5.93  Ein "Fehlerhafter" gelangt in eine hohe Machtposition.
 

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Zusammenfassung
 
 
9/50: Ein Mann, den Nostradamus den "Fehlerhaften" nennt, wird Kräfte aus Lothringen zurückdrängen und bald eine hohe Machtposition einnehmen. Aufgrund des französischen Kontextes könnte es sich dabei um einen Herrscher Frankreichs handeln. In der dritten Zeile ist von einem Interregnum die Rede. Doch welcher Thron ist vakant? Jener, den der "Fehlerhafte" besteigen wird? Wir erfahren nur, dass ein "bleicher Roter" sich während dieses Interregnums als "männlich" (stark, tapfer usw.) erweisen wird. Als "Rote" bezeichnet Nostradamus für gewöhnlich Kardinäle. In welcher Position könnte sich aber ein Kardinal derart auszeichnen? Ist vielleicht der Stuhl Petri leer und die Kirche wird bis zur Neuwahl eines Papstes von diesem Kardinal tapfer geführt und verteidigt? Oder führt der Kardinal die Amtsgeschäfte eines Staates, bis ein neuer Herrscher den Thron bestiegen hat? Und wieso bezeichnet Nostradamus ihn als "bleich"? Ist er bleich vor Angst? Dazu passt allerdings nicht, dass er im gleichen Atemzug als "männlich" beschrieben wird. Falls Nostradamus wieder an ein historisches Vorbild gedacht hat, käme dafür etwa der römische Kaiser Constantius Chlorus in Frage (das griechische "chloros" bedeutet u.a. "blass, bleich").  Gaius Flavius Valerius Constantius I. Chlorus wurde 250 in Illyrien geboren. Er war zunächst ein Feldherr, der die Franken und Alamannen erfolgreich bekämpfte und Britannien für das römische Reich zurückeroberte. Chlorus war ab 305 Kaiser des weströmischen Reiches, bis er 306 in York starb. Chlorus war zudem der Vater Konstantins des Großen. Man kann zur Zeit nur spekulieren, was dieser Kardinal mit Constantius Chlorus gemeinsam haben könnte. Stammt er vielleicht auch aus dem westlichen Balkan (Illyrien)? Gewinnt er England für die Kirche zurück? In der letzten Zeile ist davon die Rede, dass die Fastenzeit (Aschermittwoch bis Karsamstag) "barbarische" Furcht und Schrecken bringen wird. Mit den "Barbaren" sind bei Nostradamus für gewöhnlich Kräfte aus dem nordafrikanisch-orientalischen Raum gemeint. Bringen sie der Kirche Furcht und Schrecken?

9/45: In diesem Vierzeiler wird die Machtergreifung des "Fehlerhaften" beschrieben. In der ersten Zeile sagt Nostradamus, dass niemand mehr da sein wird, der die "Sache" hinterfragen wird können. Ist damit vielleicht gemeint, dass der "Fehlerhafte" alle möglichen Kritiker bei oder nach seinem Machtantritt beseitigen wird? Und was genau sollten diese Kritiker hinterfragen? Geht es vielleicht um die Legitimation des "Fehlerhaften"? Ich könnte mir z.B. vorstellen, dass der "Fehlerhafte" keinen lupenreinen Stammbaum aufweisen kann und deshalb kein Anrecht auf den Thron hat. Während er weit von seinem Hof entfernt ist - er könnte sich beispielsweise auf einem Feldzug befinden - zwingt er Piemont, die Picardie und Paris zu widerrufen. Doch was sollen diese widerrufen? Hat man in diesen Regionen zuvor vielleicht einem Rivalen des "Fehlerhaften" Treue geschworen? Der Toskana wird der "Fehlerhafte" das Schlimmste antun. Befindet er sich vielleicht auf einem Kriegszug gegen diese Region? Das könnte jedenfalls erklären, weshalb er weit von seinem Hof entfernt ist (vgl. oben).

Quellen
 

9/50
 
Mandosus1) tost viendra à son hault regne2),
[Der] Fehlerhafte1) wird bald in seine hohe Machtposition2) gelangen,
Mettant arriere vn peu les Norlaris3):
[währenddem er] die Lothringer3) ein wenig zurückdrängt.
Le rouge blaisme,4) le masle à l’interregne5),
Der bleiche Rote4) [ist] der Männliche des Interregnums5).
Le ieune6) crainte & frayeur Barbaris.
Die Fastenzeit6) [bringt] barbarische Furcht und Schrecken.
1) Lies lat. "mendosus" (fehlerhaft, oft Fehler machend).
2) Oder: "Herrschaft".
3) "Norlaris" gilt allgemein als Anagramm für "Lorrains" (Lothringer).
4) Oder auch: "Der rote Bleiche".
5) Das ist die Zeit nach dem Tod oder dem Ausscheiden des rechtmäßigen Herrschers bis zum Amtstantritt seines Nachfolgers.
6) "Ieune" könnte natürlich auch "jung, junger Mann" bedeuten.
 

9/45
 
Ne sera soul iamais de demander,
Nicht [ein] einziger wird [mehr] da sein, um [die Sache] jemals zu hinterfragen.
Grand Mendosus obtiendra son empire1)
[Der] große Fehlerhafte wird seine Herrschaft1) erlangen.
Loing de la cour fera contremander,
Fern vom Hof wir [er Folgende] zum Widerrufen zwingen:
Pymond2), Picard3), Paris, Tyrron4) le pire.
Piemont2), [die] Picardie3) [und] Paris. Tyrrhenia4) [tut er] das Schlimmste [an].
1) Oder auch "Reich" u.a.
2) Region in Norditalien mit der Hauptstadt Turin.
3) Region in Nordfrankreich um Amiens und Saint-Quentin.
4) "Tyrron" geht wahrscheinlich auf das lat. "Tyrrhenia" (Etrurien, Toskana) zurück ("Tyrren"). Möglich wäre aber beispielsweise auch, dass "Tyros" (das heutige Sur an der südlibanesischen Küste) dahintersteckt.

 

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