5.111  Ein Usurpator bemächtigt sich des "barbarischen Reiches". Sieben Königskinder werden gefangen und teilweise getötet.
 

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Zusammenfassung
 

3/59: Ein "Dritter" reißt unrechtmäßig die Herrschaft in einem "barbarischen" Reich an sich ("barbarisch" bezieht sich bei Nostradamus auf den nordafrikanisch-orientalischen bzw. muslimischen Raum). Mit dem "Dritten" könnte der dritte Herrscher einer Dynastie gemeint sein, der seine älteren Brüder bei der Thronfolge übergeht und diese vielleicht sogar gewaltsam beseitigt. Dazu würde die zweite Zeile passen, wo berichtet wird, dass er den größten Teil seines Blutes (d.h. seiner Familie) umbringen wird. In der dritten Zeile erfahren wir, dass dieser Dritte erst in hohem Alter vom Tod heimgesucht ("geschlagen") werden wird. Er selber wird aber zuvor den "Vierten" schlagen, d.h. wohl töten. Der "Vierte" dürfte wohl sein eigener Sohn, sein Thronerbe sein, der der vierte Herrscher aus dieser Dynastie sein würde. In der letzten Zeile erfahren wir den Grund für dieses ungewöhnliche Vorgehen: Der Dritte hat Angst. Angst, dass das "Blut" (seine Linie bzw. sein Sohn), die aus dem "Blut" (wohl Blutvergießen, vgl. lat. sanguis) hervorgegangen ist, lebt. Fürchtet der Dritte, dass ihn der Vierte vielleicht umbringen könnte? Die Situation erinnert ansatzweise an ein Geschehen aus der antiken Mythologie: an Saturn, der seinen Vater Uranus mit einer Sichel entmannt hat und aus Angst, dass seine Kinder das gleiche einmal mit ihm machen könnten, alle bis auf eines verschlang. Saturns Kinder waren dabei die zwölf olympischen Götter, von denen (zunächst) nur Jupiter entkommen konnte.

8/64: Sieben Kinder werden auf nicht näher beschriebene Inseln transportiert. Von diesen sieben werden dabei zwei in einer verzweifelten Lage sein. Durch den Abtransport dieser sieben Kinder scheinen Akteure auf dem Festland unterstützt zu werden. In der vierten Zeile dürfte der neue Philipp von Makedonien erwähnt sein (vgl. 5.106), der wohl überwältigt oder gar gefangengenommen werden wird. Jedenfalls scheint er alle Hoffnung aufzugeben. Ich denke nicht, dass das Ende des Makedonen in einem kausalen Zusammenhang mit den Vorgängen im "barbarischen Reich" steht. Vielmehr dürfte die Erwähnung Philipps der chronologischen Einordnung dieses Vierzeilers dienen.

1/10: In der zweiten Zeile erfahren wir, dass es sich bei den sieben Kindern aus 8/64 um sieben Königskinder handelt. Allerdings bleibt unklar, in welchem Verhältnis sie zum "Dritten" stehen. Sind es seine Sprösslinge? Oder gehören sie zu einer anderen Dynastie? Diese Kinder sind jedenfalls Gefangene und befinden sich in einem "Käfig" (erste und zweite Zeile). Die sieben Königskinder bekommen nun in ihrem Gefängnis Gesellschaft. Eine "Schlange", d.h. ein hinterhältiger und falscher Mensch, kommt zu ihnen. Und wie die Schlange im Paradies wird auch dieses "Reptil" jemanden zu einer sündhaften Tat verführen, siehe 6/11. Der zweite Teil des Verses ist etwas geheimnisvoll. In der vierten Zeile ist vom Tod einer Person die Rede. Und davon, dass noch vor deren eigenem Dahinscheiden deren Nachkommenschaft ("Frucht") schreien und sterben wird. Meines Erachtens ist damit der "Dritte" aus 3/59 gemeint, der wohl seinen eigenen Sohn, den "Vierten", töten wird (vgl. 4/60). Dieses Familiendrama wird, so die dritte Zeile, von den verstorbenen Ahnen des Dritten beobachtet werden, die dazu eigens die Hölle verlassen werden. Nostradamus dürfte damit wohl ausdrücken wollen, dass diese Tötung des eigenen Sohnes sehr weitreichende Konsequenzen für das Schicksal des gesamten Geschlechts haben dürfte. So weitreichende, dass die verblichenen Vorfahren es sich nicht werden nehmen lassen, diesem traurigen Geschehen selbst beizuwohnen. Ich vermute, dass der Dritte mit dieser Tat die Dynastie zum Aussterben verdammen wird. Der Umstand übrigens, dass die Ahnen aus der Hölle aufsteigen und nicht etwa aus dem Himmel herniederfahren werden, dürfte wohl damit zu tun haben, dass es sich bei ihnen um "Barbaren", d.h. um Nichtchristen handelt (vgl. 3/59). Die ganze Szene erinnert zudem ein wenig an die Bestattungsriten im alten Rom. Dort wurden nämlich beim Begräbnis eines Adligen u.a. die Masken der bereits verstorbenen Familienmitglieder im Trauerzug mitgeführt und Personen aufgesetzt, die diesen ähnelten. Somit waren die bereits Verblichenen "leibhaftig" anwesend.

6/11: Die sieben Familienzweige aus der ersten Zeile dürften wieder die sieben Kinder aus 8/64 und 1/10 sein. Wir erfahren, dass nur drei von ihnen übrig bleiben d.h. überleben werden. Der zweiten Zeile ist zu entnehmen, dass es die ältesten Kinder sind, die sterben werden.  Diese scheinen dabei nicht mit ihrem Tod zu rechnen sondern vielmehr überrascht zu werden. In der dritten Zeile lesen wir etwas über die Mörder. Es werden zwei der sieben Geschwister sein, die dazu verführt werden, ihre Brüder zu töten. Verführt wahrscheinlich durch die "Schlange" aus 1/10. In 8/64 haben wir erfahren, dass zwei der sieben Kinder verzweifelt sein werden. Möglicherweise sind diese mit den Mördern identisch. Die "Schlange" könnte sich diese Verzweiflung zu Nutze gemacht und die zwei so zu diesen Morden verführt haben. Was die "Schlange" diesen beiden Verzweifelten dafür versprochen haben könnte, lässt sich nur vermuten. Vielleicht das eigene Überleben? Doch dass man einer "Schlange" nicht vertrauen sollte, entnehmen wir der vierten Zeile. In dieser sterben nämlich die beiden Mörder ("Verschwörer") im Schlaf. Und dass das kein natürlicher Tod sein wird, erfahren wir in 4/60.

4/60: In der dritten Zeile dürften wir das Ende der beiden mörderischen Geschwister aus 6/11 beschrieben finden. Es wird der "Vierte" sein, der sie im Schlaf erstechen wird. Doch auch der Vierte (der Sohn des Dritten, vgl. 3/59) wird nicht an Altersschwäche sterben. In der zweiten Zeile erfahren wir nämlich, dass sein Vater ihn töten wird. Die letzte Zeile betrifft Genua und Florenz. Da sie sich im Augenblick jedoch nicht in einen größeren Zusammenhang einordnen lässt, lässt sie sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht einmal richtig übersetzen, vgl. Anmerkung 2).

Quellen
 

3/59
 
Barbare empire1) par le tiers vsurpé
[Das] barbarische Reich1) [wird] durch den Dritten usurpiert [werden].
La plus grãd part de son sang metra à mort:
Den größten Teil seines Blutes wird [er] töten.
Par mort senile par luy le quart frapé,   
Durch [einen] Tod in hohem Alter [und] von ihm [wird] der Vierte geschlagen [werden],
Pour peur que sang par le sang ne soit mort.
aus Angst, dass [das] Blut durch das Blut nicht tot sein könnte.
1) Oder auch: "Herrschaft".
 

8/64
 
Dedans les Isles les enfans transportez,
Auf die Inseln [werden] die Kinder transportiert [werden].
Les deux de sept seront en desespoir,
Die zwei von [den] sieben werden verzweifelt sein.
Ceux du terrouer en seront supportez,
Die vom Land werden damit unterstützt werden.
Nom pelle1) prins des ligues fuy l’espoir.
[Der] Name [von] Pelle1) [ist] von den Bündnissen gefangengenommen [worden]. Die Hoffnung [ist] entschwunden.
1) Das mittelfranzösische "pelle" bedeutet "Schaufel". Hier könnte aber vielmehr die antike Stadt Pelle (bzw. Pella) in Nordgriechenland gemeint sein. Pella war die Hauptstadt Makedoniens und als solche Residenz Alexanders des Großen und seines Vaters Philipp II. Mit dem "Namen von Pelle" wäre hier wohl der neue Philipp von Makedonien gemeint, der in den Zenturien an anderer Stelle auftaucht (siehe 5.106). Der Ausdruck "Name" ist hier wahrscheinlich eine Anlehnung an das lat. "nomen", das u.a. auch "Person" oder "Held" bedeuten kann.

1/10
 
Serpens1) transmis dens la caige de fer
[Die] Schlange1) [wird] in den Käfig aus Eisen geschickt [werden],
Ou les enfans septains du roy sont pris:
wo die sieben Kinder des Königs gefangen sind.
Les vieux & peres2) sortiront bas de l’enfer3),
Die Alten und Väter2) werden [die] Tiefe der Hölle3) verlassen,
Ains mourir voir de son fruict4) mort & crys.
[um] vor [dem] Sterben [den] Tod und [die] Schreie seiner Frucht4) zu sehen.
1)  Lat. "serpens" (Schlange). Oder, falls das mittelfranzösische "serpents" gemeint sein sollte: "[Die] Schlangen". Die "Schlange" dürfte hier ein hinterhältiger und falscher Mensch sein, vgl. griech. "ophis".
2)
Auch im Sinne von "Ahnen", vgl. lat. "patres".
3) Oder auch: "Unterwelt", vgl. lat. "infernus".
4) U.a. auch im Sinne von "Nachkommenschaft".


6/11  

Des sept rameaux1) à trois seront reduicts,
Von sieben Familienzweigen1) werden [sie] auf drei reduziert werden.
Les plus aisnez seront surprins par mort,
Die Ältesten werden vom Tod überrascht werden.
Fratricider les deux seront seduicts,
[Zum] Brüdermorden werden die beiden verführt werden.
Les coniurez en dormans seront morts.
Die Verschwörer werden schlafend sterben.
1) Lat. "ramus" (u.a. Familienzweig).
 

4/60
 
Les sept enfans en hostaige laissés,
Die sieben Kinder [werden] in [ihrer] Unterkunft belassen [werden].
Le tiers viendra son enfant trucider:
Der Dritte wird kommen, [um] sein Kind abzuschlachten.
Deux par son filz seront d’estoc percés,
Zwei werden von seinem Sohn mit einem Spieß durchstochen werden.
Gennes, Florence, los1) viendra encunder2).
[In] Genua [und] Florenz wird [man] dann1) [dazu] kommen, daran zu glauben2).
1) "Los" bedeutet u.a. "Ruhm, Ehre; Lob". Hier könnte aber ein Druckfehler vorliegen; z.B. für "les" oder, wie ich vermute, "lors" (dann).
2) "Encunder" ist ein bisher ungeklärter Begriff. Nach LEONI könnte er z.B. auf das lat. "incutiere" (schlagen gegen) zurückgehen. Ich könnte mir aber auch hier einen simplen Druckfehler vorstellen und lese "encunder" als "en cuider" (u.a. daran glauben), was gut zu "trucider" aus der zweiten Zeile passen würde. Da die vierte Zeile im Moment aber noch nicht in ihren Kontext eingeordnet werden kann, bleibt jede Übersetzung bis auf weiteres unsicher.
 

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