5.118  Die Tour de Bouc in Martigues wird im Laufe der Geschichte von Spaniern, Barbaren und Liguriern erobert werden.
 

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Zusammenfassung
 

1/28: In der ersten Zeile greifen Barbaren Martigues bei Marseille an. Sie scheinen dabei vom Meer her zu kommen. Mit den "Barbaren" dürften wie üblich Kräfte aus dem orientalischen bzw. islamischen Raum gemeint sein. Es ist aber eher zu bezweifeln, dass Nostradamus hier an die Schiffe des nordafrikanischen Piraten Barbarossa gedacht hat, der als Verbündeter Frankreichs 1543 seine Flotte vor Marseille und Toulon ankern ließ (GRUBER, S. 207). Die Tour de Bouc in Martigues wird, wie erwähnt, von den Barbaren angegriffen. Und zwar so heftig, dass sie "stöhnen" wird (vgl. auch Anmerkung 3). Stattfinden wird dieser Angriff lange nach einer spanischen Attacke auf diesen Turm. Hier könnte Nostradamus tatsächlich ein schon zu seiner Zeit vergangenes Ereignis meinen: die Eroberung der Tour de Bouc durch die Truppen von Karl V. im August 1536 (GRUBER, ebd.). Allerdings sagt Nostradamus auch für die Zukunft spanische Angriffe auf Südfrankreich voraus (etwa in 5.76 u.a.). In der dritten Zeile wird noch einmal das große Ausmaß sowohl des barbarischen wie auch des spanischen Angriffes betont. Die Menschen samt ihren Tieren und ihrem Hab und Gut werden großen Schaden davontragen. Die letzte Zeile dürfte den Zeitraum umschreiben, in dem Martigues und vielleicht die ganze Gegend unter dem barbarischen Zugriff zu leiden haben wird: vom Sternzeichen Stier bis zur Waage (also etwa April bis Oktober, vgl. Anmerkung 7).

1/71: Erste und zweite Zeile: Mit dem "Turm am Meer" dürfte wieder die Tour de Bouc aus 1/28 gemeint sein. Wieder werden die beiden Angreifer genannt, die wir bereits kennen: die Spanier und die Barbaren. Neu tauchen aber auch die Ligurier auf, die als dritte den Turm einnehmen werden. Während in 1/28 die Eroberung durch die Barbaren im Zentrum des Interesses steht, geht es in 1/71 offensichtlich um einen gemeinsamen Angriff verschiedener italienischer Kräfte auf Südfrankreich: Die erwähnten Ligurier stoßen dabei in Richtung Marseille vor, genauso wie die Pisaner, die auch Aix-en-Provence und Arles angreifen werden (dritte Zeile). Avignon wird von den Turinern geplündert werden (vierte Zeile). Dieser italienische Einmarsch in Südfrankreich wird große Zerstörungen anrichten. GRUBER (S. 207f.) vermutet hinter dem "Turm am Meer" die Tour Saint-Jean in Marseille, räumt aber ein, dass diese nie von den Liguriern eingenommen worden ist. Ich vermute aufgrund der inhaltlichen Parallelen, dass die Verse 1/28 und 1/71 zusammengehören und es sich in beiden Fällen um denselben Turm handelt. Allerdings scheinen die beiden Vierzeiler nicht in die gleiche Zeit zu gehören (es geht um zwei verschiedene Eroberungen) sondern sich "nur" auf den gleichen Ort zu beziehen. Nostradamus hat also in zwei Versen beschrieben, wovon ein Bauwerk im Laufe seiner Existenz Zeuge sein wird.
 

Quellen
 

1/28
 
La tour de Bouq1) gaindra2) fuste3) Barbare,
[Der Turm] Tour de Bouc1) wird [wegen des] barbarischen Schiffes3) stöhnen2),
Vn têps lõg temps apres barque hesperique4),5)
[in] einer Zeit lange nach [dem] hesperischen4) Boot.5)
Bestail, gês, meubles6) tousdeux ferõt grãt tare
[An] Tieren, Leuten [und] Hausrat6) werden alle beide großen Schaden verursachen.
Taurus & Libra7) quelle mortelle picque!
Stier und Waage:7) Was für ein tödlicher Streit!
1) Dieser Turm aus dem 12. Jahrhundert steht in der Hafenstadt Martigues (etwa 35 km nordwestlich von Marseille) und ist seit 1664 Teil der Festung Fort Vauban. In der Nähe von Martigues liegt zudem noch die Hafenstadt Port-de-Bouc.
2) Lies: "geindra" (geindre: ächzen, stöhnen, wimmern; klagen, jammern). In späteren Ausgaben steht "craindra" (wird fürchten).  Eine andere Möglichkeit wäre, dass hier "gaignera" gemeint ist (wird gewinnen, wird erreichen). In diesem Fall würde das barbarische Schiff diesen Turm erobern oder zumindest erreichen.
3) "Fuste" bezeichnet ein altertümliches Segelschiff, das hier wohl auch als Umschreibung für "Flotte" verstanden werden könnte. Daneben bedeutet "fuste" auch einfach "Holzstück". Verstehen wir "fuste" nach seinem lat. Ursprung (fustis) als Knüppel, wäre nachzuvollziehen, weshalb der Turm "stöhnt" oder "jammert": Er wird vom barbarischen Knüppel geschlagen.
4) Das lat. "Hesperia" bezeichnet das "Abendland", nach antiker Auffassung Italien, Spanien und Westafrika. Nostradamus meint damit wohl Spanien, vgl. 5.39 (5/40).
5) Die ganze Zeile ließe sich auch anders übertragen und verstehen: "[In] einer Zeit lange danach [wird] das hesperische Boot [einlaufen]." Ähnlich wie in Anmerkung 3) könnte auch hier das "Boot" wohl als Umschreibung für "Flotte" begriffen werden.
6) "Meuble" bezeichnet im Mittelfranzösischen zudem verschiedenste große aber bewegliche Objekte. Z.B. auch Kriegsgerätschaften.
7) Hier könnte Nostradamus die Zeit des Stiers bzw. der Waage meinen, nach mittelalterlicher Auffassung die Zeit vom 17. April bis 17. Mai bzw. vom 17. September bis 17. Oktober.

1/71
 
La tour marine troys foys prise & reprise
Der Turm am Meer [wird] dreimal erobert und zurückerobert [werden].
Par Hespagnols, barbares, Ligurins:
[Und zwar] von Spaniern, Barbaren [und] Liguriern.
Marseille & Aix1), Arles par ceux de Pise
Marseille und Aix-en-Provence1) [sowie] Arles [werden] von den Leuten aus Pisa [angegriffen werden].
Vast2), feu, fer3), pillé Auignon des Thurins.   
[Große] Zerstörungen2) [werden durch] Feuer [und] Waffen3) [angerichtet]. Avignon [wird] von den Turinern geplündert [werden].
1) Stadt in Südfrankreich, etwa 25 - 30 km nördlich von Marseille.
2) Nach lat. "vastatio" (Zerstörung).
3) Im Mittelfranzösischen kann "Eisen" (fer) auch "(eiserne) Waffe" bedeuten.


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