5.105  Eine lange Regenperiode löst eine verheerende, allumfassende Hungersnot aus. In vielen Orten brechen daraufhin Recht und Ordnung zusammen.
 

Zurück / Zurück zur Startseite 
 

Zusammenfassung
 

1/67: Nostradamus prophezeit eine große Hungersnot, die zunächst nur einzelne Gebiete betreffen, dann aber "überall" herrschen wird (zweite Zeile). Das bedeutet wohl, dass das gesamte Vorhersagegebiet (Europa, Mittelmeerraum, Naher Osten) unter ihr zu leiden hat. Diese Hungerkatastrophe wird so schlimm sein und so lange andauern, dass es keine Nahrungsvorräte mehr gibt und die Menschen auf der Suche nach Essbarem im Wald Wurzeln ausgraben werden (vierte Zeile). Zudem wird man "das Kind von der Mutterbrust wegreißen". Doch wieso? Haben die Frauen wegen des Hungers keine Muttermilch mehr? Oder könnte das ein Hinweis auf kannibalistische Exzesse sein? Letzteres wäre eine Parallele zur apokalyptischen Hungersnot in 5.104. Interessant ist übrigens noch, dass Nostradamus in der ersten Zeile davon berichtet, dass er das Auftauchen dieser Hungerkatastrophe nicht (nur?) sieht sondern fühlt. Das könnte man als Hinweis darauf verstehen, dass er seine prophetischen Visionen oder Botschaften in einem veränderten und möglicherweise empfindsameren Bewusstseinszustand empfangen hat.

6/5: Die ersten beiden Zeilen greifen die große Hungersnot aus 1/67 wieder auf und schildern ihre Ursachen. Zu diesen gehört zum einen eine "Pest (oder Unheil) bringende Welle" (vgl. Anmerkung 1) und zum anderen ein lange andauernder Regen im Norden. Ein "Regen" mit derartigen Auswirkungen kann wohl kaum einfach einen verregneten Sommer meinen. Zudem sind hier Niederschläge gemeint, die eine ganze Großregion (den "ganzen nördlichen Himmel") heimsuchen. Doch welche Gebiete sind hier gemeint? Jene nördlich des Mittelmeers (Europa)? Oder der Teil Europas, der nördlich von Amiens liegt, das in der dritten Zeile erwähnt wird? (Amiens liegt in der Nähe des 50sten Breitengrads, so wie z.B. auch Mainz, Frankfurt a. M., Bayreuth, Prag, Krakau, Lemberg, Kiew und Charkow.) Über die Ursachen eines derart verheerenden Regens kann im Moment nur spekuliert werden. Sollte er vielleicht die Begleiterscheinung einer Klimaveränderung sein? Ebenfalls unklar ist, was Nostradamus mit der "Pest bringenden Welle" aus der ersten Zeile meint. Eine Überschwemmungskatastrophe? Wenn ja, steht der lange Regen damit in einem Zusammenhang? Treten vielleicht zahllose Flüsse und Seen über die Ufer und vernichten Ernten und Felder? Oder rafft tatsächlich eine ansteckende, tödliche Krankheit ("Pest") die Menschen massenhaft dahin, so dass niemand mehr die Äcker bewirtschaften kann? Jedenfalls scheinen in Amiens und vielen ("hundert") weiteren Orten die staatlichen und gesetzlichen Strukturen zusammenzubrechen (dritte und vierte Zeile). Wohl als Folge der Naturkatastrophe oder eher noch der von ihr ausgelösten Hungersnot. Nostradamus schreibt in diesem Zusammenhang übrigens von "Amiens und hundert weiteren Orten der Hemisphäre". Das könnte man so verstehen, dass diese "hundert Orte" nicht nur in der Nähe von Amiens zu suchen sind sondern im gesamten Vorhersageraum, der ja Teil der nördlichen Hemisphäre der Erde ist. Das würde zur zweiten Zeile von 1/67 passen, wo Nostradamus vorhersagt, dass die große Hungersnot zuerst nur in einigen Gebieten auftreten, später aber "überall" herrschen wird. Gemäß 6/5 könnten wir vielleicht nun ergänzen, dass sie an vielen Orten den Zusammenbruch von Recht und Ordnung mit sich bringen wird.


Quellen
 

1/67
 
La grand famine que ie sens approcher,
Die große Hungersnot, die ich nahekommen fühle,
Souuent tourner, puis estre vniuersele,
wird oft [in verschiedenen Gebieten] die Runde gemacht haben, dann [aber] überall sein.
Si grande & longue qu’on viendra arracher
So groß und lange anhaltend [wird sie sein], dass man soweit gehen wird,
Du bois racine, & l’enfant de mammelle.
[die] Wurzel[n] des Waldes heraus- und das Kind von der Mutterbrust wegzureißen.

6/5
 
Si grand famine par vnde pestifere1).
[Eine] sehr große Hungersnot [wird] durch [die] Pest1) bringende Welle [verursacht].
Par pluye longue le long du polle3) arctique2):
[Und] durch [den] langen Regen [unter] dem ganzen nördlichen2) Himmel3).
Samarobryn4) cent lieux de l’hemisphere,
Samarobriva4) [und] hundert [weitere] Orte der Hemisphäre
Viuront sans loy exempt de pollitique.
werden ohne Gesetz leben [und] vom Politischen befreit [sein].
1) "Pest" kann im Mittelfranzösischen wie im Lateinischen auch einfach "Unglück, Unheil" bedeuten.
2) Lat. "arctous" (nördlich).
3) Lat. "polus" (u.a. Himmel, Himmelsgewölbe).
4) Lies: "Samarobryv". Samarobriva ist Amiens (Stadt in Nordfrankreich, etwa 130 km nördlich von Paris).
 

Zurück / Zurück zur Startseite