hšchsten Punkt" wŠre es aber auch denkbar, dass es hier nicht "puys" sondern "puy" (Anhšhe) hei§en sollte. Wir hŠtten dann einen Toten auf einer Anhšhe, lat. "in colle", vor uns. Eine Stelle, die unser Seher zur Verwirrung mit "dans le puy" widergegeben haben kšnnte, was vom Drucker aber "dans le puys" (im Brunnen) gesetzt worden wŠre.
6) "Sommet" hei§t "Gipfel, hšchster Punkt", im Ÿbertragenen Sinne aber auch "Kopf", was hier gemeint sein kšnnte. Vgl. dazu lat. "vertex" (u. a. Haupt, Gipfel). Vgl. 9/36/3, wo vom Mastkorb des (Kirchen-) Schiffes die Rede ist.
7) Mit "vom Himmel geschlagen" ist wohl "vom Blitz getroffen" gemeint. Bei OBSEQUENS finden wir Šhnliche Formulierungen in den Kapitel 1, 11, 61 und 71. Die ganze Zeile erinnert an 1/65/3.
8) Ein Abt ist das Oberhaupt eines Klosters. Der Begriff geht auf das hebrŠische "abba" zurŸck, was dasselbe bedeutet wie "Papst" (griech. "pappas") - Vater. Die franzšsische Form "abbŽ" weist zudem einen erweiterten Bedeutungsrahmen auf, indem der Begriff u. a. auch niedrige Geistliche ohne bestimmtes Amt bezeichnet. Da Nostradamus aber wohl kaum den Tod eines všllig unbedeutenden Geistlichen erwŠhnen wŸrde, liegt die Vermutung nahe, dass hier der "Abt" als "Vater" fŸr den Papst steht.
9) Das mittelfranzšsische "ruiner" hat nicht nur die transitive Bedeutung von "etwas/jemanden zugrunde richten" sondern auch die intransitive von "zugrunde gehen".
10) Daneben bedeutet das mittelfranzšsische "escueil" u. a. auch "Gunst, (finanzielle) Zuwendung; Zuflucht".

Der Papst (ein neuer Jeremia?) wird es nicht schaffen, Krieg und Unheil zu stoppen. Seine Politik wird vielmehr scheitern und dazu fŸhren, dass die AnhŠnger der "Jupiter"-Religion die Kirche Ÿbernehmen kšnnen. Der Papst wird dann sterben, wenn jene Katholiken zugrunde gehen werden, die nach der Niederlage der Kirche zum "Jupiter"-Kult Ÿberlaufen wollen.

 

In der zweiten Zeile schlŠgt wieder der "Blitz", d. h. die "Jupiter"-Religion, zu (vgl. Anmerkung 7). Wir erfahren dabei, dass der "Blitz" den "hšchsten Punkt" oder den "Kopf" von etwas treffen wird (vgl. Anmerkung 6).

Der zweiten Zeile ist ebenfalls zu entnehmen, dass jemand tot in einem Brunnen oder Schacht liegen wird. Und zwar jemand, der es nicht geschafft hat, "Pest" (das Unheil) und den Krieg ("Schwert") abzuwenden bzw. zu beenden (Zeile eins). Somit muss es sich hier um eine Person mit entsprechender Macht handeln, der dies unter anderen UmstŠnden mšglich gewesen wŠre. Mutma§lich ist damit der "Kopf" bzw. das Oberhaupt in der gleichen Zeile gemeint. Mit Blick auf 3/44 kŠme dafŸr wohl das Oberhaupt der Kirche, der Papst infrage.

Doch warum liegt diese Person in einem Brunnen oder Schacht? Hier gibt es eine interessante mšgliche Parallele im Alten Testament. Als die heidnischen ChaldŠer (Babylonier) zu Beginn des sechsten vorchristlichen Jahrhunderts Jerusalem belagerten, sagte der Prophet Jeremia die Niederlage Israels voraus. Aus diesem Grund ("Wehrkraftszersetzung") wurde der Prophet von den Israeliten in eine wasserlose aber schlammige Jerusalemer Zisterne geworfen (Jer 38,1-6). Im Buch Jeremia (38,2f.) erfahren wir die genauen Worte der Prophezeiung:

"So spricht der Herr: Wer in dieser Stadt bleibt, der stirbt durch Schwert, Hunger und Pest. Wer aber zu den ChaldŠern hinausgeht, der wird Ÿberleben; er wird sein Leben wie ein BeutestŸck gewinnen und davonkommen. So spricht der Herr: Diese Stadt wird ganz sicher dem Heer des Kšnigs von Babel in die HŠnde fallen und er wird sie erobern"

Jeremia wurde auf Anweisung des Kšnigs von Israel allerdings aus der Zisterne gerettet und konnte spŠter nach €gypten fliehen. Anders bei Nostradamus: hier liegt die fragliche Person tot in der Zisterne bzw. im Brunnen.

Bei Nostradamus lesen wir in der dritten Zeile vom Tod eines "Abtes". Mit einiger Wahrscheinlichkeit handelt es sich um den erwŠhnten Toten im Brunnen - den Papst, vgl. Anmerkung 8.

In Zeile vier erfahren wir, was zu jenem Zeitpunkt passiert, wenn dieser "Abt" stirbt. Ein "Schiff" lŠuft auf einer Klippe auf und erleidet Schiffbruch. Mit Blick auf den religišsen Kontext dieser Strophe ("Abt", "Blitz") dŸrfte hier vom Schiff Petri, der katholischen Kirche die Rede sein.

Obwohl sich die "Jupiter"-Religion dynamisch auf Expansionskurs befindet (in der zweiten Zeile schlŠgt der "Blitz" ein), ist die statische Klippe hier wohl ebenfalls ein Symbol fŸr diesen neuheidnischen Glauben und dessen Macht. HauptursŠchlich fŸr die schicksalshafte Kollision dŸrfte somit das glŸcklose oder ungeschickte Verhalten der "SchiffsfŸhrung" (Papst, Kurie) sein. Eine Folge dieses "Zusammensto§es" ist mšglicherweise der oben vermutete Tod des Papstes, des KapitŠns des Kirchenschiffes.

Doch nicht alle an Bord befindlichen Personen werden gleich sterben. Die †berlebenden versuchen, sich an der Klippe festzuhalten. Mit Blick auf die Jeremia-Stelle dŸrften das jene Katholiken sein, die nicht frŸhzeitig zum "Jupiter"-Kult (den "ChaldŠern") Ÿberlaufen sondern bis zum Tod des Papstes katholisch bleiben werden. Die dann aber versuchen werden, ihr Leben zu retten, indem sie sich doch noch in letzter Minute diesem neuheidnischen Glauben zuwenden. Doch dieser Rettungsversuch misslingt - sie werden zugrunde gehen. Wenn nicht in dieser, dann in der nŠchsten Welt (vgl. Lukas 9,24: "Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen [Jesus] verliert, der wird es retten").

 

 

3/13

 

[1] Par1) foudre2) en lÕarche3) or & argent fondu4):

[2] Des deux captifs lÕvn lÕautre mangera5):

[3] De la citŽ le plus grand estendu6),

[4] Quand submergŽe la classe7) nagera.

 

[1] Durch1) [den] Blitz2) [wird] in der Arche3) Gold und Silber geschmolzen4).

[2] Von den beiden Gefangenen wird der eine den anderen essen5).

[3] Der Grš§te der Stadt [wird] niedergestreckt6),

[4] wenn das gesunkene Schiff7) schwimmen wird.

 

1) Oder u. a. auch: "wegen".
2) Blitze haben einen festen Platz in der Vorzeichenliteratur. Bei OBSEQUENS finden wir sie in den Kapiteln 1, 3, 5, 7, 11f., 14-17, 24f., 27, 28, 29, 31, 36-38, 41, 43f., 46, 47, 49f., 52-54, 56a f., 61, 63, 65a, (66), 68f. und 71. Bei Nostradamus werden sie wšrtlich in 1/26, 1/65, 2/51, 2/76, 3/6, 3/13, 3/44, 4/35, 4/43, 4/54, 4/99, 8/2, 8/6, 9/19 und 9/36 erwŠhnt. In der antiken Mythologie war der Blitz ein Attribut des Jupiter (Zeus). Im Mittelfranzšsischen bedeutet "fou(l)dre" neben "Blitz" zudem auch "Verurteilung".
3) Oder auch: "(architektonischer) Bogen; abgerundete Bergkuppe; Truhe; Zitadelle, Festung". Die Arche Noah des Alten Testaments gilt seit jeher als PrŠfiguration der Kirche, des Fischerbootes Petri (vgl. etwa die lŠngeren AusfŸhrungen von AUGUSTINUS, Contra Faustum 12,14-24 und Ebd., De civitate dei 15,24-27). Nostradamus hat mšglicherweise auf dieses Bild zurŸckgegriffen, weil ihn mit Blick auf das erwŠhnte Gold und Silber die Doppelbedeutung von "arche" (Arche und Truhe, d. h. auch Schatztruhe) gereizt hat.
4) Oder auch: "verschmolzen, vermengt; aufgeweicht; aufgelšst". Bei OBSEQUENS ist in Kapitel 41 von vom Blitz geschmolzenem Silber die Rede, Kapitel 61 spricht von Buchstaben der bronzenen Gesetzestafeln, die derart verflŸssigt wurden.
5) Die Stelle "lÕvn lÕautre mangera" finden wir auch in 4/38/3 (5.154). Bei OBSEQUENS finden wir in Kapitel 40 eine Spur von Kannibalismus. Er berichtet, dass in einem Steinbruch ein Mensch von einem Menschen angefressen worden sei. Im Mittelfranzšsischen bedeutet "manger" allerdings nicht nur "essen" sondern im Ÿbertragenen Sinne u. a. auch "einen Kampf beginnen" oder "verwŸsten". Vgl. auch lat. "edere" (verzehren, zerstšren).
6) Neben "ausstrecken, ausdehnen" usw. bedeutet das mittelfranzšsische "estendre" u. a. auch "niederschlagen, niederstrecken". Vgl. lat. "extendere" (u. a. jemanden der LŠnge nach zu Boden strecken). Die ganze Zeile lie§e sich auch so verstehen: "Von der Stadt [wird] der Grš§te niedergestreckt".
7) Lat. "classis" (Flotte, Heer). Dichterisch kann damit auch ein einzelnes Schiff gemeint sein.

Die AnhŠnger der "Jupiter"-Religion werden die Kirche materiell ausrauben. Von zwei Gefangenen wird der eine den anderen "essen". Wenn der Papst stirbt, wird der christustreue Teil der Kirche im Verborgenen agieren mŸssen.

 

In der ersten Zeile taucht wieder der "Blitz", d. h. "Jupiter" auf. Er wird das Gold und das Silber aus der Kirche ("Arche", vgl. Anmerkung 3) einschmelzen lassen und wohl fŸr sich verwenden. Das dŸrfte die neue Gold- und Silbermine aus 1/53/4 sein.

Unklar ist im Augenblick noch Zeile zwei. Nostradamus erwŠhnt zwei "Gefangene", von denen der eine den anderen "essen" oder bekŠmpfen wird, vgl. Anmerkung 5. Das kšnnten Gefangene "Jupiters" sein. Von "ewigen Gefangenen" ist in 9/36/3 die Rede, mehr lŠsst sich dazu im Moment leider nicht sagen.

In Zeile vier ist von einem schwimmenden "gesunkenen Schiff" die Rede. Damit dŸrfte das in 2/56 auf eine Klippe aufgelaufene Kirchenschiff gemeint sein, das "unter Wasser" weiterfŠhrt. Genauer: der Teil der Kirche, der nicht zum "Jupiter"-Kult Ÿberlaufen und Christus treu bleiben wird. Diese eigentliche Kirche wird jedoch im Untergrund ("unter Wasser") agieren mŸssen.

In der dritten Zeile erfahren wir, dass "der Grš§te" einer ungenannten Stadt niedergestreckt werden wird. Damit mŸsste der Papst in Rom (vgl. 2/56) gemeint sein. Hier wie dort erfahren wir allerdings nicht, wer genau ihn niederstreckt. Die AnhŠnger der "Jupiter"-Religion oder deren VerbŸndete in der Kirche?

 

 

1/53  

 

[1] Las quÕ on1) verra grand peuple tormentŽ

[2] Et la loy2) saincte en totale ruine

[3] Par aultres loyx3) toute ChrestientŽ,

[4] Quand dÕor dÕargent trouue5) nouuelle mine4)

 

[1] Ach! Wenn man1) [das] gro§e Volk gequŠlt sehen wird,

[2] und das heilige Gesetz2) in totalem Ruin,

[3] [dann wird] durch andere Gesetze3) [die] ganze Christenheit [gequŠlt werden].

[4] [Und zwar dann,] wenn [man eine] neue Gold- [und] Silbermine4) findet5).

 

1) PRƒVOST, S. 120, korrigiert hier zu "lorsquÕon" (dann, wenn man).
2) Das mittelfranzšsische "loy" (Gesetz) kann im Ÿbertragenen Sinne auch "Glaube, Religion; Lehre" bedeuten.
3) Vgl. Anmerkung 2.
4) Das mittelfranzšsische "mine" (Mine) bedeutet im Ÿbertragenen Sinne auch "Quelle", was hier wohl gemeint ist.
5) In den vier Ausgaben von 1555 und 1557 steht hier "trouue". BRINDÕAMOUR, S. 124, und CLƒBERT, S. 141, korrigieren zu "trouuŽ" (zu verstehen als "quand il sera trouuŽ" - "wenn ... gefunden sein wird").

Dann, wenn die AnhŠnger der "Jupiter"-Religion die Kirche materiell ausrauben werden, wird das franzšsische Volk zu leiden haben. Der Katholizismus wird všllig ruiniert und die Christenheit von anderen Lehren heimgesucht sein.

 

Die vierte Zeile dŸrfte die Verbindung zu 3/13 und somit zum "Jupiter"-Thema herstellen. Die neue Gold- und Silberquelle ("-mine") aus 1/53/4 ist dabei wohl mit den geplŸnderten Kirchen aus 3/13/1 identisch.

Zeilen zwei und drei berichten davon, wie die das Christentum angegriffen und arg zu leiden haben wird, was wiederum zum "Jupiter"-Thema passt. Das "heilige Gesetz", die "heilige Lehre" ist wohl der Katholizismus, der všllig ruiniert sein wird.

Andere, nichtkatholische Lehren ("Gesetze") werden in die Lehre der Kirche eingedrungen sein und so die gesamte (katholische) Christenheit quŠlen. Das mŸsste die Umwandlung der Kirche in eine "Jupiter"-Kultgemeinschaft meinen (vgl. 5/77).

Zu dieser Zeit wird das "gro§e Volk" in gro§en Schwierigkeiten stecken ("gequŠlt werden"). Mit dem "gro§en Volk" sind wohl die Franzosen gemeint, da das Adjektiv "gro§" bei Nostradamus auch fŸr "franzšsisch" stehen kann (vgl. 5.23: 1/32 und 3/49).

 

 

9/36

 

[1] Vn grand Roy prins entre les mains dÕvn Ioyne1).

[2] Non loing de Pasque confusion2) coup cultre3):

[3] Perpet.4) captifs temps que foudre5) en la husne6),

[4] Lors que trois freres7) se blesseront & murtre.

 

[1] Ein gro§er Kšnig [ist] gefangen in den HŠnden eines JŸnglings1).

[2] Nahe bei Ostern [kommt es in der] Verwirrung2) [zum] Messerstich3).

[3] Ewige4) Gefangene [werden sie in der] Zeit [sein], wenn [der] Blitz5) in den Mastkorb6) [einschlŠgt]

[4] [und] wenn drei BrŸder7) sich verletzen und [ein] Massaker [veranstalten].

 

1) Zu verstehen als "jeune", was sich allerdings auch nur mŠ§ig gut auf das "husne" der dritten Zeile reimt. Die Form "Ioyne" finden wir auch in 9/76/4 (5.17).
2) Das lat. "confusio" bedeutet zudem auch "Schmach, Vergehen".
3) Lat. "culter" (Messer).
4) Lies: "perpetuels" (ewig, lebenslŠnglich usw.).
5) Blitze haben einen festen Platz in der Vorzeichenliteratur. Bei OBSEQUENS finden wir sie in den Kapiteln 1, 3, 5, 7, 11f., 14-17, 24f., 27, 28, 29, 31, 36-38, 41, 43f., 46, 47, 49f., 52-54, 56a f., 61, 63, 65a, (66), 68f. und 71. Bei Nostradamus werden sie wšrtlich in 1/26, 1/65, 2/51, 2/76, 3/6, 3/13, 3/44, 4/35, 4/43, 4/54, 4/99, 8/2, 8/6, 9/19 und 9/36 erwŠhnt. In der antiken Mythologie war der Blitz ein Attribut des Jupiter (Zeus). Im Mittelfranzšsischen bedeutet "fou(l)dre" neben "Blitz" zudem auch "Verurteilung".
6) "Husne" ist der Mars, eine Ausgucksplattform am Mast eines Segelschiffes. Zur Zeit des Nostradamus befand sich der mit einer BrŸstung versehene Mars allerdings an der Spitze des Mastens, entsprach also einem Mastkorb. Vgl. auch 2/56/2, wo vom "hšchsten Punkt" des (Kirchen-) Schiffes die Rede ist.
7) "Bruder" kann im Mittelfranzšsischen wie im Lateinischen auch "Bundesgenosse", "BŸndnispartner" bedeuten.

Ein gro§er (franzšsischer?) Kšnig wird von einem JŸngling ("Ganymed"?) gefangen gehalten werden. Nahe bei Ostern kommt es zu einem Messerstich. Zu der Zeit, wenn die AnhŠnger der "Jupiter"-Religion die Spitze der Kirche angreifen, werden drei BrŸder oder Partner sich gegenseitig verletzen und ein Massaker veranstalten. Zu "ewigen Gefangenen" wird man dann werden.

 

In der dritten Zeile taucht wieder der "Blitz" bzw. die neuheidnische "Jupiter"-Religion auf. Wir erfahren, dass der "Blitz" in den Mastkorb eines Schiffes einschlagen wird.

Der Blitzeinschlag im Mastkorb ist wohl als Angriff auf die Kirche ("Schiff Petri") zu deuten. Auf Schiffen hatte der Ausguck die Funktion, den KapitŠn bzw. kommandieren Offizier Ÿber Sichtungen von Land, anderen Schiffen oder auch Gefahren zu informieren. Auf die Kirche Ÿbertragen entspricht der Mastkorb somit am ehesten der Inquisition bzw. Glaubenskongregation, die hier von der "Jupiter"-Religion angegriffen oder zerstšrt wird.

Zeile drei spricht auch von "ewigen Gefangenen". Sind das die beiden Gefangenen aus 3/13/2? Falls es hier "captif" (Einzahl) statt "captifs" (Mehrzahl) hei§en sollte, kšnnte damit auch der "gro§e Kšnig" aus der ersten Zeile gemeint sein.

GemŠ§ Zeile vier werden in der Zeit des "Jupiter"-Angriffes jedenfalls drei BrŸder oder Bundesgenossen zu Feinden und veranstalten ein Massaker.

In der ersten Zeile tauchen zwei Personen auf. Ein "gro§er Kšnig" und ein "JŸngling". Da "gro§" bei Nostradamus zuweilen auch fŸr "franzšsisch" stehen kann (vgl. 5.23: 1/32 und 3/49), ist hier vielleicht ein franzšsischer Monarch gemeint.

†ber den "JŸngling" erfahren wir nichts, au§er dass er den "gro§en Kšnig" gefangen halten wird. In Zusammenhang mit der "Jupiter"-Religion taucht jedoch an anderer Stelle ein JŸngling auf: "Ganymed" (vgl. 6/89). Sollte er hier gemeint sein, ist aus der ersten Zeile zu schlie§en, dass es sich bei diesem offenbar um einen Machthaber oder AnfŸhrer des "Jupiter"-Kultes handeln wird, der sogar einen Kšnig gefangen halten kann.

GemŠ§ Zeile zwei kommt es nahe des Osterfestes wŠhrend einer Verwirrung zu einem Messerstich. Wer wird hier warum und von wem verletzt oder gar getštet? Der "gro§e Kšnig"? Falls der "gro§e Kšnig" der Herrscher Frankreichs sein sollte, wŠre schon seine Gefangennahme ein Ereignis, dass das Land in eine Krise stŸrzen wŸrde (vgl. 1/53/1). Sein Tod kšnnte darŸber hinaus inneren Spannungen zum Ausbruch verhelfen und beispielsweise Konflikte unter ThronprŠtendenten zur Folge haben (vgl. 9/36/3). Doch das mŸssen im Augenblick noch Spekulationen bleiben.

Die zweite Zeile Šhnelt dem Geschehen in 5.77 und 5.167.

 

 

5/77

 

[1] Tous les degrez d honneur Ecclesiastique,

[2] Seront changez en dial1) quirinal2):

[3] En Martial4) quirinal flaminique3),5)

[4] Puis vn Roy de France le6) rendre vulcanal7).

 

[1] Alle RŠnge der kirchlichen WŸrde

[2] werden [in solche] des Jupiters1) [und] des Quirinus2) umgewandelt [werden].

[3] In priesterliche3) [WŸrden] des Mars4) [und] des Quirinus.5)

[4] Dann [wird] ein Kšnig von Frankreich sie6) vulkanisch7) machen.

 

1) Lat. "dialis" (zu Jupiter gehšrig). Jupiter war der oberste Staatsgott Roms.
2) Lat. "quirinalis" (zu Quirinus gehšrig). Quirinus war vor der EinfŸhrung der kapitolinischen Gšttertrias (Jupiter, Juno, Minerva) zusammen mit Jupiter und Mars Teil einer Šlteren Gštterdreiheit. SpŠter wurde er mit dem StadtgrŸnder Romulus identifiziert. Sein Tempel stand auf dem Quirinal (heute Colle Quirinale).
3) Von lat. "flamen" (Priester einer Gottheit). Es gab drei "flamines maiores" (gro§e Priester) fŸr den Kult des Jupiter, des Mars und des Quirinus sowie zwšlf "flamines minores" (kleine Priester) fŸr die Kulte weiterer Gštter. Dazu gehšrte auch der "flamen Volcanalis" zur Verehrung des Vulcanus, vgl. Anmerkung 7.
4) Lat. "martialis" (zum Mars gehšrig). Mars war u. a. der Kriegsgott der Ršmer.
5) Die Zeilen zwei, drei (und vier) wurden auch schon so verstanden, dass es innerhalb der Rangordnung der heidnischen Priesterklassen zu Verschiebungen kommen wird (siehe PRƒVOST, S. 59 u. CLƒBERT, S. 654. Vgl. auch die †bersetzung bei GRUBER, S. 171). Also etwa die Befšrderung der Quiriniuspriester zu Jupiter- und Marspriestern oder die Degradierung zu Vulcanuspriestern. Mir scheint es hier allerdings eher um die grundsŠtzliche Umwandlung von christlichen in heidnische PriesterŠmter zu gehen.
6) In den beiden 1557er Ausgaben steht hier "le". SinngemŠ§ mŸsste es aber vielmehr "les" hei§en.
7) Vgl. lat. "volcanalis" und "vulcanius" (zu Vulcanus gehšrig). Vulcanus war der Gott des Feuers und der Schmiedekunst. "Vulcanius" bedeutet denn auch "zum Feuer gehšrig". In dieser Zeile dŸrfte gemeint sein, dass der erwŠhnte franzšsische Kšnig die neuen PriesterŠmter "verbrennen", also vernichten wird. Vgl. dazu auch 9/74/4.

Die Kirche wird in eine neuheidnische Kultgemeinschaft der "Jupiter"-Religion umgewandelt. Ein Kšnig von Frankreich wird sie spŠter jedoch vernichten.

 

Strophe 5/77 beschreibt offenbar, wie die Kirche in eine neuheidnische Glaubensgemeinschaft umgewandelt wird. Dabei werden alle kirchlichen WŸrdentrŠger zu Priestern des Jupiter, Mars und Quirinus gemacht werden (Zeilen eins bis drei).

Offensichtlich wird hier die ršmische Staatsreligion wiederbelebt, wozu auch passen wŸrde, dass unser Seher ausgerechnet Quirinus (Romulus) zweimal erwŠhnt.

Eine zu hundert Prozent authentische Erneuerung der ršmischen Religion dŸrfte allerdings kaum mšglich sein. Zwar wissen wir Ÿber diese weit mehr als etwa Ÿber den Glauben der Kelten oder Germanen. Allerdings bestehen auch hinsichtlich der ršmischen Religion WissenslŸcken. WissenslŸcken, die bei kŸnftigen Wiederbelebungsversuchen mit neuen Elementen gefŸllt werden mŸssten.

Die so entstehende "Jupiter"-Religion wŠre also ein Gebilde, das tatsŠchlich als "antike Phantasie" bezeichnet werden kšnnte, wie wir sie aus 5.99 kennen. Sie wŠre ein neuheidnisches Konstrukt, das zwar auf dem antiken Vorbild beruht, aber mit Elementen ergŠnzt ist, die letzten Endes der Phantasie bzw. den Interpretationen der modernen AnhŠnger entspringen.

In 5/77/4 erfahren wir, dass es ein Kšnig von Frankreich sein wird, der die paganisierten kirchlichen Amts- und WŸrdentrŠger vernichten wird (vgl. Anmerkung 7). Dies wŠre eine Parallele zu 2/12 (5.99), wo es ebenfalls ein franzšsischer Herrscher ist, der zumindest in Frankreich die AnhŠnger der "antiken Phantasie" erfolgreich bekŠmpfen wird.

 

 

10/18

 

[1] Le ranc1) Lorrain2) fera place ˆ3) Vendosme4),

[2] Le hault mys bas & le bas mys en hault,

[3] Le filz dÕHamon5) sera esleu dans Rome,

[4] Et les deux grands seront mys en deffault6).

 

[1] Die Linie1) Lothringens2) wird in3) Vend™me4) Platz machen.

[2] Der Hohe [wird] nach unten und der Untere nach oben gebracht [werden].

[3] Der Sohn des Ammon5) wird in Rom gewŠhlt werden,

[4] und die beiden Gro§en werden ins Elend6) gestŸrzt.

 

1) Das mittelfranzšsische "ranc, rang" bedeutet u. a. "Schlachtreihe, Ausrichtung, Reihenfolge, Gefolge, Rang (in einer Hierarchie oder Reihenfolge)". PRƒVOST, S. 211f., und CLƒBERT, S. 1080f., verstehen den Begriff hier als "Linie" (Dynastie, Haus), was inhaltlich ebenfalls passen wŸrde.
2) Das Herzogtum Lothringen war zur Zeit des Nostradamus Teil des ršmisch-deutschen Reiches, befand sich aber in der InteressenssphŠre Frankreichs. Die Herzšge von Lothringen stellte ab 1473 das Haus VaudŽmont (RenŽ II. 1473 - 1508). Der zweite Sohn RenŽs II., Claude von Lothringen (1496 - 1550), begrŸndete das Haus Guise und heiratete die Tochter von Franz von Bourbon, der seinerseits Graf von Vend™me war. Es gab im Frankreich des Nostradamus somit ein Haus Lothringen, das die Herzšge von Guise stellte und mit Bourbon-Vend™me verwandt war.
3) Oder: "Die Linie Lothringens wird jener Vend™mes Platz machen". CLƒBERT, S. 1081, verweist hier auf eine mšgliche †bereinstimmung mit 9/50 (5.93), wo von einem "Mandosus" die Rede ist, der wohl die Lothringer ein wenig zurŸckdrŠngt. Wšrtlich spricht Nostradamus dort von den "Norlaris", was aber gemeinhin als Anagramm fŸr "Lorrains" (die Lothringer) verstanden wird. "Mandosus", d. h. lat. "mendosus" (vgl. auch 5.93: 9/45), lŠsst sich dabei ebenfalls als Anagramm auffassen und als "Vendosme" lesen, vgl. CLƒBERT, ebd.
4) Ort im westlichen Frankreich, etwa 30 km nordwestlich von Blois. Die Grafschaft Vend™me gehšrte seit 1372 den Bourbonen. 1515 wurde die Grafschaft zum Herzogtum erhoben, das bis 1598 ebenfalls die Bourbonen beherrschten.
5) "Hamon" meint wahrscheinlich Ammon (Amun). Ammon, ursprŸnglich ein Lokalgott im Šgyptischen Theben, war ein widderkšpfiger libysch-Šgyptischer Orakelgott, der von den Griechen als "Zeus Ammon" und von den Ršmern als "Iuppiter Hammon" verehrt wurde. Sein Heiligtum befand sich in der Oase Schiwah in WestŠgypten. Laut PTOLEM€US, Tetrabiblos 2,3 verehrten die Menschen in Phazania (Fessan: das sŸdl. Westlibyen), Nasamonitis (Libyen sŸdl. d. Gro§en Syrte) und Garamantica (Zentrallibyen) Jupiter unter dem Namen Ammon, vgl. 5/24, Anmerkung 6. Einer antiken Tradition zufolge war Ammon Vater des Dionysius (Bacchus, Liber). Als Sohn des Zeus Ammon betrachtete sich auch Alexander der Gro§e.
          Eine andere Mšglichkeit wŠre, in "Hamon" den alttestamentarischen Kšnig Amon zu sehen, der heidnischen Gštzen opferte (Zweites Buch der Kšnige 21,19-26 und Zweites Buch der Chronik 33,21-25). In den 1568er Ausgaben lesen wir hier durchgehend "Hamon". In spŠteren gibt es allerdings die Textvariante "Mamon" (Mammon). In der Bibel steht der Mammon fŸr die dŠmonische Kraft des Geldes (vgl. MatthŠus 6,24 und Lukas 16,9-13).
6) Oder auch: "Niederlage". Das mittelfranzšsische "deffault" bedeutet aber in erster Linie "Abwesenheit, Fehlen". CLƒBERT, S. 1081, weist in diesem Zusammenhang auf eine Parallele in 3/5/1 (5.142) hin. Dort spricht Nostradamus von der "Abwesenheit der beiden gro§en Lichter" ("defaut de deux grand luminaires"), also wohl von einer Sonnen- und Mondfinsternis. In der Astrologie steht die Sonne fŸr das Gold und der Mond fŸr das Silber. Sollte hier das Fehlen der beiden Edelmetalle gemeint sein, wŠre das eine Parallele zum Gold und Silber, das aus den Kirchen geraubt werden wird, vgl. 1/53/4 und 3/13/1.

In Rom wird der "Sohn des Jupiter-Ammon" ("Ganymed") zum Kirchenoberhaupt gewŠhlt, zwei "Gro§e" werden ins Elend gestŸrzt. In Frankreich steigt jemand auf und jemand anderes ab.

 

Laut Zeile drei wird in Rom der "Sohn des Ammon" gewŠhlt werden. Ammon ist sehr wahrscheinlich Jupiter, vgl. Anmerkung 5. Mit der ršmischen Wahl mŸsste eine Papstwahl gemeint sein.

Bei diesem "Sohn" (Jupiter-) Ammons dŸrfte unser Seher an das griech. "yios" gedacht haben, das neben "Sohn" u. a. auch "Liebling, AnhŠnger, SchŸler, JŸnger" bedeuten kann. Es kann und darf vermutet werden, dass der offenbar zum Kirchenoberhaupt gewŠhlte "Liebling Jupiters" nicht irgend ein beliebiger AnhŠnger des "Jupiter-" Kults sein wird sondern eine Persšnlichkeit von gro§er Bedeutung und Wirkung. Vielleicht jemand, der tatsŠchlich mit Alexander dem Gro§en verglichen werden kann - was erklŠren wŸrde, weshalb Nostradamus hier Jupiter in seiner libysch-Šgyptischen Erscheinungsform erwŠhnt, vgl. Anmerkung 5.

In der griechisch-ršmischen Mythologie ist als "Liebling Jupiters" v. a. Ganymed zu erwŠhnen, dessen Pendant wir aus 6/89 kennen.

Der Umstand, dass die AnhŠnger des "Jupiter"-Kults "Ganymed" zum Papst wŠhlen, bedingt mindestens zwei Voraussetzungen. Erstens mŸssen sie in der Kirche schon Ÿber die Macht verfŸgen (vgl. dazu etwa 5/77) und zweitens muss der AmtsvorgŠnger auf dem Stuhl Petri entweder tot oder ausgeschaltet sein, vgl. 2/56.

Wenn "Ganymed" Papst wird, werden laut Zeile vier "zwei Gro§e" ins Elend gestŸrzt werden. Das kšnnten z. B. die beiden Gefangenen aus 3/13/2 sein. Vgl. aber auch Anmerkung 6.

Unklar sind im Moment noch die in der ersten HŠlfte der Strophe beschriebenen VorgŠnge. Ein Hochstehender verliert seine Position, dafŸr steigt jemand von Unten auf. Es kšnnte dabei um dynastische VerŠnderungen gehen, wobei wohl Lothringen absteigt. Ob sich das Ganze im nordwestfranzšsischen Vend™me abspielt, kann im Augenblick nur vermutet werden.

 

 

 

3/18

 

[1] Apres la pluie [de]1) laict2) assŽs longuete,

[2] En plusieurs lieux de Reins3) le ciel touchŽ4)

[3] Helasquel meurtre de seng5) pres dÕeux sÕapreste.

[4] Peres & filz rois6) nÕoseront aprocher.

 

[1] Nach dem Milchregen2), [dem] ziemlich lang andauernden,

[2] [wird] an mehreren Orten von Reims3) der Himmel zuschlagen4).

[3] Ach, welch [ein] Mord am kšniglichen GeblŸt5) bereitet sich nahe bei ihnen vor.

[4] VŠter und Sšhne werden [an den] Kšnigen6) nicht wagen, [sich] zu nŠhern.

 

1) BRINDÕAMOUR, S. 360, fŸgt hier ein "de" ein, was sowohl inhaltlich wie auch verstechnisch passt.
2) Milch- und Blutregen gehšren zum klassischen Vorzeicheninventar. So berichtet etwa Obsequens in Kapitel 43 fŸr  das Jahr 104 v. Chr. von einem Blut- und einem Milchregen. PLINIUS D. €. erwŠhnt in seiner Naturalis historia (2,57,147) ebenfalls  einen Milch- und Blutregen. Und zwar im Jahr 114 v. Chr., zur Zeit des  Konsulats von Manius Ancilius Balbus und Gaius Porcius Cato. Vgl. auch 3/19 (5.33).
3) Lies: "Reims". Reims war die Kršnungsstadt der franzšsischen Kšnige. In diesem Zusammenhang kšnnte Nostradamus konkret an die Kathedrale Notre-Dame, den Palais du Tau und die Abtei Saint-Remi gedacht haben. In der Kathedrale wurden die Kšnige gekršnt. Der Palais du Tau war der Palast der Erzbischšfe von Reims. Dort verbrachten die franzšsischen Kšnige die Nacht vor ihrer Kršnung. In der Abtei Saint-Remi wurde die Heilige Ampulle mit dem Salbšl fŸr die Kršnung aufbewahrt.
4) Lies: "toucher", vgl. BRINDÕAMOUR, S. 360. Mit dem "BerŸhren" oder "Zuschlagen" des Himmels sind hier wohl Blitze gemeint, vgl. etwa OBSEQUENS, Kapitel 11 (167 v. Chr.): "Romae aliquot loca sacra profanaque de caelo tacta" (In Rom wurden einige heilige und nichtheilige Orte vom Himmel her berŸhrt). Vgl. auch 1/27 (5.279). "Le ciel touchŽ" hie§e "der berŸhrte Himmel". In diesem Fall kšnnte etwa gemeint sein, dass ein bestimmtes Gebiet, das unter dem erwŠhnten Himmel liegt, "berŸhrt" oder erreicht wird.
5) Lies: "sang" (Blut). Mit dem "Blut" kann im Mittelfranzšsischen aber auch die Kšnigsfamilie, das kšnigliche GeblŸt gemeint sein (vgl. "prince du sang"), was gut in den Kontext des Vierzeilers passen wŸrde. "Meutre de seng" lie§e sich aber auch einfach mit "blutiger Mord", "blutiges Morden" Ÿbersetzen.
6) Unklare Stelle. BRINDÕAMOUR, S. 360, korrigiert zu "pere & filz roi" ("[der] Vater und [die] Sšhne [des] Kšnigs"). Wenn wir annehmen, dass in Reims vom franzšsischen Kšnig die Rede ist, ist es aber eher unwahrscheinlich, dass dessen Vater noch lebt. In diesem Fall wŠre nŠmlich der Vater der Kšnig und sein (Šltester) Sohn blo§ Dauphin. Es kšnnte natŸrlich sein, dass in Reims mehrere Kšnige aus verschiedenen LŠndern versammelt sind, etwa auf einer Konferenz. Im Mittelfranzšsischen bezeichnet "les (trois) rois" aber auch die heiligen drei Kšnige, die drei Weisen aus dem Morgenland. Dann hŠtten wir hier eine Datumsangabe vorliegen: den Dreikšnigstag am 6. Januar. "VŠter und Sšhne" kšnnte einfach "alle, jedermann" bedeuten. Vgl. dazu Jeremia 6,21 und 13,14: "Darum - so spricht der Herr: Ich lege diesem Volk Hindernisse in den Weg, sodass sie darŸber straucheln. VŠter und Sšhne zusammen, einer wie der andere geht zugrunde" und "Ich zerschmettere sie, den einen am andern, VŠter und Sšhne zugleich - Spruch des Herrn. [...]".

Nach einer langen Zeit des Unheils werden die AnhŠnger der "Jupiter"-Religion in Reims zuschlagen. Ein gro§er Mord zulasten der franzšsischen Kšnigsfamilie bahnt sich an.

 

In der zweiten Zeile ist von Reims, der Kršnungsstadt der franzšsischen Kšnige die Rede. In dieser symboltrŠchtigen Stadt dŸrfte etwas von gro§er Wichtigkeit geschehen. Darauf deuten die Vorzeichen hin, die Nostradamus in den beiden ersten Zeilen erscheinen lŠsst.

 

ZunŠchst erwŠhnt unser Seher in 3/18/1 einen "ziemlich lang andauernden Milchregen". Ein solcher "Milchregen" ist mit Blick auf 3/19 (5.33) wohl recht klar als Vorzeichen fŸr Unheil zu verstehen. Der Umstand, dass er hier "ziemlich lang andauern" wird, kšnnte den Grad oder die Bedeutung des Unheils verdeutlichen. Konkret ist dabei wohl Unheil gemeint, unter dem die Franzosen zu leiden haben werden, vgl. 1/53.

 

GemŠ§ 3/18/2 wird "der Himmel" mehrfach in Reims "zuschlagen". Im Ersten Weltkrieg verlief die Front in der NŠhe der Stadt. Reims wurde durch Artilleriebeschuss und Luftangriffe der Deutschen zu einem gro§en Teil verwŸstet. Schwer beschŠdigt wurde u. a. auch die Kathedrale Notre-Dame (vgl. Anmerkung 3), deren Wiederaufbau nach dem Krieg Ÿber zwanzig Jahre in Anspruch nahm. Hier dŸrften aber wohl eher BlitzeinschlŠge gemeint sein, vgl. Anmerkung 4. Der Blitz ist ein Attribut Jupiters, was bei Nostradamus wohl auf die neuheidnische "Jupiter"-Religion verweist. 

 

Laut dritter und vierter Zeile scheint sich nun an einem 6. Januar in oder nahe Reims ein Mord anzubahnen. Und zwar an einem oder mehreren Mitgliedern der kšniglichen Familie. Diese Tat scheint zudem so schrecklich zu sein, dass niemand es wagen wird, sich zu nŠhern.

 

 

 

 

6/35

 

[1] Pres de Rion1), & proche ˆ blanche2) laine3),

[2] Aries, Taurus, Cancer, Leo, la Vierge,4)

[3] Mars5), Iupiter6), le Sol7) ardra grand plaine,

[4] Bois & citez, lettres8) cachez9) au cierge10).

 

[1] Nahe des Rioni1) und nahe der blonden2) Wolle3) [findet]

[2] [wŠhrend] Widder [und] Stier [sowie] Krebs, Lšwe [und] der Jungfrau4)

[3] [ein] Krieg5) [mit] Jupiter6) [statt]. Die Sonne7) wird [die] gro§e Ebene verbrennen

[4] [sowie] WŠlder und StŠdte. [Die] Briefe8) [tragen] Siegel9) aus Wachs10).

 

1) Der Rioni (auch: Rion, griech. Phasis) ist ein Fluss in Westgeorgien, der im Kaukasus entspringt und bei Poti ins Schwarze Meer flie§t. Im Altertum galt er als Grenze zwischen Europa und Asien. Im Griechischen bedeutet "rion" auch "Bergkuppe, First; Vorgebirge". "Rion" wŠre zudem der Eigenname eines Vorgebirges auf der Peloponnes am Eingang des Golfes von Korinth. In Frankreich gŠbe es noch die Ortschaften Rion-des-Landes (SŸdwestfrankreich, 34 km nordwestlich von Mont-de-Marsan), Rions (27 km sŸdšstlich von Bordeaux), Riom (13 km nšrdlich von Clermont-Ferrand), Rioms (63 km nordšstlich von Avignon) und Riom-s-Montagnes (64 km sŸdwestlich von Clermont-Ferrand).
2) "Blanc" kann im Mittelfranzšsischen neben "wei§" auch "blond" bedeuten.
3) Die "blonde Wolle" meint hier wohl das Goldene Vlies, das der Sage nach in Kolchis, im heiligen Hain des Ares (Mars) aufbewahrt wurde. Das antike Kolchis lag in Westgeorgien. Chrysomallos, der sprechende und fliegende Widder, von dem das Goldene Vlies stammte, wurde als Sternbild Widder an den Himmel versetzt.
4) Nach mittelalterlicher Auffassung die Zeit vom 18. MŠrz bis zum 17. Mai (Widder und Stier) sowie vom 17. Juni bis zum 16. September (Krebs, Lšwe, Jungfrau). Da das Zeichen der Zwillinge, das zwischen Stier und Krebs liegt, nicht erwŠhnt wird, kšnnte in dieser Zeit ein kurzer Friede herrschen.
5) Lat. "mars" (u. a. Krieg).
6) Gšttervater Jupiter (griech. Zeus) war der oberste der olympischen Gštter und oberster Staatsgott des heidnischen Roms. Eines seiner Attribute war der Blitz. Der ihm geweihte Tag war der Donnerstag (lat. "dies Iovis").
7) Lat. "sol" (Sonne). Bei Nostradamus kann die Sonne das Christentum meinen, die Religion, die den Sonntag feiert. Hier hat unser Seher aber wohl auch an die antike Mythologie gedacht. Sonnengott Helios war u. a. der Vater von Aietes, des Kšnigs von Kolchis, in dessen Herrschaftszeit das Goldene Vlies ins Land kam. Helios hatte jedoch noch andere Kinder, etwa Phaeton. Im Mythos lenkte Phaeton die Sonne (den Sonnenwagen) wŠhrend eines Tages Ÿber die Himmelsbahn, setzte dabei jedoch die Erde in Brand. Um das Inferno zu beenden, erschlug ihn Jupiter mit einem Blitz, worauf Phaeton tot in den Fluss Po stŸrzte. In OVIDs Metamorphosen (1,751-2,400) lesen wir, was Phaetons Irrsinnsfahrt alles zum Opfer fiel: Die WŠlder mit ihren Bergen (2,216) - die "WŠlder" bei Nostradamus - und gro§e StŠdte, die mit ihren Mauern untergingen (2,214) - die "StŠdte" in 6/35/4. Doch an welche "gro§e Ebene" hat unser Seher in 6/35/3 wohl gedacht? OVID liefert eine ganze Reihe geografischer Angaben. FŸr die "gro§e Ebene" bei Nostradamus kommen dabei infrage: Skythien (2,224), Libyen (2,237) oder vielleicht auch die Po-Ebene, da Phaeton tot in den Po stŸrzt (2,324). Die ErwŠhnung von Kolchis in der ersten Zeile lenkt den Blick auf Skythien, das Georgien am nŠchsten ist. Die antiken Skythen beherrschten ein Gebiet, das sich von der zentralen Ukraine bis an die Grenze Chinas erstreckte. An gro§en Ebenen gibt es dort etwa die Pontische Ebene nšrdlich und nordšstlich des Schwarzen Meeres oder das nšrdliche Kaukasusvorland von der Manytsch-Niederung bis zum Kaspischen Meer.
8) Oder auch: "Buchstaben" und "Wissenschaften", vgl. lat. "litterae". Wšrtlich Ÿbersetzt hie§e die Zeile "[Die] Briefe [sind] in der Kerze versteckt", was aber nur begrenzt Sinn macht. Vgl. dazu Anmerkungen 9 und 10.
9) Lies wohl: "cachets" (Siegel, geheime Orte).
10) "Cierge" ist eine Kerze. Hier dŸrfte aber wohl Wachs, das Material der Kerze gemeint sein. Vgl. auch griech. "keros" (Wachs, Kerze) und lat. "cereus" (u. a. aus Wachs, Wachskerze).

Expansion der "Jupiter"-Religion: Nahe Georgien findet in einem FrŸhling und Sommer ein Krieg zwischen  "Jupiter"-AnhŠngern und Christen statt. Die Ungeschicklichkeit des ChristenanfŸhrers fŸhrt zur Zerstšrung des nšrdlichen Kaukasusvorlandes. "Briefe" tragen Wachssiegel.

 

In der dritten Zeile werden Jupiter und die Sonne erwŠhnt, dazu auch der Mars. Dass hier eher an VorgŠnge auf der Erde statt an astronomische Konstellationen gedacht wurde, ist wohl aus dem Umstand zu schlie§en, dass die Sonne eine gro§e Ebene sowie WŠlder und StŠdte (Zeile vier) verbrennen wird.

 

Jupiter meint wohl die neuheidnische "Jupiter"-Religion.

 

Die Sonne steht bei Nostradamus grundsŠtzlich fŸr das Christentum. Hier hat unser Seher aber wohl auch an Phaeton gedacht, der im Mythos den Sonnenwagen so ungeschickt gelenkt hat, dass Teile der Erde verbrannt wurden, vgl. Anmerkung 7.

 

Der Mars tritt in 6/35/3 wohl als Verkšrperung des Krieges auf. Jenes Krieges, in dem sich "Jupiter"-AnhŠnger und Christen gegenŸber stehen.

 

Dem antiken Mythos zufolge wurde der Sonnenlenker Phaeton von Jupiter erschlagen. †bertragen wir diese Information auf NostradamusÕ Vierzeiler, so dŸrfte dies als Sieg der "Jupiter"-AnhŠnger Ÿber die Christen ("Sonne") zu verstehen sein. Phaeton ist bei unserem Seher wohl ein ungeschickter christlicher AnfŸhrer.

 

In der ersten und dritten Zeile erfahren wir wohl, wo sich der hier geschilderte Kampf zutragen wird: In der NŠhe von Georgien, wahrscheinlich im sŸdrussischen Flachland nšrdlich des Kaukasus.

 

Laut Zeile zwei werden die KŠmpfe wohl im FrŸhling (MŠrz bis Mai) und im Sommer (Juni bis September) stattfinden.

 

Aus welcher Richtung die "Jupiter"-AnhŠnger nach SŸdrussland vorsto§en werden, ist hier nicht ersichtlich. In 3/95 haben wir allerdings erfahren, dass die Ukraine als erstes Land dem neuen Kult anheim fallen wird. Somit mŸsste die "Jupiter"-Religion von Nordwesten Richtung Kaukasus vordringen.

 

Všllig unklar ist im Moment noch, was das fŸr Briefe mit Wachssiegeln in der vierten Zeile sind.

 

 

 

6/49

 

[1] De la partie2) de Mammer3) grand Pontife1),

[2] Subiuguera les confins4) du Dannube:

[3] Chasser les croix par fer6) raffe ne riffe5),

[4] Captifz, or, bagues7) plus de cent mille rubes8).

 

[1] [Der] gro§e Pontifex1) von der Partei2) des Mars3)

[2] wird die Grenzgebiete4) der Donau unterwerfen.

[3] [Er wird] die Kreuze vollstŠndig5) mit dem Schwert6) vertreiben.

[4] [Er macht] Gefangene [und erbeutet] Gold [und] Juwelen7) [mit einem Gewicht von] mehr als 100 000 Rubes8).

 

1) Im alten Rom wurde der Oberpriester als "pontifex" bezeichnet. SpŠter wurde dieser Titel auf den Papst Ÿbertragen.
2) Oder u. a. auch: "Gegend, Region, Land; Teil; Gruppe, Gruppierung".
3) In 10/44/3 (5.66) erscheint der Begriff "Mammel". Falls beide Male das Gleiche gemeint sein sollte, dŸrfte "Mammer" eine geografische Bezeichnung sein, da es sich in 10/44/3 (5.66) mit einiger Wahrscheinlichkeit um eine solche handelt. Interessanterweise verwendet Nostradamus in 6/49/1 das Wort "Mammer" aber in Zusammenhang mit dem mehrdeutigen Begriff "partie", vgl. Anmerkung 2. CLƒBERT, S. 733 u. 1107, sieht in "Mammer/Mammel" die Memel, den heute litauischen Njemen (lat.  Memela, Memula) gemeint. "Mammer" kšnnte aber vielmehr das lat. "Mamers" sein, eine (oskische) Form von "Mars". Mars war der ršmische Kriegsgott und gehšrte in der Tiberstadt zu den am meisten verehrten Gšttern. Er bildete zusammen mit Jupiter und Quirinus eine altršmische Gšttertrias. Nach AGRIPPA VON NETTESHEIM 1,31 sind dem Mars folgene Gebiete zugeordnet: mit dem Widder England, Frankreich, Deutschland, Cšlesyrien (sŸdwestl. Syrien), IdumŠa und JudŠa (sŸdl. u. zentrales Israel/PalŠstina) sowie mit dem Skorpion Syria (Syrien u. Libanon), Kommagene (SŸdtŸrkei nšrdl. von Syria), Kappadokien (zentrales Kleinasien nordwestl. von Kommagene), Metagonitis (marokkanische MittelmeerkŸste), Mauretania (Nordafrika westl. der algerisch-tunesischen Grenzregion) und Gaetulien (wesentliche Teile Inneralgeriens). Vgl. dazu auch PTOLEM€US, Tetrabiblos 2,3. Nach Mamers (Mars) benannten sich auch die Mamertiner ("Sšhne des Mars"), Sšldner aus Kampanien, die im Dienste des Herrschers von Syrakus standen. 288 v. Chr. eroberten sie Messina und errichteten dort einen RŠuberstaat. Falls mit "Mammer" also ein Gebiet gemeint sein sollte, kŠme dafŸr ebenfalls Nordostsizilien bzw. Messina in Frage. Im benachtbarten Kalabrien gibt es allerdings noch ein Oppido Mamertina (lat. Mamertium, Mamertum, Martis, Mavortis), etwa 40 km nordšstlich von Reggio di Calabria, und im nordwestlichen Frankreich finden wir Mamers, etwa 40 km nordšstlich von Le Mans.
4) Oder auch: "Grenzen, Nachbarn". Die Nordostgrenze des Ršmischen Reiches der Kaiserzeit wurde im Wesentlichen durch die Donau gebildet.
5) Lies: "raffe et riffe". Im Mittelfranzšsischen gibt es die Wendung "rif et raf" (vollstŠndig), die Nostradamus hier des Reimes auf "Pontife" wegen umgekehrt formuliert hat. Nach LEONI, S. 294, ist "raffe ne riffe" eine Anlehnung an die provenzalische Wendung "de rifla ou de raffa" (unter allen UmstŠnden, so oder so).
6) Im Mittelfranzšsischen bedeutet "fer" u. a. "(eiserne) Waffe".
7) Oder: "Ringe, SchmuckstŸcke".
8) "Rubis" wŠren "Rubine". Hier hat Nostradamus aber wohl eher an das provenzalische "rub" (auch: "rup", "ru") gedacht, vgl. CLƒBERT, S. 733. Der "Rub" ist ein altes Gewichtsma§, das 25 Pfund entsprach. In Frankreich variierte das Pfund je nach Provinz und Ort etwa zwischen 380 und 552 Gramm. Nehmen wir das standardisierte Pariser Pfund zu 489,51 Gramm als Grundlage, erhalten wir fŸr 100 000 Rubes 1223,775 Tonnen.

Expansion der Jupiter-Religion: Das Oberhaupt der "Jupiter"-Religion wird die Gebiete an der Donau unterwerfen, die Christen vollstŠndig vertreiben und gro§e Beute machen.

 

In der ersten Zeile ist von einem historisch bedeutenden ("gro§en") Papst (Pontifex) die Rede. Wir erfahren, dass er aus der "Partei" (Gruppierung, vielleicht auch Region, vgl. Anmerkungen 2 und 3) des Mars stammen wird. Woran Nostradamus bei dieser "Partei des Mars" wahrscheinlich gedacht hat, ist wohl aus dem Rest der Strophe herzuleiten:

 

In Zeile zwei erfahren wir, dass dieser Papst Gebiete an der Donau unterwerfen wird. Dass mit dieser "Unterwerfung" keine religišse Bekehrung sondern tatsŠchlich eine militŠrische Eroberung gemeint ist, ist wohl aus Zeile drei zu schlie§en. Das wiederum bedeutet jedoch, dass dieser Pontifex nicht nur Ÿber religišse sondern auch Ÿber gro§e politische und militŠrische Macht verfŸgen muss.

 

Der dritten Zeile ist zu entnehmen, dass dieser Papst die "Kreuze" mit Waffengewalt vollstŠndig vertreiben wird. Mit "Kreuzen" meint Nostradamus an anderer Stelle aber Christen oder sogar fŸr das Christentum kŠmpfende Truppen ("Kreuzfahrer"), vgl. 3/20 (5.222). Somit ist klar, dass es sich beim erwŠhnten Pontifex um keinen gewšhnlichen katholischen Papst handeln kann.

 

Jetzt wird auch die erste Zeile verstŠndlich: Wie wir in 5/77 erfahren, wird die Kirche in Zukunft einmal in eine neuheidnische Glaubensgemeinschaft umgewandelt werden, deren Priester die altršmische Gšttertrias Jupiter, Quirinus und Mars verehren. Mit dem "gro§en Pontifex von der Partei des Mars" dŸrfte somit das Oberhaupt dieser Neuheidenkirche gemeint sein. Kriegsgott Mars steht dabei einerseits stellvertretend fŸr das ršmische Pantheon ("Partei, Gruppe"). Andererseits dŸrfte seine Nennung auf den militŠrisch-expansiven Charakter dieses neopaganen Glaubens verweisen.

 

In 6/49/4 erfahren wir, dass dieser kriegerische Neuheidenpapst auf seinem Feldzug Gefangene machen und Ÿber 1200 Tonnen Gold und Juwelen erbeuten wird.

 

Der sich gerne mehrdeutig Šu§ernde Nostradamus kšnnte in der ersten Zeile deswegen von Mars als Mamers ("Mammer") sprechen, um auf den rŠuberischen Aspekt dieser Expansion zu verweisen. Wie in Anmerkung 3 erwŠhnt, errichteten die Mamertiner ("Sšhne des Mars") auf Sizilien einst einen RŠuberstaat, von dem aus sie auf BeutezŸge gingen. Au§erdem waren die Mamertiner VerbŸndete Roms, was letzterem ermšglichte auf Sizilien militŠrisch einzugreifen, gegen Karthago Krieg zu fŸhren (Erster Punischer Krieg 264 - 241 v. Chr.) und die Insel schlie§lich seinem Herrschaftsbereich einzuverleiben. Eine weitere Querverbindung zur ršmischen Antike!

 

 

4/28 

 

[1] Lors que Venus1) du sol2) sera couuert3),

[2] Souz lÕesplendeur sera forme4) occulte,

[3] Mercure5) au feu7) les6) aura descouuert

[4] Par bruit8) bellique sera mis ˆ lÕinsulte9).

 

[1] Wenn [die] Venus1) von der Sonne2) verdeckt3) sein wird,

[2] wird unter dem Glanz [eine] verborgene Formation4) [vorhanden] sein.

[3] Merkur5) wird sie6) im Feuer7) entdeckt haben

[4] [und dann] mit kriegerischem Ruhm8) zum Angriff9) Ÿbergehen.

 

1) Venus (griech. Aphrodite) war die Gšttin der Schšnheit und der (geschlechtlichen) Liebe. Sie wurde bei Zypern aus dem Schaum des Meeres geboren. Verheiratet war sie mit Vulcanus (griech. Hephaistos), dem Gott der Schmiedekunst. Sie war aber auch die Geliebte des Mars. Ihr Tag war der Freitag (lat. "dies Veneris"), weshalb sie bei Nostradamus auch fŸr den Islam steht. FŸr den Freitag vgl. 10/95/4 (5.16).
2) Lat. "sol" (Sonne). Analog zur Venus steht die Sonne bei Nostradamus fŸr das (katholische) Christentum, das den Tag der Sonne (lat. "dies Solis"), den Sonntag feiert.
3) Zu verstehen als "couuerte", was sich allerdings nicht auf das "descouuerte" der dritten Zeile reimen wŸrde. Mšglich wŠre auch, hier "gedeckt" im Sinne von "unterstŸtzt" zu Ÿbersetzen.
4) Das mittelfranzšsische "forme" (Form) bedeutet u. a. auch "Formation" (von Leuten, etwa Soldaten).
5) Merkur (griech. Hermes) war u. a. der Gott der Kaufleute, Diebe und der Redekunst. Zudem Gštterbote und FŸhrer der Seelen in die Unterwelt. Sein Vater war Jupiter.
          In Frankreich gibt es zwei Gemeinden namens MercÏur, eine im westlichen Zentralfrankreich, etwa 105 km sŸdšstlich von Limoges und eine etwa 107 km nordšstlich der ersten, etwa 67 km sŸdšstlich von Clermont-Ferrand. Dazu existiert noch ein Berg (erloschener Vulkan) namens Puy de MercÏur etwa 10 km sŸdwestlich von Clermont-Ferrand.
          MercÏur sŸdšstlich von Clermont-Ferrand war der Hauptort der Herrschaft MercÏur, die nach NostradamusÕ Tod zum Herzogtum erhoben wurde (1569). Vom ausgehenden 9. Jahrhundert bis 1321 gehšrte die Herrschaft den Herren von MercÏur. Durch Erbfall ging die Herrschaft an die Dauphins von Auvergne Ÿber, die sie 1371 ihrerseits an die Herzšge von Bourbon vererbten. Diese Ÿbergaben sie den Grafen von Montpensier, einer jŸngeren Linie der Bourbonen. Durch Heirat gelangte MercÏur 1515 an das Haus VaudŽmont, die Herzšge von Lothringen (vgl. 10/18). An konkreten historischen Vorbildern fŸr diesen "Merkur" gibt es etwa Ludwig II. von Bourbon (1337-1410), der sich als Feldherr u. a. im HundertjŠhrigen Krieg gegen die EnglŠnder bewŠhrte. 1390 fŸhrte er einen Kreuzzug gegen die muslimischen Piraten im tunesischen Mahdia an. Sein Sohn Johann I. (1381-1434) war ebenfalls Feldherr, starb allerdings in englischer Gefangenschaft. Ludwig I. Graf von Montpensier (1406-1486) war v. a. Diplomat und starb als Gesandter in Rom. Gilbert Graf von Montpensier (1443-1496) war Feldherr und kŠmpfte u. a. in Italien, wo er zum Vizekšnig von Neapel ernannt wurde. Dessen Tochter und Erbin RenŽe (1494-1539) heiratete 1515 Anton II. Herzog von Lothringen (1489-1544). Ihr Šltester Sohn und Nachfolger starb allerdings bereits 1545. Bis zur VolljŠhrigkeit von dessen Sohn, Karl III. von Lothringen (1543-1608), im Jahr 1559 Ÿbernahm erst die Mutter, Christina von DŠnemark, die Regentschaft (bis 1552) und dann Nikolaus von Lothringen-MercÏur (1524-1577), der Onkel Karls III. In 9/59 (5.265) ist von einem "gro§en Nikolaus" die Rede. An wen Nostradamus bei seinem "Merkur" gedacht hat und ob zwischen dem "gro§en Nikolaus" aus 9/59 (5.265) und "Merkur" eine Verbindung besteht, ist im Augenblick noch unklar. GemŠ§ 10/79/3 scheint "Merkur" aber aus dem Hause Bourbon zu stammen und wie Ludwig II. ebenfalls in Nordafrika aktiv zu werden (allerdings nicht in Tunesien sondern in €gypten).
6) "Sie" (Plural) dŸrften die Leute sein, aus denen die erwŠhnte "Formation" (Gruppe) besteht.
7) Das Feuer wird in der Astrologie der Sonne und dem Mars zugeordnet. Somit kann hier gemeint sein, dass die "verborgene Formation" im Christentum (in der Sonne) vorhanden sein wird oder "Merkur" sie wŠhrend des Krieges (im Mars) entdecken wird.
8) Das mittelfranzšsische "bruit" bedeutet neben "LŠrm, Krach" u. a. auch "Ruhm, Ruf, Ehre".
9) Das mittelfranzšsische "insulte" bedeutet u. a. "Aufstand, Aufruhr; Angriff". Leider ist hier noch nicht ganz klar, wer wen angreift oder einem Angriff ausgesetzt sein wird, zumal bei "sera mis" auch ein Fehler vorliegen kšnnte ("seront mis"? "sera mise"?). Vermutlich kommt es aber zu einem Kampf zwischen "Merkur" und der von diesem entdeckten Formation.

Das Christentum wird den Islam Ÿbertrumpfen. Unter den Christen wird es im Verborgenen aber die AnhŠngerschaft der "Jupiter"-Religion geben. Vorschau: Der Franzose "Merkur"wird sie entdecken und dann ruhmreich zum militŠrischen Angriff Ÿbergehen.

 

Laut Zeile eins wird die Sonne die Venus verdecken. D. h. das Christentum wird den Islam Ÿbertrumpfen oder vielleicht sogar zum Verschwinden bringen. Das ist eine Parallele zu 3/95/1, wo wir erfahren, dass der Islam zerfallen wird.

 

Aber unter dem Glanz der triumphierenden Sonne (Zeile zwei) wird im Verborgenen eine andere Gruppierung von Leuten existieren. Eine Gruppierung, die nicht zum Glanz (des Christentums) gehšren wird.

 

Der dritten Zeile entnehmen wir, dass "Merkur" sie (die Angehšrigen der verborgenen Gruppierung) im "Feuer" entdecken wird. Mit dem "Feuer" ist hier wohl die Sonne, d. h. das Christentum gemeint, vgl. Anmerkung 7.

 

GemŠ§ Zeile vier wird es dann zum Krieg zwischen "Merkur" und dieser Gruppierung kommen, wobei hier nicht klar ist, von wem der Angriff ausgehen wird (vgl. Anmerkung 9).

 

Wie aus den letzten beiden Zeilen zu schlie§en ist, ist mit "Merkur" hier wohl kaum der gleichnamige Planet gemeint. Vielmehr mŸssen wir wohl an eine Macht oder eine Person denken. Konkret kšnnte Nostradamus dabei einen franzšsischen Herrscher im Auge gehabt haben, den er mit Herzog Ludwig II. von Bourbon (1337-1410) vergleicht, vgl. Anmerkung 5. FŸr die franzšsische Spur sprŠche u. a. auch 5/77/4, wo wir erfahren, dass die AnhŠnger der "Jupiter"-Kirche von einem Kšnig von Frankreich vernichtet werden.

 

Die innerhalb der Kirche vorhandene und zunŠchst verborgene Gruppierung wŠre in diesem Fall mit den AnhŠngern des "Jupiter"-Kultes zu identifizieren. Dass "Merkur" und "Jupiter" auch tatsŠchlich miteinander im Krieg stehen werden, dŸrfte weiter aus 9/55/4 zu ersehen sein.

 

 

4/29  

 

[1] Le sol1) cachŽ eclipse2) par Mercure3)

[2] Ne sera mis6) que pour4) le ciel second5).

[3] De Vulcan7) Hermes8) sera faite10) pasture9):

[4] Sol11) sera veu pur rutilant12) & blond13).

 

[1] Die versteckte Sonne1) verschwindet2) durch Merkur3).

[2] [Die Sonne] wird nur wegen4) des zweiten Himmels5) aufgerichtet6) werden.

[3] Von Vulkan7)-Hermes8) [wird die versteckte Sonne zum] Fra§9) gemacht10) werden.

[4] [Die] Sonne11) wird rein, rštlich12) und golden13) gesehen werden.

 

1) Lat. "sol" (Sonne). Die Sonne steht bei Nostradamus fŸr das (katholische) Christentum, das den Tag der Sonne (lat. "dies Solis"), den Sonntag feiert.
2) Im Mittelfranzšsischen bedeutet "eclipse" neben "Eklipse (Bedeckung eines Himmelskšpers durch einen anderen)" auch allgemein "Abwesenheit, Verschwinden". Das Verb "eclipser" analog "durch eine Eklipse verdeckt werden" oder im Ÿbertragenen Sinne auch einfach "verschwinden". BRINDÕAMOUR, S. 505, korrigiert hier zu "eclipsŽ" und bezieht das Partizip auf die Sonne, die durch Merkur verdeckt werden soll. In den Ausgaben von 1555, 1557 und 1568 steht hier durchwegs "eclipse [par Mercure]", was tatsŠchlich eine Verdeckung durch "Merkur" nahelegt. Dann wŠre "Merkur" ein Gegner der Kirche bzw. des Christentums ("Sonne"). Es sei denn, das Attribut "cachŽ" ist im Sinne des lat. "obscurus" zu verstehen, das u. a. auch "unkenntlich" bedeuten kann. In diesem Fall wŠre hier von einem bis zur Unkenntlichkeit verfremdeten Christentum (bzw. einer derartigen Kirche) die Rede, die durch "Merkurs" Wirken verschwinden wird. Denkbar wŠre aber auch, dass hier die Wortstellung zu "par eclipse Mercure" geŠndert werden muss. In diesem Fall wŠre die Stelle etwa mit "[wŠhrend der] Abwesenheit Merkurs" zu Ÿbersetzen. "Merkur" wŠre dann wohl der Schutzherr der "versteckten/unkenntlichen Sonne".
3) Merkur (griech. Hermes) war u. a. der Gott der Kaufleute, Diebe und der Redekunst. Zudem Gštterbote und FŸhrer der Seelen in die Unterwelt. Sein Vater war Jupiter.
          In Frankreich gibt es zwei Gemeinden namens MercÏur, eine im westlichen Zentralfrankreich, etwa 105 km sŸdšstlich von Limoges und eine etwa 107 km nordšstlich der ersten, etwa 67 km sŸdšstlich von Clermont-Ferrand. Dazu existiert noch ein Berg (erloschener Vulkan) namens Puy de MercÏur etwa 10 km sŸdwestlich von Clermont-Ferrand.
          MercÏur sŸdšstlich von Clermont-Ferrand war der Hauptort der Herrschaft MercÏur, die nach NostradamusÕ Tod zum Herzogtum erhoben wurde (1569). Vom ausgehenden 9. Jahrhundert bis 1321 gehšrte die Herrschaft den Herren von MercÏur. Durch Erbfall ging die Herrschaft an die Dauphins von Auvergne Ÿber, die sie 1371 ihrerseits an die Herzšge von Bourbon vererbten. Diese Ÿbergaben sie den Grafen von Montpensier, einer jŸngeren Linie der Bourbonen. Durch Heirat gelangte MercÏur 1515 an das Haus VaudŽmont, die Herzšge von Lothringen (vgl. 10/18). An konkreten historischen Vorbildern fŸr diesen "Merkur" gibt es etwa Ludwig II. von Bourbon (1337-1410), der sich als Feldherr u. a. im HundertjŠhrigen Krieg gegen die EnglŠnder bewŠhrte. 1390 fŸhrte er einen Kreuzzug gegen die muslimischen Piraten im tunesischen Mahdia an. Sein Sohn Johann I. (1381-1434) war ebenfalls Feldherr, starb allerdings in englischer Gefangenschaft. Ludwig I. Graf von Montpensier (1406-1486) war v. a. Diplomat und starb als Gesandter in Rom. Gilbert Graf von Montpensier (1443-1496) war Feldherr und kŠmpfte u. a. in Italien, wo er zum Vizekšnig von Neapel ernannt wurde. Dessen Tochter und Erbin RenŽe (1494-1539) heiratete 1515 Anton II. Herzog von Lothringen (1489-1544). Ihr Šltester Sohn und Nachfolger starb allerdings bereits 1545. Bis zur VolljŠhrigkeit von dessen Sohn, Karl III. von Lothringen (1543-1608), im Jahr 1559 Ÿbernahm erst die Mutter, Christina von DŠnemark, die Regentschaft (bis 1552) und dann Nikolaus von Lothringen-MercÏur (1524-1577), der Onkel Karls III. In 9/59 (5.265) ist von einem "gro§en Nikolaus" die Rede. An wen Nostradamus bei seinem "Merkur" gedacht hat und ob zwischen dem "gro§en Nikolaus" aus 9/59 (5.265) und "Merkur" eine Verbindung besteht, ist im Augenblick noch unklar. GemŠ§ 10/79/3 scheint "Merkur" aber aus dem Hause Bourbon zu stammen und wie Ludwig II. ebenfalls in Nordafrika aktiv zu werden (allerdings nicht in Tunesien sondern in €gypten).
4) Im Sinne von "fŸr" wie auch von "durch".
5) Das geozentrische vorkopernikanische Weltbild vertrat die Auffassung, dass die Erde von mehreren Himmeln oder SphŠren umgeben sei. Dabei wurden auf die ersten sieben Himmel die Planeten sowie Sonne und Mond verteilt. Im zweiten Himmel zog Merkur seine Runden.
6) Das "mis" bezieht sich wahrscheinlich auf die Sonne, die im Franzšsischen mŠnnlich ist. Allerdings wohl kaum auf die "versteckte" (unkenntlich gewordene) Sonne, die ja von Merkur selber zum verschwinden gebracht werden wird. Vielmehr ist wohl die (wieder) reine Sonne gemeint.
          Das mittelfranzšsische "mettre" bedeutet grundsŠtzlich "schicken, aussenden" usw. aber u. a. auch "(wieder) aufrichten, (wieder) aufstellen" (vgl. "mettre sus").
7) Vulcanus (griech. Hephaistos) war der Gott des Feuers und der Schmiedekunst. Seine Eltern waren Jupiter und Juno, er selber war mit Venus verheiratet, die ihn aber u. a. mit Mars betrog. Das lat. "Vulcanus" steht im Ÿbertragenen Sinne auch fŸr "Feuer(flamme)".

8) Hermes entspricht dem ršmischen Merkur, der somit in dieser Strophe zum dritten Mal erwŠhnt wird.

9) Oder auch "Beute; Weide". Die Stelle erinnert an eine Passage im Vorwort fŸr CŠsar Nostradamus, wo unser Seher seinem Sohn mitteilt, dass er die zur Erstellung der Prophezeiungen verwendeten Schriften Vulcanus (Vulkan) zum Verschlingen gegeben, d. h. verbrannt habe: "Mais doutant ce qui aduiendroit en ay faict, apres la lecture, present ˆ Vulcan,  que pendant quil les venoit ˆ deuorer, la flamme leschant lÕair rendoit vne clartŽ insolite, plus claire que naturelle flamme, comme lumiere de feu de clystre fulgurant, illuminant subit la maison, comme si elle fust estŽ en subite c›flagration."

10) Die †bersetzung der Zeile hŠngt u. a. an der Frage, ob dieses "faite" (weiblich) vielleicht "fait" (mŠnnlich) hei§en sollte. Bei "fait" wŠre die Zeile so zu verstehen: "Von Vulcanus wird Hermes zum Fra§ gemacht werden", d. h. "Merkur" wŸrde hier verbrannt, vgl. dazu Anmerkungen 7 und 9. Allerdings stellt sich hier die Frage, ob dies in den Kontext der Strophe passt. Bei "faite" hie§e es: "Von Vulcanus wird [dem] Hermes [die] Weide bereitet werden". Im Mythos hat Hermes schon im SŠuglingsalter die Rinder des Apollo mit einer List von dessen Weide gestohlen. Eine Begebenheit, an die Nostradamus hier gedacht haben kšnnte. Allerdings hŠtte dann unser Seher Apollo durch Vulcanus ersetzt, der hier fŸr die "Jupiter"-Religion stŸnde. Eine andere Lšsung wŠre, dass in Zeile drei nur von Hermes die Rede ist, den Nostradamus allerdings "Vulkan-Hermes" nennt. FŸr diese Lšsung spricht meines Erachtens 5/77/4, wo zu lesen ist, dass ein Kšnig von Frankreich die heidnischen PriesterŠmter der "Jupiter"-Religion "vulkanisch" machen, d. h. verbrennen (vernichten) wird. Aus dieser †bereinstimmung herauszulesen wŠre u. a., dass es sich bei "Merkur" wahrscheinlich um einen franzšsischen Kšnig oder mindestens einen hohen BevollmŠchtigten eines solchen handeln wird, etwa um einen Feldherren. Doch was sollte der angenommene Doppelname "Vulkan-Hermes" bzw. "Vulkan-Merkur" genau bedeuten? "Feuer-Merkur" ("Merkur" der Vernichter)? Oder hat Nostradamus hier auf den erloschenen Vulkan Puy de MercÏur angespielt, der in der weiteren Umgebung des Ortes MercÏur liegt, vgl. dazu die AusfŸhrungen in Anmerkung 3?

11) Vgl. Anmerkung 1.
12) Vgl. lat. "rutilare" (u. a. rštlich schimmern, wie Gold glŠnzen). Hier kšnnte also auch einfach noch einmal "golden" gemeint sein, vgl. Anmerkung 13.
13) Das mittelfranzšsische "blond" bedeutet u. a. auch "goldgelb".

Vorschau auf das Ende des "Jupiter"-Kults: "Merkur" wird die neuheidnisch verfremdete "Jupiter"-Kirche zum Verschwinden bringen und die wahre katholische Kirche wieder auferstehen lassen.

 

In der ersten Zeile erfahren wir, dass eine schon "versteckte" Sonne durch "Merkur" zum verschwinden gebracht werden wird. "Merkur" kennen wir bereits aus 4/28. Es handelt sich dabei meines Erachtens um einen franzšsischen Machthaber, den Nostradamus wohl mit Herzog Ludwig II. von Bourbon (1337-1410) vergleicht.

 

Die "Sonne" steht bei Nostradamus fŸr das Christentum, genauer den Katholizismus, die Kirche. Allerdings beschreibt unser Seher die Kirche hier als "versteckt" oder wohl eher "unkenntlich", vgl. Anmerkung 2. Es handelt sich also nicht um die "gewšhnliche" katholische Kirche.

 

Von der reinen, eigentlichen "Sonne" dŸrfte in der zweiten Zeile die Rede sein. Das kann wohl aus dem Umstand geschlossen werden, dass es der gleiche "Merkur" sein wird, der sie - anders als ihr "verhŸlltes" Pendant - aufrichtet. NostradamusÕ "Merkur" ist somit also wahrscheinlich der Retter der katholischen Kirche.

 

Mit Blick auf die Informationen aus 4/28 dŸrften es wohl die AnhŠnger der "Jupiter"-Religion sein, die vor "Merkurs" Eingreifen die Kirche ("Sonne") verstecken bzw. verhŸllen (verfremden).

 

Noch etwas unklar ist Zeile drei. Ich vermute aber, dass es darum geht, dass "Merkur", der hier wohl "Vulkan-Hermes" genannt wird, die "versteckte (verfremdete) Sonne (Kirche)" vernichten, d. h. "vulkanisch" machen wird, vgl. 5/77/4 und Anmerkungen 9 und 10.

 

Das Ergebnis von Merkurs Eingreifen dŸrften wir in 4/29/4 vorfinden. Die wahre katholische (nicht "versteckte") Sonne wird "rein, rštlich" und "golden" gesehen werden. Damit dŸrfte der Sonnenaufgang gemeint sein, wenn unser Zentralgestirn noch jung und rein Ÿber den Horizont tritt und nach der Morgenršte golden am Himmel steht. Die wahre Kirche erlebt eine Neugeburt.

 

 

 

9/55  

 

[1] LÕhorrible guerre qu en lÕoccident s appreste

[2] LÕan ensuiuant viendra la pestilence1)

[3] Si fort horrible que ieune, vieulx, ne beste,

[4] Sang, feu2), Mercure3), Mars4), Iupiter5) en France6).

 

[1] Der schreckliche Krieg, der sich im Westen vorbereitet,

[2] - [und im] folgenden Jahr wird [noch] die Pestilenz1) [dazu] kommen -,

[3] [wird] so schrecklich sein, dass [weder] Jung [noch] Alt [noch] Vieh [von]

[4] Blut [und] Feuer2) [verschont bleiben werden]. Merkur3), Mars4) [und] Jupiter5) [werden] in Frankreich6) [sein].

 

1) Das mittelfranzšsische "pestilence" (Pestilenz) bedeutet neben "Seuche, Pest, pestartige Epidemie" auch "UnglŸck, Unheil; Elend; Massaker".
2) Damit sind die Schrecken des Krieges gemeint, vgl. die diesbezŸglichen Wendungen "ˆ feu et ˆ sang" und "de feu et de sang".
3) Merkur (griech. Hermes) war u. a. der Gott der Kaufleute, Diebe und der Redekunst. Zudem Gštterbote und FŸhrer der Seelen in die Unterwelt. Sein Vater war Jupiter.
          In Frankreich gibt es zwei Gemeinden namens MercÏur, eine im westlichen Zentralfrankreich, etwa 105 km sŸdšstlich von Limoges und eine etwa 107 km nordšstlich der ersten, etwa 67 km sŸdšstlich von Clermont-Ferrand. Dazu existiert noch ein Berg (erloschener Vulkan) namens Puy de MercÏur etwa 10 km sŸdwestlich von Clermont-Ferrand.
          MercÏur sŸdšstlich von Clermont-Ferrand war der Hauptort der Herrschaft MercÏur, die nach NostradamusÕ Tod zum Herzogtum erhoben wurde (1569). Vom ausgehenden 9. Jahrhundert bis 1321 gehšrte die Herrschaft den Herren von MercÏur. Durch Erbfall ging die Herrschaft an die Dauphins von Auvergne Ÿber, die sie 1371 ihrerseits an die Herzšge von Bourbon vererbten. Diese Ÿbergaben sie den Grafen von Montpensier, einer jŸngeren Linie der Bourbonen. Durch Heirat gelangte MercÏur 1515 an das Haus VaudŽmont, die Herzšge von Lothringen (vgl. 10/18). An konkreten historischen Vorbildern fŸr diesen "Merkur" gibt es etwa Ludwig II. von Bourbon (1337-1410), der sich als Feldherr u. a. im HundertjŠhrigen Krieg gegen die EnglŠnder bewŠhrte. 1390 fŸhrte er einen Kreuzzug gegen die muslimischen Piraten im tunesischen Mahdia an. Sein Sohn Johann I. (1381-1434) war ebenfalls Feldherr, starb allerdings in englischer Gefangenschaft. Ludwig I. Graf von Montpensier (1406-1486) war v. a. Diplomat und starb als Gesandter in Rom. Gilbert Graf von Montpensier (1443-1496) war Feldherr und kŠmpfte u. a. in Italien, wo er zum Vizekšnig von Neapel ernannt wurde. Dessen Tochter und Erbin RenŽe (1494-1539) heiratete 1515 Anton II. Herzog von Lothringen (1489-1544). Ihr Šltester Sohn und Nachfolger starb allerdings bereits 1545. Bis zur VolljŠhrigkeit von dessen Sohn, Karl III. von Lothringen (1543-1608), im Jahr 1559 Ÿbernahm erst die Mutter, Christina von DŠnemark, die Regentschaft (bis 1552) und dann Nikolaus von Lothringen-MercÏur (1524-1577), der Onkel Karls III. In 9/59 (5.265) ist von einem "gro§en Nikolaus" die Rede. An wen Nostradamus bei seinem "Merkur" gedacht hat und ob zwischen dem "gro§en Nikolaus" aus 9/59 (5.265) und "Merkur" eine Verbindung besteht, ist im Augenblick noch unklar. GemŠ§ 10/79/3 scheint "Merkur" aber aus dem Hause Bourbon zu stammen und wie Ludwig II. ebenfalls in Nordafrika aktiv zu werden (allerdings nicht in Tunesien sondern in €gypten).
4) Lat. "mars" (u. a. Krieg).
5) Gšttervater Jupiter (griech. Zeus) war der oberste der olympischen Gštter und oberster Staatsgott des heidnischen Roms. Eines seiner Attribute war der Blitz. Der ihm geweihte Tag war der Donnerstag (lat. "dies Iovis").
6) Da Merkur, Mars und Jupiter auch Planeten sind, sieht es hier auf den ersten Blick nach einer Konstellation aus. Dann mŸsste "Frankreich" aber ein Sternbild oder Tierkreiszeichen sein. Infrage kŠme in diesem Fall der Lšwe, denn nach PTOLEM€US, Tetrabiblos 2,3 ist Gallien (Frankreich) dem Lšwen zugeordnet, so wie etwa auch Italien. Doch da bei Nostradamus Merkur und Jupiter auch Akteure sein kšnnen und Mars einfach den Krieg meinen kann, ist diese Interpretation keineswegs zwingend.

Vorschau auf "Merkurs" Krieg in Frankreich: In einem fŸrchterlichen Kampf werden sich der Franzose und "Jupiter" gegenŸberstehen.

 

In der vierten Zeile tauchen "Merkur" und "Jupiter" auf, die wir bereits kennen. Der franzšsische Machthaber und die neuheidnische Religion werden dabei durch Kriegsgott Mars verbunden. Dass Nostradamus in dieser Zeile von einem Krieg und nicht vom roten Planeten spricht, kann wohl aus den beiden ersten Worten von 9/55/4 hergeleitet werden, vgl. Anmerkung 2.

 

Den kŠmpfenden "Merkur" kennen wir bereits aus 4/28 und 4/29, wo ebenfalls das religišse Element seines Kampfes auftaucht (Kampf fŸr die Kirche). In 9/55/4 erfahren wir, dass er in Frankreich mit "Jupiter" kŠmpfen wird. Ein Hinweis, der zur wohl franzšsischen Herkunft "Merkurs" passt, vgl. 5/77/4. 

 

In den Zeilen eins und drei dŸrfte der Krieg zwischen "Merkur" und "Jupiter" charakterisiert werden. Es wird sich um einen schrecklichen Kampf handeln, bei dem nichts ("Vieh") und niemand ("Jung und Alt") verschont bleiben wird.

 

Nostradamus nennt den Krieg in Frankreich den "Krieg im Westen" (Zeile eins). Dies wohl v. a. zur Unterscheidung von den WaffengŠngen im Osten, vgl. etwa 6/49.

 

In der zweiten Zeile erfahren wir, dass ein Jahr nach dem Krieg im Westen - oder nach dessen Beginn? - noch die "Pestilenz" dazu kommen wird. Was genau damit gemeint ist, ist hier nicht ersichtlich (vgl. Anmerkung 1). Ebenso wenig, ob nur der Westen davon betroffen sein wird.

 

Ebenfalls nicht klar ist, ob dieser Krieg zur Expansionsphase der "Jupiter"-Religion gehšrt oder vielmehr zu deren Untergang. Hier wurde von mir vermutet, dass dieser Vierzeiler zwar dem Niedergang dieses neuheidnischen Glaubens zuzuordnen ist, allerdings als Vorschau der "Merkur"-Gruppe 4/28f. angehšrt.

 

 

8/2

 

[1] Condon1) & Aux2) & autour de Mirande3)

[2] Ie voy du ciel feu4) qui les enuironne.

[3] Sol Mars conioint au Lyon5) puis marmande6)

[4] Fouldre7), grand gresle8), mur tombe dans Gar›ne9).

 

[1] [In] Condom1), [in] Auch2) und um Mirande3) herum

[2] sehe ich Feuer vom Himmel4), das sie umschlie§t.

[3] Sonne [und] Mars [stehen] in Konjunktion im [Sternzeichen] Lšwen.5) Dann [wird in] Marmande6)

[4] [ein] Blitz7) [und ein] gro§er Hagel8) [zu beobachten sein. Eine] Mauer stŸrzt [dann] in [die] Garonne9).

 

1) Ort in SŸdwestfrankreich, etwa 95 km nordwestlich von Toulouse und 39 km nordwestlich von Auch. Condom liegt wie Mirande an der Ba•se. Alternativ gŠbe es noch ein Condom-dÕAubrac im Zentralmassiv, etwa 36 km nordšstlich von Rodez.
2) Stadt in SŸdwestfrankreich, etwa 70 km westlich von Toulouse.
3) Ort in SŸdwestfrankreich, etwa 21 km sŸdwestlich von Auch.
4) Feuer oder feurige Erscheinungen am Himmel gehšren zum klassischen Vorzeichenrepertoire. So finden wir dort auch bei Julius OBSEQUENS etliches Feuer. Etwa in den Kapiteln 3 oder 11, wobei in letzterem eine "brennende Fackel" gesehen wird. Solche Fackeln finden wir auch in den Kapiteln 12, 24, 45, 51, 53, 68 und 71. In Kapitel 52 treffen wir auf eine Flamme aus dem Himmel, wŠhrenddem in 54 von einem Feuerball die Rede ist. Der Himmel brennt zudem in 14, 20 und 51. Bei Nostradamus bleibt das Feuer hier allerdings nicht am Himmel sondern fŠllt auf die Erde, vgl. 1/46/2. Mit diesem Himmelsfeuer ist wohl der Blitz, ein Attribut des Jupiter, gemeint, vgl. 1/46.
5) Vgl. auch CLƒBERT, S. 841. Mšglich wŠre auch die Stelle so zu verstehen, dass Sonne (das Christentum) und Mars (der Krieg) in der Zeit des Lšwen (18. Juli bis 17. August) vereint ("conioint") sein werden, d. h. dass sich das Christentum dann im Krieg befinden wird. Von der Sonne im Lšwen und einem Blitz lesen wir auch in 9/19/2.
6) Stadt in SŸdwestfrankreich an der Garonne, etwa auf halbem Weg zwischen Bordeaux und Agen gelegen. Ansonsten gŠbe es noch im nšrdlichen Zentralfrankreich, rund 50 km sŸdšstlich von Bourges, einen kleinen Fluss dieses Namens.
7) Blitze haben einen festen Platz in der Vorzeichenliteratur. Bei OBSEQUENS finden wir sie in den Kapiteln 1, 3, 5, 7, 11f., 14-17, 24f., 27, 28, 29, 31, 36-38, 41, 43f., 46, 47, 49f., 52-54, 56a f., 61, 63, 65a, (66), 68f. und 71. Bei Nostradamus werden sie wšrtlich in 1/26, 1/65, 2/51, 2/76, 3/6, 3/13, 3/44, 4/35, 4/43, 4/54, 4/99, 8/2, 8/6, 9/19 und 9/36 erwŠhnt. In der antiken Mythologie war der Blitz ein Attribut des Jupiter (Zeus). Im Mittelfranzšsischen bedeutet "fou(l)dre" neben "Blitz" zudem auch "Verurteilung".
8) Regen und Hagel wurden dem Jupiter zugeordnet, dessen Name im Lateinischen auch fŸr die beiden erwŠhnten WetterphŠnomene stehen kann. Hagel taucht bei Nostradamus einige Male auf. Ob dieser allerdings jedes Mal auf "Jupiter" verweist, ist noch unklar.
9) Fluss in SŸdwestfrankreich, an dem u. a. Toulouse, Agen und Bordeaux liegen.

Expansion der "Jupiter"-Religion in Frankreich: Vormarsch der "Jupiter"-Leute westlich von Toulouse.

 

In den ersten beiden Zeilen geht es um die Region Condom-Auch-Mirande, die etwas mehr als 70 km westlich von Toulouse liegt. Nostradamus schreibt, dass dort "Feuer vom Himmel" jemanden "umschlie§en" (auch: umzingeln, umgeben) wird. D. h. dieses "Feuer" wird konkret auf der Erde handeln, was etwa astronomische Konstellationen oder Himmelserscheinungen wie Kometen ausschlie§t. Mit dem "Feuer vom Himmel" ist wohl der Blitz gemeint (vgl. Anmerkung 4). Mšglicherweise aber auch ein Krieg, da das Feuer u. a. dem Mars zugeordnet wird.

 

In der dritten Zeile ist von einer Sonne-Mars-Konjunktion im Lšwen die Rede. Die Stelle kšnnte aber auch dahingehend verstanden werden, dass das Christentum (Sonne) sich in der Zeit des Lšwen (18. Juli bis 17. August) im Krieg befinden wird (vgl. Anmerkung 5).

 

Ebenfalls in der dritten Zeile ist von Marmande an der Garonne die Rede, das nšrdlich des Raumes Condom-Auch-Mirande liegt.

 

Laut Zeile vier werden in Marmande ein Blitz und gro§er Hagel niedergehen. Blitz und Hagel sind dem Jupiter zugeordnet, vgl. Anmerkungen 7 und 8. Das dŸrfte bedeuten, dass die AnhŠnger der "Jupiter"-Religion dort angreifen oder einziehen werden.

 

Zeile vier erwŠhnt zudem eine Mauer, die in die Garonne stŸrzen wird. Doch was hat es mit dieser Mauer auf sich und in welcher Stadt kommt es zu diesem Einsturz? An der Garonne gibt es verschiedene Orte, die zur Zeit des Nostradamus Befestigungsanlagen oder bedeutende Bauwerke besessen haben. Die Frage nach der genauen Lokalisierung dieses Mauersturzes bleibt somit im Augenblick offen. Wichtiger kšnnte dagegen der Einsturz als solcher und dessen Grund sein. In 1/46/4 ist nŠmlich von einem Erdbeben die Rede. Und das in einem Vierzeiler, der in derselben Region angesiedelt ist wie eben 8/2. Somit kšnnte das Erdbeben aus 1/46/4 der Grund fŸr den Mauersturz aus 8/2/4 und das verbindende Element der beiden Strophen sein.

 

 

 

 

 

1/46  

 

[1] Tout aupres dÕAux1), de Lectore2) & Mirande3)

[2] Grand feu du ciel4) en troys nuicts tumbera:5)

[3] Cause7) auiendra bien stupende & mirande6):

[4] Bien peu apres la terre tremblera.

 

[1] Ganz in der NŠhe von Auch1), von Lectoure2) und [von] Mirande3)

[2] wird [das] gro§e Feuer des Himmels4) wŠhrend dreier NŠchte vom Himmel fallen.5)

[3] [Eine] sehr erstaunliche und wunderbare6) Sache7) wird sich ereignen.

[4] Wenig spŠter wird die Erde beben.

 

1) Stadt in SŸdwestfrankreich, etwa 70 km westlich von Toulouse.
2) Ort etwa 32 km nšrdlich von Auch. Auch und Lectoure liegen beide am Fluss Gers.
3) Ort etwa 21 km sŸdwestlich von Auch.
4)  Feuer oder feurige Erscheinungen am Himmel gehšren zum klassischen Vorzeichenrepertoire. So finden wir dort auch bei Julius OBSEQUENS etliches Feuer. Etwa in den Kapiteln 3 oder 11, wobei in letzterem eine "brennende Fackel" gesehen wird. Solche Fackeln finden wir auch in den Kapiteln 12, 24, 45, 51, 53, 68 und 71. In Kapitel 52 treffen wir auf eine Flamme aus dem Himmel, wŠhrenddem in 54 von einem Feuerball die Rede ist. Der Himmel brennt zudem in 14, 20 und 51. Bei Nostradamus bleibt das Feuer hier allerdings nicht am Himmel sondern fŠllt auf die Erde, vgl. 8/2/2. Das erinnert an die Bibel, etwa an die Zerstšrung Sodom und Gomorras (Genesis 19,24) oder an die Apokalypse (Offenbarung 20,9). CLƒBERT, S. 125, sieht mit dem "gro§en Feuer des Himmels" den Blitz  - Attribut des Jupiter - gemeint. UnterstŸtzt wird diese Interpretation zum einen durch den Umstand, dass das mittelfranzšsische "feu" wie das lat. "ignis" (Feuer) auch den Blitz bezeichnen kann und zum anderen durch die dritte Zeile, die an 2/76/1f. und 1/80/3 erinnert, zwei offensichtliche "Jupiter"-Strophen.
5) Oder auch: "wird gro§es [d. h. mŠchtiges oder viel] Feuer in drei NŠchten vom Himmel fallen".
6) Lat. "mirandus" (wunderbar, bewundernswert).
7) Lat. "causa" (Grund; Sache, Sachverhalt). Mit dieser "cause stupende & mirande" ist wohl der "cas portteux" aus 2/76/1 gemeint.

Der Vormarsch der "Jupiter"-Leute westlich von Toulouse wird zeitlich von einem wunderbaren Ereignis und einem Erdbeben begleitet.

 

8/2/1 spricht von der Region Condom-Auch-Mirande, wo Feuer aus dem Himmel auf die Erde fallen wird. Die beiden ersten Zeilen von 1/46 handeln vom gleichen Gebiet, nur dass Condom - die nšrdliche Ecke des Ortedreiecks -durch Lectoure ersetzt wird. Lectoure liegt 20 km sŸdšstlich von Condom, d. h. etwas weiter Richtung Toulouse.

 

Wie in 8/2/2 fŠllt auch in 1/46/2 Feuer vom Himmel. Und zwar in drei NŠchten. Hei§t das nur in der Nacht oder in der Zeit, in der drei NŠchte liegen, d. h. drei mal 24 Stunden? Sollte ersteres zutreffen, kšnnte mit dem "Himmelsfeuer" eine astronomische Erscheinung gemeint sein, die nur in der Nacht, am Sternenhimmel zu sehen sein wird. Dagegen spricht aber, dass bei Nostradamus das Feuer vom Himmel offensichtlich in einem bestimmten Gebiet auf die Erde fallen wird.

 

In der dritten Zeile erfahren wir, dass sich etwas Erstaunliches, Wunderbares ereignen wird. Was genau, sagt unser Seher hier leider nicht. Wahrscheinlich handelt es sich dabei aber um das "Wunder", das der neue "Claudius" vollbringen wird (vgl. 1/80/3).

 

Die vierte Zeile schlŠgt wohl die BrŸcke zu 8/2/4. Dort lesen wir von einer in die Garonne stŸrzenden Mauer, und hier dŸrfte der Grund dafŸr genannt werden: ein Erdbeben, das kurz nach dem erstaunlichen Ereignis aus 1/46/3 auftreten wird.

 

 

 

 

 

 

1/80  

 

[1] De la sixiesme claire splendeur celeste1)

[2] Viendra tonner2) si fort en la Bourgoigne:

[3] Puis naistra4) monstre3) de tres hideuse beste.

[4] Mars, apuril, May, Iu”g gr‹d charp”5) & r›gne6).

 

[1] Vom sechsten strahlenden Himmelsglanz1)

[2] wird [ein] sehr starker Donner2) in das Burgund kommen.

[3] Dann wird [ein] Wunderzeichen3) der Ÿberaus fŸrchterlichen Bestie erscheinen4).

[4] [Im] MŠrz, April, Mai [und] Juni [wird es ein] gro§es Zerrei§en5) und [die] KrŠtze6) [geben].

 

1) Hier ist der Jupiter gemeint, der im geozentrischen vorkopernikanischen Weltbild unter den "Planeten" den sechsten Platz einnahm (1. Mond, 2. Merkur, 3. Venus, 4. Sonne, 5. Mars, 6. Jupiter, 7. Saturn).
2) Hier wohl als "tonnerre" (Donner) zu lesen. Ansonsten hie§e es in der zweiten Zeile: "wird [man] ins Burgund kommen, um sehr stark zu donnern". Der Donner war dem Blitze schleudernden Gott Jupiter zugeordnet (vgl. lat. "Iuppiter Tonans"). Im Mittelfranzšsischen konnte "tonnerre" mŠnnlichen wie weiblichen Geschlechts sein.
3) Vgl. lat. "monstrum" (u. a. Wahrzeichen, Wunderzeichen).
4) Das mittelfranzšsische "naistre" bedeutet neben "geboren werden" u. a. auch "erscheinen, sich manifestieren".
5) Oder auch: "[wird der] Gro§e zerrei§en".

6) Die KrŠtze (bei Tieren: RŠude) ist eine sehr ansteckende, hartnŠckige Hautkrankheit, die von einem quŠlenden Juckreiz begleitet wird. In der Bibel ist die KrŠtze einmal eine der Strafen Gottes fŸr Ungehorsam (Deuteronomium 28,27) und einer der GrŸnde, die der Tauglichkeit zum Priesteramt im Wege stehen (Levitikus 21,20). Vgl. 3/73/3. Alternativ lie§e sich "r›gne" auf "ro(n)gner" (abschneiden, beschneiden; abnagen usw.) zurŸckfŸhren. Denkbar wŠre aber auch, dass hier "gro(n)gne" gemeint ist (er knurrt, faucht usw.). In diesem Fall kšnnte die Stelle als Anspielung auf die "fŸrchterliche Bestie" verstanden werden. Konkret auf einen Wolf (der Wolf war Kriegsgott Mars geweiht).

Ein bedeutender Gefolgsmann der "Jupiter"-Religion kommt ins Burgund. Dann bewirkt "Jupiters" burgundischer Statthalter "Claudius" ein Wunder. Von MŠrz bis Juni erleidet man eine Strafe Gottes.

 

In den ersten beiden Zeilen der Strophe ist von Jupiter - d. h. wohl von der "Jupiter"-Religion - die Rede, von dem bzw. der ein sehr starker "Donner" ins Burgund kommen wird. Nach klassischer Vorstellung kamen von Gott Jupiter Blitze und somit analog auch der sie begleitende Donner. Beim "Donner" aus 1/80/2 dŸrfte es sich wahrscheinlich um einen bedeutenden Gefolgsmann des neuheidnischen "Jupiter"-Kultes handeln.

 

In der dritten Zeile erwŠhnt Nostradamus eine "Ÿberaus fŸrchterliche Bestie", die etwas bewerkstelligen wird, das unser Seher offensichtlich fŸr ein Wunder hŠlt. Bei dieser "Bestie", diesem UngetŸm, dŸrfte es sich um den neuen "Claudius", den Statthalter der "Jupiter"-Religion im Burgund handeln, den wir in 2/76 (Anmerkung 7), 3/41 und 3/73 antreffen. Das vollbrachte "Wunder" ist dabei eine Parallele zu 2/76/1 ("cas portteux") und 1/46/3 ("cause stupende & mirande").

 

Zeile vier berichtet davon, dass es in einem FrŸhjahr von MŠrz bis Juni ein gro§es "Zerrei§en" und die KrŠtze geben wird. Die KrŠtze ist eine Parallele zu 3/73/3, wo davon gesprochen wird, dass (wahrscheinlich) "Claudius" und das Land krŠtzig werden. Da ein Land kaum eine Hautkrankheit bekommen kann, ist diese "KrŠtze" wohl sinnbildlich zu verstehen. Nostradamus kšnnte hier an eine Strafe Gottes fŸr den neuheidnischen Abfall gedacht haben (vgl. Anmerkung 6). In 3/73 erfahren wir, dass "Claudius" einen nahestehenden Rivalen haben wird. Sollte diese RivalitŠt, diese Zwietracht mit dem "Zerrei§en" gemeint sein? Ist dieser Konflikt die Strafe Gottes?

 

 

2/76

 

[1] Foudre1) en Bourgoigne fera cas3) portteux2),

[2] Que par engin4) [onques]5) ne pourroit faire

[3] De leur senat6) sacriste8) fait boiteux7)

[4] Fera sauoir aux ennemis lÕaffaire

 

[1] [Der] Blitz1) wird im Burgund [eine] ungeheuerliche2) Sache3) bewerkstelligen,

[2] die [man] mit einer Maschine4) nie [und nimmer]5) machen kšnnte.

[3] Von ihrem Senat6) [wird der] Hinkende7) [zum] KŸster8) gewŠhlt,

[4] [der] den Feinden die Angelegenheit mitteilen wird.

 

1) Blitze haben einen festen Platz in der Vorzeichenliteratur. Bei OBSEQUENS finden wir sie in den Kapiteln 1, 3, 5, 7, 11f., 14-17, 24f., 27, 28, 29, 31, 36-38, 41, 43f., 46, 47, 49f., 52-54, 56a f., 61, 63, 65a, (66), 68f. und 71. Bei Nostradamus werden sie wšrtlich in 1/26, 1/65, 2/51, 2/76, 3/6, 3/13, 3/44, 4/35, 4/43, 4/54, 4/99, 8/2, 8/6, 9/19 und 9/36 erwŠhnt. In der antiken Mythologie war der Blitz ein Attribut des Jupiter (Zeus). Im Mittelfranzšsischen bedeutet "fou(l)dre" neben "Blitz" zudem auch "Verurteilung".
2) Oder auch: "ein Vorzeichen beinhaltend, au§ergewšhnlich".
3) "Cas" bedeutet u. a. "Fall; Ereignis, Sache, Verbrechen, Schlag". Vgl. 1/46/3.
4) Das mittelfranzšsische "engin" bedeutet u. a. "Geist, Intelligenz, FŠhigkeit; Vorgehensweise; Erfindungsgabe; List, Kunstgriff; Maschine; Kriegsmaschine".
5) BRINDÕAMOUR, S. 301, fŸgt hier "onques" (niemals, nie) ein, um auf zehn Silben zu kommen. BeschrŠnkt man sich auf das "ne", ist hier einfach "nicht" zu Ÿbersetzen.

6) "Senat" bezeichnet im Mittelfranzšsischen eine Ratsversammlung im weitesten Sinne.

7) Oder: "Missgestaltete". Der "Hinkende" ist wohl eine Anspielung auf den Namen "Claudius" (dt. "der Hinkende, der Lahme"). Historische Vorbilder gŠbe es fŸr einen Claudius viele. An erster Stelle natŸrlich den ršmischen Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.), der 10 v. Chr. in Lyon geboren wurde. Claudius litt unter einer Reihe kšrperlicher Gebrechen. Laut SENECA, Apocolocyntosis 5,2 soll er den rechten Fu§ nachgezogen haben. GemŠ§ SUETON, De vita Caesarum 5,3 habe ihn seine Mutter Antonia die JŸngere wegen seiner Gebrechen oft als "Ungeheuer/Monster" (lat. "portentum") bezeichnet. Das lat. "portentum" bedeutet dabei u. a. "grauenhaftes Vorzeichen, Wunder; Missgeburt, Ungeheuer, Scheusal". Man beachte dazu NostradamusÕ Wortwahl in der ersten Zeile: "portteux" (lat. "portentosus"). Die Stelle passt aber auch zu 1/80/3 wo vom Wunderzeichen ("monstre") der "Ÿberaus fŸrchterlichen Bestie" die Rede ist.
8) Es ist anzunehmen, dass Nostradamus hier an ein bedeutenderes Amt gedacht hat als an das, was wir heute unter "KŸster" verstehen. Infrage kommt etwa ein WŠchter- oder Aufseheramt, vgl. lat. "custos" (u. a. WŠchter, BeschŸtzer, Aufseher; KŸster) oder lat. "aedituus" (u. a. TempelhŸter, WŠchter; KŸster). Dass der "Hinkende" aber gleichzeitig eine kultisch-religišse Funktion haben kšnnte, lŠsst die griech. Entsprechung "neokoros" (TempelwŠrter, Tempelaufseher; Priester) vermuten. Die ršmischen Kaiser bekleideten auch das Amt des Oberpriesters, des Pontifex Maximus.

"Claudius", der Abgesandte der "Jupiter"-Religion, wird im Burgund ein Wunder bewirken. Von der Ratsversammlung der Burgunder wird "Claudius" dann zum Regierenden des Landes gewŠhlt. Feinden wird "Claudius" eine Angelegenheit mitteilen.

 

Die ersten beiden Zeilen schlie§en an 1/80/1-3 an. Wir erfahren, dass ein Abgesandter "Jupiters" - diesmal als "Blitz" und nicht als "Donner" bezeichnet - im Burgund eine "ungeheuerliche Sache" bewerkstelligen wird, die keine zur Zeit des Nostradamus bekannte Maschine hŠtte zustande bringen kšnnen. Das ist das "Wunderzeichen" der "Ÿberaus fŸrchterlichen Bestie", des neuen "Claudius". Woraus dieses "Wunder" konkret bestehen wird, erfahren wir allerdings auch hier nicht.

 

In 2/76/3 ist vom "Hinkenden", vom neuen "Claudius", dem Statthalter der "Jupiter"-Religion im Burgund die Rede (vgl. Anmerkung 7). Er wird von der Ratsversammlung der Burgunder ("ihrem Senat") zum "KŸster" gewŠhlt werden. Diese Wahl kšnnte vielleicht in Dijon, der Hauptstadt des Burgunds, stattfinden, wo u. a. auch das Parlement, der oberste Gerichtshof des Herzogtums, stand. †ber Art und Beschaffenheit dieses "Senates" erfahren wir allerdings nichts.

 

Ebenso unklar ist, was unser Seher hier unter dem "KŸster"-Amt versteht, vgl. Anmerkung 8. SinngemŠ§ wohl eine Art "Aufseher" (lat. "custos"), der das Burgund fŸr Papst "Ganymed" (?) verwaltet oder regiert.

 

Im Augenblick noch nicht zu verstehen ist die vierte Zeile. Welche Angelegenheit wird "Claudius" welchen Feinden mitteilen? Vgl. dazu aber 3/73.

 

 

3/73  

 

[1] Quand dans le regne2) paruiendra le boiteux1)

[2] Competiteur aura proche bastard3):4)

[3] Luy & le regne5) viendront si fort rogneux6),

[4] QuÕains quÕil7) guerisse son fait sera bien tard.

 

[1] Wenn der Hinkende1) ins Land2) kommen wird,

[2] wird [er einen] nahestehenden Bastard3) [als] Rivalen haben.4)

[3] Er und das Land5) werden derma§en stark krŠtzig6) werden,

[4] dass, bevor er7) [wieder] gesundet, seine Tat sehr spŠt kommen wird.

 

1) Oder: "Missgestaltete". Der "Hinkende" ist wohl eine Anspielung auf den Namen "Claudius" (dt. "der Hinkende, der Lahme"). Historische Vorbilder gŠbe es fŸr einen Claudius viele. An erster Stelle natŸrlich den ršmischen Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.), der 10 v. Chr. in Lyon geboren wurde. Claudius litt unter einer Reihe kšrperlicher Gebrechen. Laut SENECA, Apocolocyntosis 5,2 soll er den rechten Fu§ nachgezogen haben.
2) Oder auch: "Kšnigreich, Kšnigsherrschaft, Kšnigtum". Mšglich wŠre auch die †bersetzung: "Wenn der Hinkende an die Macht gelangen wird".
3) Damit ist einfach ein unehelich Geborerener gemeint, ohne zwingend eine Wertung vorzunehmen.
4) Oder auch: "wird [der] Rivale einen nahestehenden Bastard haben", was allerdings nur beschrŠnkt Sinn ergibt.
5) Vgl. Anmerkung 2.
6) Die KrŠtze (bei Tieren: RŠude) ist eine sehr ansteckende, hartnŠckige Hautkrankheit, die von einem quŠlenden Juckreiz begleitet wird. In der Bibel ist die KrŠtze einmal eine der Strafen Gottes fŸr Ungehorsam (Deuteronomium 28,27) und einer der GrŸnde, die der Tauglichkeit zum Priesteramt im Wege stehen (Levitikus 21,20).
7) Oder auch "es" (das Land).

"Claudius" wird nach seiner Ankunft oder Wahl im Burgund einen unehelich geborenen nahen Verwandten als Rivalen haben. Sehr spŠt wird "Claudius" eine Tat ausfŸhren.

 

In der ersten Zeile treffen wir wieder auf den "Hinkenden" (vgl. 2/76/3), also den neuen "Claudius".

 

Der zweiten Zeile ist zu entnehmen, dass "Claudius" offenbar einen unehelich geborenen nahestehenden Verwandten haben wird. Einen Verwandten, der mit ihm wohl um die Macht konkurriert. Der historische Kaiser Claudius hatte einen Šlteren Bruder (Germanicus 15 v. Chr. - 19 n. Chr.). Allerdings trat dieser nicht als Rivale des spŠteren Kaisers in Erscheinung.

 

In 1/80/4 ist von der "KrŠtze" und einem gro§en "Zerrei§en" die Rede. Mit dem "Zerrei§en" kšnnte die Spaltung, der Konkurrenzkampf mit dem "nahestehenden Bastard" (einem unehelichen Halbbruder?) gemeint sein. Ein Konflikt, den Nostradamus vielleicht als Strafe Gottes fŸr "Claudius" und das Burgund verstanden hat, vgl. Anmerkung 6.

 

3/73/3 berichtet von der schon angesprochenen "KrŠtze", die "Claudius" und das Burgund befallen wird.

 

Unklar ist die vierte Zeile. Wir erfahren dort, dass bevor die "KrŠtze" vorbei sein wird, es sehr spŠt zu seiner (wohl des "ClaudiusÕ") Tat kommt. 2/76/4 ist zu entnehmen, dass "Claudius" Feinden etwas mitteilen wird. Ist das die Tat aus 3/73/4? Kšnnte diese Tat vielleicht etwas mit dem Kampf gegen den unehelichen Rivalen zu tun haben? Es wŠre z. B. denkbar, dass "Claudius" den Feinden der "Jupiter"-Religion Informationen liefert, die es jenen ermšglicht, den unehelichen Rivalen auszuschalten.

 

 

 

 

 

9/19

 

[1] Dans le milieu de la forest Mayenne1),

[2] Sol2) au lyon3) la fouldre4) tombera,

[3] Le grand bastard yssu du grand du Maine5),

[4] Ce iour fougeres6) pointe en sang entrera.7)

 

[1] In der Mitte des Waldes [von] Mayenne1)

[2] [wird, wenn die] Sonne2) im Lšwen3) [steht], der Blitz4) niedergehen.

[3] Der gro§e Bastard [wird] dem Gro§en aus dem Maine5) entstammen.

[4] An diesem Tag wird [in] Fougres6) [die] Spitze ins Blut eindringen.7)

 

1) Stadt in Nordwestfrankreich in der ehemaligen Provinz Maine, etwa 65 km nordwestlich von Le Mans. Zur ErwŠhnung von "la forest de Mayenne", "Maine" und "fougeres" bei ESTIENNE (S. 127f.) siehe GRUBER, S. 256-258. Mayenne ist auch der Name des Flusses, der durch die Stadt flie§t.
2) Lat. "sol" (Sonne).
3) Nach mittelalterlicher Auffassung die Zeit vom 18. Juli bis 17. August.
4) Blitze haben einen festen Platz in der Vorzeichenliteratur. Bei OBSEQUENS finden wir sie in den Kapiteln 1, 3, 5, 7, 11f., 14-17, 24f., 27, 28, 29, 31, 36-38, 41, 43f., 46, 47, 49f., 52-54, 56a f., 61, 63, 65a, (66), 68f. und 71. Bei Nostradamus werden sie wšrtlich in 1/26, 1/65, 2/51, 2/76, 3/6, 3/13, 3/44, 4/35, 4/43, 4/54, 4/99, 8/2, 8/6, 9/19 und 9/36 erwŠhnt. In der antiken Mythologie war der Blitz ein Attribut des Jupiter (Zeus). Im Mittelfranzšsischen bedeutet "fou(l)dre" neben "Blitz" zudem auch "Verurteilung".
5) Ehemalige franzšsische Provinz sŸdlich der Normandie.
6) Stadt in Nordwestfrankreich, etwa 45 km nordšstlich von Rennes und etwa 45 km nordwestlich  von Mayenne. Daneben gibt es noch ein Fougres-sur-Bivre, etwa 16 km nordwestlich von Blois.
7) GRUBER, S. 258, versteht die beiden letzten Zeilen dahingehend, dass der "gro§e Bastard" aus der dritten Zeile mit einer blutigen Spitze (Speerspitze) in Fougres einziehen wird.

An einem Tag im Juli/August wird die "Jupiter"-Religion im Wald bei Mayenne aktiv. An diesem Tag fŠllt in Fougres der verwandte Rivale des "Claudius" einem Attentat zum Opfer.

 

In der zweiten Zeile geht der Blitz nieder, wenn die Sonne im Lšwen steht, d. h. im Juli oder August. Mšgliche Parallelen bšten sich hier in 8/2 und 2/98 an. 8/2 gehšrt zum Vormarsch der "Jupiter"-Religion im Raum westlich von Toulouse. Laut dieser Strophe werden in Marmande Blitz und Hagel niedergehen, wenn Sonne und Mars im Lšwen in Konjunktion stehen. Ebenfalls in SŸdwestfrankreich spielt wohl 2/98. Wir erfahren hier, dass man in Zusammenhang mit einem darzubringenden Menschenopfer im Juli/August ein Donnerorakel einholen wird.

 

9/19 spielt jedoch in Nordwestfrankreich. Der Blitz - d. h. Jupiter bzw. die neue "Jupiter"-Religion - wird im Wald bei Mayenne aktiv. Doch wie? Hierauf kšnnte die zweite HŠlfte der Strophe die Antwort liefern.

 

Wir erfahren in der dritten und vierten Zeile, dass am Tag des Blitzes bei Mayenne ein "gro§er Bastard" offensichtlich mit einer Waffe ("Spitze") getštet oder verletzt werden wird.

 

Der "gro§e Bastard" ist wohl mit jenem aus 3/73/2 identisch, dem unehelich geborenen Verwandten des "Claudius". Dieser "gro§e Bastard" wird laut 3/73 ein Rivale des "Claudius" sein.

 

9/19 kšnnte nun die Ermordung von "ClaudiusÕ" Rivalen vorhersagen, die in Fougres stattfinden wird. Ist dieser Mord mit der "Tat" aus 3/73/4 gemeint?

 

In der dritten Zeile von 9/19 erfahren wir noch etwas zur Abstammung des "gro§en Bastards" und - falls es sich um einen unehelichen Halbbruder handeln sollte - auch Ÿber "Claudius" selbst.

 

Der "gro§e Bastard" ist ein Nachkomme des "Gro§en aus dem Maine". Maine war eine franzšsische Provinz sŸdlich der Normandie. Falls Nostradamus hier ein historisches Vorbild im Auge gehabt hat, bšten sich unter den Grafen des Maine dafŸr einige Kandidaten an. Etwa Kšnig Heinrich II. von England (Graf von 1151-89), Richard Lšwenherz (Graf 1189-99), Johann Ohneland (Graf 1200-05), Kšnig Philipp VI. von Frankreich (Graf 1315-28) oder Kšnig Johann II. von Frankreich (Graf 1322-50).

 

 

3/41  

 

[1] Bosseu1) sera esleu par le conseil,

[2] Plus hideux monstre en terre2) nÕaperceu.

[3] Le coup volant prelat3) creuera lÕÏil:4)

[4] Le traistre au roy pour fidele5) receu.6)

 

[1] [Der] Hinkende1) wird vom Rat gewŠhlt werden.

[2] [Ein] schrecklicheres Ungeheuer [wurde] nie auf [der] Erde2) erblickt.

[3] Der fliegende Schlag wird [dem] PrŠlaten3) das Auge ausstechen.4)

[4] Der VerrŠter [wird] vom Kšnig als Getreuer5) empfangen [werden].6)

 

1) Die ersten beiden Zeilen erinnern stark an 2/76/3 und 1/80/3. Ich vermute, hier sollte es statt "bosseu" (der Bucklige) "boiteu(x)" (der Hinkende, der Missgestaltete) hei§en - obwohl ein Buckliger auch als Missgestalteter bezeichnet werden kšnnte. Der "Hinkende" ist wohl eine Anspielung auf den Namen "Claudius" (dt. "der Hinkende, der Lahme"), konkret auf Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.), der 10 v. Chr. in Lyon geboren wurde (vgl. 3/73, Anmerkung 1). GemŠ§ SUETON, De vita Caesarum 5,3 habe ihn seine Mutter Antonia die JŸngere wegen seiner Gebrechen oft als "Ungeheuer/Monster" bezeichnet (vgl. 2/76, Anmerkung 8).
2) Hier vielleicht auch im Sinne von "Festland", da die Zeile auf SENECAs Apocolocyntosis 5,2f. anzuspielen scheint. In der erwŠhnten "VerkŸrbissung" (statt "Vergšttlichung") des verstorbenen Kaiser Claudius - einer Satire auf den verblichenen Imperator - lesen wir, was geschah, als Claudius nach seinem Tod ins Jenseits kam: Als man in den himmlischen Gefilden zunŠchst nicht erkennen konnte, um was fŸr einen Landsmann es sich bei Claudius handelte, schickte Jupiter den weitgereisten Herkules, um in Erfahrung zu bringen, zu welchem Volk Claudius gehšre. Als Herkules den missgestalteten Claudius sah, war er allerdings sehr bestŸrzt. Gerade so, als hŠtte er es in der Vergangenheit nicht schon mit allen Ungeheuern ("omnia monstra") zu tun gehabt. Herkules dachte zunŠchst, eine dreizehnte Arbeit sei ihm auferlegt worden, als er die ungewšhnliche Gestalt und den seltsamen Gang des Claudius sah - er zog den rechten Fu§ nach - und dessen heisere und verworrene Stimme hšrte. Eine Stimme, wie sie normalerweise kein Landlebewesen sondern nur Seeungeheuer zu haben pflegen ("vocem nullius terrestris animalis, sed qualis esse marinis beluis solet").
3) Ein PrŠlat ist ein hoher kirchlicher WŸrdentrŠger.
4) Die Zeile erinnert an 1/27/4 (5.279), wo eine Springfeder einem Schatzfinder das Auge aussticht. Da im gleichen Vierzeiler auch von einem Blitz (einem Attribut des Jupiter) die Rede ist, der eine "guyennische Eiche" treffen wird (die Eiche ist ebenfalls ein Attribut des Jupiter), besteht hier wohl mindestens ein chronologischer Zusammenhang.
5) Oder auch: "(Recht)glŠubiger, Christ".
6) Oder: "Der VerrŠter [wird] als Getreuer des Kšnigs empfangen [werden]."

"Claudius" wird von der Burgunder Ratsversammlung gewŠhlt werden. Dann wird einem PrŠlaten etwas ins Auge springen und der VerrŠter "Claudius" wird vom franzšsischen (?) Kšnig als treuer Gefolgsmann empfangen werden.

 

Die ersten beiden Zeilen sprechen wieder von "Claudius", dem Statthalter der "Jupiter"-Religion im Burgund. Seine Wahl durch den Rat (den "Senat" aus 2/76/3) dient hier wohl v. a. als chronologische VerknŸpfung fŸr das Geschehen aus 3/41/3.

 

In der dritten Zeile lesen wir von einem "fliegenden Schlag", der einem PrŠlaten das Auge ausstechen wird. Das mŸsste die Strophe mit 1/27 und 8/30 verbinden, wo das UnglŸck bringende Aurum Tolosanum gefunden wird, was der Finder mit dem Verlust eines Auges und seinem Leben bezahlt (1/27/4).

 

Wiederum unklar ist die vierte Zeile. Es tauchen zwei Personen auf, ein VerrŠter und ein Kšnig. Der VerrŠter kšnnte die Person sein, die in 2/76/4 den Feinden (!) eine Angelegenheit mitteilt, also "Claudius". Da "Claudius" der Herr des Burgunds ist, das zur Zeit des Nostradamus ein Herzogtum war, mŸsste mit dem Kšnig wohl der franzšsische Kšnig gemeint sein. Allerdings gehšrte der Osten des historischen Burgunds, die Franche-ComtŽ (Freigrafschaft Burgund), zum ršmisch-deutschen Reich, womit der Kšnig dem deutschen Kšnig bzw. deutschen Kaiser entsprŠche.

 

 

 

 

1/27

 

[1] Dessoubz de1) chaine Guien2) du ciel frappe3),4)

[2] Non loing de la est cachŽ le tresor,

[3] Qui par longs siecles auoit este grappŽ5),

[4] Trouue6) moura: lÕÏil creuŽ de ressort.8)

 

[1] Unterhalb der1) guyennischen2) Eiche, [die] vom Himmel geschlagen3) [wurde],4)

[2] nicht weit davon entfernt ist der Schatz versteckt,

[3] der vor langen Jahrhunderten geraubt5) worden ist.

[4] [Wenn der Schatz] gefunden6) [ist], wird [sein Finder7)] sterben. Das Auge [wird] von [einer] Springfeder ausgestochen [sein].8)

 

1) Lies: "le", vgl. BRINDÕAMOUR, S. 86.

2) Die Guyenne umfasste je nach Epoche verschieden gro§e Gebiete SŸdwestfrankreichs. Zur Zeit des Nostradamus gehšrten weite Gebiete Aquitaniens zur Guyenne, u. a. das Bordelais, Limousin, Quercy, PŽrigord und die Gascogne.

3) D. h. vom Blitz getroffen (lies: "frappŽ"), vgl. BRINDÕAMOUR, S. 86.

4) Mit dieser "vom Blitz geschlagenen Eiche" ist meines Erachtens kein Baum sondern ein Gebiet gemeint, das Nostradamus etwas verschleiert umschreibt. Der Blitz ist bekanntlich ein Attribut Jupiters. Dem Jupiter heilig war aber auch die Eiche, lat. "quercus". Mit diesem guyennischen Eichenbaum dŸrfte somit wahrscheinlich das Quercy gemeint sein, dessen Name an das lat. "quercus" erinnert. Ein Blitzeinschlag in dieser Region wŠre wohl als Einzug des "Jupiter"-Kults zu verstehen.

5) Oder auch nur: "angeeignet".

6) Lies: "trouuŽ".

7) Aufgrund des Kontextes scheint hier der Finder des Schatzes zu sterben. Es wŠre aber auch mšglich, dass hier jemand anderes dieser "Springfeder" zum Opfer fŠllt.

8) Eine Parallele zu 3/41/3.

Etwas sŸdlich des Quercy wird das UnglŸck bringende "Aurum Tolosanum" gefunden. Dem Finder, einem PrŠlaten, sticht dabei eine Springfeder das Auge aus, und er stirbt.

 

In 1/27 geht es um einen Schatzfund. In der vierten Zeile erfahren wir dabei, dass der Finder des Schatzes sterben und sein Auge von einer Springfeder ausgestochen werden wird. Das verbindet die Strophe mit 3/41/3, wo ein "fliegender Schlag" einem PrŠlaten das Auge aussticht.

 

Den ersten beiden Zeilen ist zu entnehmen, wo der Schatz versteckt wurde bzw. wo er gefunden werden wird: "unterhalb", d. h. sŸdlich des Quercy, das von den AnhŠngern der "Jupiter"-Religion heimgesucht sein wird, vgl. dazu Anmerkung 4. Toulouse, von dem in 8/30/1 die Rede ist, liegt in besagter Gegend sŸdlich des Quercy.

 

In der dritten Zeile erfahren wir NŠheres Ÿber diesen Schatz. Er wurde offenbar vor "langen Jahrhunderten" geraubt. Das ist eine Parallele zu 8/29 (5.218). Dort wird in Toulouse, in der Basilika Saint-Sernin, ein Topf voll Gold gefunden, der laut Nostradamus zum Schatz gehšrt, den der Ršmer Caepio 106/105 v. Chr. geraubt hatte. Caepio hatte aus den HeiligtŸmern der Stadt Toulouse enorme Mengen an Gold und Silber geraubt und diese anschlie§end nach Rom geschickt, wo allerdings nur das Silber ankam. Das Gold wurde von RŠubern geraubt, von denen jedoch vermutet wurde, dass sie im Auftrag des Caepio gehandelt hatten, der es auf diese Weise habe unterschlagen wollen. Wahr oder nicht, jedenfalls ist der Verbleib des Goldes bis auf den heutigen Tag ungeklŠrt. Unser Seher scheint hier vorherzusagen, dass dieses Gold - oder ein Teil davon - nun endlich gefunden wird.

 

Beim Schatz des Caepio handelt es sich um das bei den Ršmern sprichwšrtlich gewordene "Aurum Tolosanum", einen Besitz, der seinem EigentŸmer UnglŸck bringt: Nach dem Verschwinden des Goldes erlitt Caepio im Jahre 105 v. Chr. bei Orange eine vernichtende Niederlage gegen die Kimbern und Teutonen. Wegen seiner Rolle bei dieser - selbstverschuldeten - Niederlage wurde Caepio nach der RŸckkehr nach Rom verurteilt und ging nach Smyrna (das tŸrkische Izmir) ins Exil, wo er bis zu seinem Lebensende blieb.

 

Wie wir in der vierten Zeile von 1/27 erfahren, wird dieses Gold seinem schlechten Ruf gerecht werden. Der Finder des Schatzes - der PrŠlat aus 3/41/3 -wird seinen Fund mit dem Verlust eines Auges und sogar seinem Lebens bezahlen. Es scheint dabei so zu sein, dass man versuchen wird, die Schatzkiste oder einen Šhnlichen BehŠlter zu šffnen. Bei diesem Unterfangen wird jedoch ein Springfeder-Mechanismus ausgelšst, der dem Opfer wohl ein Projektil oder eine Spitze durch das Auge in den Kopf dringen lŠsst.

 

Bemerkenswert an diesem Vorfall ist, - sollte es sich tatsŠchlich um den Schatz des Caepio handeln - dass ein solcher Springfeder-Mechanismus die Jahrtausende funktionstŸchtig Ÿberstehen kann. Interessant ist auch, dass nicht etwa ein ArchŠologe den SchatzbehŠlter šffnet und zum Opfer wird sondern ein geistlicher WŸrdentrŠger. Aus diesen beiden GrŸnden mŸssen wir die Mšglichkeit in ErwŠgung ziehen, dass Nostradamus hier keinen realen Schatzfund vorhersagen wollte sondern dass es ihm primŠr um das Motiv des UnglŸck bringenden Besitzes, des "Aurum Tolosanum" ging.

 

 

8/30

 

[1] Dedans Tholoze1) non loing de Beluezer2)

[2] Faisant vn puys3) loing, palais dÕespectacle4)

[3] Thresor trouuŽ vn chacun ira vexer5),6)

[4] Et en deux locz7) tout & pres8) del vasacle9).

 

[1] In Toulouse1) [wird, wenn man] nicht weit von Belbze-ls-Toulouse2) entfernt

[2] einen langen Schacht3) [beim] Palast des Spektakels4) aushebt,

[3] [der] gefundene Schatz einen jeden verletzen5).6)

[4] Und [zwar] mit zwei Riegeln7) und ganz nahe8) beim Bazacle9).

 

1) Toulouse liegt nicht einmal 50 km sŸdlich ("unterhalb") des Quercy, vgl. 1/27/1f.

2) Es existiert hier auch die Variante "Beluzer". Das okzitanische "Belvezer" (dt. "Schšner Anblick") steckt in verschiedenen sŸdfranzšsischen Ortsbezeichnungen, so u. a. auch in Belbze (im Okzitanischen wird das "v" auch als "b" ausgesprochen, 14.07.2008). Etwa sieben Kilometer nordšstlich des Toulouser Stadtzentrums liegt Belbze-ls-Toulouse (11.07.2008), das heute zur Gemeinde namens LÕUnion gehšrt. Sollte mit "Beluezer"/"Beluzer" eine LokalitŠt innerhalb der Stadt Toulouse gemeint sein, kŠme dafŸr z. B. die Kirche Notre-Dame-de-la-Dalbade in Frage, deren Name noch an eine glŠnzend wei§e Kirche erinnert, die einst an ihrer Stelle gestanden hat. Oder auch die Basilika Notre-Dame-de-la-Daurade, die an der Stelle einer frŸhchristlichen Kirche steht, die wegen ihrer glŠnzenden Mosaiken den Namen "la Deaurata" (dt. "die Goldbedeckte") trug.

3) Oder auch: "Brunnen, Grube".

4) Unklar, was Nostradamus hier meint. PrŠchtige GebŠude ("PalŠste") gab es in Toulouse schon im 16. Jahrhundert. Der "Palast des Spektakels" kšnnte z. B. ein Theater sein. Oder der Begriff des "Spektakels" ist hier abwertend etwa fŸr neopagane Kulthandlungen zu verstehen. In diesem Fall wŠre mit dem "Palast des Spektakels" ein diesbezŸglich verwendeter Kultbau gemeint. FŸr Toulouse wŸrde das bedeuten, dass der "Jupiter"-Kult bereits in die Stadt vorgedrungen ist, und es sich beim PrŠlaten aus 3/41/3 und 1/27/4 um einen WŸrdentrŠger jener Kirche handelt, die sich dieser neuheidnischen Religion anschlie§t.

5) Oder u. a. auch: "heimsuchen, plŸndern".

6) V. a. mit Blick auf Anmerkung 5 lie§en sich die drei ersten Zeilen anders verstehen: "In Toulouse, [wenn man] nicht weit entfernt von Belbze-ls-Toulouse einen langen Schacht [beim] Palast des Spektakels aushebt, [wird der] Schatz gefunden. Ein jeder wird plŸndern."

7) Oder: "an zwei Orten", vgl. LEONI, S. 356.

8) Lies: "& tout pres".

9) Lies: "Bazacle". Der Bazacle ist eine Furt in Toulouse. Dort wurde die erste BrŸcke Ÿber die Garonne gebaut. Das "ch‰teau du Bazacle" bewachte das Toulouser Haupttor.

Dann, wenn im nordšstlichen Toulouse ein langer Schacht ausgehoben wird, wird im Stadtzentrum nahe des Bazacle das gefundene "Aurum Tolosanum" alle verletzen.

 

In dieser Strophe dŸrfte es wie in 1/27 um die Entdeckung des "Aurum Tolosanum" gehen.

 

Die dritte Zeile knŸpft dabei an 1/27/4 an. Wenn der Schatz gefunden sein wird, wird er "einen jeden" verletzen. Das bedeutet, dass bei seiner …ffnung mehr als nur eine Person anwesend sein muss. Einer der Anwesenden dŸrfte dabei aber der PrŠlat aus 3/41/3 sein.

 

In der vierten Zeile erfahren wir, dass man den Schatz offenbar in der NŠhe des Bazacles, also im Toulouser Stadtzentrum nahe der Garonne šffnet. Und dass er mit zwei Riegeln gesichert sein wird. Dass es sich dabei nicht um gewšhnliche VerschlŸsse handelt, wird dadurch klar, dass sie Menschen verletzen. Dies passt wiederum gut zu 1/27/4 und 3/41/3. Die Riegel kšnnten etwa mit Springfedern versehen sein, die bei der ersten …ffnung hervorschnellen und dadurch die umstehenden Person verwunden.

 

Die zu 1/27 gemachten Bedenken hinsichtlich der FunktionstŸchtigkeit einer solchen Sicherung werden in 8/30 allerdings nicht entkrŠftet. Vielmehr kommt hier noch hinzu, dass dieser Schatz mehrere Personen -"einen jeden" - verletzen soll. Man darf sich fragen, ob ein simpler Springfeder-Mechanismus zu einer solchen Wirkung Ÿberhaupt in der Lage wŠre. Zu einer Sprengladung wŸrde die Beschreibung passen, dann hŠtten wir aber kaum einen Schatz aus der Ršmerzeit vor uns.

 

Wie schon zu 1/27 vermutet, kšnnte es deshalb Nostradamus hier auch nicht primŠr um einen realen Schatzfund sondern vielmehr um das Motiv des UnglŸck bringenden Besitzes gehen.

 

Ob der Schatz - so er tatsŠchlich real existiert - in der NŠhe des Bazacles gefunden oder dort nur gešffnet werden wird, ist unklar. In den ersten beiden Zeilen berichtet unser Seher zur zeitlichen PrŠzisierung von der Aushebung eines langen Schachtes bei einem "Palast des Spektakels" unweit von Belbze-ls-Toulouse. Dieser Schacht mŸsste also eher im Nordosten von Toulouse gegraben werden. Ob der Schatz bei diesen Arbeiten zu Tage tritt, ist jedoch unklar, genauso wie der Zweck dieses Grabens.

 

 

1/65  

 

[1] Enfant sans mains1)iamais veu si gr‹d foudre2):3)

[2] LÕenfant royal au ieu dÕÏsteuf4) blessŽ.

[3] Au5) puy6) brises7): fulgures alant mouldre8):

[4] Trois sous les chaines9) par le milieu10) troussŽs11):

 

[1] [Das] Kind ohne HŠnde1) [hat] nie [einen] so gro§en Blitz2) gesehen.3)

[2] Das kšnigliche Kind [wird] beim Jeu de Paume4) verletzt [werden].

[3] Im5) Brunnen6) [liegt der] Gebrochene7). Blitze werden zermalmen8).

[4] Drei [werden] unter den Eichen9) in der Mitte10) ergriffen11) [werden].

 

1) Kinder, denen eine oder beide HŠnde fehlen, tauchen bei OBSEQUENS als Vorzeichen an mehreren Stellen auf, vgl. dazu BRINDÕAMOUR, S. 142f. Das mittelfranzšsische "main" bedeutet neben "Hand" u. a. aber auch "Macht", vgl. ebenfalls lat. "manus" bzw. griech. "cheir", was hier wohl gemeint sein dŸrfte.
2) Blitze haben einen festen Platz in der Vorzeichenliteratur. Bei OBSEQUENS finden wir sie in den Kapiteln 1, 3, 5, 7, 11f., 14-17, 24f., 27, 28, 29, 31, 36-38, 41, 43f., 46, 47, 49f., 52-54, 56a f., 61, 63, 65a, (66), 68f. und 71. Bei Nostradamus werden sie wšrtlich in 1/26, 1/65, 2/51, 2/76, 3/6, 3/13, 3/44, 4/35, 4/43, 4/54, 4/99, 8/2, 8/6, 9/19 und 9/36 erwŠhnt. In der antiken Mythologie war der Blitz ein Attribut des Jupiter (Zeus). Im Mittelfranzšsischen bedeutet "fou(l)dre" neben "Blitz" zudem auch "Verurteilung".
3) BRINDÕAMOUR, S. 142f., versteht die erste Zeile dahingehend, dass hier zwei Vorzeichen unabhŠngig voneinander aufgezŠhlt werden. Demzufolge wŠre die Zeile etwa so zu Ÿbersetzen: "[Ein] Kind ohne HŠnde [wird geboren werden und] niemals [hat man] einen so gro§en Blitz gesehen." Allerdings ist bei Nostradamus nirgends von der Geburt des Kindes die Rede, so dass es genauso gut dieses Kind sein kann, das noch nie einen derartig gewaltigen Blitz gesehen hat. An dieser Stelle sei auf 2/54 (5.49) verwiesen, wo von einer "Tochter ohne Hand" (wohl dem machtlosen Frankreich) die Rede ist.
4) Das "ieu dÕÏsteuf" bzw. "jeu de paume" (dt. "Ballspiel") ist ein VorlŠufer des Tennis und des Squash und wird heute noch in Frankreich und anderen LŠndern gespielt. Nach BRINDÕAMOUR, S. 142f., kšnnte Nostradamus hier als Vorlage den Tod des franzšsischen Thronfolgers Franz von Frankreich im Jahr 1536 im Auge gehabt haben, der sich wŠhrend einer Partie Jeu de Paume plštzlich unwohl fŸhlte und einige Tage darauf gestorben ist. Der Šlteste Sohn Kšnig FranzÕ I. war zum Zeitpunkt seines Todes allerdings schon 18 Jahre alt. Nicht geklŠrt ist die genaue Todesursache, zu der verschiedene GerŸchte im Umlauf waren. Offiziell wurde er jedoch von einem Gesandten Karls V. durch ein vergiftetes Glas Wasser getštet. Der Gesandte wurde deswegen auch verurteilt und gevierteilt.
5) Oder: "beim".
6) Lies: "puys" (Brunnen, Quelle, Schacht usw.). Oder auch mšglich: "auf der Anhšhe" (au puys).
7) Lies: "brisŽ" (zerbrochen, zerstšrt; gebrochen). Damit ist wohl der im Brunnen liegende Tote aus 2/56/2 gemeint.
8) Oder: "zermahlen". Die Zeile erinnert an 2/56/2, wo jemand tot in einem Brunnen liegt und ein hšchster Punkt vom Himmel (Blitz) geschlagen wird. Interessant ist, dass Nostradamus hier einen Begriff aus dem MŸllerhandwerk gewŠhlt hat. Das kšnnte eine Verbindung zu Toulouse herstellen, vgl. 6/17/3 (5.229).
9) Mit diesen "Eichen" (lat. "quercus") kšnnte, Šhnlich wie in 1/27 (5.279), auf die sŸdwestfranzšsische Region Quercy verwiesen werden.
10) Mit dieser "Mitte" kšnnte schlicht der SŸden gemeint sein. Das mittelfranzšsische "midi", auf das Nostradamus hier mšglicherweise abzielt, bedeutet "Mitte des Tages, Mittag" und "SŸden". Direkt sŸdlich des Quercy (vgl. Anmerkung 9) liegen die Gascogne und das Languedoc mit der Stadt Toulouse.
11) Oder u. a. auch: "zusammengebunden". Von drei Getšteten lesen wir in 9/15/3.

Ein machtloses "Kind" (Rom? Frankreich?) wird sich der gro§en Macht der "Jupiter"-Religion gegenŸbersehen. Ein Kšnigskind wird beim Ballspiel verletzt. Der (katholische) Papst ist in seinen BemŸhungen gescheitert, und die "Jupiter"-Religion zermalmt ihre katholischen Gegner. SŸdlich des Quercy, in Toulouse, werden spŠter bei einem Konflikt innerhalb der "Jupiter"-Religion drei KardinŠle gefangen genommen.

 

In der dritten Zeile erfahren wir, dass ein gebrochener oder "zerstšrter" Mensch in einem Brunnen liegen wird. Das ist ganz offensichtlich eine Parallele zu 2/56/2, wo ein gescheiterter Papst (ein neuer Jeremia?) tot im Brunnen liegt.

 

Ebenfalls gemŠ§ 1/65/3 werden Blitze (oder - falls es "fulgure" ohne "s" hei§en sollte - nur ein Blitz) zermalmen bzw. "zermahlen". Gemeint ist dabei wohl in jedem Fall Jupiter bzw. die neuheidnische "Jupiter"-Religion. Die interessante Wortwahl kšnnte dabei ein Verweis auf Toulouse sein, vgl. Anmerkung 8.

 

Die vierte Zeile dŸrfte sich auf die VorgŠnge in 9/15 und 9/46 beziehen, wo drei KardinŠle der "Jupiter"-Religion in Toulouse - sŸdlich des Quercy - ergriffen und dort vielleicht sogar getštet werden.

 

Zeilen drei und vier ordnen die Geschehnisse mutma§lich chronologisch: erst wird Rom bzw. die KirchenfŸhrung Ÿberwunden, dann dehnt sich die "Jupiter"-Religion nach Frankreich aus, hier konkret nach Aquitanien mit Toulouse.

 

In der ersten HŠlfte der Strophe ist wohl von zwei Kindern die Rede. Von einem, das keine "HŠnde" hat und einem, dass beim Ballspiel (Jeu de Paume) verletzt werden wird. Dass es sich nicht um ein- und dasselbe "Kind" handelt, kann deshalb vermutet werden, da man fŸr das Jeu de Paume HŠnde braucht.

 

Das Kind ohne HŠnde der ersten Zeile wird einen so gro§en Blitz sehen wie niemals zuvor. Der Blitz dŸrfte erneut fŸr die "Jupiter"-Religion stehen, die hier schon sehr "gro§" (mŠchtig) ist. Mit dem handlosen, d. h. wohl machtlosen "Kind" kšnnte Rom, die Tochterstadt Trojas gemeint sein (vgl. 4/43, 1/91 und 3/6/4). Oder aber Frankreich, die "Šlteste Tochter der Kirche" (vgl. dazu 5.49: 2/54/3, Anmerkung 3). An dieser Stelle sei daran erinnert, dass sich das franzšsische Kšnigshaus selber auch auf einen Trojaner (Francus) zurŸckfŸhrte.

 

Die zweite Zeile berichtet von einem kšniglichen Kind, das verletzt wird, wŠhrend es Ball spielt. Das dŸrfte eine Verbindung zu 9/23 sein, wo von einem kšniglichen Vater und einem - wohl seinem - nachgeborenen Kind die Rede ist, dem beim Spielen offenbar ein Teil des Daches auf den Kopf fŠllt.

 

 

 

9/23

 

[1] Puisnay1) iouant au fresch2) dessouz la tonne3),

[2] Le hault du toict du milieu sur la teste4),

[3] Le pere roy au temple5) saint Solonne6),

[4] Sacrifiant7) sacrera9) fum de feste8).

 

[1] [Der] Nachgeborene1) spielt auf dem Brachland2) unter der Tonne3).

[2] Der Oberteil des Daches [fŠllt ihm] von der Mitte aus auf den Kopf.4)

[3] Der Vater, [der] Kšnig, [wird] in der Kirche5) Saint-Solenne6)

[4] [beim] Feiern der Messe7) [den] Weihrauch8) entweihen9).

 

1) Oder: "JŸngere". Hier ist jemand gemeint, der Šltere Geschwister hat.

2) Daneben gibt es noch den sŸdwestfranzšsischen Ort Le Frche, etwa 21 km nordšstlich von Mont-de-Marsan. In Le Frche heiratete der franzšsische Kšnig Franz I. 1530 die Schwester Karls V. Eleonore von Kastilien.

3) Im Altfranzšsischen kann "tonne" auch "Laube" bedeuten, vgl. LEONI, S. 386, und CLƒBERT, S. 977. Das mittelfranzšsische "tonne" hei§t grundsŠtzlich "Tonne, (Wein-) Fass". In die gleiche Richtung geht das mittelfranzšsische "foudre" (gro§es Fass). Nostradamus kšnnte hier somit ein Wortspiel mit dem Begriff "foudre" betrieben haben, der neben "gro§em Fass" bekanntlich auch "Blitz" bedeutet. Sollte unser Seher hier an das NaturphŠnomen gedacht haben, wŸrde dies die Strophe erneut dem "Jupiter"-Thema zuordnen.

4) In dieser Zeile lie§e sich einiges anders verstehen. Das "Dach" etwa als Anspielung auf das lat. "tectum", was u. a. auch "Tempel" bedeutet oder die "Mitte" auf das lat. "medium" (u. a. "…ffentlichkeit"). "Sur la teste" ist zudem auch eine Wendung, die etwa mit "unter Todesstrafe (schwšren)" widerzugeben ist.

5) Das lat. "templum" bzw. das mittelfranzšsische "temple" bedeutet neben "Tempel" auch "Kirche".

6) Das ist die Kathedrale in Blois, die 1697 in LÕEglise de Saint-Louis umbenannt wurde.

7) Wšrtlich: "[beim] Opfern, [beim] Messopfer darbringen". 


8) Lies: "fumŽe de feste", wšrtlich: "Rauch des Festes". Mit Blick auf den kirchlich-religišsen Kontext dŸrfte hier der Weihrauch gemeint sein, der frŸher in erster Linie im Hochamt verwendet wurde.

9) Das Mittelfranzšsische "sacrer" bedeutet sowohl "weihen" wie auch "entweihen (fluchen, lŠstern)".

Ein Kind des franzšsischen Kšnigs wird beim Spielen verletzt. In der Kathedrale Saint-Louis in Blois wird er die Messe entweihen und die Kirche wohl dem "Jupiter"-Kult Ÿbergeben.

 

Die ersten beiden Zeilen dŸrften die Strophe wohl mit 1/65 verbinden. Ein Kind - das Kšnigskind aus 1/65/2 - spielt und wird dabei verletzt. Und zwar dadurch, dass ihm das Oberteil eines Daches auf den Kopf fŠllt, wie der zweiten Zeile von 9/23 zu entnehmen ist.

 

In 9/23/1 erfahren wir, dass das Kind noch wenigstens ein Šlteres Geschwister hat. Falls es sich - wie die dritte Zeile nahelegt - um ein Kind der franzšsischen Kšnigsfamilie handelt, kŠme dem verletzten Kind v. a. dann eine spezielle Bedeutung zu, wenn es der Šlteste und einzige Sohn und somit der einzig mšgliche Thronfolger wŠre. Franz von Frankreich (1518-1536), vgl. 1/65, Anmerkung 4, hatte zwei Šltere Schwestern, die allerdings beide schon im Kindesalter verstarben.

 

In der ersten Zeile erfahren wir, dass dieses UnglŸck auf einer Brache geschehen wird. Damit kšnnte aber auch der Ort Le Frche gemeint sein, wo Franz I. sechs Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau, Claude von Frankreich, Eleonore von Kastilien heiratete, vgl. Anmerkung 2.

 

Interessant ist der Hinweis, dass das alles unter einer "Tonne" oder Laube geschehen wird. Sollte diese "Tonne" verklausuliert mitteilen, dass die AnhŠnger der "Jupiter"-Religion bei diesem "Unfall" (?) beteiligt sein werden, vgl. Anmerkung 3? Dazu passen wŸrde die Parallele zum Tod FranzÕ von Frankreich, der nach zeitgenšssischem Urteil einem Giftanschlag zum Opfer fiel, vgl. 1/65, Anmerkung 4. Sollte sich das Ganze zudem in Le Frche abspielen, kšnnte dies die "Jupiter"-FŠhrte vielleicht deswegen erhŠrten, weil dieser Glaube in SŸdwestfrankreich offenbar einen Schwerpunkt besitzen wird.

 

Der zweite Teil der Strophe mit der ErwŠhnung der Kathedrale Saint-Louis (Saint-Solenne) in Blois verbindet den Vierzeiler mit 9/21.

 

Wir erfahren, dass der (franzšsische) Kšnig und Vater des verunfallten Nachgeborenen, bei einer Messe in der Kathedrale Saint-Louis den Weihrauch entweihen wird. Weihrauch ist nach (jŸdisch-) christlicher Vorstellung ein Geschenk an Gott (vgl. Levitikus 24,7 und Numeri 16,7), mit dem die Gebete zum Himmel empor steigen (vgl. Offenbarung 8,4). Wenn der Weihrauch hier entweiht wird, kšnnte das deswegen sein, weil er nicht mehr Gott sondern einem Gštzen (Jupiter) geopfert wird.

 

Hier dŸrfte beschrieben sein, wie der franzšsische Kšnig die Kathedrale von Blois in einen Tempel der neuheidnischen "Jupiter"-Religion verwandelt. Doch warum ausgerechnet in Blois und nicht in einer anderen Stadt? Wird Blois, der Geburtsort CHYRENs, in Zukunft ein neues Zentrum der franzšsischen Monarchie? Und wer genau feiert hier diese "Messe"? Der Kšnig selber? Falls ja, kšnnte das ein Licht auf diese neopagane Religion werfen und erklŠren, weshalb sie - wenigstens fŸr die MŠchtigen - attraktiv sein wird: sie erhalten zu ihrer Macht auf Erden auch religišs-kultische Befugnisse, Šhnlich wie  Macht- und FunktionstrŠger in der heidnischen Antike. Das wŸrde an 5.275 (1/14 und 3/26 erinnern).

 

Unklar ist, weshalb Nostradamus in der ersten HŠlfte der Strophe den Unfall des Kšnigssohnes schildert. Wendet sich der Kšnig vielleicht wegen diesem aus Wut bzw. Rache von Gott ab und Jupiter zu? Bittet er Jupiter um das Leben des Thronfolgers?

 

 

9/21

 

[1] Au temple2) hault1) de Bloys3) sacre Salonne4),

[2] Nuict pont de Loyre Prelat5), roy pernicant6)

[3] Curseur victoire aux marestz de la lone7)

[4] DÕo prelature de blancs8) ˆ bormeant9).

 

[1] Zur hohen1) Kirche2) von Blois3), Saint-Solenne4),

[2] [kommen bei] Nacht [Ÿber die] Loire-BrŸcke [der] PrŠlat5) [und der] verderbliche6) Kšnig.

[3] [Der] Bote [Ÿberbringt die Nachricht vom] Sieg in den SŸmpfen des toten Flussnebenarms7),

[4] wo [die] PrŠlatenwŸrde der Wei§en8) [ihre] Zerstšrung9) [erleidet].

 

1) Neben "gro§" bedeutet "haut" u. a. auch "hochehrwŸrdig", was hier wohl gemeint ist.

2) Das lat. "templum" bzw. das mittelfranzšsische "temple" bedeutet neben "Tempel" auch "Kirche".

3) Stadt an der Loire auf halbem Weg zwischen Tours und OrlŽans.

4) Das ist die Kathedrale in Blois, die 1697 in LÕEglise de Saint-Louis umbenannt wurde.

5) Ein PrŠlat ist ein hoher geistlicher WŸrdentrŠger. 


6) Unklar. CLƒBERT, S. 975, fŸhrt das lat. "pernix" (schnell, flink; ausdauernd, beharrlich) an. Das lat. "pernecare" hei§t "totschlagen", so dass wir mit einem "rex pernecans" einen "totschlagenden Kšnig" vor uns hŠtten. Mit Blick auf 9/23/3f. ist aber wohl eher an einen "rex pernicies" zu denken, wobei das lat. "pernicies" neben "Vernichtung, Verderben" auch "verdeblicher Mensch" bedeutet.

7) Das franzšsische "l™ne" bezeichnet einen toten, abgetrennten Flussarm. CLƒBERT, S. 975, weist darauf hin, dass dieser Begriff hauptsŠchlich in Zusammenhang mit der Rhone verwendet wird. Hier ist also wohl von einem Sieg nahe der Rhone die Rede. Allerdings finden wir unweit von Blois die Sologne, in der es ebenfalls Sumpfgebiete gibt. LEONI, S. 386, sieht in "lone" das provenzalische "lona" (Teich, TŸmpel) gemeint. Eine andere Mšglichkeit wŠre, dass "lone" eine Anpassung von "lune" (Mond) an "Salonne" ist. Dann wŠre die Stelle mit "Sieg des Mondes in den SŸmpfen" zu Ÿbersetzen. Bei Nostradamus steht der "Mond" aber fŸr das zweite apokalyptische Tier, was den Vierzeiler der biblischen Endzeit zuordnen wŸrde.

8) Unklar. Mit Blick auf den religišsen Kontext des Vierzeilers sind hier mšglicherweise die Geistlichen gemeint, die wei§e Chorhemden (lat. "albae") tragen. 


9) In den 1568er Ausgaben steht hier "ˆ bormeant", mit Ausnahme von Dresden, Paris und Gregorio, wo "abormeant" zu lesen ist. LEONI, S. 386, sieht hier das provenzalische "abouriment" (Zerstšrung), das seinerseits auf das lat. "aboriri" (untergehen, vergehen) zurŸckgeht. Etwas weniger drastisch wŠre "abornement" (Begrenzung, Limitierung).

Bei Nacht kommen der franzšsische Kšnig und "Claudius" zur Kathedrale Saint-Louis in Blois. Ein Bote Ÿberbringt die Nachricht, dass bei einer Auseinandersetzung nahe der Rhone die PrŠlatenwŸrde katholischer Kleriker herabgesetzt oder sogar vernichtet worden ist.

 

Wie in 9/23/3 ist auch in 9/21/1 von der Kathedrale Saint-Louis (Saint-Solenne) in Blois die Rede. Interessant ist, dass Nostradamus hier diese Kirche als "hoch" bzw. "hochehrwŸrdig" bezeichnet, vgl. Anmerkung 1. Seit 1697 ist sie tatsŠchlich Bischofssitz, zu Lebzeiten des Nostradamus kam ihr unter den Kirchen Frankreichs allerdings keine besondere Stellung zu. Man darf sich deshalb erneut fragen, ob sich dies in Zukunft vielleicht einmal Šndern wird (vgl. oben zu 9/23).

 

In der zweiten Zeile taucht wieder der franzšsische Kšnig aus 9/23/3 auf. Zudem auch ein PrŠlat, der ihn wohl begleiten oder sich mit ihm in der Kirche treffen dŸrfte. Im Kontext des "Jupiter"-Themas bietet es sich an, den PrŠlaten mit dem neuen "Claudius" zu identifizieren. In 3/41/4 ist wohl beschrieben, wie der franzšsische Kšnig den Herrn des Burgund, "Claudius", bereits als Getreuen (Vasallen) empfangen wird. Wenn sich Kšnig und "Jupiter"-PrŠlat hier aber in einer Kirche treffen, dŸrfte der religišse Aspekt der Zusammenkunft im Vordergrund stehen. Das wŸrde zur vermuteten †bergabe der Kirche an die "Jupiter"-Religion passen (vgl. 9/23). Vielleicht tritt der Kšnig selber dieser Religion bei und ŸberlŠsst aus diesem Grund die zentrale Kirche der zukŸnftigen franzšsischen Monarchie diesem Kult? Das wŠren mehr als genug GrŸnde, ihm das Attribut "verderblich" zu verleihen.

 

In der zweiten Zeile erfahren wir, dass Kšnig und PrŠlat "bei Nacht" Ÿber die Loire-BrŸcke zur Kirche kommen werden. Seit 1724 Ÿberquert die BrŸcke "Pont Jacques-Gabriel" den Fluss im Sichtweite der Kathedrale Saint-Louis. In Blois gab es allerdings schon zuvor eine BrŸcke Ÿber die Loire (05.11.2011). Doch hat die Angabe "bei Nacht" eine tiefere Bedeutung? Vielleicht "heimlich"? "Zu unerwarteter Stunde"? "In einer prekŠren Lage", vgl. lat. "nox"?

 

Die zweite HŠlfte der Strophe berichtet von einem Boten, der eine Nachricht Ÿberbringt (dritte Zeile).

 

Die vom Boten Ÿberbrachte Nachricht besagt, dass bei einer Auseinandersetzung ein Sieg errungen wurde. Ein Sieg, bei dem die PrŠlatenwŸrde der "Wei§en" eingeschrŠnkt oder sogar zerstšrt wird, vgl. Anmerkung 9. Stattfinden wird diese Auseinandersetzung offenbar in den SŸmpfen bei einem toten Nebenarm eines Flusses, wahrscheinlich der Rhone, vgl. Anmerkung 7. Die "Wei§en" kšnnten die katholischen Geistlichen sein, vgl. Anmerkung 8. Somit mŸsste der Sieg in diesem Konflikt ihren Gegnern zufallen, also wohl den "Jupiter"-Leuten. Bei einem Sieg, der in SŸmpfen, d. h. auf dem Land errungen wird, denkt man wohl in erster Linie an einen militŠrischen Erfolg. Denkbar wŠre aber auch, dass hier etwa von einem (religišsen) Disput die Rede ist, der in einem Ort stattfindet, der seinerseits von SŸmpfen umgeben ist.

 

Bleibt nur noch die Frage, wem der Bote die Siegesbotschaft Ÿberbringt. Wahrscheinlich Exponenten der "Jupiter"-Religion, mšglicherweise dem PrŠlaten und dem Kšnig in Blois.

 

 

9/74  

 

[1] Dans la citŽ de1) Fertsod3) homicide2),

[2] Fait4) & fait multe beuf5) arant ne macter,

[3] Retour encores aux honneurs6) dÕArtemide7),

[4] Et ˆ Vulcan8) corps morts sepulturer.

 

[1] In der Stadt des1) mšrderischen2) "Fertsod"3)

[2] [begeht man] Tat4) um Tat. Viele Ochsen5) pflŸgen, [man wird sie] nicht opfern.

[3] Dann kehrt [man] zu den Ehrungen6) der Artemis7) zurŸck,

[4] und im Feuer8) [werden die] toten Kšrper beigesetzt [werden].

 

1) Als "du" zu lesen, wenn damit nicht der eigentliche Name der Stadt gemeint ist, vgl. Anmerkung 3.
2) Das mittelfranzšsische "homicide" kann als Adjektiv (mšrderisch) oder als Substantiv (Mord) verstanden werden. Somit kšnnte die Zeile etwa auch mit "In der Stadt (von) Fertsod wird [ein] Mord [begangen werden]" Ÿbersetzt werden.
3) Der Begriff "Fertsod" ist ungeklŠrt. Die Silbe "sod" kšnnte "Sodom" (franz. Sodome) bedeuten, vgl. LE PELLETIER, S. 325, und LEONI, S. 402. Interessant ist dabei, dass zusammen mit dem Anfang des nŠchsten Wortes ("hom") der Begriff "sodhom" entsteht, wobei im Franzšsischen das "h" stumm bleibt. Die Stadt Sodom wurde von Gott wegen ihrer SŸndhaftigkeit zerstšrt (vgl. Genesis 18 u. 19). Im Ÿbertragenen Sinn steht Sodom fŸr Verderbtheit, SŸnde und den Abfall von Gott (vgl. etwa die Offenbarung des Johannes 11,8, wo Jerusalem u. a. als Sodom bezeichnet wird). Die Silbe "Fert" lie§e sich beispielsweise als "fertum" (ein Opferkuchen aus Gerstenschrot, …l und Honig) deuten. Somit kšnnten wir einen "fertum sodomiticum" (fert. sod.), einen "sodomitischen Opferkuchen" vor uns haben. GemŠ§ CATO (De agricultura 134) wurde das Fertum dem ršmischen Gott Jupiter geopfert. Sollten in Zukunft wieder einer heidnischen Gottheit Opfer dargebracht werden, wŠre dies tatsŠchlich ein neuheidnischer ("sodomitischer") Abfall von Gott. Zudem stŠnde das geopferte (mšrderische!) "Fertum" hier fŸr Menschenopfer, wie aus der dritten und vierten Zeile zu schlie§en ist.
4) U. a. auch im Sinne von "Verbrechen".
5) Vgl. lat. "multus bos" (= "multi boves").
6) Hier wohl im Sinne von "Opfern", vgl. lat. "honor" (u. a. Ehre, Opfergabe).
7) Wie aus dem Kontext hervorgeht, mŸssten mit diesen "Ehrungen" oder "Opfern" der Artemis (vgl. Anmerkung 6) Menschenopfer gemeint sein. Nostradamus hat dabei wohl an die Opferung der Iphigenie gedacht: Zu Beginn des Trojanischen Krieges verhinderte Artemis mit einer von ihr geschickten Windstille die Fahrt der griechischen Flotte nach Troja. Dies, weil Agamemnon, der AnfŸhrer der Griechen, behauptet hatte, er sei der bessere JŠger als die Jagdgšttin Artemis. Um die verŠrgerte Gšttin zu besŠnftigen, musste ihr Agamemnon seine Tochter Iphigenie opfern. Artemis soll dann aber, wie eine Version der Geschichte erzŠhlt, Erbarmen gehabt, Iphigenie auf dem Altar gegen eine Hirschkuh ausgetauscht und sie selber auf die Krim (Tauris) entrŸckt haben. Der ršmische Festtag der Jagd- und Mondgšttin Artemis (Diana) war der 13. August.
8) Das lat. "Vulcanus" steht im Ÿbertragenen Sinne auch fŸr "Feuer(flamme)". Vgl. 5/77/4.

In einer neuheidnisch geprŠgten Stadt - wohl Toulouse - wird man zunŠchst von Tieropfern absehen. Dann fŸhrt man aber (wieder) Menschenopfer ein.

 

In der ersten Zeile taucht eine ungenannte Stadt auf. Falls die Strophe zu 9/46 (und 2/98) gehšrt, wŠre aber wohl Toulouse gemeint. Das wiederum dŸrfte den Vierzeiler dem "Jupiter"-Thema zuordnen, vgl. auch 1/27 und 8/30/2, Anmerkung 4).

 

Nostradamus verwendet in Zusammenhang mit dieser Stadt den noch ungeklŠrten Begriff "Fertsod". "Fertsod" kšnnte ein Druckfehler sein, doch wofŸr? Ist dieses Wort eine Anspielung auf den Namen der Stadt oder etwas, das mit ihr in Verbindung steht (LokalitŠt, Persšnlichkeit, usw.)?

 

Falls "Fertsod" ein Geschehen sein sollte, ist dieses "mšrderischer" Natur (vgl. Anmerkung 2). Dann wiederum dŸrfte damit, wie aus der dritten und vierten Zeile hervorgeht, ein Menschenopfer gemeint sein.

 

ZunŠchst geht in dieser Stadt alles seinen gewohnten Gang (zweite Zeile). Wir erfahren, dass viele der vorhandenen Ochsen - klassische Opfertiere - nicht dargebracht werden sondern pflŸgen. Es scheint also kein gesteigerter Bedarf (oder Wunsch) danach zu bestehen, die heidnischen Gštter gnŠdig zu stimmen. Nicht einmal mit Tieropfern. Etwas unklar ist die erste HŠlfte der zweiten Zeile. Man begeht "eine Tat nach der anderen". Doch um welche Art von "Taten" es sich dabei handelt, erfahren wir nicht (vgl. Anmerkung 4).

 

In der zweiten HŠlfte des Vierzeilers wird beschrieben, dass man zur Praxis der Menschenopfer zurŸckkehren wird (vgl. Anmerkungen 6 und 7). Die Opfer werden nach ihrer Tštung verbrannt. Was hinter der RŸckkehr zu diesen Kulthandlungen steckt, erfahren wir nicht. Es kann aber vermutet werden, dass au§ergewšhnliche UmstŠnde bzw. eine gro§e Notlage dafŸr verantwortlich sind. Eine Notlage, die vielleicht als Folge des Besitzes des "Aurum Tolosanum" eingetreten ist?

 

 

 

 

2/98    

 

[1] Celuy du sang resperse1) le visaige

[2] De la victime proche2) sacrifiŽe:

[3] Tonant3) en Leo augure par presaige:

[4] Mis estre ˆ mort lors pour la fiancŽe4).

 

[1] Der, [der sich] das Gesicht bespritzt hat1) mit [dem] Blut

[2] des in [seiner] NŠhe2) dargebrachten Opfers,

[3] - [der] Donnernde3) im Lšwen [wird als ein] Vorzeichen mit [einer] Weissagung [gedeutet] -

[4] [wird] dann fŸr die Braut4) dem Tod Ÿberantwortet werden.

 

1) Vgl. lat. "respersit" (er hat bespritzt). BRINDÕ AMOUR, S. 332f., weist darauf hin, dass es im alten Rom als schlechtes Vorzeichen galt, wenn man vom Blut des Opfers bespritzt wurde (LIVIUS 21,63,15). Vgl. auch OBSEQUENS, Kapitel 69.
2) Oder zeitlich verstanden: "kurz zuvor".
3) "Tonans" ist ein Beiname sowohl des Jupiters wie auch des Saturns. Es kšnnte hier aber auch einfach nur ein Donnern gemeint sein.
4) Nostradamus kšnnte hier die Religion meinen. Vgl. das mittelfranzšsische "fiance" (u. a. Glaube, Vertrauen, Hoffnung, Zuversicht). Oder unser Seher hat an das griech. "nymphe" gedacht, das neben "Braut, Verlobte" u. a. auch "Jungfrau, MŠdchen, junge Frau" bedeutet. In diesem Fall wŠre wohl wieder von Artemis die Rede (vgl. 9/74/3), der jungfrŠulichen Jagdgšttin, die ihrerseits von Nymphen (jungfrŠulichen weiblichen Naturgeistern) begleitet wurde. Der ršmische Festtag der Diana (Artemis) am 13. August fiel Ÿbrigens in die Zeit des Lšwen, von der in der dritten Zeile die Rede ist.

Bei einem Tier- oder Menschenopfer wird jemand unglŸcklicherweise mit Blut bespritzt. In einem Juli oder August wird ein Donnerorakel eingeholt und dann der mit Opferblut Bespritzte selber geopfert.

 

Wie in 9/74 ist auch in diesem Vierzeiler von heidnischen Opferhandlungen die Rede.

 

GemŠ§ Zeilen eins und zwei wird dazu ein Tier oder ein Mensch getštet: es flie§t Blut. Und jemand bespritzt sich dabei mit dem Blut des Opfers. Wahrscheinlich unwillentlich, da dies - wenigstens im klassischen Heidentum - als schlechtens Omen galt (vgl. Anmerkung 1). Um wen es sich dabei handelt, erfahren wir nicht. Vielleicht um den Priester, der das Opfer darbringt?

 

In der dritten Zeile erfahren wir, dass in der Zeit des Lšwen (nach mittelalterlicher Auffassung vom 18. Juli bis 17. August) offensichtlich ein Donnerorakel eingeholt werden wird. Man wird den Donner als Vorzeichen deuten, das eine Weissagung erlaubt.

 

Anschlie§end wird, laut vierter Zeile, der Blutbespritzte aus der ersten HŠlfte des Vierzeilers selber getštet. Er scheint als Menschenopfer dargebracht zu werden (fŸr die "Braut", d. h. wohl im Rahmen einer religišsen Handlung, vgl. Anmerkung 4). Es kann vermutet werden, dass das eingeholte Donnerorakel dahingehend gedeutet werden wird, dass zur BesŠnftigung der heidnischen Gštter dieses Opfer nštig ist. Ein Umstand, der wohl wieder auf eine gro§e Notlage hindeutet (siehe oben) und der so verstanden werden kann, dass das zu Beginn dargebrachte Opfer keine Wirkung gezeigt hat. Ein Opfer, das vielleicht zu den Menschenopfern aus 9/74 gehšrt hat.

 

 

9/15  

 

[1] Pres de Parpan1) les rouges detenus,

[2] Ceux du milieu parfondrez2) menez loing:

[3] Trois mis en pieces, & cinq mal soustenus,

[4] Pour le Seigneur & Prelat3) de Bourgoing4).

 

[1] In der NŠhe von "Parpan"1) [werden] die Roten gefangengehalten [werden].

[2] Die aus der Mitte [werden] všllig ruiniert2) [und] weit weg gebracht.

[3] Drei [werden] in StŸcke gehauen und fŸnf schlecht versorgt;

[4] wegen des Herrn und PrŠlaten3) aus Burgund4).

 

1) Unklar. Es gibt in der Ostschweiz, in GraubŸnden, einen Ort namens Parpan, etwa 10 km sŸdlich von Chur. Die mutma§liche ErwŠhnung von Burgund in der vierten Zeile verlegt die Suche aber wohl eher in den franzšsischen Raum. Nicht unwahrscheinlich ist, das "Parpan" die Stadt Perpignan (katalanisch "Perpinya") nahe der spanischen Grenze meint. In Toulouse gibt es ein Ch‰teau de Purpan und einen gleichnamigen Stadtteil. Das Ch‰teau bzw. der dazu gehšrende Grund ging allerdings erst zu Beginn des 17. Jh. in den Besitz der Familie de Purpan Ÿber, also einige Jahrzehnte nach NostradamusÕ Tod. Zuvor hie§ der Besitz Lavelanet. In 9/46/1 fordert unser Seher die "Roten" andererseits dazu auf, aus Toulouse zu fliehen ...
2) Wšrtlich: "ganz auf den Grund gebracht".
3) Ein PrŠlat ist ein hoher kirchlicher WŸrdentrŠger.
4) Es gibt ein Bourgoin-Jallieu etwa 40 km sŸdšstlich von Lyon, sowie ein nordwestfranzšsisches Bourgon etwa 24 km nordwestlich von Laval. Bourgon ist zudem auch die franzšsische Bezeichnung des italienischen Borgone Susa, etwa 40 km westlich von Turin. Ich vermute allerdings, dass hier eine reimbedingte Anpassung des Begriffes "Bourgoigne" (1/80, 2/76) vorliegt und somit das Burgund gemeint ist.

Wegen "Claudius" werden KardinŠle gestŸrzt, getštet und in die Verbannung geschickt.

 

Falls, wie hier angenommen wird, die Strophe zum "Jupiter"-Thema gehšrt, ist mit dem "Herrn und PrŠlaten aus Burgund" der vierten Zeile wohl der neue "Claudius" gemeint. Sollte er auch mit dem "Oberhaupt des Bšsen" aus 9/46/3 identisch sein?

 

Sollte hinter "Bourgoing" mehr stecken als blo§ eine reimtechnische Anpassung von "Bourgoigne" (vgl. Anmerkung 4) kšnnte "Claudius" vielleicht aus Bourgoin-Jallieu stammen, das in der Gegend von Lyon liegt. Mšglicherweise wŠre eine solche Herkunft sogar einer der GrŸnde, weshalb ihn Nostradamus mit dem ršmischen Kaiser Claudius vergleicht, der in Lyon geboren wurde.  

 

In der ersten Zeile geht es um "Rote", womit bei Nostradamus in der Regel KardinŠle mit rotem Ornat gemeint sind. Damit kšnnten die paganisierten kirchlichen WŸrdentrŠger gemeint sein, die unser Seher in 9/46/1 anspricht.

Dort rŠt er ihnen zur Flucht aus Toulouse. Ein Rat, dem die "Roten" aber nicht zu folgen scheinen wie wohl 9/15 berichtet:

 

Die KardinŠle werden gefangen gesetzt und bei "Parpan" interniert. In der Stadt Toulouse gŠbe es das Ch‰teau de Purpan, das seinen Namen allerdings erst nach NostradamusÕ Tod erhalten zu haben scheint (vgl. Anmerkung 1). Sollte Perpignan gemeint sein? Als lŠngerfristiger Verbannungsort "weit weg" von Toulouse (vgl. Zeile zwei) kŠme auch Parpan in den Schweizer Bergen wieder in Frage.

 

In 9/15/2 dŸrfte erneut von den KardinŠlen der ersten Zeile die Rede sein, die hier aber "die aus der Mitte" genannt werden. Mit der "Mitte" kšnnte z. B. der SŸden, der "Mittag" gemeint sein. In diesem Fall wohl konkret Rom, das oberste Zentrum der "Jupiter"-Kirche. Oder die "Mitte" bezeichnet das Herz, die Zentrale der "Jupiter"-Teilkirche in Frankreich oder Toulouse.

 

In der zweiten Zeile erfahren wir, dass sie všllig ruiniert, d. h. wohl aus ihren hohen Positionen gestŸrzt werden, vgl. Anmerkung 2. Das wŸrde zur oben vermuteten Notlage passen, in der sich die "Jupiter"-Kirche in Toulouse befinden wird. Man wird sie auch "weit weg", d. h. wahrscheinlich in die Verbannung schicken. Ins schweizerische Parpan?

 

In der dritten Zeile erfahren wir, dass drei in StŸcke gehauen (getštet) und fŸnf (wohl in Gefangenschaft oder Verbannung) "schlecht versorgt" werden. Und zwar wegen des Eingangs erwŠhnten neuen "Claudius". Wenn es sich dabei um acht KardinŠle der "Jupiter"-Kirche handelt, dŸrfte die Stelle so zu verstehen sein, dass diese fŸr das Handeln des neuen "Claudius" bŸ§en mŸssen, nicht dass sie auf Veranlassung desselben ihr Schicksal erleiden.

 

 

9/46    

 

[1] Vuydez, fuyez de Tholose les rouges1)

[2] Du sacrifice2) faire expiation,

[3] Le chef du mal dessouz lÕvmbre des courges3)

[4] Mort estrangler carne omination4).

 

[1] Verlasst [die Stadt], flieht aus Toulouse, ihr Roten!1)

[2] [Um] mit dem Opfer2) SŸhne zu leisten

[3] [befindet sich] das Oberhaupt des Bšsen unter dem Schatten der KŸrbisse3).

[4] [Den] Toten [wird man] erwŸrgen [fŸr die] Wahrsagerei mit Fleisch4).

 

1) Oder auch: "Verlasst [die Stadt], flieht vor den Roten aus Toulouse!"
2) Hier ist eine religišse Opferhandlung gemeint, vgl. auch lat. "sacrificium".
3) "Courge" bezeichnet im Mittelfranzšsischen neben "KŸrbis" auch die in frŸheren Zeiten zum Wassertransport verwendete Tragestange, die Ÿber die Schultern gelegt wurde und an deren beiden Enden je ein Wassereimer hing. Vor der Entdeckung Amerikas bezeichnete man in Europa mit dem Begriff "KŸrbis" den FlaschenkŸrbis.
4) Lat. "carne ominatio" (das Wahrsagen mit Fleisch). Im alten Rom wurde, wie in anderen Kulturen auch, aus den Eingeweiden geschlachteter Opfertiere vorhergesagt, ob eine bestimmte Unternehmung die Zustimmung der Gštter finden wŸrde oder nicht. Diese Aufgabe kam dem Haruspex zu. Anthropomantie, d. h. das Wahrsagen der Zukunft aus den Eingeweiden von dazu getšteten Menschen, wurde in der Antike ebenfalls praktiziert, etwa in €gypten und Griechenland. Den ršmischen Kaisern Elagabal (218 - 222) und Julian Apostata (361 - 363) wurde die Anwendung dieser Divinationsmethode unterstellt (http://www.livius.org/he-hg/heliogabalus/heliogabalus-religion.html#Religious1 http://www.igw-resch-verlag.at/lexikon/a/an.html  08.03.2008). Die vierte Zeile von 9/46 kšnnte so verstanden werden, dass hier ein Mensch als Opfergabe dargebracht und mit seinem Fleisch (seinen Eingeweiden) Wahrsagerei betrieben wird. Es wŠre aber auch denkbar, dass der Tote zuvor selber aus einem Tier oder einem Menschen die Zukunft vorhergesagt hat, allerdings falsch. Und zur Strafe oder zur SŸhne (vgl. zweite Zeile) wird er nun seinerseits getštet.

In Toulouse entsteht eine Situation, in der kirchliche WŸrdentrŠger (der "Jupiter"-Religion) in gro§er Gefahr sein werden. Der heidnische Oberpriester wird zur SŸhne ein Menschenopfer darbringen.

 

In diesem Vierzeiler geht es erneut um ein rituelles Menschenopfer.

 

Wir lesen in der vierten Zeile, dass man jemanden erwŸrgt fŸr oder wegen der "Wahrsagerei mit Fleisch". D. h. er wird getštet, um aus seinen Eingeweiden die Zukunft lesen zu kšnnen oder weil er selber Eingeweideschau betrieben hat, allerdings wohl derart, dass man mit dem Resultat nicht zufrieden war. Das mŸsste der Blutbespritze sein, der in 2/98 das UnglŸck verhei§ende Opfer darbringt und dann selber getštet wird.

 

In der zweiten und dritten Zeile erfahren wir, dass das "Oberhaupt des Bšsen" sich unter dem "Schatten der KŸrbisse" befindet, um mit dem Opfer aus der vierten Zeile SŸhne zu leisten. Das "Oberhaupt des Bšsen" ist wahrscheinlich der Oberpriester dieses heidnischen Kultes. Es wŠre auch denkbar, dass dieser mutma§liche Oberpriester derjenige ist, der in 2/98 das verunglŸckte Opfer darbringt und sich nun selber zur SŸhne opfern lŠsst. Etwas unklar ist der "Schatten der KŸrbisse". Hier kšnnte uns Nostradamus verklausuliert einen Ortsnamen mitteilen wollen. Oder es geht einfach darum, dass diese Kulthandlung im Sommer vollzogen wird (vgl. 2/98/3), wenn die Schatten spendenden Ranken der KŸrbispflanze geschŠtzt werden. Weiter kann in diesem "KŸrbisschatten" eine Querverbindung zur "VerkŸrbissung" des historischen Claudius gesehen werden (vgl. 3/41/2), was die Identifizierung des "Oberhaupt des Bšsen" aus 9/46/3 ermšglichen wŸrde.

 

In der ersten Zeile dŸrften wir erfahren, wo sich das Ganze abspielen wird: in Toulouse. Unser Seher rŠt den "Roten", aus der Stadt zu fliehen (vgl. aber Anmerkung 1). Als "Rote" werden bei Nostradamus fŸr gewšhnlich KardinŠle mit rotem Ornat bezeichnet. Diese KirchenfŸrsten mŸssen sich wohl in akuter Gefahr befinden, wenn sie mit einer derartigen Warnung bedacht werden. Eine Gefahr, die zur oben vermuteten Notlage passen wŸrde.

 

An dieser Stelle sei aber daran erinnert, dass laut Nostradamus die Kirche wenigstens einmal von Christus abfallen und sich dem Heidentum zuwenden wird, namentlich der "Jupiter"-Religion. Es wŠre somit denkbar, dass es sich bei diesen KardinŠlen um WŸrdentrŠger einer heidnisch gewordenen Kirche handelt, fŸr die die Stadt Toulouse eine wichtige Rolle spielt. WŸrdentrŠger, zu denen auch der oben vermutete Oberpriester gehšren kšnnte.

 

Sollten in Toulouse vielleicht Unruhen gegen diese neuheidnische "Kirche" ausbrechen, weil deren Priester mit ihren Kulthandlungen die Gštter bzw. Jupiter nicht dazu bringen kšnnen, die Stadt aus einer schwierigen Lage zu befreien? Vor diesem Hintergrund wŠre auch das SŸhneopfer des "Oberhauptes des Bšsen" verstŠndlich: es geht um die nackte Existenz der neuheidnischen "Kirche". Da sich in Toulouse nicht nur offensichtlich mehrere KardinŠle ("Rote") sondern auch das "Oberhaupt des Bšsen" befinden werden, kšnnte die sŸdwestfranzšsische Stadt ein bedeutendes Zentrum oder (zeitweise?) sogar die Hauptstadt dieses Glaubens sein.

 

Zur Krise der "Jupiter"-Religion in Toulouse, die in den Vierzeilern 1/27, 8/30, 9/74, 2/98, 9/15 und 9/46 behandelt wird, kšnnten zudem noch die Strophen 9/12 und 8/28 (beide 5.21) sowie 3/45 und 9/72 (beide 5.262) gehšren.

 

 

5/93  

 

[1] Soubs le terroir1) du rond globe lunaire2),

[2] Lors que sera dominateur Mercure3):

[3] LÕIsle4) dÕEscosse fera vn luminaire5),

[4] Qui les Anglois mettra ˆ desconfiture6).

 

[1] [In LŠndern] unter der Herrschaft1) der runden Mondkugel2)

[2] wird dann Merkur3) [der] Beherrscher sein,

[3] wenn die Insel4) von Schottland einen Lichtstrahl5) hervorbringen wird,

[4] der die EnglŠnder in [die] totale Niederlage6) stŸrzen wird.

 

1) Das mittelfranzšsische "terroir" bedeutet u. a. "Bereich, Gebiet, DomŠne, SphŠre".
2) Im geozentrischen vorkopernikanischen Weltbild war der Mond der "Planet", der die Erde auf der ersten Umlaufbahn umkreiste. Mit der sublunaren Welt wŠre also die gesamte Erde gemeint, vgl. CLƒBERT, S. 669. Allerdings wurden in der Astrologie seit jeher LŠnder oder Gegenden konkret den einzelnen Himmelskšrpern zugeordnet. In Buch 1, Kapitel 31 der Magischen Werke des AGRIPPA VON NETTESHEIM finden wir die Aufstellung dieser Entsprechungen. Zum Mond (Krebs) gehšren dabei Bithynien (nordwestl. Kleinasien), Phrygien (westl. Kleinasien sŸdl. v. Bithynien), Kolchis (westl. Georgien), Numidien (Ostalgerien u. Westtunesien), Karthago u. Africa (Tunesien u. libysche KŸste) und "ganz Karchedonien". Karchedon ist dabei der griech. Name fŸr Karthago. Interessant ist, dass gemŠ§ zweiter Zeile "Merkur" der Beherrscher (einiger) dieser LŠnder sein wird, also etwa des tunesischen Raumes. Das erinnert an Ludwig II. von Bourbon (Herr von MercÏur), der 1390 den Kreuzzug gegen die muslimischen Piraten von Mahdia (Tunesien) angefŸhrt hat, vgl. Anmerkung 3. Dem weiblichen Gestirn Mond wird in der Astrologie aber auch das Wasser und das Meer zugeordnet. Somit kšnnte hier auch gemeint sein, dass "Merkur" die See (vgl. 10/79/4, vielleicht speziell das Mittelmeer) beherrscht. In der nichtklassischen Astrologie wird dem Sternzeichen Krebs, dessen Regent der Mond ist, u. a. auch Schottland zugeordnet, vgl. Zeile drei.
          Die Stelle "rond globe lunaire" lie§e sich allerdings auch všllig anders verstehen. Etwa als "vollkommene Mondpartei", wobei "globe" in Anlehnung an das lat. "globus" u. a. als "Menschengruppe; Verein, Klub; Clique" und "rond" als "vollendet, vollkommen" Ÿbersetzt werden kšnnte. In diesem Fall bestŠnde eine Verbindung zur Apokalypse, wo der "Mond" dem zweiten Tier entspricht.
3) Merkur (griech. Hermes) war u. a. der Gott der Kaufleute, Diebe und der Redekunst. Zudem Gštterbote und FŸhrer der Seelen in die Unterwelt. Sein Vater war Jupiter.
          In Frankreich gibt es zwei Gemeinden namens MercÏur, eine im westlichen Zentralfrankreich, etwa 105 km sŸdšstlich von Limoges und eine etwa 107 km nordšstlich der ersten, etwa 67 km sŸdšstlich von Clermont-Ferrand. Dazu existiert noch ein Berg (erloschener Vulkan) namens Puy de MercÏur etwa 10 km sŸdwestlich von Clermont-Ferrand.
          MercÏur sŸdšstlich von Clermont-Ferrand war der Hauptort der Herrschaft MercÏur, die nach NostradamusÕ Tod zum Herzogtum erhoben wurde (1569). Vom ausgehenden 9. Jahrhundert bis 1321 gehšrte die Herrschaft den Herren von MercÏur. Durch Erbfall ging die Herrschaft an die Dauphins von Auvergne Ÿber, die sie 1371 ihrerseits an die Herzšge von Bourbon vererbten. Diese Ÿbergaben sie den Grafen von Montpensier, einer jŸngeren Linie der Bourbonen. Durch Heirat gelangte MercÏur 1515 an das Haus VaudŽmont, die Herzšge von Lothringen (vgl. 10/18). An konkreten historischen Vorbildern fŸr diesen "Merkur" gibt es etwa Ludwig II. von Bourbon (1337-1410), der sich als Feldherr u. a. im HundertjŠhrigen Krieg gegen die EnglŠnder bewŠhrte. 1390 fŸhrte er einen Kreuzzug gegen die muslimischen Piraten im tunesischen Mahdia an. Sein Sohn Johann I. (1381-1434) war ebenfalls Feldherr, starb allerdings in englischer Gefangenschaft. Ludwig I. Graf von Montpensier (1406-1486) war v. a. Diplomat und starb als Gesandter in Rom. Gilbert Graf von Montpensier (1443-1496) war Feldherr und kŠmpfte u. a. in Italien, wo er zum Vizekšnig von Neapel ernannt wurde. Dessen Tochter und Erbin RenŽe (1494-1539) heiratete 1515 Anton II. Herzog von Lothringen (1489-1544). Ihr Šltester Sohn und Nachfolger starb allerdings bereits 1545. Bis zur VolljŠhrigkeit von dessen Sohn, Karl III. von Lothringen (1543-1608), im Jahr 1559 Ÿbernahm erst die Mutter, Christina von DŠnemark, die Regentschaft (bis 1552) und dann Nikolaus von Lothringen-MercÏur (1524-1577), der Onkel Karls III. In 9/59 (5.265) ist von einem "gro§en Nikolaus" die Rede. An wen Nostradamus bei seinem "Merkur" gedacht hat und ob zwischen dem "gro§en Nikolaus" aus 9/59 (5.265) und "Merkur" eine Verbindung besteht, ist im Augenblick noch unklar. GemŠ§ 10/79/3 scheint "Merkur" aber aus dem Hause Bourbon zu stammen und wie Ludwig II. ebenfalls in Nordafrika aktiv zu werden (allerdings nicht in Tunesien sondern in €gypten).
          CLƒBERT, S. 669f., verweist auf die Mšglichkeit, dass Nostradamus hier an ROUSSATs Chronokratoren (S. 88-103) gedacht hat. Die zukŸnftige Herrschaft des Planeten Merkur fiele dabei in die Zeit von 3305 - 3660 n. Chr. Die letzte der vergangenen Herrschaften umfasste die Jahre 1179 bis 1533 n. Chr.
4) Beim Wort "Insel" (lÕIsle) hat Nostradamus wahrscheinlich an das griech. "nesos" gedacht, das sowohl "Insel" wie auch "Halbinsel" bedeuten kann. Da Schottland keine Insel sondern eine Halbinsel ist, wird er wohl auch letzteres gemeint haben. Als andere Mšglichkeiten kŠme eine der Inseln vor Schottland in Frage oder auch die britische Insel, zu der neben Schottland auch England und Wales gehšren. Die gleiche Formulierung finden wir ebenfalls in 10/66/2.
5) Hier hat Nostradamus wohl an das griech. "phos" ("phaos") gedacht, das sowohl "Licht, Glanz, Helle" als auch "Mensch, Mann, Held" bedeuten kann. Bei diesem "Lichtstrahl" handelt es sich also einfach um eine bedeutende schottische Persšnlichkeit.
6) Auch: "Vernichtung, Chaos, Niedergeschlagenheit".

Dann, wenn "Merkur" das Mittelmeer beherrscht, wird in Schottland eine Persšnlichkeit erscheinen, die die EnglŠnder in die totale Niederlage stŸrzen wird.

 

In der zweiten Zeile wird "Merkur" erwŠhnt, den wir bereits aus den Vorschau-Strophen 4/28, 4/29 und 9/55 kennen.

 

Wir erfahren in der ersten Zeile, dass "Merkur" offenbar in Gebieten Macht ausŸben wird, die dem Mond zugeordnet werden. Abgesehen vom Meer kommen dafŸr konkret das (nord-) westliche Kleinasien, das westliche Georgien und die nordafrikanische KŸste von Ostalgerien bis Libyen infrage. Die nordafrikanische Lšsung verwiese hier auf den Herrn von MercÏur Ludwig II. von Bourbon (1337-1410), der 1390 den Kreuzzug gegen die muslimischen Piraten im tunesischen Mahdia angefŸhrt hat, vgl. Anmerkung 3. Ob Nostradamus hier meint, dass "Merkur" auch tatsŠchlich Ÿber die genannten nordafrikanischen Gebiete herrschen wird oder ob er diesen Hinweis nur zur besseren Charakterisierung des "Gštterboten" eingefŸgt hat, ist nicht zu entscheiden. Es wŠre fŸr unseren Seher aber auch nicht untypisch, wenn er mit dem "Mondgebiet" etwa das (Mittel-) Meer gemeint aber mit dem westlichen Nordafrika gleichzeitig auf das historische Vorbild hŠtte verweisen wollen. TatsŠchlich herrschen wird "Merkur" allerdings Ÿber €gypten, wie wohl aus 10/79 zu schlie§en ist.

 

Die zweite HŠlfte von 5/93 verbindet "Merkurs" gro§e Zeit chronologisch mit einem anderen Thema: In Schottland wird eine Persšnlichkeit erscheinen oder geboren werden, die den EnglŠndern eine totale Niederlage zufŸgen wird. NŠheres hierzu erfahren wir aber leider nicht.

 

 

 

 

 

 

10/79    

 

[1] Les vieux chemins seront tous embelys1),

[2] Lon passera4) ˆ Memphis3) somentrŽe2),

[3] Le grand Mercure5) dÕHercules6) fleur de lys7)

[4] Faisant trembler terte8), mer & contrŽe.

 

[1] Die alten Wege werden alle verschšnert1) sein.

[2] Man wird ins eingeschlafene2) Memphis3) hinŸber gehen4),

[3] Der gro§e Merkur5) des Herkules6)-Lilienblume7),

[4] wird Land8), Meer und [die ganze] Gegend zum Zittern bringen.

 

1) Oder auch: "verbessert, verstŠrkt".
2) CLƒBERT, S. 1146, leitet das Wort "somentrŽe" von lat. "subintrare" bzw. "summintrare" (heimlich eintreten) ab. "SomentrŽe" lie§e sich aber vielleicht naheliegender als Kombination aus "somme" (Schlaf) und "entrŽe" (hineingegangen) verstehen. Wir hŠtten dann ein "eingeschlafenes" Memphis vor uns. Seit alters her galt der Schlaf allerdings auch als Metapher fŸr den Tod.
3) Memphis ist eine untergegangene Hauptstadt des alten €gyptens. Es lag am linken Nilufer, nur wenige Kilometer sŸdlich des heutigen Kairo. Memphis wurde 1930-31 ausgegraben. Zur Zeit des Nostradamus war diese Stadt schon lange untergegangen, d. h. "ein-" bzw. "entschlafen". In der Bibel wird Memphis an mehreren Stellen erwŠhnt (Hosea 9,6; Jesaja 19,13; Jeremia 2,16; 46,14 u. 19; Ezechiel 30,13 u. 16). Interessant ist dabei die ErwŠhnung bei Ezechiel. Wir lesen dort:
"So spricht Gott, der Herr: Ich mache der Pracht €gyptens ein Ende /
          durch die Hand Nebukadnezars, /
          des Kšnigs von Babel.
Er und sein Heer, /
          die gewalttŠtigsten unter den Všlkern, /
          werden herbeigeholt, um das Land zu vernichten. Sie zŸcken ihr Schwert und schlagen
          €gypten /
          und fŸllen das Land mit erschlagenen Menschen"
(Ezechiel 30,10f.) und:
"So spricht Gott, der Herr: Ich will die Gštzen vernichten. /
          Ich fŸhre das Ende der Gštter von Memphis herbei. Der FŸrst von €gypten wird (bald)
          nicht mehr leben. /
          Ich stŸrze €gypten in Angst.
Patros will ich verwŸsten, /
          Zoan will ich verbrennen, /
          an No vollstrecke ich das Urteil.
†ber Sin, die Festung €gyptens, gie§e ich meinen Zorn aus und ich vernichte die Pracht von No. €gypten will ich verbrennen. Sin wird sich in KrŠmpfen winden; No wird man erstŸrmen und Memphis wird am hellen Tag von Feinden bedrŠngt."
(Ezechiel 30,13-16).
4) Das mittelfranzšsische "passer" weist eine Menge Bedeutungen auf. So kšnnte hier etwa auch gemeint sein, dass man etwas oder jemanden nach Memphis bringt.
5) Merkur (griech. Hermes) war u. a. der Gott der Kaufleute, Diebe und der Redekunst. Zudem Gštterbote und FŸhrer der Seelen in die Unterwelt. Sein Vater war Jupiter.
          In Frankreich gibt es zwei Gemeinden namens MercÏur, eine im westlichen Zentralfrankreich, etwa 105 km sŸdšstlich von Limoges und eine etwa 107 km nordšstlich der ersten, etwa 67 km sŸdšstlich von Clermont-Ferrand. Dazu existiert noch ein Berg (erloschener Vulkan) namens Puy de MercÏur etwa 10 km sŸdwestlich von Clermont-Ferrand.
          MercÏur sŸdšstlich von Clermont-Ferrand war der Hauptort der Herrschaft MercÏur, die nach NostradamusÕ Tod zum Herzogtum erhoben wurde (1569). Vom ausgehenden 9. Jahrhundert bis 1321 gehšrte die Herrschaft den Herren von MercÏur. Durch Erbfall ging die Herrschaft an die Dauphins von Auvergne Ÿber, die sie 1371 ihrerseits an die Herzšge von Bourbon vererbten. Diese Ÿbergaben sie den Grafen von Montpensier, einer jŸngeren Linie der Bourbonen. Durch Heirat gelangte MercÏur 1515 an das Haus VaudŽmont, die Herzšge von Lothringen (vgl. 10/18). An konkreten historischen Vorbildern fŸr diesen "Merkur" gibt es etwa Ludwig II. von Bourbon (1337-1410), der sich als Feldherr u. a. im HundertjŠhrigen Krieg gegen die EnglŠnder bewŠhrte. 1390 fŸhrte er einen Kreuzzug gegen die muslimischen Piraten im tunesischen Mahdia an. Sein Sohn Johann I. (1381-1434) war ebenfalls Feldherr, starb allerdings in englischer Gefangenschaft. Ludwig I. Graf von Montpensier (1406-1486) war v. a. Diplomat und starb als Gesandter in Rom. Gilbert Graf von Montpensier (1443-1496) war Feldherr und kŠmpfte u. a. in Italien, wo er zum Vizekšnig von Neapel ernannt wurde. Dessen Tochter und Erbin RenŽe (1494-1539) heiratete 1515 Anton II. Herzog von Lothringen (1489-1544). Ihr Šltester Sohn und Nachfolger starb allerdings bereits 1545. Bis zur VolljŠhrigkeit von dessen Sohn, Karl III. von Lothringen (1543-1608), im Jahr 1559 Ÿbernahm erst die Mutter, Christina von DŠnemark, die Regentschaft (bis 1552) und dann Nikolaus von Lothringen-MercÏur (1524-1577), der Onkel Karls III. In 9/59 (5.265) ist von einem "gro§en Nikolaus" die Rede. An wen Nostradamus bei seinem "Merkur" gedacht hat und ob zwischen dem "gro§en Nikolaus" aus 9/59 (5.265) und "Merkur" eine Verbindung besteht, ist im Augenblick noch unklar.
6) Herkules (griech. Herakles) war ein Sohn des Jupiter (Zeus), den der Gšttervater mit Alkmene, der Kšnigin von Theben gezeugt hatte. Zu diesem Zweck nahm Jupiter die Gestalt von Alkmenes Ehemann an (ein Motiv, das im Mittelalter eine Parallele in der Artussage finden sollte). Der Halbgott Herkules zeichnete sich u. a. durch seine Ÿbermenschliche StŠrke aus und galt als Verkšrperung und Ideal mŠnnlicher Tugenden. Bekannt sind u. a. die zwšlf Arbeiten, die er zur SŸhne fŸr den im Wahnsinn begangenen Mord an Frau und Kindern zu leisten hatte. Nach seinem Tod wurde er auf den Olymp entrŸckt und unter die Gštter aufgenommen. Die Gallier besa§en in Ogmios ein Pendant zu Herkules.
7) Die Lilienblume steht seit dem SpŠtmittelalter fŸr die franzšsische Monarchie und das Haus Bourbon. "Herkules" scheint also zur franzšsischen Kšnigsfamilie bzw. zu den Bourbonen zu gehšren.
8) Lies: "terre". In einzelnen 1568er-Ausgaben (etwa Grasse und Schaffhausen) steht hier statt "terre" "terte". Als Alternative zu "terre" gŠbe es allerdings hšchstens "tertre" (Anhšhe).

"Merkur", ein Abkšmmling des Bourbonen "Herkules" und wohl ršmisch-deutscher Kšnig, wird den ganzen Gro§raum €gypten erbeben lassen und dann in das heidnische Zentrum des Landes einziehen.

 

In der dritten Zeile taucht wieder "Merkur" auf, den wir bereits aus 4/28, 4/29, 9/55 und 5/93 kennen. Wir erfahren hier, dass er offenbar von jemandem abstammt, den Nostradamus "Herkules-Lilienblume" nennt. Da die Lilienblume fŸr die franzšsische Monarchie und das Haus Bourbon steht (vgl. Anmerkung 7), sind "Herkules" und dessen Abkšmmling "Merkur" also mit aller Wahrscheinlichkeit (franzšsische) Bourbonen. Ein weiterer Umstand, der zu Ludwig II. von Bourbon als Vorbild fŸr "Merkur" passen wŸrde.

 

In Zeile vier erfahren wir, dass "Merkur" Land, Meer (das "Mondgebiet" aus 5/93/1?) und die "ganze Gegend" - wohl durch seine gro§e Macht - zum Zittern bringen wird.

 

Mit der "ganzen Gegend" dŸrfte €gypten gemeint sein, von dem Nostradamus in der zweiten Zeile spricht. "Man" wird ins "eingeschlafene" bzw. untergegangene ("gestorbene") Memphis hinŸber gehen (vgl. Anmerkung 2). "Man" dŸrfte hier "Merkur" und seine StreitkrŠfte meinen. Mit Blick auf Ezechiel 30,13-16 (vgl. Anmerkung 3) ist mit Memphis wohl das Zentrum des heidnischen €gyptens gemeint, wo Gott die "Gštzen" vernichten wird. Und zwar unter Zuhilfenahme des "Kšnigs von Babel".

 

Mit dem "Kšnig von Babel" mŸsste folglich "Merkur" gemeint sein, von dem wir allerdings annehmen kšnnen, dass es sich um einen Franzosen handelt (vgl. oben). Wie passt das aber zusammen?

 

Babel (Babylon) ist im Neuen Testament bekanntlich eine Chiffre fŸr Rom (vgl. Offenbarung des Johannes 17,9). Nostradamus hat hier womšglich das Babel des Ezechiel ebenfalls als Rom verstanden haben wollen. Somit wŠre der franzšsische "Merkur" ein Kšnig von Rom, was schon wahrscheinlicher sein dŸrfte.

 

"Kšnig der Ršmer" (lat. "Rex Romanorum") war zur Zeit des Nostradamus der Titel des gewŠhlten ršmisch-deutschen Kšnigs, der noch nicht zum ršmisch-deutschen Kaiser gekršnt worden war.

 

In 10/79/3 erfahren wir, dass "Merkur" offensichtlich ein Abkšmmling des Bourbonen "Herkules" sein wird. Eines Mannes, der gemŠ§ 9/33/1 (5.38) selber Kšnig von Rom sein wird.

 

Dieser Umstand ist deswegen interessant, da die Titel des ršmisch-deutschen Kšnigs bzw. Kaisers nicht erblich waren. Sollten die Bourbonen im zukŸnftig wiedererrichteten ršmisch-deutschen Reich die Herrschaft de facto fŸr ihre Dynastie monopolisieren kšnnen?

 

Unklar ist noch die erste Zeile von 10/79. Ist hier von einem Triumphzug nach ršmischem Vorbild die Rede? Welche "alten Wege" wohin werden "verschšnert" sein?

 

 

10/73

 

[1] Le temps present auecques le passŽ

[2] Sera iugŽ2) par grand Iouialiste1),

[3] Le monde tard3) luy sera lassŽ,4)

[4] Et desloial6) par le clergŽ iuriste5).

 

[1] Die Gegenwart [wird] zusammen mit der Vergangenheit

[2] durch [den] gro§en Jovialisten1) abgeurteilt2) [werden].

[3] Die Welt wird ihm spŠt3) leid sein,4)

[4] und [der] Jurist5) [wird] vom Klerus [fŸr] gesetzwidrig6) [erklŠrt werden].

 

1) Lat. "iovialis" (zu Jupiter gehšrig).
2) Oder: "beurteilt".
3) Oder: "zu spŠt".
4) Oder wenn man das "luy" zu "[de] luy" ergŠnzt: "Die Welt wird ihn spŠt satt haben".
5) Das mittellat. "jurista" bezeichnet einen Rechtsgelehrten oder Rechtskundigen. Hier ist wohl der Jovialist der zweiten Zeile gemeint, der die Stelle eines Richters einnimmt.
6) Oder: "ungesetzlich, ungetreu, treulos, normwidrig".

 

Krise in der "Jupiter"-Kirche: Papst "Ganymed" richtet Ÿber Gegenwart und Vergangenheit der Kirche. Der Klerus stellt sich daraufhin gegen ihn und erklŠrt das Kirchenoberhaupt fŸr "gesetzwidrig".

 

In Zeile zwei ist von einem "gro§en Jovialisten" die Rede. Ein "Jovialist" ist jemand, der zu Jupiter gehšrt oder der vom gleichnamigen Planeten beeinflusst wird. Bei Nostradamus bietet sich zur Identifikation dieses "Jupiter-Mannes" wohl v. a. der neue "Ganymed" an (vgl. 6/89 und 10/18). Jemand, der gemŠ§ 10/18 zum Oberhaupt (Papst) der Kirche gewŠhlt werden wird und somit durchaus als "gro§" (bedeutend) zu bezeichnen ist.

Den beiden ersten Zeilen ist zu entnehmen, dass der Jovialist "Ganymed" offensichtlich Gegenwart und Vergangenheit be- oder aburteilen wird. Als "Papst" der neuheidnischen "Jupiter"-Religion scheint er somit mindestens das Jurisdiktionsprimat des katholischen Kirchenoberhauptes zu Ÿbernehmen.

Die "Gegenwart und Vergangenheit" bezieht sich mšglicherweise auf das Verhalten der Kleriker und die VorgŠnge in der Kirche vor und nach der Umwandlung in eine "Jupiter"-Kultgemeinschaft.

GemŠ§ Zeile vier scheint der "Jupiter"-Papst mit seinem Richteramt aber zu weit zu gehen. Der eigene Klerus stellt sich gegen ihn und erklŠrt ihn fŸr "gesetzwidrig". An dieser Stelle sei daran erinnert, dass das mittelfranzšsische "loy" (Gesetz) auch eine (religišse) Lehre meinen kann.

Der Klerus kšnnte sich also aus religišs-dogmatischen GrŸnden gegen das Richteramt des Neuheiden-Papstes stellen. Oder man mšchte schlicht Gras Ÿber die Vergangenheit wachsen lassen und alte Wunden nicht noch einmal aufrei§en.

 

Wie weit die Opposition gegen diesen Papst gehen und welche Formen diese annehmen wird, ist hier nicht ersichtlich.

 

Etwas unklar ist Zeile drei. Hier kšnnte aber einfach gemeint sein, dass dieser "Papst" lange in der Welt sein, d. h. lange leben wird. Sollte diese Auslegung zutreffen, ist aber der Umstand interessant, dass diese Angabe ausgerechnet in Zusammenhang mit der Revolte der Kleriker erwŠhnt wird. Wird "Ganymed" vielleicht gestŸrzt und - in fortgeschrittenem Alter - sogar hingerichtet (vgl. 6/89 und 1/57)?

 

 

1/26

 

[1] Le grand du fouldre1) tumbe dÕheure diurne,2)

[2] Mal & predict3) par porteur postulaire4)

[3] Suiuant presaige5) tumbe dÕheure nocturne,6)

[4] Conflit Reins, Londres, Etrusque7) pestifere8).

 

[1] Der Gro§e des Blitzes1) fŠllt zur Tagesstunde.2)

[2] [Das] †bel ist vorhergesagt3) vom Bittsteller4).

[3] [Das] darauf folgende Vorzeichen5) fŠllt zur nŠchtlichen Stunde.6)

[4] [Einen] Konflikt [gibt es in] Reims [und] London. [Das] etruskische [Land]7) [ist] pesttragend8).

 

1) Blitze haben einen festen Platz in der Vorzeichenliteratur. Bei OBSEQUENS finden wir sie in den Kapiteln 1, 3, 5, 7, 11f., 14-17, 24f., 27, 28, 29, 31, 36-38, 41, 43f., 46, 47, 49f., 52-54, 56a f., 61, 63, 65a, (66), 68f. und 71. Bei Nostradamus werden sie wšrtlich in 1/26, 1/65, 2/51, 2/76, 3/6, 3/13, 3/44, 4/35, 4/43, 4/54, 4/99, 8/2, 8/6, 9/19 und 9/36 erwŠhnt. In der antiken Mythologie war der Blitz ein Attribut des Jupiter (Zeus). Im Mittelfranzšsischen bedeutet "fou(l)dre" neben "Blitz" zudem auch "Verurteilung".
2) Oder auch: "Der Gro§e fŠllt durch den Blitz zur Tagesstunde".
3) Hier mŸsste wohl "Mal est predict" stehen, vgl. BRINDÕAMOUR, S. 85, und CLƒBERT, S. 93. Ansonsten hie§e es: "[Das] †bel und [die] Weissagung", wobei "predict" auf das lat. "praedictio" (Weissagung, Prophezeiung) zurŸckzufŸhren wŠre.
4) Das mittelfranzšsische "porteur" (TrŠger) kann u. a. auch einen Boten meinen. "Postuler" bedeutet "beantragen, erbitten". Ein "porteur postulaire" wŠre demnach etwa ein Bittsteller oder der Abgesandte eines solchen. BRINDÕAMOUR, S. 85, und mit ihm CLƒBERT, S. 93, verweisen auf das lat. "postularia fulgura" (fordernde Blitze). Mit diesen Blitzen wurden der ršmischen Religion gemŠ§ die Menschen von den Gšttern auf fehlende Opfer oder nicht erfŸllte GelŸbde aufmerksam gemacht. Inhaltlich wŸrde die Identifikation des "Bittstellers" mit einem solchen Blitz Sinn machen. Eine weitere Verbindung zwischen "porteur" (TrŠger, Bote) und "Blitz" wŠre auch ein Wortspiel mit den griech. "astrabe" (bequemer Sattel, gesatteltes Maultier - beides "tragende" Objekte) und "astrape" (Blitz).
5) Das mittelfranzšsische "presaige" bedeutet nicht nur "Weissagung" sondern auch "Vorzeichen", vgl. lat. "praesagium".
6) Oder, wenn das "suiuant" als "gemŠ§" verstanden wird: "GemŠ§ Vorzeichen/Weissagung fŠllt [ein Anderer] zur nŠchtlichen Stunde."
7) Im Wesentlichen die heutige Toskana. "Etrusque" (der/die/das Etruskische) kšnnte auch eine Person oder Macht aus der Toskana meinen.
8) An dieser Stelle sei daran erinnert, dass "Pest" im Lateinischen und Mittelfranzšsischen nicht nur jede Epidemie mit hoher Sterblichkeit meinen sondern auch einfach fŸr Unheil, UnglŸck stehen kann. Zudem kann "pest-" oder "unheiltragend" so verstanden werden, dass die Toskana blo§ leidet oder dass sie diese "Pest" auszubreiten hilft, also "pestbringend" ist.

"Ganymed" stŸrzt vor aller Augen. Ein Sturz, der vorhergesagt wird. In Reims und London gibt es einen Konflikt, und die "Pest" sucht die Toskana heim.

 

In der ersten Zeile erfahren wir, dass der "Gro§e des Blitzes" fallen wird. Damit ist wohl der Sohn des Jupiter-Ammon bzw. "Ganymed", das Oberhaupt der "Jupiter"-Kirche gemeint. †ber die GrŸnde fŸr diesen Sturz erfahren wir nichts, nur dass er "zur Tagesstunde" erfolgen wird. Damit kšnnte z. B. gemeint sein, dass "der Gro§e des Blitzes" am helllichten Tag, d. h. vor aller Augen fŠllt.

 

In der zweiten Zeile wird ein "†bel" vorhergesagt, vgl. Anmerkung 3. Aus der Sicht des "Gro§en des Blitzes" wŠre dies wohl der Sturz aus der ersten Zeile. Vorhergesagt wird das †bel dabei entweder von einem Bittsteller oder von einem Blitz, den Nostradamus hier etwas rŠtselhaft umschreibt, vgl. Anmerkung 4.

 

Von einem weiteren Vorzeichen lesen wir in der dritten Zeile. Es handelt sich dabei um eines, das offensichtlich in der Nacht zu sehen sein wird. Das kšnnte wieder ein Blitz aber etwa auch ein Komet sein. Doch was kŸndigt das Vorzeichen an?

 

Mšglicherweise etwas von dem, wovon in der vierten Zeile die Rede ist. Dort werden ein Konflikt in Reims und London sowie die "Pest" in der Toskana erwŠhnt. Reims ist dabei die Stadt, in der die franzšsischen Kšnige gekršnt wurden. London wird mšglicherweise auch in 8/6/4 genannt. In 5/93 erscheint zudem jemand in Schottland, der die EnglŠnder in die totale Niederlage stŸrzen wird.

 

 

 

 

 

 

 

6/89  

 

[1] Entre deux cymbes1) piedz & mains estachŽs,

[2] De miel face oingt2) & de laict substantŽ:3)

[3] Guespes & mouche[s]4) fitine amour5) fachŽs6),

[4] Poccilateur7) faucer8), Cyphe9) temptŽ.

 

[1] Zwischen zwei KŠhnen1) [werden die] FŸ§e und HŠnde gebunden [sein],

[2] [von dem, dessen] Gesicht mit Honig gesalbt2) und [der] mit Milch genŠhrt [worden ist].3)

[3] [Die] Wespen und Fliegen4) [werden durch die] Sohnesliebe5) in Wut versetzt [sein]6).

[4] [Der] Mundschenk7) [ist zu] verraten8) [sowie] der versuchte Becher9).

 

1) Lat. "cumba, cymba" (Nachen, Kahn) oder "cymbium" (Trinkschale), bzw. griech. "kymbe" (Topf, Becken).
2) Auch im nicht sakralen Sinn: "eingesalbt, bestrichen".
3) Oder auch denkbar: "[die des] GenŠhrten, [dessen] Gesicht mit Honig und Milch gesalbt [wurde]." Die Zeile erinnert an Jupiter (Zeus), der als Kleinkind auf Kreta von Amaltheas Milch und Melissas Honig genŠhrt worden ist. Amalthea ist im Mythos entweder eine Nymphe oder deren Ziege, Melissa (Melitta) eine Nymphe in Bienengestalt. Jupiter (bzw. dessen "Gesicht" oder Person, vgl. griech. "prosopon") wurde von den Nymphen allerdings gefŸttert und nicht gesalbt. Hier kšnnte vielleicht ein Wortspiel mit dem adjektivisch gebrauchten "oingt" vorliegen, nŠmlich der Austausch von "ernŠhrt" (fett gemacht) mit "eingesalbt" (fettig gemacht), vgl. auch lat. "pinguis" (fett, fettig).
          BRINDÕAMOUR, S. 130-132, und mit ihm CLƒBERT, S. 771-773, sehen in dieser "Salbung" und ErnŠhrung eine Art der Bestrafung gemeint, was meines Erachtens unzutreffend ist.
4) Mit den "Fliegen" kšnnten auch Bienen gemeint sein, fŸr die im Mittelfranzšsischen die Bezeichnung "mouches ˆ miel" ("Honigfliegen") existiert. Im Ÿbertragenen Sinn bezeichnete "mouche" aber auch einen Spion oder LŸgner, vgl. den Ausdruck "une fine mouche" (eine schlaue, hinterhŠltige Person). "Guespe" (Wespe) kann im Mittelfranzšsischen u. a. auch fŸr "Spštter" stehen. Somit lie§en sich die "Wespen und Fliegen" z. B. als "Spštter und LŸgner" deuten.
5) Falls Nostradamus mit "fitine amour" das VerhŠltnis zwischen Jupiter und Ganymed aus der vierten Zeile meint, hat er damit wahrscheinlich den Begriff "PŠderastie" (Knabenliebe) etwas ungewšhnlich wiedergegeben. "Fitine" dŸrfte er dabei vom griech. "phity" oder "phyton" (Spršssling, Sohn) abgeleitet haben, vgl. LE PELLETIER. Es ersetzt "pais" (Knabe, Sohn) im griech. Wort "paiderastia". BRINDÕAMOUR, S. 131, sieht hier "furtiue amour" (heimliche Liebe) gemeint, einen Ausdruck, den wir auch in 8/25/1 (5.295) finden. "Amour" kann im Mittelfranzšsischen zudem mŠnnlichen wie weiblichen Geschlechts sein (siehe die weiblichen Adjektiv-Endungen).
6) Oder auch: "angewidert, gestšrt [sein]". Die Peinigung (vgl. Anmerkung 3) unter Verwendung von Honig und Insekten (Wespen und Fliegen) hŠtte Nostradamus aus der Literatur kennen kšnnen, vgl. BRINDÕAMOUR, S. 131f., etwa aus der Legenda aurea des Jacobus de VORAGINE (Ÿber den heiligen Einsiedler Paulus) oder aus BOCACCIOs Decamerone 2,9.
7) Lat. "pocillator" (Mundschenk, "BechertrŠger"). In den beiden Ausgaben von 1557 steht hier der Singular, BRINDÕAMOUR, S. 131, verwendet den Plural. Einen Plural, den wir in den 1568er Ausgaben von Dresden, Paris und Gregorio finden. Falls in der zweiten Zeile von Jupiter die Rede sein sollte (vgl. Anmerkung 3), wŠre hier wohl der JŸngling Ganymed gemeint, der Mundschenk der Gštter und Geliebte Jupiters. Ganymed, ein trojanischer Kšnigssohn, wurde vom Gšttervater auf den Olymp entfŸhrt. Seine Gestalt soll im Sternbild des Wassermanns verewigt worden sein. Als Jupiter ihn entfŸhrte, hŸtete Ganymed gerade eine Herde Schafe, was ein mšglicher Hinweis auf die Hirtenfunktion "Ganymeds" bei Nostradamus sein kšnnte.
8) Auch: "fŠlschen, betrŸgen, beschŠdigen".
9) Lies: "scyphe" (vgl. 3/65/4) von lat. "scyphus" (Becher, Pokal), vgl. BRINDÕAMOUR, S. 131. Hier ist wohl der Messkelch gemeint.

Durch innerkirchliche Opposition gegen Papst "Ganymed" erleidet die "Jupiter"-Kirche eine Spaltung. Dadurch wird der neuheidnische Glaube als Ganzes gelŠhmt.

 

In der zweiten Zeile wird jemand erwŠhnt, der mit Milch genŠhrt und mit Honig fettig bzw. fett gemacht worden ist. Hier kšnnte Nostradamus an Gott Jupiter gedacht haben, der als Kleinkind mit Milch und Honig ernŠhrt wurde, vgl. Anmerkung 3.

 

Zeile vier spricht von einem Mundschenk. Mit Blick auf die antike Mythologie und die angenommene Jupiter-Spur in der zweiten Zeile wŠre hier wohl von Ganymed die Rede, dem Mundschenk der Gštter und Geliebten Jupiters, vgl. Anmerkung 7.

 

In dieses GefŸge passen wŸrde auch die "Sohnes-" bzw. "Knabenliebe" der dritten Zeile.

 

Ordnen wir diese Strophe dem "Jupiter"-Thema zu, ist sie wohl etwa folgenderma§en zu verstehen:

 

Jupiter bzw. die neuheidnische "Jupiter"-Religion wird handlungsunfŠhig sein. Ihr sind gemŠ§ Zeile eins HŠnde und FŸ§e gebunden. In der gleichen Zeile dŸrften wir wahrscheinlich auch erfahren, wodurch sie gelŠhmt ist - durch eine Kirchenspaltung.

 

Die Kirche wird bei Nostradamus šfters auch als Schiff oder Boot (Petri) bezeichnet. Und ein Schiff bzw. Boot bleibt das gleiche Wasserfahrzeug, auch wenn es unter einer anderen Flagge segelt - etwa unter der der neuheidnischen "Jupiter"-Religion. Hier haben wir allerdings nicht einen sondern zwei KŠhne vor uns, wobei der neopagane Glaube sich zwischen ihnen befindet (also eigentlich im Wasser oder bestenfalls in der Luft).

 

Meines Erachtens ist hier eine Spaltung der "Jupiter"-Kirche in zwei Teilkirchen ("KŠhne") gemeint, deren Streit die Macht der "Jupiter"-Religion lŠhmt. Da beide KŠhne wohl in verschiedene Richtungen fahren oder fahren wollen, kommt der "gefesselte" Jupiter zwischen ihnen nicht vom Fleck.

 

Die zweite HŠlfte der Strophe beschŠftigt sich wohl nŠher mit den HintergrŸnden dieser Kirchenspaltung.

 

In der dritten Zeile ist von "Wespen" und "Fliegen" die Rede, was auch als "Spštter" und "LŸgner" verstanden werden kann, vgl. Anmerkung 4. Sie werden durch die "Sohnesliebe", d. h. wohl "Ganymeds" privilegierte Beziehung zu Jupiter(-Ammon), in Wut versetzt.

 

Diese innerkirchlichen Feinde und Neider "Ganymeds" schaden aber dem neuheidnischen Glauben als Ganzem. Mšglicherweise hat Nostradamus deswegen Jupiter in der zweiten Zeile mit Honig beschmiert statt gefŸttert sein lassen, um anzudeuten, dass diese "Fliegen" und "Wespen" in ihrer Erregung Jupiter selber belŠstigen und stechen werden. So wie es Fliegen und Wespen in natura mit jemandem tun wŸrden, der derart beschmiert ist.

 

In der vierten Zeile wird erwŠhnt, wer bei diesem Zwist verraten wird. Zum einen der Mundschenk - Papst "Ganymed" (vgl. oben) - zum anderen der bereits zuvor in Versuchung gefŸhrte "Becher". Mit letzterem ist vermutlich die zum "Jupiter"-Kult Ÿbergelaufene Kirche gemeint, das GefŠ§ des neuen Bundes von Gott mit den Menschen (vgl. MatthŠus 26,27f.: "Dann nahm [Jesus] den Kelch, sprach das Dankgebet und reichte ihn den JŸngern mit den Worten: Trinkt alle daraus; das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das fŸr viele vergossen wird zur Vergebung der SŸnden." Siehe auch Markus 14,23f., Lukas 22,20 und 1. Korinther 11,25).

 

 

 

 

8/6

 

[1] ClartŽ fulgure1) ˆ Lyon apparante

[2] Luysant2), print Malte subit sera estainte,

[3] Sardon3), Mauris4) traitera6) decepuante5),

[4] Geneue ˆ Londes7) ˆ coq8) trahyson fainte.

 

[1] [Das] Licht des Blitzes1) [wird] in Lyon sichtbar [sein].

[2] [Der] Leuchtende2), [der] Malta genommen hat, wird plštzlich ausgelšscht [werden].

[3] "Sardon"3) [und] "[die] Mauren"4) wird [der] IrrefŸhrende5) misshandeln6).

[4] Genf [wird] in "Londes"7) dem Hahn8) vorgetŠuschten Verrat [vorspielen].

 

1) Vgl. auch lat. "fulgur" oder "fulgor" (u. a. Blitz). CLƒBERT, S. 845f. sieht hier allerdings einen Kometen gemeint. Blitze haben einen festen Platz in der Vorzeichenliteratur. Bei OBSEQUENS finden wir sie in den Kapiteln 1, 3, 5, 7, 11f., 14-17, 24f., 27, 28, 29, 31, 36-38, 41, 43f., 46, 47, 49f., 52-54, 56a f., 61, 63, 65a, (66), 68f. und 71. Bei Nostradamus werden sie wšrtlich in 1/26, 1/65, 2/51, 2/76, 3/6, 3/13, 3/44, 4/35, 4/43, 4/54, 4/99, 8/2, 8/6, 9/19 und 9/36 erwŠhnt. In der antiken Mythologie war der Blitz ein Attribut des Jupiter (Zeus). Im Mittelfranzšsischen bedeutet "fou(l)dre" neben "Blitz" zudem auch "Verurteilung". Bei diesem "Licht" des Blitzes hat Nostradamus wohl analog zu 5/93/3 an das griech. "phos" ("phaos") gedacht, das sowohl "Licht, Glanz, Helle" als auch "Mensch, Mann, Held" bedeuten kann. Hier ist also wahrscheinlich von einem bedeutenden Exponenten der "Jupiter"-Religion die Rede.
2) Lies: "Luysante", da hier das im Original weibliche "Licht des Blitzes" gemeint ist.
3) Unklar. "Sardon" kšnnte auf das lat. "sardonius" (sardinisch) zurŸckgehen und die Mittelmeerinsel Sardinien meinen. Sardon ist allerdings auch eine Ortschaft in Zentralfrankreich, etwa 23 km nordšstlich von Clermont-Ferrand. Die Sardones (Sordones) waren ein gallisches Volk an der heutigen franzšsisch-spanischen Grenze mit der Hauptstadt Ch‰teau-Roussillon. In 10/6/1 (5.45) ist "Sardon" jedoch ein falsch gedrucktes "Gardon" (Gard, der Fluss bei N”mes).
4) Unklar. "Mauris" dŸrfte wohl auf "maures" (die Mauren) zurŸckgehen. Allerdings mŸssen hier nicht zwingend Nordwestafrikaner (vgl. 3/95/1, Anmerkung 1) gemeint sein. Im franzšsischen Sprachraum gibt es eine Reihe von Ortsnamen, die die "maures" oder den heiligen "Maurice" (Mauritius) beinhalten. Es gibt Dutzende von Saint-Maurice, darunter u. a. das schweizerische Saint-Maurice an der Rhone, vgl. 7/22 (5.248) und 10/38 (5.46). Maurs liegt im sŸdwestlichen Zentralfrankreich, etwa 31 km sŸdwestlich von Aurillac. In der Provence liegt zwischen Hyres und FrŽjus das Massif des Maures, das Maurenmassiv.
5) Sofern es statt "traitera" nicht "traiteront" hei§en sollte, ist wohl der "IrrefŸhrende" das Subjekt der Zeile. Mit der im Original weiblichen "IrrefŸhrenden" dŸrfte dabei das "Licht des Blitzes" aus der ersten Zeile gemeint sein, vgl. auch Anmerkung 2. Versteht man "decepuante" adverbial (manire decepuante), kšnnte von "Sardon" und "den Mauren" einer den anderen in betrŸgerischer bzw. irrefŸhrender Absicht misshandeln oder beherbergen, vgl. Anmerkung 6.
6) Das mittelfranzšsische "traiter" bedeutet u. a. "behandeln, umgehen mit; gegen jemanden vorgehen, jemanden misshandeln; jemanden ernŠhren, behebergen".
7) Unklar. "Londres" (London)? Die britische Hauptstadt taucht auch in 1/26/4 und indirekt in 5/93 auf. In Frankreich gŠbe es allerdings noch die Landes, eine Region an der sŸdwestfranzšsischen AtlantikkŸste. In der Normandie gibt es eine ganze Reihe Ortschaften und …rtlichkeiten mit dem Namen "La Londe". In der Provence finden wir ein La Londe-des-Maures wenige Kilometer šstlich von Hyres, vgl. Anmerkung 4.
8)
Mit dem "Hahn" dŸrfte Frankreich oder ein franzšsischer Machthaber gemeint sein, vgl. lat. "gallus" ("Hahn" und "Gallier"). Der "Hahn" taucht auch in 1/31 (5.159), 1/93 (5.159), 2/42 (5.129), 3/52 (5.34), (4/4 (5.47)), 5/14 (5.47), 5/68 (5.169), 6/28 (5.103), 6/54, 8/4 (5.190), 8/5, 8/9 (5.16), 8/46 (5.159) und 8/61 (5.211) auf. GemŠ§ 8/5 wird der "Hahn" im Sarg liegen, was eher auf eine Person denn ein Land hindeutet.

Ein bedeutender Exponent der "Jupiter"-Religion ("Ganymed"?) wird in Lyon erscheinen. Nachdem er Malta erobert hat, wird er "ausgelšscht" werden. Dieser "Jupiter"-Exponent kšnnte zuvor noch die Region bei N”mes und Teile der Provence heimsuchen. Genf wird dem franzšsischen "Hahn" Verrat vorspielen.

 

Die ErwŠhnung des Blitzes in der ersten Zeile dŸrfte diesen Vierzeiler dem "Jupiter"-Thema zuordnen. Konkret erfahren wir hier, dass ein "Licht", d. h. wohl ein bedeutender Exponent dieser Religion (vgl. Anmerkung 1), in Lyon erscheinen wird.

 

In der zweiten Zeile erfahren wir, dass dieses "Blitzlicht", das offenbar Malta erobern wird, dann plštzlich "erlischt". Das dŸrfte wohl bedeuten, dass diese Person entweder stirbt oder zumindest von der Macht entfernt werden wird.

 

Doch wer kšnnte mit diesem "Licht" bzw. dem "Leuchtenden" gemeint sein?

 

Der ršmische Kaiser Claudius wurde in Lyon geboren, so dass hier der neue "Claudius" als Kandidat in Frage kommt (vgl. 2/76). Doch stellt sich die Frage, wie der Statthalter der "Jupiter"-Kirche im Burgund Malta erobern sollte.

 

Sollte das "Licht" der "Jupiter"-Kirche Papst "Ganymed" selber sein? In diesem Fall wŸrde sich die Frage stellen, warum er in Lyon statt in Rom ist und warum er plštzlich "ausgelšscht" wird. Eine mšgliche ErklŠrung wŠre, dass er wegen des Schismas (1/26, 6/89, 1/57) nach Frankreich ausweichen muss, dort aber trotzdem seinen Feinden zum Opfer fŠllt. Und das, nachdem er auf Malta noch einen Erfolg hat erringen kšnnen.

 

Unklar ist im Augenblick die zweite HŠlfte der Strophe. V. a. deshalb, weil zur Zeit noch keine definitive †bersetzung mšglich ist, vgl. die Anmerkungen 3, 4 und 7. Es kšnnte z. B. so sein, dass "Ganymed" (der oberste Irrlehrer - bzw. "IrrefŸhrende" - der "Jupiter"-Religion, vgl. dazu 1/57/1) vor seinem Ende gemŠ§ Zeile drei die Gard-Region um N”mes sowie das Gebiet des Maurenmassivs in der Provence heimsuchen ("misshandeln") wird, vgl. dazu die Anmerkungen 3 und 4.

 

In der vierten Zeile hŠngt einiges davon ab, was mit "Londes" gemeint ist. VerhŠltnismŠ§ig klar scheint nur zu sein, dass Genf dem franzšsischen "Hahn" falschen Verrat vorspielen wird. Vielleicht in der Ortschaft La Londe-des-Maures in der NŠhe des Maurenmassivs? Alles Weitere ist unklar. LŠuft Genf zum Schein zum "Hahn" Ÿber? Und falls ja, wem gilt seine Treue wirklich? "Ganymed", der vielleicht das Gebiet des Maurenmassivs heimsuchen wird, vgl. oben? Findet in "Londes" eine Schlacht oder eine Verhandlung statt?

 

 

1/57  

 

[1] Par grand discord la trombe1) tremblera.

[2] Accord rompu2) dressant la teste au ciel:

[3] Bouche3) sanglante dans le sang nagera:4)

[4] Au sol sa face ointe de laict & miel.

 

[1] Durch [die] gro§e Zwietracht wird der Betrug1) erzittern.

[2] [Die] Eintracht [ist] zerstšrt,2) [man] erhebt den Kopf zum Himmel.

[3] [Der] blutige Mund3) wird im Blut schwimmen.4)

[4] Am Boden [wird] sein mit Milch und Honig gesalbtes Gesicht [liegen].

 

1) Lies: "trompe". Das mittelfranzšsische "trompe" bezeichnet entweder eine Posaune bzw. Trompete oder es bedeutet "BetrŸgerei, Betrug, TŠuschung". Mšglich wŠre auch die Herleitung vom italienischen "tromba" (Wind-, Wasserhose).
2) Oder: "[Das] Abkommen [ist] gebrochen".
3) Das mittelfranzšsische "bouche" hei§t zudem auch "Diener". Mit Blick auf die vierte Zeile kšnnte Nostradamus aber eher an das lat. "os" bzw. griech. "stoma" gedacht haben, die neben "Mund" auch "Gesicht" bedeuten.
4) BRINDÕAMOUR, S. 128-130, hat die Textvorlage gefunden, nach der Nostradamus die ersten drei Zeilen formuliert haben dŸrfte. Es handelt sich dabei um eine Stelle im Satiricon des PETRONIUS (124,271-277), die bei CRINITUS 13,2 widergegeben ist:

Intremuere tubae, ac scisso Discordiaa) crine
Extulit ad superos stygium caput, huius in ore
Concretus sanguis, contusaque lumina flebant,
Stabant irati [lies: aerati]b) scabra rubigine dentes,
Tabo lingua fluens, obsessa draconibusc) orad),
Atque inter toto laceratam pectore vestem
Sanguinea[m]e) tremulam [-a]f) quatiebat lampada[m]g) dextra.


(Die Trompeten erbebten und die Zwietrachta) erhob ihr unheilvolles

     Haupt mit dem zerzausten Haar

hoch bis zu den Gšttern. Ihr Haupt mit dem

geronnenen Blut im Mund. Und ihre gebrochenen Augen weinten.

Ihre zornigen [lies: ehernen]b) rostig-schmutzigen ZŠhne ragten empor.

Vor Gift triefte die Zunge, von Schlangenc) war das Antlitzd) umgeben.

Und von ganzem Herzen und in zerrissenem, blutgetrŠnkteme) Kleid schwenkte sie mit ihrer Rechten die flackerndef) Fackelg).

a) Hier ist Discordia, die Gšttin der Zwietracht gemeint (griech. Eris), die als hŠssliche kleine Frau dargestellt wird. Die fŸnfte Zeile erinnert allerdings eher an eine der Gorgonen.
b) Zur Korrektur vgl. BRINDÔAMOUR, S. 130, und PETRONIUS 124.
c) Oder: "Drachen".
d) Oder: "Augen, Gestalt".
e) Zur Korrektur vgl. BRINDÔAMOUR, S. 130, und PETRONIUS 124. †bersetzt wurde hier die korrigierte Version in [ ]. Bei CRINITUS hie§e es "blutige Rechte" statt "blutgetrŠnktem Kleid".
f) Ebd. †bersetzt wurde hier allerdings die Version des CRINITUS (ohne [ ]). Ansonsten hŠtten wir statt einer "flackernden Fackel" eine "zitternde Rechte" vor uns.
g) Oder einfach: "Leuchte". Die Akkusativ-Endung in [ ] fehlt in beiden Versionen.)

Die Stelle gehšrt zu einem Abschnitt, der sich mit dem BŸrgerkrieg zwischen Julius CŠsar und Pompeius beschŠftigt.

Das Ende der "Jupiter"-Religion. Erst kommt es in dieser Religionsgemeinschaft zu einer gro§en Spaltung, dann wird Jupiter in einem Blutbad vom Sockel gestŸrzt und liegt am Boden.

 

Die Einstiegsstelle fŸr das VerstŠndnis dieser Strophe findet sich wohl in der vierten Zeile. Dort lesen wir von einem "mit Milch und Honig gesalbtem Gesicht", was eine Verbindung zu 6/89/2 sein dŸrfte. Dort wird jemand erwŠhnt, dessen Gesicht "mit Honig gesalbt" und der "mit Milch genŠhrt" worden ist.

 

Falls wie angenommen in 6/89/2 von Jupiter die Rede ist, dŸrfte 1/57/4 so zu verstehen sein, dass die neuheidnische "Jupiter"-Religion in einer existenziellen Krise steckt, d. h. "am Boden" liegt.

 

In 4/29 erfahren wir, dass es der Franzose "Merkur" sein wird, der dem "Jupiter"-Kult den Garaus macht. Seine Aufgabe scheint aber dadurch erleichtert zu werden, dass er auf eine Religionsgemeinschaft treffen wird, die bereits von innen her geschwŠcht oder sogar gelŠhmt ist (vgl. 6/89).

 

Die ersten drei Zeilen von 1/57 mŸssten sich mit dem internen Konflikt in der "Jupiter"-Religion beschŠftigen.

 

Durch die Spaltung ("die gro§e Zwietracht") in der "Jupiter"-Kirche wird der "Betrug" ins Wanken geraten (erste Zeile). Mit diesem "Betrug" wŠre somit der neopagane "Jupiter"-Kult gemeint, den unser Seher offensichtlich fŸr eine TŠuschung bzw. IrrefŸhrung der Menschen hŠlt (zur Gleichsetzung von Heidentum und Betrug vgl. etwa AUGUSTINUS, De civitate dei, 4,32).

 

Die zerstšrte Eintracht der zweiten Zeile meint wohl wieder die Spaltung in der "Jupiter"-Kirche. Es ist Zwietracht aufgekommen, Gšttin Discordia hat ihr Haupt bis in den Himmel (zu den Gšttern) erhoben, vgl. Anmerkung 4.

 

In der dritten und vierten Zeile ist von einem blutigen Gesicht (bzw. Mund) die Rede, das erst in Blut schwimmen und dann am Boden liegen wird. †ber dieses "Gesicht" bzw. diese Person (vgl. griech. "prosopon") erfahren wir, dass es mit Milch und Honig gesalbt wurde - damit ist wohl Jupiter gemeint (vgl. oben und 6/89/2).

 

Der Hinweis, dass dieses Gesicht (bzw. dieser Mund) blutig ist, bezieht sich wohl darauf, dass der "Jupiter"-Kult selber Blut vergie§en wird. Auch durchaus in kultisch-religišsem Zusammenhang, vgl. die Menschenopfer in 9/74, 2/98 und 9/46.

 

In 1/57/4 ist das Ende der "Jupiter"-Religion beschrieben. Jupiter oder sein Kopf (Gesicht) liegt am Boden. Sein Untergang wird allerdings in einem Meer von Blut erfolgen, wie der dritten Zeile zu entnehmen ist. Konkret kšnnte dieses Blutbad aus der inneren Spaltung in dieser Glaubensgemeinschaft oder durch das militŠrische Vorgehen "Merkurs" entstehen.

 

 

 

 

 

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