5.89  Ein alter Herzog wird gestürzt und hingerichtet. Sein Sohn erleidet kurz darauf das gleiche Schicksal. Unter dem neuen Machthaber können die Flüchtlinge und Verbannten zurückkehren.
 

Zurück / Zurück zur Startseite
 

Zusammenfassung


4/53: In einem Land scheint das Regime zu wechseln und Flüchtlinge und Verbannte werden von den neuen Machthabern zurückgerufen. Die Zeilen zwei bis vier beschreiben den Machtwechsel. Ein "grausamer Vater" und dessen Angehörige werden getötet (erstickt). Der Sohn des "grausamen Vaters", der noch schlimmer als sein Erzeuger ist, wird ebenfalls getötet (in einem Brunnen ertränkt). In der zweiten Zeile scheinen die neuen Machthaber beschrieben zu werden. Es handelt sich dabei um "die Väter" und einen "großen Sohn", die die "hohen Brunnen" besetzen.  Mit den "hohen Brunnen" könnte vielleicht der Name des Landes umschrieben sein, von dem hier die Rede ist. Der "große Sohn" ist möglicherweise der Thronanwärter einer konkurrierenden Dynastie und die "Väter" die sonstigen Adligen dieses Staates (vgl. lat. "patres", "patricii").

10/15: In der ersten Zeile treffen wir wieder auf den "grausamen Vater" aus 4/53. Wir erfahren hier, dass es sich um einen alten Herzog handelt, der unter "Durst" leidet. Am letzten Tag seines Lebens verweigert ihm sein Sohn und Nachfolger den Wasserkrug. D.h. wohl, der Sohn wendet sich gegen seinen eigenen Vater. Doch wieso? Versucht der Sohn vielleicht, sich auf die Seite derer zu stellen, die seinen Vater bekämpfen, um so seine eigene Haut zu retten? Falls ja, gelingt ihm das aber nicht. In Übereinstimmung mit der vierten Zeile von 4/53 lesen wir in der dritten Zeile von 10/15 nämlich, dass der Sohn (das noch lebende Oberhaupt der Dynastie) in einem "Brunnen" ertränkt werden wird. In 4/53 beschreibt Nostradamus den Sohn als "noch schlimmer" als den Vater. Das könnte sich vielleicht auf den Verrat aus der zweiten Zeile beziehen, mit dem sich der Sohn als noch niederträchtigerer Charakter erweist. Die letzte Zeile beschreibt, wie der "Senat" durch die Klinge einen langen aber leichten Tod erleiden wird. Mit dem "Senat" ist wohl eine Ratsversammlung gemeint, die auf der Seite des getöteten alten Herzogs gestanden hat. Der "lange Tod" könnte bedeuten, dass sämtliche Ratsmitglieder nacheinander hingerichtet werden, was verständlicherweise eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen würde. Und der "leichte Tod" durch die Klinge? Das könnte womöglich heißen, dass die Senatoren enthauptet werden. Eine Hinrichtungsmethode, die in den Augen des Arztes Nostradamus vielleicht als verhältnismäßig human erschienen ist, wenn man an andere Exekutionsarten früherer Zeiten denkt (Rädern, Verbrennen, Vierteilen usw.).

Quellen
 

4/53
 
Les fuitifs & bannis reuoqués:
Die Flüchtlinge und Verbannten [werden] zurückgerufen.
Peres & filz grand garnisent les hauts puids1):
[Die] Väter und [der] große Sohn besetzen die hohen Brunnen1).
Le cruel pere & les siens suffoqués:
Der grausame Vater und die Seinen [werden] erstickt.
Son filz plus pire submergé dans le puis2).
Sein Sohn, [der] viel schlimmer [ist, wird] im Brunnen2) unter Wasser gesetzt.
1) Vgl. Anmerkung 2).
2) Mit Blick auf das lat. "puteus" (Brunnen) vielleicht auch im Sinn von "Grube" oder "Verlies".
 

10/15
 
Pere duc1) vieux dans2) & de soif3) chargé,
[Der] Vater, [der] Herzog1) [ist] alt an Jahren2) und vom Durst3) belastet.
Au iour extreme filz desniant les guiere4)
Am letzten Tag verweigert [der] Sohn den Wasserkrug4).
Dedans le puis5) vif mort viendra plongé,
[Der] Lebende [ist] im Brunnen5). [Der] Tod wird [zum] Untergetauchten kommen.
Senat6) au fil7) la mort longue & legiere.
[Der] Senat6) [erleidet] mit der Klinge7) den langen und leichten Tod.
1) Oder: "[des] Herzogs". Man könnte "duc" aber auch auf das lat. "dux" (Feldherr) zurückführen.
2) Lies: "d’ans".
3) Das mittelfranzösische "soif" bedeutet neben "Durst" u.a. aber auch "Grenzbefestigung, Palisade, Gehege".
4) LE PELLETIER sieht hier "l’esguiere" gemeint (provenzalisch für "Flucht"). Aufgrund des Kontextes ist hier aber wohl eher "l’aiguière" (Wasserkrug) zu lesen.
5) Vgl. 4/53, Anmerkung 2).
6) "Senat" bezeichnet eine Ratsversammlung im weitesten Sinne.
7) Unklare Stelle. "Au fil" wurde zu "au fil de l’espee" (mit der Schwertklinge) ergänzt. Eine andere Interpretation wäre aber genauso möglich. Z.B., dass hier nicht "fil" sondern "fils" (Sohn) gemeint ist. Dann würde der Senat den Sohn einen langen aber leichten Tod sterben lassen, sofern das kein Widerspruch in sich ist.
 

Zurück / Zurück zur Startseite