5.100  Der Iran greift Ägypten und die Türkei an und wird bis nach Makedonien marschieren. Die mit ihm verbündeten Nordafrikaner aus Tunis und Algier stoßen in die Adria vor. In Frankreich wird Bürgerkrieg herrschen. Die Nordafrikaner stehen auf Sizilien. Der Iran wird auch im westlichen Mittelmeer aktiv und erobert Korsika. Die drei islamischen Mächte überziehen das nordwestliche Italien ebenfalls mit Krieg. Der große "Endymion", der sich zuvor von den Muslimen einlullen lässt, erwacht nun und unterwirft die Nordafrikaner. In Rom werden die drei islamischen Verbündeten plötzlich selber angegriffen und überwältigt werden. Eine westliche Flotte segelt von Südfrankreich ins östliche Mittelmeer, macht aber in einem ionischen Hafen eine lange Pause. Der mit dem schwarzen, gekrausten Haar wird nach der Macht streben, aber von "Nero" besiegt werden.
 

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5/25 - 2/86 - 5/27 - 5/86 - 2/96 - 1/73 - 3/78 - 3/90 - 1/18 - 2/73 - 5/69 - 10/78 - 3/64 - 1/74 - 4/23

5/25  

Le prince Arabe Mars, Sol, Venus, Lyon,1)

Regne2) d’Eglise par3) mer succombera4):

Deuers5) la Perse bien pres d’vn million6),

Bisance, Egypte, ver. serp7) inuadera.

 

Der arabischen Fürst - Mars, Sonne [und] Venus [werden dann im] Löwen [stehen]1) -

wird [das] Land2) der Kirche auf dem3) Meer besiegen4).

Bei5) Persien [steht] fast eine Million6),

[die in] Byzanz [und] Ägypten [mit] Kanonen7) einfallen wird.

1) Hier scheint eine spezielle Konstellation von Mars, Sonne und Venus im Sternbild oder in der Zeit des Tierkreiszeichens Löwe gemeint zu sein. Eine ähnliche Konstellation finden wir in 4/84/4. Verstehen wir die Stelle weniger astrologisch-astronomisch sondern symbolisch, so stände die Sonne für das Christentum, die Venus für den Islam und der Mars für Krieg. Ein Krieg zwischen den beiden Weltreligionen in der Zeit des Löwen (nach mittelalterlicher Auffassung vom 18. Juli bis 17. August). Dass mit "Lyon" die Stadt gemeint ist, ist wohl eher zweifelhaft.
2) Oder auch: "Herrschaft".
3) Oder auch: "via Meer".
4) Das Subjekt der ersten beiden Zeile ist der arabische Fürst. Das konjugierte Verb das "succombera" der zweiten Zeile. Anders als heute weist "succomber" im Mittelfranzösischen nicht nur die intransitive Bedeutung "unterliegen, besiegt werden" auf sondern auch die transitive von "besiegen, zerstören" usw.
5) Im Sinne von "in der Nähe von" wie auch "auf der Seite von".
6) Nostradamus meint hier wahrscheinlich einfach eine Kriegsmacht von ungeheurer Größe. Eine Armee von einer Million Mann Stärke wäre im Europa des 16. Jahrhunderts nahezu unvorstellbar gewesen.
7) Die Abkürzungen "ver." und "serp" lassen sich im Augenblick nicht eindeutig auflösen. Nostradamus könnte z. B. "verats" und "serpentins" meinen, zwei Kanonentypen seiner Zeit, von denen der erste zwölfpfündige Geschosse abfeuerte und der zweite ein verlängertes Rohr besaß. LE PELLETIER sieht hier "verra, serpentera", womit die Zeile etwa folgendermaßen übersetzt werden könnte: "[die] Byzanz [und] Ägypten sehen[, dort sich] hineinschlängeln [und] einfallen wird". Eine lateinische Lösung bietet LEONI an: "vera serpens" (die wahre Schlange). In diesem Fall wäre damit wohl der Teufel gemeint und der Vierzeiler gehörte wahrscheinlich zur Apokalypse (zur Gleichsetzung Schlange - Teufel vgl. die Offenbarung des Johannes 12, 9 und 20, 2). CLÉBERT, S. 599, sieht "vermine" (Ungeziefer) und "serpents" (Schlangen) und mit Blick auf Ägypten die biblischen Plagen gemeint. Sollte dies zutreffen, wäre "serp." aber wohl etwas passender mit "serpigo" oder "serpigine" (Hautflechte) aufzulösen. Gemäß Buch Exodus (Kapitel 7-11) wurde Ägypten mit "Ungeziefer" und "Geschwüren" an Mensch und Tier heimgesucht. Nostradamus hätte in diesem Fall die biblischen "Geschwüre" dem Bereich der Pilzinfektionen zugerechnet.

Ein arabischer Fürst (aus dem Maghreb?) wird Italien oder die Kirche zur See besiegen. Beim Iran stehen fast eine Million Mann, um nach Istanbul und Ägypten vorzustoßen.

In der dritten und vierten Zeile erfahren wir, dass in der Nähe des Iran - vielleicht in Mesopotamien (Irak)? - eine ungeheuer große Streitmacht stehen wird, um nach Westen vorzustoßen. Sie wird in Istanbul und Ägypten einfallen. Ob es sich dabei um (ausschließlich) iranische Streitkräfte handelt, erfahren wir nicht. Allerdings passt das Szenario zu 5/86, wo der Iran (der iranische Anführer) Istanbul stark bedrängt und zu 2/96, wo die Perser die Stadt am Bosporus wahrscheinlich schon erobert haben dürften.

In 2/86 ist ebenfalls von Ägypten die Rede, das vor der wachsenden muslimischen Macht zittert. In 5/27, das vom iranischen Vorstoß in Kleinasien berichtet, spricht Nostradamus interessanterweise auch vom zitternden Pharos, womit vielleicht beide Zuordnungen (Hvar und Pharos bei Alexandria) gemeint sein könnten.

Den ersten beiden Zeilen von 5/25 ist zu entnehmen, dass ein arabischer Fürst das Land der Kirche auf dem Meer besiegen wird. Zur Zeit des Nostradamus gab es den Kirchenstaat, der Rom und wesentliche Teile Mittelitaliens umfasste. Ob unser Seher hier einen neuen Kirchenstaat oder vielleicht Italien als Ganzes meint, muss vorerst offen bleiben. Von drei muslimischen Mächten in Rom spricht wohl 10/78.

Mit dem "arabischen Fürsten" ist hier möglicherweise ein arabischer Potentat aus dem Maghreb gemeint, der analog zu Chaireddin Barbarossa Algerien und Tunesien beherrschen wird, vgl. den Kommentar zu 2/86 sowie 1/73/2. Bedeutende arabische Machthaber tauchen bei Nostradamus allerdings auch in 5.16 ("großer Araber"), 5.37 ("Emathion") und 5.47 (nordafrikanischer Fürst) auf.












 

2/86  

Naufraige1) a classe2) pres d’onde Hadriatique:

La terre esmeuë sus3) l’air en terre mis:4)

Egypte tremble augment Mahommetique

L’Herault5) soy rendre à crier6) est commis.7)

 

Schiffbruch1) einer Flotte2) nahe der adriatischen Welle[n].

Die Erde [wird] bewegt über3) der Luft, [die] in die Erde gebracht [ist].4)

Ägypten zittert, [ein] Anwachsen [der] mohammedanischen [Macht ist festzustellen].

Der Herold5) ist beauftragt, die Botschaft zu vermitteln6) sich zu ergeben.7)

1) Das lat. "naufragium" (Schiffbruch) bedeutet im übertragenen Sinne auch einfach "Niederlage, Zusammenbruch, Ruin".
2) Lat. "classis" (Flotte, Heer).
3) Oder u. a. auch "bei, in der Nähe von".
4) Diese Zeile erinnert an die Auswirkungen moderner Kriegstechnologie, bei der etwa Bomben und Raketen einschlagen und so die Erde erschüttern bzw. aufwerfen. Folgen, die bereits zur Zeit des Nostradamus bei Artilleriebeschuss in kleinerem Rahmen beobachtet werden konnten. Wahrscheinlich beschreibt unser Seher hier aber nur ein Erdbeben. Denn einer seit der Antike existierenden Theorie zufolge wurden Erdbeben durch in der Erde eingeschlossene Luft verursacht, die zu entweichen versucht (vgl. CLÉBERT, S. 325).
5) Ein Herold war ein Gesandter in offizieller Mission, ein Vorläufer des heutigen Diplomaten.
6) Neben "schreien" bedeutet das mittelfranzösische "crier" u. a. "verkünden, eine Botschaft vermitteln".
7) Wahrscheinlich haben BRIND’AMOUR, S. 317f., und CLÉBERT, S. 324f., recht, wenn sie das "soy rendre" nicht dem Herold sondern den Adressaten der Botschaft zuordnen. Ansonsten ließe sich die Zeile auch etwa folgendermaßen verstehen: "Der Herold ist beauftragt, sich dem Verkünden zu widmen".

Eine Flotte, die sich den Arabern entgegenstellt, geht unweit der Adria unter. Ein Erdbeben erscheint als Vorzeichen. Ägypten wird vom Iran bedroht und zur Übergabe aufgefordert werden.

In der ersten Zeile ist vom Schiffbruch oder der Niederlage einer Flotte in der Nähe der Adria die Rede. Die Formulierung "adriatische Welle[n]" erinnert dabei an 5/27/4, wo ebenfalls von den "Welle[n] der Adria" gesprochen wird. In 5/27 wird arabisches "Blut" die Adria bedecken, d. h. die Araber werden in dieses Meer vorstoßen. Somit müsste die Flotte aus 2/86, die in der Nähe der Adria untergeht, eine besiegte Seestreitmacht sein, die vergeblich versucht, die Araber aufzuhalten.

Es gibt eine historische Parallele, auf die PRÉVOST, S. 143, hinweist: die Seeschlacht von Preveza 1538 im Ionischen Meer (in der Nähe der Adria). Dort besiegten die muslimischen Osmanen eine christliche Flotte. Kommandiert wurden die Türken von Chaireddin Barbarossa, der u. a. Herrscher von bzw. osmanischer Statthalter in Algerien war und 1534/35 auch Tunis besetzt hielt.

Die Araber würden somit bei Nostradamus auf den Spuren der Osmanen wandeln, ihre Gegner in der Nähe der Adria besiegen und daraufhin weiter in die Adria vorstoßen.
Bei den Arabern dürfte es sich um Nordwestafrikaner aus Algerien und Tunesien handeln, die gemäß 1/73/2 von den Iranern zum Krieg angestachelt werden.

In der zweiten Zeile von 2/86 ist von einem Erdbeben die Rede. Das kann wieder als Vorzeichen verstanden werden. In OBSEQUENS’ Prodigiensammlung finden wir mehrere Stellen, auf die sich Nostradamus bezogen haben könnte. In Kapitel 53 (92 v. Chr.) lesen wir von den illyrischen Maedern, die Makedonien blutrünstig verwüsten, und gleichzeitig von einem Dröhnen der Erde in Faesulae. Dieselben Maeder werden wieder in Kapitel 59 erwähnt (76 v. Chr.), wo auch von einem Erdbeben in Reate gesprochen wird. In Kapitel 71 (17 v. Chr.) ist von einem großen Beben am Fuße des Appennin die Rede.

Interessant ist Kapitel 68 (44 v. Chr.). Hier lesen wir von zahlreichen Erdbeben aber auch vom Beginn der Bürgerkriege zwischen Octavian und Marcus Antonius, dem späteren Verbündeten und Geliebten der ägyptischen Königin Kleopatra. Das Resultat dieser Auseinandersetzung war Niederlage und Selbstmord von Kleopatra und Antonius sowie die Eingliederung Ägyptens als Provinz in das Römische Reich.

In 2/86/3 ist ebenfalls von Ägypten die Rede. Das Land "zittert". Damit kann ein Erdbeben aber auch die Angst vor dem Kommenden gemeint sein, das durch das Beben aus der zweiten Zeile angekündigt wird. In der gleichen Zeile lesen wir vom Anwachsen der "mohammedanischen Macht". Obwohl Ägypten bereits seit 642 Teil der islamischen Welt ist, scheint das Anwachsen dieser Macht Grund für Ägyptens Angst zu sein.

Die letzte Zeile berichtet von einem Herold, der beauftragt ist, die Aufforderung zur Kapitulation zu überbringen. In Verbindung mit der dritten Zeile dürfte diese Botschaft wohl an die Ägypter adressiert sein.

Mit Blick auf 5/25/3f. und 5/27/3 dürfte mit der "mohammedanischen Macht", die den Herold losschickt, wohl der Iran gemeint sein.

 

5/27  

Par feu & armes non loing de la marnegro1),

Viendra de Perse occuper Trebisonde2):

Trembler Phatos3), Methelin4), Sol alegro5),

De sang Arabe d’Adrie couuert onde.

 

Mit Feuer und Waffen, nicht weit vom Schwarzen Meer1) entfernt,

wird [man] aus Persien kommen, um Trapezunt2) zu besetzen.

Zittern [werden] Pharos3), Mytilini4) [und die] fröhliche Sonne5).

Mit arabischem Blut [werden die] Welle[n] der Adria bedeckt [sein].

1) "Mar Negro" bedeutet u. a. auf Aragonesisch, Spanisch und Portugiesisch "Schwarzes Meer".
2) Türkische Hafenstadt an der Südostecke des Schwarzen Meeres (heute Trabzon). Zudem gab es zwischen 1204 und 1461 ein Kaiserreich Trapezunt, das die südöstliche Küste des Schwarzen Meeres umfasste.
3) Lies: "Pharos". Pharos war eine kleine Insel vor Alexandria in Ägypten. Pharos ist jedoch auch der griech. Name der heute kroatischen Adriainsel Hvar. Zur Zeit des Nostradamus gehörte Hvar zu Venedig.
4) Hauptstadt der griechischen Insel Lesbos nahe der kleinasiatischen Küste.
5) Provenzalisch "alegro" (fröhlich, munter, heiter). Unklar, was Nostradamus hier gemeint haben könnte. Vielleicht aber Venedig, die "Serenissima Repubblica di San Marco" (die allerdurchlauchtigste Republik des Heiligen Markus). Dem Evangelisten Markus wird u. a. die Sonne zugeordnet und das Attribut "fröhlich" könnte eine scherzhafte Anlehnung des ital. "serenissima" an das lat. "serenus" (u. a. fröhlich) sein. Zur Zeit des Nostradamus gehörten zu Venedig u. a. auch Istrien und Gebiete an der kroatischen Adriaküste (vgl. Anmerkung 3).

Der Iran besetzt Trabzon, die Araber stoßen in die Adria vor und bedrohen die Küstengebiete.

Man - wie aus 5/86/4 zu schließen ist wohl die Iraner selber - werden aus dem Iran in die Türkei einmarschieren und Trabzon besetzen (erste und zweite Zeile).

Anschließend (oder gleichzeitig?) werden Pharos, Mytilini auf Lesbos und die "heitere Sonne" zittern, d. h. angegriffen oder mindestens akut bedroht werden (dritte Zeile). Doch von wem?

In der vierten Zeile erfahren wir, dass die Wellen der Adria von arabischem "Blut" bedeckt sein werden. Das bedeutet, dass die Araber bis in dieses Meer vordringen werden. Werden sie dort einen hohen Blutzoll entrichten müssen, d. h. hohe Verluste erleiden? Denkbar wäre vielleicht auch, dass hier bloß die Anwesenheit der Araber als solche gemeint ist. Das "Blut" stände dann für das Volk der Araber, vgl. griech. "aima" bzw. lat. "sanguis" (u. a. Geschlecht, Abkömmlinge).

Somit gibt es zwei Mächte, die Pharos, Mytilini und die "heitere Sonne" bedrohen können. Die Iraner und die mit ihnen verbündeten Nordafrikaner (Araber) aus Algerien und Tunesien (vgl. 1/73).

Mytilini auf Lesbos wird wohl beim weiteren Vorstoß der Iraner Richtung Westen bedroht werden (vgl. 5/86). Mit Pharos könnte Nostradamus hier beide Inseln meinen, Hvar in der Adria und Pharos vor Alexandria. Hvar dürfte dann von den Arabern ins Fadenkreuz genommen werden, Pharos bei Alexandria - wie ganz Ägypten - von den Iranern, vgl. 5/25/4.

Ein Rätsel bleibt die "fröhliche Sonne" aus der dritten Zeile. Eine zitternde Sonne könnte ein Vorzeichen sein. Wie in Anmerkung 5 ausgeführt, hat unser Seher aber vielleicht auch an Venedig bzw. dessen Besitzungen in der Adria gedacht, die durch die Araber bedroht werden.

Eine weitere Möglichkeit wäre, dass hier das Christentum gemeint ist, das den Sonntag ("dies Solis") feiert und das ob des Vormarsches der Iraner und Nordafrikaner sehr wohl in eine bedrohliche Lage geraten dürfte (vgl. 5/25/2).

 

5/86  

Par les deux testes1), & trois bras2) separés,

La cité grand3) par eaux4) sera vexee:

Des grands d’entre eux par exil esgarés5),

Par teste perse6) Bisance forte pressee

 

Von den zwei Köpfen1) und drei getrennten Armen2)

wird die große Stadt3) während den Fluten4) gepeinigt [werden].

Große unter ihnen [werden] in [die] Verbannung weggeführt [werden]5).

Wegen [des] persischen Kopfes6) [wird] Byzanz stark bedrängt [sein].

1) Wohl im Sinne von "Anführer, Oberhaupt", vgl. lat. "caput".
2) "Bras" (Arm) hat im Mittelfranzösischen u. a. auch die Bedeutung "Macht, Kraft", was hier wohl gemeint sein dürfte.
3) Mit der großen Stadt dürfte Paris gemeint sein, vgl. 5.23 (v. a. 6/43 u. 3/84).
4) Falls es hier "par eux" heißen sollte, wären die ersten beiden Zeilen etwa so zu verstehen: "Von den zwei Köpfen und drei getrennten Armen: die große Stadt wird von ihnen gequält werden".
5) Oder auch: "in [der] Verbannung irregeleitet [werden]."
6) Vgl. Anmerkung 1). Das mittelfranzösische "pers" bedeutet allerdings auch "blau", sodass hier ebenso von einem "blauen Kopf" die Rede sein könnte, was eine Parallele zu 5.14 wäre.

Während Überschwemmungen stattfinden, wird Paris von zwei Anführern und drei Mächten gepeinigt werden. Große werden ins Exil geschickt. Der iranische Anführer wird Istanbul stark bedrängen.

In der vierten Zeile ist von Istanbul (Byzanz) und einem iranischen Oberhaupt die Rede, was die Strophe mit 5/27 verbinden dürfte. Zur Zeit des Nostradamus war Istanbul die Hauptstadt des Osmanischen Reiches, zu dem auch Trabzon gehörte. Es scheint hier so zu sein, dass die im Osten siegreichen Verbände des Irans, bzw. des iranischen Machthabers, weiter nach Westen vorgestoßen sind und inzwischen kurz vor Istanbul stehen. In diesem Zusammenhang könnte Istanbul auch stellvertretend die Macht oder den Staat meinen, der durch die militärischen Entwicklungen stark in Bedrängnis geraten wird.

Von einer anderen Stadt ist in 5/86/2 die Rede, nämlich von Paris, vgl. Anmerkung 3. Wir erfahren, dass die französische Hauptstadt von zwei Anführern und drei Mächten gepeinigt werden wird (vgl. Anmerkungen 1 und 2). Und zwar dann, wenn es zu Überschwemmungen kommt. Leider erfahren wir hier keine näheren Einzelheiten. Wer sind die beiden Anführer, wer die drei Mächte? Die drei Mächte könnten drei Staaten sein, die Frankreich von außen bedrohen, die beiden Anführer vielleicht zwei Konkurrenten, die sich um die Macht im Land streiten. Paris würde hier demzufolge - ähnlich wie Istanbul oben - pars pro toto für Frankreich stehen. Von einem gespaltenen Frankreich ist auch in 5.23 und 5.49 (2/54) die Rede.

Der dritten Zeil ist zu entnehmen, dass "Große unter ihnen" in die Verbannung geschickt werden. Mit den "Großen" sind wohl wichtige Persönlichkeiten gemeint. Doch bezieht sich die Zeile auf die Vorgänge in Frankreich oder in der Türkei?

 

2/96  

Flambeau ardent1) au ciel soir sera veu

Pres de la fin & principe2) du Rosne:

Famine, glaiue: tard3) le secours pourueu,

La Perse tourne4) enuahir Macedoine5).

 

[Eine] brennende Fackel1) wird abends am Himmel gesehen [werden],

bei der Mündung und [der] Quelle2) der Rhone.

Hunger [und] Schwert: spät3) [wird] die Hilfe geschickt [werden].

Persien beginnt wieder4), in Makedonien5) einzumarschieren.

1) Brennende Fackeln am Himmel gehören zu den klassischen Vorzeichen. Bei Julius OBSEQUENS finden wir solche in den Kapiteln 11, 12, 24, 45, 51, 53, 68 und 71. Interessant ist dabei v. a. Kapitel 68 (44 v. Chr.). Dort lesen wir u. a.: "Fax caelo ad occidentem visa ferri" (Eine Fackel wurde am Himmel nach Westen eilen gesehen). Dieses und andere Vorzeichen sollen OBSEQUENS zufolge dem Bürgerkrieg zwischen Caesar (Octavian) und Antonius vorausgegangen sein.
2) CLÉBERT, S. 336, sieht hier das lat. "princeps" und somit den Hauptmündungsarm der Rhone, den Grand-Rhône, gemeint.
3) Das mittelfranzösische "tard" kann auch "zu spät" bedeuten.
4) Vgl. BRIND’AMOUR, S. 328f. und CLÉBERT, S. 336.
5) Makedonien umfasste je nach Epoche verschieden große Gebiete, hatte seinen Schwerpunkt aber im nördlichen Griechenland und im heutigen Staat Mazedonien. Der persische Großkönig Dareios I. (549 - 486 v. Chr.) setzte von Kleinasien aus auf den Balkan über, eroberte Thrakien und machte Makedonien zum tributpflichtigen Vasallen. 492 v. Chr. stießen die Perser militärisch u. a. nach Makedonien vor, um ihre Herrschaft in Griechenland nach dem Ionischen Aufstand zu sichern. Nostradamus scheint hier vorherzusagen, dass Persien (der Iran) in Zukunft erneut auf dem Balkan militärisch aktiv werden wird.

In Frankreich wird es zu einem Bürgerkrieg kommen, und der Iran marschiert in Makedonien ein.

In der vierten Zeile erfahren wir, dass der Vormarsch des Irans nach Westen weitergehen wird. Während in 5/86 der iranische Anführer Istanbul noch stark bedrängt, dürfte er in 2/96 die Stadt bereits hinter sich gelassen haben und inzwischen in Europa (Thrakien) stehen. Und nun macht sich die asiatische Macht auf, in Makedonien (d. h. im Raum Nordgriechenland/Mazedonien) einzumarschieren.

In den ersten beiden Zeilen betrachtet Nostradamus wieder die Lage in Frankreich. Am Himmel über der gesamten Rhone (oder nur über der Rhonemündung, vgl. Anmerkung 2) lässt er eine brennende Fackel erscheinen, die abends - d. h. wohl am abendlichen Westhimmel - gesehen werden wird. Das deutet auf eine kriegerische Auseinandersetzung in Frankreich hin, denn das Feuer wird u. a. Kriegsgott Mars zugeordnet. Dass es sich dabei um einen innerfranzösischen Konflikt, einen Bürgerkrieg handeln dürfte, ist aufgrund der Parallele zu OBSEQUENS zu vermuten, der von einer nach Westen eilenden Fackel am Himmel berichtet, die dem Bürgerkrieg zwischen Octavian und Antonius vorausgegangen sei (vgl. Anmerkung 1). Sollte es sich um die Auseinandersetzung zwischen den beiden Oberhäuptern in 5/86 handeln?

Laut Zeile drei werden "Hunger" und "Schwert" (Krieg) folgen, und die Hilfe wird (zu) spät geschickt werden. Das kann sich sowohl auf den Konflikt in Frankreich wie auch auf den iranischen Vorstoß nach Makedonien beziehen.









 

1/73  

France à cinq pars1) par neglect assailie

Tunys, Argiels2) esmeus3) par Persiens,

Leon, Seuille, Barcelonne5) faillie6)

N’aura la classe7) par les Venitiens8).

 

Frankreich [wird] von fünf Seiten1) wegen [seiner] Nachlässigkeit angegriffen [werden].

Tunis [und] Algier2) [werden] von [den] Persern in Bewegung gesetzt3) [werden].

[Wie] Leon [auf]4) Sizilien [wird auch] Barcellona Pozzo di Gotto5) gefallen6) [sein und]

[es wird] keine Flotte7) von den Venezianern8) haben.

1) Oder: "Gegnern", was hier wohl gemeint sein dürfte.
2) Wohl als "Algiers" zu verstehen, wobei im 16. Jh. die verschiedensten Schreibweisen existierten, vgl. BRIND’AMOUR, S. 151 u. CLÉBERT, S. 170. Zur Zeit des Nostradamus war Algier ein formal dem Osmanischen Reich angehöriger aber praktisch unabhängiger Barbareskenstaat, der v. a. von Piraterie und Menschenraub lebte. Tunis war zwischen 1535 und 1574 ein spanisches Protektorat.
3) Oder u. a.: "erschüttert; angeregt, zu etwas angestachelt".
4) Oder vielleicht auch: "[und ganz]".
5) Hier scheint zunächst alles klar zu sein: es geht anscheinend um Spanien, in dem León, Sevilla und Barcelona liegen. BRIND’AMOUR, S. 150f., sieht hier aber eine Parallele zu 1/11/2 (5.48) wo es heißt: "[...] Naples, Leon, Secille". Leon war eine antike Küstenstadt nahe Syrakus auf Sizilien (vgl. LIVIUS, Ab urbe condita, 24, 39). "Seuille" könnte gut eine Verschreibung von "Secille" (Sizilien) sein, und mit "Barcelonne" wäre in diesem Fall nicht die katalonische Metropole sondern das sizilianische Barcellona gemeint (gegründet 1522, heute Barcellona Pozzo di Gotto, rund 40 km westlich von Messina). Was eher für die italienisch-sizilianische Lösung spricht, ist der Umstand, dass Sizilien näher bei Tunis und Algier liegt und auf Grund seiner Größe wohl einfacher zu unterwerfen wäre als Spanien. Zudem ist in 1/73/4 von den Venezianern die Rede, was wiederum eher auf einen italienischen Kontext hinzudeuten scheint.
6) Das mittelfranzösische "faillir" bedeutet u. a. "fehlen, versagen, unterliegen, enden", das Adjektiv "failli(e)" "feige, wertlos".
7) Lat. "classis" (Flotte, Heer).
8) Zur Zeit des Nostradamus gehörte Venedig zu den führenden See- und Handelsmächten und beherrschte u. a. große Teile des nordöstlichen Italiens.

Wegen seiner Nachlässigkeit wird Frankreich von fünf Gegnern angegriffen werden. Der Iran wird Tunis und Algier zum Krieg aufstacheln. Auf Sizilien werden das antike Leon und Barcellona Pozzo di Gotto fallen, und die venezianische Flotte wird nicht vorhanden sein.

Der ersten Zeile ist zu entnehmen, dass Frankreich aufgrund seiner Nachlässigkeit von fünf Gegnern angegriffen werden wird. Was es mit dieser "Nachlässigkeit" genau auf sich hat, erfahren wir nicht. Wir finden sie allerdings auch in 1/18/1. Möglicherweise werden die Feinde ganz offensichtlich zum Krieg rüsten, aber die Grande Nation reagiert nicht?

In der zweiten Zeile werden drei Staaten erwähnt, die zu den Angreifern gehören dürften: Tunesien (Tunis), Algerien (Algier) und der Iran. Dabei scheint der Iran die Nordafrikaner zum Kampf gegen Frankreich zu verleiten.

In der ersten Zeile hat Nostradamus von fünf Gegnern gesprochen. Über die beiden fehlenden erfahren wir hier jedoch nichts. In 5/86 ist von drei "Armen" und zwei "Köpfen" die Rede, die Frankreich (Paris) peinigen werden. Die drei "Arme" (Mächte) dürften wohl der Iran, Tunesien und Algerien sein. Sind die beiden "Köpfe" mit den fehlenden zwei Gegnern identisch? In diesem Fall könnten hier, wie schon zu 5/86 vermutet, beispielsweise zwei französische Potentaten gemeint sein, die im um die Macht im Land kämpfen und somit innere Feinde des Landes sind. Oder sollte Frankreich doch von zwei weiteren Staaten angegriffen werden? Vielleicht zwei Staaten, an deren Spitze - im Unterschied zu den "Armen" - ein gekröntes (christliches) Oberhaupt steht?

Im zweiten Teil des Vierzeilers geht es um Italien, das anscheinend ebenfalls in den Krieg verwickelt sein wird. Venedig (zur Zeit des Nostradamus eine bedeutende Seemacht) wird keine Flotte mehr auf See haben, wie der vierten Zeile zu entnehmen ist. Doch überhaupt oder nur in einer bestimmten Gegend? Gemäß 5/27 werden die Araber (Tunis und Algier?) in die Adria vorgedrungen und dort wohl auf die Seestreitkräfte der Lagunenstadt getroffen sein. In 1/73/3 ist aber (wahrscheinlich) von Sizilien die Rede, das mindestens teilweise gefallen ist. Das Fehlen der Venezianer könnte sich somit auch auf die Gewässer um diese Insel beziehen.








 

3/78  

Le chef d’Escosse1) auec six2) d’Alemagne

Par gens de mer Orientaux3) captifs,

Transuerseront5) le Calpre4) & Hespagne

Present en Perse au6) nouueau roy craintif7).

 

Das Oberhaupt von Schottland1) [wird zusammen] mit sechs2) aus Deutschland

von orientalischen3) Seeleuten gefangen genommen [werden].

[Sie] werden Calpe4) und Spanien passieren5).

[Ein] Geschenk [wird] in Persien dem6) neuen gefürchteten7) König [überreicht werden].

1) Zur Zeit des Nostradamus war Schottland ein unabhängiges Königreich. 1542 - 1587 war Maria I. (Maria Stuart) die Königin des Landes. Alternativ gäbe es noch den Begriff "escousse", der u. a. "Angriff, Gefecht; Ruck, Stoß; Hilfe, Befreiung" bedeutet.
2) Unklar, was es mit diesen (oder dieser?) sechs auf sich hat. Das römisch-deutsche Reich kannte allerdings sieben Kurfürsten. Dem Rang nach geordnet waren dies: 1.) der Erzbischof von Mainz (der aber als letzter abstimmte, um bei einem Patt die entscheidende Stimme abgeben zu können), 2.) der Erzbischof von Trier, 3.) der Erzbischof von Köln, 4.) der König von Böhmen, 5.) der Pfalzgraf bei Rhein, 6.) der Herzog von Sachsen und 7.) der Markgraf von Brandenburg. Sollten hier sechs Kurfürsten oder der Herzog von Sachsen gefangen genommen werden?
3) Oder einfach: "aus dem Osten stammenden".
4) Lat. "(Mons) Calpe" (Gibraltar). An der spanischen Ostküste, etwa 60 km nordöstlich von Alicante, gibt es zudem eine Stadt namens Calpe (Calp).
5) Oder: "durchqueren".
6) Oder auch möglich: "vom".
7) Das mittelfranzösische "craintif" bedeutet "ängstlich, vorsichtig" aber auch "gefürchtet". Falls es hier "craintifs" heißen sollte (vgl. das "captifs" der zweiten Zeile), bezöge sich das Adjektiv entweder auf die Gefangenen oder die Seeleute aus der ersten Hälfte der Strophe. Es könnte also etwa auch gemeint sein: "[Sie] werden Calpe und Spanien passieren [und die] ängstlichen [Gefangenen] dem neuen König [als] Geschenk [überreichen]."

Das Oberhaupt Schottlands und sechs Deutsche werden von orientalischen Seeleuten gefangen genommen und später dem neuen persischen König als Geschenk überreicht werden.

Wie den ersten beiden Zeilen zu entnehmen ist, werden mehrere Personen von orientalischen Seeleuten gefangen genommen werden. Darunter scheinen sich das Oberhaupt von Schottland (vgl. Anmerkung 1) und sechs aus Deutschland zu befinden (vgl. Anmerkung 2).

Laut Zeile drei werden sie (wohl die Gefangenen und ihre Kidnapper) Gibraltar und Spanien passieren oder durchqueren (vgl. Anmerkung 4). Leider erfahren wir nicht, wo die Orientalen die Gefangenen machen und in welche Richtung sie sich mit ihnen bewegen werden. Da es sich um Orientalen handelt, könnten sie aber vom Atlantik kommend auf dem Mittelmeer in östliche Richtung segeln.

Die letzte Zeile lässt sich unterschiedlich verstehen, vgl. Anmerkungen 6 und 7. Klar dürfte sein, dass im Iran ein Geschenk überreicht werden wird. Beim Beschenkten handelt es sich dabei um einen neuen, wahrscheinlich persischen König (Schah). Mit Blick auf den Gesamtzusammenhang würde es Sinn machen, dass die orientalischen Seeleute nach Osten in den iranischen Machtbereich fahren und die sieben Gefangenen dem Herrscher des Irans als Geschenk überreichen.





 

3/90  

Le grand Satyre1) & Tigre de Hyrcanie2),

Don presente3) à ceux de l’Ocean4):

Le chef de classe5) istra de Carmanie6)

Qui prendra terre au Tyrren Phocean7).

 

Der große Satyr1) und Tiger von Hyrkanien2)

überreicht3) denen vom Ozean4) [ein] Geschenk.

Der Anführer der Flotte5) wird aus Karmanien6) kommen,

der [das] Land beim phokäischen Tyrrhenischen Meer7) nehmen wird.

1) Ein Satyr ist in der antiken Mythologie ein bocksähnlicher Begleiter des Dionysos (Bacchus), der später auch gehörnt dargestellt und dem Pan gleichgesetzt wurde. Satyrn zeichneten sich u. a. durch Lüsternheit und Übermut aus. Wie Pan erinnern auch Satyrn an spätere Teufelsdarstellungen.
2) Landschaft südöstlich des Kaspischen Meeres, d. h. im Nordiran und Turkmenistan. Das wilde Hyrkanien war in der Antike für seine Tiger bekannt, die in Zirkusspielen eingesetzt wurden (vgl. CLÉBERT, S. 442).
3) BRIND’AMOUR, S. 451, liest hier "presenté" und versteht die ersten beiden Zeilen dahingehend, dass ein exotisches Tier, das einem Satyrn (einem Affen?) und einem hyrkanischen Tiger ähnelt, als Geschenk überreicht werden wird (vgl. auch CLÉBERT, S. 442). Anders als in den Ausgaben von 1557 steht in den Erstausgaben von 1555 jedoch "presente", was mir inhaltlich stimmiger erscheint.
4) Das dürfte hier der Atlantik sein, der Teil des die Welt umgebenden Okeanos war. Mit "denen vom Ozean" sind somit Länder des Westens gemeint, die einen Zugang zum Atlantik haben.
5) Lat. "classis" (Flotte, Heer).
6) Gebiet im südöstlichen Iran. Karmanien wird auch 10/31 (5.8) erwähnt.
7) Phokäa war eine ionische Seestadt an der kleinasiatischen Küste gegenüber von Lesbos. Die Phokäer gründeten etliche Städte, darunter Marseille, Cannes, Antibes, Nizza und Aléria an der Ostküste Korsikas. "Tyrren" meint entweder Tyrrhenien (Etrurien, Toskana) oder das Tyrrhenische Meer zwischen Italien und den Inseln Sizilien, Sardinien und Korsika. Sollte hier "phokäisch" pars pro toto für "ionisch" stehen, könnte Nostradamus an den um 600 v. Chr. gegründeten etrurischen "Zwölfstädtebund" gedacht haben, der nach Vorbild des ionischen Städtebundes geschaffen wurde. Falls "Tyrren" das Tyrrhenische Meer meint, ist dessen phokäischer Teil wohl bei Aléria zu finden, und das in der vierten Zeile erwähnte Land wäre Korsika. BRIND’AMOUR, S. 452, sieht hier Marseille gemeint, doch weder Marseille noch sonst ein Teil Festland-Frankreichs liegt am Tyrrhenischen Meer.

Der Herrscher des Irans macht dem Westen ein Geschenk. Ein iranischer Oberkommandierender erobert Korsika.

In der ersten Hälfte der Strophe geht es um ein Geschenk. Überreicht werden wird es von jemandem, den Nostradamus den "großen Satyr und Tiger von Hyrkanien" nennt. Hyrkanien ist eine antike Landschaft im Nordiran und in Turkmenistan (vgl. Anmerkung 2). Während in 3/78 also wahrscheinlich ein Iraner beschenkt wird, macht ein Iraner in 3/90 selbst ein Geschenk. Die Beschenkten sind "jene vom Ozean", d. h. Leute oder Mächte, die von außerhalb des Mittelmeerraumes kommen und wohl Atlantikanrainer sind, vgl. Anmerkung 4. Das passt etwa zu Schottland und Deutschland, die aus der mediterranen Sicht des Nostradamus am Ozean und der zu diesem gehörenden Nordsee liegen. Die beiden Länder, aus denen die Gefangenen aus 3/78 stammen werden. Es wäre also durchaus möglich, dass es sich bei diesem Geschenk um die erwähnten Gefangen handeln wird.

Falls der "große Satyr und Tiger von Hyrkanien" die Gefangenen ihren Heimatländern schenkt, muss er erstgenannte zunächst selber besitzen. Ich vermute nun, der beschenkte König aus 3/78 und der Iraner aus 3/90 sind ein- und dieselbe Person.

Nostradamus bezeichnet ihn als "großen Satyr" und "Tiger". Letzteres soll wohl die Stärke und Gefährlichkeit des Iraners verdeutlichen. Die Bezeichnung "großer Satyr" könnte auf die diabolische Seite im Wesen des Orientalen verweisen, vgl. Anmerkung 1. Vor diesem Hintergrund darf man sich allerdings fragen, weshalb ein solcher Mann die Gefangenen Westler wieder freilassen sollte. Entweder für eine entsprechende Gegenleistung, oder aber er schenkt den Schotten und Deutschen vielleicht nicht die Gefangenen sondern nur deren Köpfe.

Dass es sich beim Geschenk des vermutlichen iranischen Herrschers nicht unbedingt um ein Friedensangebot handeln muss, wird wohl aus der zweiten Hälfte der Strophe deutlich. Dort erfahren wir nämlich, dass ein anderer Iraner (aus Karmanien), der offensichtlich Oberkommandierender einer Flotte oder eines Heeres ist (vgl. Anmerkung 5) in Südeuropa ein Land erobern wird - wahrscheinlich Korsika (vgl. Anmerkung 7).




 

1/18  

Par la discorde negligence Gauloyse

Sera passaige1) à Mahommet2) ouuert:

De sang trempe3) la terre & mer Senoyse4)

Le port Phocen5) de voiles & nefs couuert6).

 

Wegen der gallischen Zwietracht [und] Nachlässigkeit

wird [der] Weg1) für Muhammad2) frei [sein].

Mit Blut [werden] das genuesische4) Land und Meer getränkt [sein].

Der Phokäer5) Hafen [wird] mit Segeln und Schiffen angefüllt6) [sein].

1) Oder u. a. auch: "Zugang, Durchgang, Übergang, Überfahrt über das Meer".
2) Muhammad (ca. 570 - 632) war der Begründer des Islams. Hier dürfte der Islam oder eine islamische Macht gemeint sein. Als weiteres konkretes Vorbild könnte Nostradamus den osmanischen Sultan Mehmed (Muhammad) II., auch "der Eroberer" genannt (1432 - 1481), im Auge gehabt haben. Aufgrund seiner zahlreichen Eroberungen wurde Mehmed II. auch als der zweite Begründer des Osmanischen Reiches bezeichnet. Mit der Eroberung Konstantinopels im Jahre 1453 schenkte er seinem Reich eine neue Hauptstadt und beendete die Existenz des oströmisch-byzantinischen Reiches.
3) Lies: "trempé", vgl. BRIND’AMOUR, S. 72 und CLÉBERT, S. 77.
4) Der Begriff "Senoyse" ist nicht ganz klar. LEONI sieht hier das Gebiet bei Siena, DUFRESNE einen Fluss namens Sena in Umbrien gemeint. In beiden Fällen liegt aber kein Meer in der Nähe, in Umbrien höchstens der Trasimenische See. Eine andere Möglichkeit wäre La Seyne-sur-Mer, eine Stadt am Mittelmeer, etwas südwestlich von Toulon gelegen. Nach CLÉBERT, S. 78, könnte es sich hier vielleicht auch um ein falsch gedrucktes "Genoyse" (genuesisch) handeln. Eine Vermutung, der deshalb eine gewisse Wahrscheinlichkeit zukommt, da gemäß 5.49 (7/39) ein arabischer Vorstoß nach Frankreich über Genua erfolgen wird.
5) Phokäa war eine ionische Seestadt an der kleinasiatischen Küste gegenüber von Lesbos. Die Phokäer gründeten etliche Städte: etwa Lapseki an den Dardanellen (Türkei), Elea in Süditalien, Aléria auf Korsika, Empúries in Katalonien sowie an der französischen Mittelmeerküste Agde, Marseille, Cannes, Antibes und Nizza. Hier dürfte eine der französischen Städte gemeint sein, vielleicht Marseille.
6) Oder u.a. auch: "geschützt, bedeckt".

Wegen Frankreichs Nachlässigkeit und Zwietracht wird der Weg für Muhammad frei sein. Land und Meer bei Genua werden blutgetränkt sein und ein Hafen der Phokäer wird eine Flotte beherbergen.

Der zweiten Zeile ist zu entnehmen, dass der Weg für "Muhammad" frei sein wird. Mit "Muhammad" dürfte der Islam oder eine islamische Macht gemeint sein. Vielleicht auch ein muslimischer Machthaber, der analog zu Mehmed II. Istanbul erobert (vgl. Anmerkung 2). Im letzten Fall käme für "Muhammad/Mehmed" wohl der "persische Kopf" aus 5/86/4 in Frage.

In 1/18/1 werden die Gründe genannt, weshalb Muhammad freie Bahn haben wird: die Zwietracht und die Nachlässigkeit der Franzosen (Gallier). Wenn die Gründe aber in Frankreich zu suchen sein werden, könnte hier nicht oder nicht nur die Eroberung Istanbuls gemeint sein sondern der "freie Weg" nach bzw. eine Invasion in Frankreich. Von der französischen Nachlässigkeit haben wir bereits in 1/73/1 gelesen. Sie könnte ihren Grund darin haben, dass das Land genug mit der inneren Zwietracht zu tun hat und so die sich anbahnende Gefahr von außen zu spät wahrnimmt. Die hier erwähnte "Zwietracht" passt zu 5/86 (zwei innerfranzösische Anführer?) und dem vermuteten französischen Bürgerkrieg in 2/96. Von einem gespaltenen Frankreich ist auch in 5.23 und 5.49 (2/54) die Rede.

Die zweite Hälfte der Strophe wird, was die Kampfhandlungen angeht, etwas konkreter. Bei Genua wird zu Land und zu Wasser gekämpft werden, vgl. Anmerkung 4. Sollten hier die Araber, d. h. die mit dem Iran verbündeten Nordafrikaner aus Algerien und Tunesien nach Westen vorstoßen, vgl. 5.49: 7/39? Zu dieser Zeit wird einer der von den Phokäern gegründeten Häfen eine Flotte beherbergen (vgl. Anmerkung 5). Doch welcher? Und um wessen Flotte handelt es sich?

 

2/73  

Au lac Fucin1) de Benac2) le riuaige

Prins3) du Leman au port4) de l’Orguion5):

Nay de troys bras6) predict7) belliq image8),

Par troys couronnes9) au grand Endymion10).

 

Zum Fuciner See1) vom Ufer des Benacus2) aus

[und] angefangen3) vom Genfer See [bis] zum Hafen4) von Monaco5).

Enstanden aus drei Armen6) [wird es sein,] das [oben] erwähnte7) kriegerische Bild8).

Von drei Kronen9) für den großen Endymion10).

1) Der Fuciner See (auch: Celanosee) lag in den Abruzzen nahe Avezzano, etwa 85 - 90 km östlich von Rom. 1875 wurde er trockengelegt. Während des römischen Bundesgenossenkrieges (91 - 88 v. Chr.) konnten die rebellischen Bundesgenossen 89 v. Chr. am Fuciner See einen Sieg über die Römer unter Konsul Lucius Porcius Cato erringen, der selber fiel.
2) Mit dem lat. "lacus Benacus" (ital. Lago Benaco) ist der Gardasee gemeint. Im Jahr 268 schlugen dort die Römer unter Kaiser Claudius Gothicus die Alamannen vernichtend.
3) Das mittelfranzösische "prendre" (nehmen) weist eine ganze Reihe übertragener Bedeutungen auf, z. B. "anfangen, beginnen; bemerken, feststellen; fassen, erfassen". Das substantivierte Partizip Perfekt ("prins") lässt sich gleichermaßen ganz verschieden verstehen, etwa auch als "die Eroberung" u. a. In den ersten beiden Zeilen von 2/73 scheint es Nostradamus aber einfach darum zu gehen, einen Raum abzustecken.
4) "Port" (Hafen) bezeichnet im Mittelfranzösischen auch eine Anlegestelle an einem Fluss, was zu Orgon passen würde, vgl. Anmerkung 5.
5) Mit "Orguion" scheint auf den ersten Blick Orgon gemeint zu sein. Orgon liegt an der Durance in Südfrankreich, etwa 25 km südöstlich von Avignon. (Es gäbe in Norditalien noch ein Orgiano, etwa 30 km südwestlich von Padua, das aber nicht an einem Gewässer liegt.) "Orguion" wäre dabei wohl als eine an "Endymion" angepasste Variante zu verstehen. BRIND’AMOUR, S. 297f., hat hier aber mit einiger Wahrscheinlichkeit ins Schwarze getroffen - wenigstens beinahe. Er sieht in "Orguion" ein falsch gedrucktes "Ogmion" (der keltische Herkules) und überträgt "port de l’Ogmion" mit "Hafen des Herkules". Diesen wiederum identifiziert er allerdings mit dem toskanischen Port’Ercole (Grosseto). Doch falls Nostradamus hier tatsächlich an den keltischen Herkules gedacht haben sollte, müsste wohl auch eine keltische, d. h. französische Lösung gefunden werden. Und hierfür böte sich eher Herculis Monoeci portus (Monaco) an. Diese Deutung wäre deswegen sinnvoll, da mit der Linie Genfer See-Monaco ganz einfach die Westalpen gemeint wären, die die (verlängerte) französisch-italienische Grenze bilden.
6) Auf den ersten Blick scheint hier die Geburt (vgl. "nay") eines missgebildeten Kindes - dieses Mal eines mit drei Armen - vorhergesagt zu sein, das als Vorzeichen zu verstehen sein wird, vgl. BRIND’AMOUR, S. 298. Doch abgesehen davon, dass "nay" nicht nur als "geboren" sondern auch allgemeiner als "entstanden" übersetzt werden kann, erinnert die Stelle meines Erachtens eher an 5/86/1, wo ebenfalls drei "Arme" auftauchen, die dort für drei Mächte stehen dürften.
7) Das mittelfranzösische "predict" bedeutet nicht nur "prophezeit, vorhergesagt" sondern auch einfach "bereits erwähnt, vorher beschrieben". Nostradamus dürfte hier, zusammen mit dem vermeintlichen dreiarmigen Kind, wieder einmal versucht haben, den Leser auf eine falsche Fährte zu locken.
8) Mit diesem "kriegerischen Bild" ist wohl das Kriegs-Szenario gemeint, das sich innerhalb des in den ersten beiden Zeilen umrissenen Gebietes abspielen wird. "Bild" könnte hier auch die Vision sein, in der Nostradamus diesen künftigen Krieg gesehen hat.
9) Hier möglicherweise im Sinn von "Herrschaften", vgl. griech. "diadema" (Stirnbinde, Diadem, Herrschaft).
10) Es existieren verschiedene, sich widersprechende Varianten des Endymion-Mythos. Im Kern geht es aber darum, das Endymion in ewigen Schlaf versetzt wurde und dabei der Geliebte der griechischen Mondgöttin Selene war. Mit dieser hatte er 50 Töchter, die Menae (die Göttinnen der Mondphasen).

Italien westlich der Linie Gardasee - Fuciner See wird vom Bündnis Iran - Tunesien - Algerien mit Krieg heimgesucht werden. Der große "Endymion", der sich von den Muslimen hat einlullen lassen, wird davon überrascht werden.

In der dritten und vierten Zeile spricht Nostradamus von einem "kriegerischen Bild", d. h. wohl von der Vision, in der ihm dieser Krieg gezeigt wurde, vgl. Anmerkung 8. Ein "Bild", das aber auch für den geschauten Krieg an sich stehen dürfte. Denn dieses "Bild" wird von drei "Armen", d. h. drei Mächten (bzw. drei Kronen, vgl. Anmerkung 9) "gemalt" oder verursacht werden (vgl. Anmerkung 6).

Während Nostradamus der Empfänger der prophetischen Vision war, wird der Krieg einen anderen Adressaten haben. Es ist der "große Endymion" aus der vierten Zeile. Im Mythos wurde Endymion von Selene in ewigen Schlaf versetzt, vgl. Anmerkung 10. Da Selene bei Nostradamus für den Islam steht, dürfte Endymion ein Machthaber sein, der sich vom Islam bzw. von den drei islamischen "Kronen" einschläfern, d. h. wohl in falscher Sicherheit wiegen lässt. Er könnte zunächst vielleicht sogar ein Verbündeter der Muslime (ein "Geliebter Selenes") sein. Mit den drei islamischen Mächten dürften das uns bereits bekannte Trio Iran, Tunesien und Algerien gemeint sein (vgl. 1/73).

Über die Identität "Endymions" erfahren wir nichts. Das Attribut "groß" könnte ein Hinweis auf einen französischen Machthaber sein. Allerdings umreißt Nostradamus in den ersten beiden Zeilen den Raum, der von den drei muslimischen Mächten mit Krieg heimgesucht werden wird. Es handelt sich grob um den Westen der Nordhälfte Italiens, der von den Westalpen zwischen Genfer See und Monaco und der Linie Gardasee - Fuciner See begrenzt wird. Somit könnte "Endymion" auch ein Italiener sein, der vom militärischen Vorgehen der Muslime auf der Apenninenhalbinsel überrascht werden wird.







 

5/69  

Plus ne sera le grand en faux1) sommeil,

L’inquietude2) viendra prendre repoz3):

Dresser phalange d’or, azur, & vermeil4),

Subiuguer Affrique5) la ronger iusques oz6).

 

Der Große wird sich nicht mehr [länger] in falschem1) Schlaf befinden.

[Das] Unbehagen2) wird dazu kommen, sich auszuruhen3).

[Er wird die] goldene, [die] himmelblaue und [die] purpurrote Phalanx4) aufstellen,

um Afrika5) zu unterwerfen [und] es bis auf [die] Knochen abzunagen6).

1) Hier wohl im Sinne von "unangebracht, verderblich".
2) Das mittelfranzösische "inquietude" (Beunruhigung, Unruhe) bedeutet auch "medizinische Störung, Unbehagen, Unwohlsein". Hier dürfte das Unbehagen mit dem falschen oder unangebrachten "Schlaf" der ersten Zeile identisch sein.
3) "Prendre repoz" bedeutet "sich ausruhen, schlafen", das Unbehagen (also der falsche Schlaf, vgl. Anmerkung 2) nimmt hier eine Auszeit und endet. Sollte mit "inquietude" aber "Unruhe" gemeint sein, wäre die Zeile wohl so zu verstehen, dass diese den Platz der Ruhe einnehmen, letztere also ersetzen wird. Inhaltlich ändert sich allerdings wenig: der "Große" der ersten Zeile beendet seine Ruhephase und wird aktiv.
4) Eine Phalanx ist eine Schlachtanordnung, im übertragenen Sinne einfach ein Heer. Das griech. "phalagx" bedeutet ursprünglich "Baumstamm, Stück Holz, runder Block" aber auch "Gelenk" und "Spinne". Was es mit den drei Farben (Gold, Himmelblau, Purpurrot) auf sich hat, ist im Augenblick noch unklar. Es lässt sich nicht einmal mit Bestimmtheit sagen, ob es sich um drei Phalangen mit je einer oder nur um eine Phalanx mit allen drei Farben handeln wird.
5) Zur Zeit des Nostradamus kannte man bereits die Umrisse des gesamten afrikanischen Kontinents. Nach klassischem Vorbild dürfte unser Seher aber wohl jene Teile Nordafrikas gemeint haben, die zur Römerzeit die Provinz Africa bildeten. Africa umfasste wesentliche Teile des heutigen Tunesiens sowie die westliche Küstenregion des heutigen Libyens. Als oströmisches Exarchat (Vizekönigreich) von Karthago im 6. und 7. Jahrhundert zudem noch große Teile der algerischen Küste.
6) Das mittelfranzösische "ronger" (abnagen, nagen) bedeutet im übertragenen Sinne auch "angreifen, zerstören". Afrika wird hier also vollständig ruiniert werden.

Der große "Endymion" wird erwachen, Streitkräfte aufstellen und damit die nordafrikanischen Verbündeten der Perser unterwerfen.

In der ersten Zeile ist von einem "Großen" die Rede, der sich nicht mehr in einem "falschen" (wohl: verderblichen) Schlaf befinden und somit aufgewacht sein wird. Dieser ungute Schlaf wird nun selber "schlafen gehen", also aufhören, wie wir in Zeile zwei erfahren (vgl. Anmerkungen 2 und 3).

Mit diesem schlafenden "Großen" dürfte der "große Endymion" aus 2/73 gemeint sein, der vom militärischen Angriff der Muslime in Nordwestitalien überrascht werden wird.

Laut Zeile drei wird er dann "goldene", "himmelblaue" und "purpurrote" Streitkräfte aufstellen, wobei im Augenblick noch unklar ist, was Nostradamus mit diesen Farben ausdrücken will.

Mit diesen Streitkräften wird "Endymion" jedenfalls Afrika unterwerfen und es restlos ruinieren (vierte Zeile). Mit "Afrika" ist dabei wohl nach klassischem Vorbild die nordafrikanische Küstenregion (westliches Libyen, Tunesien, Algerien) gemeint, also jene Gegend, aus der die Verbündeten der Iraner (Tunis, Algier) kommen werden.















 

10/78  

Subite ioye en subite tristesse1)

Sera à Rome aux2) graces4) embrassees3)

Dueil, cris, pleurs, larm.5) sang excellent liesse6)

Contraires bandes7) surprinses & troussees8).

 

Plötzliche Freude [wird] zu plötzlicher Traurigkeit1)

werden, für die2) umarmten3) Grazien4) in Rom.

Trauer, Schreie, Tränen [und nochmals] Tränen5). Freude [wird es für das] erhabene
Blut [geben]6).

[Die] feindlichen Banden7) [werden] überraschend angegriffen und überwältigt8)
[werden].

1) Oder: "Plötzliche Freude in plötzlicher Traurigkeit". Im Mittelfranzösischen kann "en" allerdings auch dem heutigen "à" (zu, mit) entsprechen. Die oben gewählte Übertragung erinnert an die zweite Zeile von 10/97 (5.250).
2) Im Mittelfranzösischen kann "à" jedoch auch gegenteilig, im Sinne von "durch" verstanden werden. In diesem Fall könnte die zweite Zeile alternativ etwa so zu verstehen sein, dass in Rom die plötzliche Freude durch oder wegen der umarmten Grazien zu plötzlicher Traurigkeit werden wird.
3) "Embrassees" bedeutet "umarmt, umfasst". Falls "embrasees" gemeint sein sollte, wäre hier "verliebt, erregt, aufgeregt; brennend, verbrannt" zu übersetzen. Inhaltlich passt beides, vgl. Anmerkung 4.
4) Oder u. a. auch: "Gnaden, Gnadengaben, Begnadigungen; Gunstbezeugungen; Dankesbezeugungen". Da aber von "Umarmten" oder "Verliebten" die Rede ist, vermute ich, dass hier eher Personen bzw. Personifikationen gemeint sind - die Grazien (franz. ebenfalls "grâces"). Die lat. Bezeichung dieser - meistens drei - Göttinnen lautet "Gratiae", die griech. "Charites". Das lat. "gratia" bedeutet dabei wie das griech. "chara" u. a. "Freude", worauf Nostradamus in der ersten Zeile wohl angespielt hat. Ihre drei Namen lauten Aglaia ("Prunk, Glanz"),  Euphrosyne ("Frohsinn") und Thalia ("Lebensfreude, Festfreude"). Die drei Grazien wurden in der Kunst seit alters her tatsächlich als sich berührend oder umarmend dargestellt, z. B. von Raffael (1501-1505) oder in der Skulpturengruppe im Dom von Siena. Die drei Göttinnen gehörten zum Gefolge der Liebesgöttin Venus (Aphrodite), worauf das als "verliebt" verstandene "embrassees" hinweisen könnte.
5) "Larm." steht in diesem Kontext wohl für "larmes" (Tränen).
6) Oder auch: "[Das] erhabene Blut [wird eine] Freude [sein]."
7) "Bande" bedeutet im Mittelfranzösischen "Verbindung bzw. Gruppe von Personen" im weitesten Sinne. U. a. auch "Truppe, Armee". Möglicherweise hat Nostradamus mit der Wahl dieses Begriffes eine Brücke zu den "umarmten Grazien" der zweiten Zeile schlagen wollen, da das Verb "bander" u. a. "zusammenbinden, verbinden" bedeutet. Mit den "Banden" könnten hier also auch die miteinander verbundenen Grazien gemeint sein.
8) Oder auch: "ergriffen, gebunden, verschnürt". Die Bedeutung "gebunden" bzw. "verschnürt" wäre wohl wieder als Verbindung zu den "umarmten Grazien" zu verstehen.

In Rom werden die drei islamischen Angreifer plötzlich selber angegriffen und überwältig werden. Für das trojanische Blut wird es Grund zur Freude geben.

In der zweiten Zeile ist von den drei Grazien die Rede. Von Göttinnen, die der Liebesgöttin Venus folgen. Die Venus steht bei Nostradamus aber für den Islam, dessen Feiertag auf den Tag der Venus (Freitag) fällt. Wir haben hier also wohl drei Personen oder Mächte vor uns, die der Religion Muhammads folgen werden. Da sie unser Seher als "umarmt" beschreibt, dürften sie in enger, freundschaftlicher Beziehung zueinander stehen.

Mit den drei "Grazien" sind wohl die drei islamischen Akteure Iran, Tunis und Algier gemeint, die ein Bündnis bilden werden (vgl. 1/73).

Der ersten Zeile ist zu entnehmen, dass es für die drei "Grazien" zunächst Anlass zur plötzlichen Freude geben wird (vgl. allerdings Anmerkung 2). Doch diese Freude wird ebenso plötzlich der Traurigkeit weichen. Geschehen wird das in Rom (zweite Zeile). Dazu gehören dürfte der erste Teil der dritten Zeile, in dem von Trauer, Schreien und vielen Tränen die Rede ist.

Wie in 1/73 und 2/73 zu erfahren ist, wird der islamische Dreierbund Italien heimsuchen. Die Erwähnung Roms spricht somit für die Identifikation der drei Grazien mit dem Trio Iran, Tunis und Algier. Wenn deren Freude in Traurigkeit umschlägt, ist das wohl so zu verstehen, dass sie in die Defensive geraten werden. Das zweifach verwendete Adjektiv "plötzlich" bedeutet vielleicht, dass sie zunächst unerwartet schnelle Erfolge werden verzeichnen können (weil der Gegner "Endymion" noch schläft), dann aber ebenso schnelle Niederlagen erleiden werden (nachdem "Endymion" aufgewacht ist).

In 5.63 ist ebenfalls von der Eroberung der Ewigen Stadt sowie von deren Zerstörung die Rede. Verantwortlich dafür werden drei Könige sein, allerdings fehlt in 5.63 der Bezug zum Islam. 5.247 berichtet von einem Dreierbündnis, das die Welt erschüttern wird. Aber auch hier lässt sich bislang keine Verbindung zu Muhammads Glauben herstellen.

In der dritten Zeile lesen wir als Kontrapunkt zum Leid der drei Grazien von einer Freude, die es für das "erhabene Blut" geben wird. Mit diesem "erhabenen Blut" könnte das "trojanische Blut" der französischen Könige gemeint sein, vgl. 1/19, 2/61, 5/74 und 5/87 (alle 5.39). Von trojanischem Blut sind im Übrigen auch die Römer, die sich selber als Nachkommen des Aeneas verstanden. Inhaltlich könnte Nostradamus hier beides gemeint haben.

Der Grund zur Freude dürfte die plötzliche Traurigkeit der drei Grazien, d. h. der islamischen Angreifer sein. Und diese wiederum ist wohl in einer plötzlichen Niederlage begründet. Von einer solchen lesen wir in der vierten Zeile. Die "feindlichen Banden" werden überraschend angegriffen und überwältigt werden. Mit diesen "Banden" sind dabei wohl die drei Grazien bzw. deren Truppen gemeint, vgl. Anmerkung 7.






 

3/64  

Le chef de Perse remplira2) grande OLXAΔES1),

Classe3) trireme4) contre gent5) Mahumetique

De Parthe, & Mede6): & piller8) les Cyclades7),

Repos long temps au grand port Ionique9).

 

Das Oberhaupt von Persien wird große Lastschiffe1) füllen2).

[Die] Flotte3) [der] Dreiruderer4) [wird] gegen [das] mohammedanische Volk5)

von Parthien und Medien6) [auslaufen]. Und um die Kykladen7) zu verwüsten8).

Lange Zeit Pause im großen ionischen Hafen9).

1) Der als lateinisch-griechischer Hybrid gedruckte Begriff "OLXAΔES" (auch: "OLXADES") lässt sich auf zweierlei Arten verstehen. Die Olchades waren in der Antike ein iberisches Volk am oberen Guadjana, etwa 140 km südlich von Madrid. Oder Nostradamus hat hier das griech. ΟΛΚΑΔΕΣ(Lastschiffe) gemeint, vgl. BRIND’AMOUR, S. 416. Im ersten Fall müsste die Zeile dahingehend verstanden werden, dass das persische Oberhaupt das Gebiet der Olchades entweder (mit Truppen) anfüllen oder es im Gegenteil räumen wird, vgl. Anmerkung 2. Da in Zusammenhang mit dem iranischen Angriff auf Europa bislang nicht von Spanien die Rede war, scheint es aber wahrscheinlicher zu sein, dass hier Lastschiffe (griech. "olkades") gemeint sind. Die Stelle ist demnach wohl als "grandes OLKAΔES" zu lesen.
2) Das mittelfranzösische "remplir" bedeutet u. a. "auffüllen, ersetzen, erfüllen" und in der Wendung "remplir le siege de" auch "jemandem oder etwas Platz machen".
3) Lat. "classis" (Flotte, Heer).
4) Dreiruderer (Trireme) waren antike Ruderschlachtschiffe mit drei übereinanderliegenden Ruderbänken und einem Rammsporn. Hier sind wohl einfach große Kriegschiffe gemeint.
5) Auch im Sinne von "Kriegsvolk, Truppen".
6) Das antike Parthien umfasste wesentliche Teile des nordöstlichen Irans, das antike Medien den Nordwesten. Zum Partherreich (3. Jh. v. Chr. - 3 Jh. n. Chr.) gehörten während seiner größten Ausdehnung u. a. der gesamte Iran, Mesopotamien, Armenien und Teile Turkmenistans. Mit "Parthien und Medien" ist wohl einfach der Iran gemeint.
7) Griechische Inselgruppe in der südlichen Ägäis. Das Zentrum der Kykladen ist Delos.
8) Oder: "plündern".
9) Das Ionische Meer ist ein Teil des Mittelmeeres und wird von Sizilien, Süditalien und Griechenland begrenzt. An großen Häfen gibt es: Syrakus, Catania, Messina, Reggio di Calabria, Tarent.

Die Iraner werden in Europa Beute machen und diese auf großen Schiffen wegschaffen. Eine Flotte aus dem Westen wird gegen die Iraner auslaufen. Zu den Zielen dieser Armada werden die Kykladen gehören. Auf dem Weg in den Osten wird diese Flotte aber eine lange Pause in einem Hafen am Ionischen Meer einlegen.

In der ersten Zeile erfahren wir, dass der iranische Herrscher große Lastschiffe beladen lassen wird. Gemäß 2/96 wird der Iran mindestens bis Makedonien, laut 3/90 sogar nach Korsika und nach Nordwestitalien (2/73) vordringen. Somit dürften die erwähnten Lastschiffe wohl mit der Beute der Iraner angefüllt und Richtung Orient geschickt werden. Es ist zu hoffen, dass diese Beute nur aus Gegenständen und nicht auch aus Menschen bestehen wird.

Doch die großen, mit Beute beladenen iranischen Lastschiffe sind nicht die einzigen, die in See stechen werden. In der zweiten und dritten Zeile erfahren wir, dass eine Flotte von großen Kriegsschiffen ("Dreiruderer") gegen die Muslime bzw. die muslimischen Streitkräfte aus dem Iran auslaufen wird. Sollten hier die Schiffe aus dem Phokäer Hafen in 1/18/4 gemeint sein? Jedenfalls soll oder wird diese Armada die Kykladen verwüsten. Eine griechische Inselgruppe, die aufgrund des iranischen Vorstoßes nach Westen wahrscheinlich vom Iran besetzt sein wird.

Auf ihrem Weg nach Osten wird die Flotte der zweiten Zeile aber eine lange Pause in einem großen ionischen Hafen einlegen (vierte Zeile). Warum, das erfahren wir hier allerdings nicht.












 

1/74  

Apres seiourné vogueront en Epire1):

Le grand secours viendra vers Antioche2),

Le noir poil crespe3) tendra fort à l’empire:

Barbe d’ærain4) le roustira en broche.

 

Nachdem [sie sich] ausgeruht [haben werden], werden [sie] bei Epirus1) segeln.

Die große Hilfe wird nach Antiochia2) kommen.

Der [mit dem] schwarzen, gekrausten Haar3) wird stark nach der Herrschaft streben.

[Der] Bronzebart4) wird ihn am Spieß rösten.

1) Oder: "nach Epirus", vgl. lat. "in Epirum". Epirus ist eine Landschaft in Nordwestgriechenland, an der Küste des Ionischen Meeres.
2) Es gab in der Antike eine ganze Reihe von Städten namens Antiochia. Die Bedeutendste war die Hauptstadt Syriens, das heutige Antakya in der Südtürkei. Von 1098 - 1268 existierte zudem das Fürstentum Antiochia, ein Kreuzfahrerstaat mit Antakya als Hauptstadt. Von den anderen Antiochas lagen etliche in der heutigen Türkei. Davon zu erwähnen wären vielleicht Antiochia in Kommagene (heute Samsat), Antiochia am Callirhoe (Sanliurfa) und Antiochia am Cydnus (Tarsus). Im Iran gab es Antiocha Persis (Nahavand). Zwei Antiochias lagen auf dem Gebiet des heutigen Irak. Zwei weitere finden wir im heutigen Israel, darunter Acre (Akko), ein anderes in Jordanien. Den Namen Antiochia trugen auch das heute syrische Arwad und das turkmenische Merw. Antiochia in Skythien lag vermutlich im heutigen Usbekistan.
3) Der "Mann mit dem schwarzen, gekrausten Haar", taucht auch in 5.38 und 5.44 auf. Er könnte ein italienischer Machthaber oder Feldherr sein; jedenfalls besiegt er in 3/43 (5.44) südwestfranzösische Kräfte in Italien.
4) Im alten Rom gab es die Familie der A(h)enobarbi (eigentlich: "Rotbärte", "bronzefarbene   Bärte"). Bekannte Vertreter dieser Gens waren Cn. Domitius Aenobarbus, der die Allobroger besiegte und 120 v. Chr. die Via Domitia anlegte, L. Domitius Aenobarbus, ein Feldherr des Pompeius und Kaiser Nero. Ein neuer (französischer) Nero wird in 5.17 und 5.23 erwähnt.

Nach einer Ruhepause wird man bei Epirus segeln. Die große Hilfe wird nach Antiochia kommen. Der mit dem schwarzen, gekrausten Haar wird nach der Macht streben, aber von "Nero" besiegt werden.

In der ersten Zeile ist von Akteuren die Rede, die bei oder nach Epirus segeln werden, nachdem sie sich ausgeruht haben. Das würde zur Flotte aus 3/64 passen, die auf dem Weg zum Kampf gegen die Iraner zuerst eine lange Pause in einem Hafen am Ionischen Meer einlegen wird. Epirus liegt nämlich an besagtem Meer, vgl. Anmerkung 1.

Die zweite Zeile spricht  von einer "großen Hilfe", die nach Antiochia gelangen wird. Da das Adjektiv "groß" bei Nostradamus auch als "französisch" verstanden werden kann (vgl. 5.23), könnte das ein Hinweis sein, dass diese Hilfe aus Frankreich kommen wird. Da die Flotte aus 3/64 mit den Schiffen im Phokäer Hafen aus 1/18/4 identisch sein könnte, und die Phokäer einige französische Häfen gegründet haben (u. a. Marseille), würde das passen. Welches der antiken Antiochias hier allerdings gemeint ist, lässt sich im Augenblick noch nicht sagen (vgl. Anmerkung 2).

Die dritte und vierte Zeile gehört zu zeitgleichen Vorgängen in Europa. Es könnte dabei um den Aufstieg eines italienischen Machthabers gehen, der später vom französischen Herrscher "Nero" besiegt ("am Spieß geröstet") werden wird (vgl. Anmerkungen 3 und 4).

 

4/23  

La legion1) dans la marine classe2)

Calcine3), Magnes4) soulphre5), & poix bruslera:6)

Le long repos de lasseurée place:

Port Selyn7), Hercle8) feu les consumera.

 

Die Legion1) auf der Flotte2) [wird]

Chalkida3) [und] Magnesia4) [mit] Schwefel5) und Pech niederbrennen.6)

Lange Ruhe [wird] am sicheren Platz [herrschen].

[Beim] islamischen7) Hafen, wahrlich8), wird das Feuer sie vernichten.

1) In der Frühzeit der römischen Republik wurde das gesamte militärische Aufgebot des Staates "Legion" genannt. Später bezeichnete der Begriff den wichtigsten Truppenteil der römischen Streitkräfte. Die Legion umfasste in der Regel 3000 - 6000 Mann. Unter dem französischen König Franz I. (1515 - 1547) wurde die französische Infanterie 1534 in "Legionen" gegliedert, die statt aus fremden Söldnern aus französischen Berufssoldaten bestanden. Nostradamus könnte hier also französische Truppen meinen.
2) Lat. "marina classis" (Flotte, Seemacht).
3) Am wahrscheinlichsten dürfte sein, dass hier das ital. "Calcide" (griech. Chalkis, heute Chalkida) gemeint ist, vgl. BRIND’AMOUR, S. 490. Chalkida ist die Hauptstadt der griech. Insel Euböa. Vor der osmanischen Eroberung 1470 kontrollierte Venedig während mehr als zwei Jahrhunderten die Insel, so dass nachvollziehbar ist, dass Nostradamus hier den italienischen Stadtnamen "Calcide" gekannt und verwendet hat. Chalcedon (auch Calchedon u. a.), das heutige Kadiköy östlich von Istanbul, passt sprachlich weniger gut zu "Calcine". Oder Nostradamus hat nicht an eine Stadt sondern an eine Substanz gedacht, deren Name dann wohl vom lat. "calx" (Kalk) abgeleitet sein dürfte.
4) Lies: "Magnesie" (Magnesia). Magnesia war der Name zweier Städte in Südwest-Kleinasien (heute Manisa, 30 km nordöstlich von Izmir, und Söke, 75 km südöstlich von Izmir). Da Nostradamus aber in der gleichen Zeile von Chalkida auf Euböa spricht, ist vermutlich die Landschaft Magnesia in Griechenland (Thessalien) gemeint, die dem Nordende von Euböa gegenüber liegt.
5) Lat. "sulp(h)ur" (Schwefel), was zudem auch "Blitz" bedeuten kann.
6) Mischungen bzw. Kombinationen aus Schwefel und Kalk (vgl. Anmerkung 4) wurden in der Kriegsführung als Brandwaffen eingesetzt, vgl. BRIND’AMOUR, S. 493. Brennendes Pech kam ebenfalls zum Einsatz. Allerdings wurden die erwähnten Brandwaffen eher defensiv denn offensiv verwendet - etwa beim Abwehrkampf einer Stadt gegen Angreifer. Als Angriffswaffe gab es in der Antike das "Pyr automaton", eine sich selbst entzündende Brandgranate, die mit Katapulten in Festungen geschleudert werden konnte. Diese Granaten bestanden u. a. aus einer Paste, die aus Erdöl, Schwefel und Kalk hergestellt wurde (24.11.2009). Aber auch das Pech wurde (zusammen mit Schwefel) bei Angriffswaffen verwendet (vgl. THUKYDIDES 2,77,2-5).
7) "Selyn" bezieht sich auf die griechische Mondgöttin "Selene", die bei Nostradamus für den Islam steht und zu deren Attributen die Mondsichel gehört (vgl. die Ausführungen zu 5.23: 2/79/4). Von einem "islamischen Hafen" (Port Selyn) ist auch in 1/94/1 und 2/1/4 (5.222) die Rede. Der bedeutendste "islamische Hafen" war zur Zeit des Nostradamus zweifellos Istanbul (Konstantinopel), die Hauptstadt des mächtigen Osmanischen Reiches. Schon in der Antike wurde das damalige Byzanz u. a. durch die Mondsichel der Hekate symbolisiert, nachdem die Göttin die Stadt vor der Eroberung durch Philipp II. von Makedonien (340/339 v. Chr.) beschützt haben soll. Eine Symbolik, die nach der Eroberung der Stadt durch die Osmanen 1453 auf deren Reich übergegangen ist. So zeigte die Fahne des Osmanischen Reiches zur Zeit des Nostradamus wieder die altvertraute Mondsichel der Hekate bzw. Selene.

          Übersetzen wir "port Selyn" mit "Mond(sichel)hafen", kämen aber noch andere Hafenstädte infrage, v. a. Bordeaux, vgl. CLÉBERT, S. 213. Im Wappen der Stadt findet sich nämlich eine Mondsichel, und die Stadt wird auch Mondhafen (Port de la Lune) genannt.

          Im weiteren befand sich laut PTOLEMÄUS, Geographia 4,5 an der Westküste des heutigen Ägyptens, im Raum von Maaten Shammas, etwa 80 km nordwestlich von Mersa Matruh (27.11.2009), ein "Portus Selinus". Noch eine Möglichkeit wäre Selinus (Selinous), der Sterbeort Kaiser Trajans. Selinus lag an der südtürkischen Küste, nahe des heutigen Gazipaşa.

          Nostradamus dürfte mit seinem "Mond(sichel)hafen" jedoch tatsächlich Istanbul gemeint haben, wofür die inhaltlichen Zusammenhänge in 5.222 sprechen, vgl. den Kommentar zu 2/1 (5.222).
8) "Hercle" bzw. "Mehercle" ist eine lateinische Beteuerungformel, die nur von Männern gebraucht wurde. Sie bedeutet "beim Herkules!" und entspricht etwa "bei Gott, wahrhaftig, fürwahr, wahrlich". Möglicherweise ist dieser Begriff aber wieder einmal mehrdeutig zu verstehen. "Herkules" taucht nämlich in anderen Vierzeilern auf (vgl. 5.37, 5.38, 5.106, 5.151, 5.187, 5.216). Sollte der neue "Herkules" den oben erwähnten Krieg führen? In diesem Fall wäre hier wohl vom Feuer des (französischen) "Herkules" die Rede.

Eine Flotte wird französische Truppen in die Ägäis bringen, die dort bei Euböa einen Sieg erringen. Bei Istanbul wird die Flotte jedoch vernichtet werden.

In der ersten Zeile ist von einer Flotte die Rede, die wohl französische Truppen transportieren wird (vgl. Anmerkung 1). Von einer langen Ruhe bzw. Ruhepause an einem sicheren Platz lesen wir in der dritten Zeile. Diese beiden Informationen könnten den Vierzeiler mit 3/64 und 1/74 verbinden.

Die mit französischen Truppen bemannte Flotte scheint auf und bei Euböa (vgl. Anmerkungen 3 und 4) militärisch aktiv zu werden und dabei siegreich zu sein.

Ganz anders in der vierten Zeile. Die Flotte scheint hier beim "islamischen Hafen" durch Feuer vernichtet zu werden. Mit diesem "islamischen Hafen" ist dabei Istanbul gemeint, vgl. Anmerkung 7.

 

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