5.130 Der französische "Adler" wird zu Ostern beim südwestfranzösischen Labastide-Villefranche geschlagen und bis nach Pau zurückgedrängt werden. Eine "verrückte Dame" wird wieder zu Verstand kommen.
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4/70 - 2/44 - 10/41
4/70
Bien contigue des grans monts Pyrenees,
Vn contre l aigle1) grand copie2) addresser:
Ouuertes veines3), forces4) exterminees5),
Que iusque à Pau7) le chef6) viendra chasser.
1) Der französische* "Adler" taucht auch in 1/23 (5.113), 1/31 (5.210), 1/38 (5.113), 2/44, 2/85* (5.34), 3/37 und 5/81 (beide 5.31), 3/52 (5.34), 5/42 (5.182), 6/46 (5.190), 6/78 (5.193), 8/4 (5.209), 8/8 (5.203), 8/9 (5.16), 8/46* (5.159), 10/27 (5.225) und 5.200 auf. Konkret könnte damit ein französischer Feldherr oder Machthaber gemeint sein, der dem historischen Aëtius (ca. 390 - 454) ähnelt, vgl. griech. "aetos" und "aietos" (Adler). Flavius Aëtius (römischer Feldherr und mehrfacher Konsul) kämpfte gegen die Westgoten, Franken und Burgunder und besiegte 451 die Hunnen auf den Katalaunischen Feldern bei Châlons-en-Champagne. 454 wurde Aëtius von Kaiser Valentinian getötet.
Sehr nahe der großen pyrenäischen Berge
[wird] einer gegen den Adler1) [eine] große Armee2) anführen.
[Die] Venen [sind] geöffnet3), [die] Kräfte4) vernichtet5),
so dass [ihn] das Oberhaupt6) bis nach Pau7) verfolgen wird.
2) Lat. "copia" (u .a. Mannschaft, Truppe).
3) Der Aderlass ("saignée") war zur Zeit des Nostradamus noch eine wichtige Behandlungsmethode. Im übertragenen Sinne bezeichnete das mittelfranzösische "saignée" aber auch ein Blutvergießen, was hier wohl gemeint ist. CLÉBERT, S. 540f., weist darauf hin, dass mit "veines" auch unterirdische Gänge gemeint sein können, wie man sie etwa bei Belagerungen von Städten oder Festungen gegraben hat.
4) Auch im Sinne von "Streitkräften".
5) Oder auch: "vertrieben".
6) Oder: "Anführer".
7) Stadt in Südwestfrankreich, im westlichen Pyrenäenvorland.
Ganz in der Nähe der Pyrenäen wird der "Adler" eine vernichtende Niederlage erleiden und anschließend bis nach Pau verfolgt werden.
Ganz in der Nähe der Pyrenäen wird jemand eine große Armee gegen den französischen "Adler" ins Feld führen (erste und zweite Zeile).
Gemäß Zeile drei dürfte es zu einem Blutvergießen kommen, vgl. Anmerkung 3, bei dem die Streitkräfte aufgerieben werden. Doch wessen Streitkräfte? Die des "Adlers" oder des namenlosen Angreifers? Mit Blick auf 2/44 ist hier wahrscheinlich von einer Niederlage des "Adlers" die Rede. Und er dürfte es denn auch sein, der vom Sieger bis nach Pau verfolgt werden wird.
2/44
L’aigle1) pousée2) en tour des pauillons
Par autres oyseaux d’entour sera chassée,
Quand bruit3) des cymbres4), tubes5) & sonnaillõs6)
Rendront le sens de la dame insensée7).
1) Der französische* "Adler" taucht auch in 1/23 (5.113), 1/31 (5.210), 1/38 (5.113), 2/85* (5.34), 3/37, 4/70 und 5/81 (beide 5.31), 3/52 (5.34), 5/42 (5.182), 6/46 (5.190), 6/78 (5.193), 8/4 (5.209), 8/8 (5.203), 8/9 (5.16), 8/46* (5.159), 10/27 (5.225) und 5.200 auf. Konkret könnte damit ein französischer Feldherr oder Machthaber gemeint sein, der dem historischen Aëtius (ca. 390 - 454) ähnelt, vgl. griech. "aetos" und "aietos" (Adler). Flavius Aëtius (römischer Feldherr und mehrfacher Konsul) kämpfte gegen die Westgoten, Franken und Burgunder und besiegte 451 die Hunnen auf den Katalaunischen Feldern bei Châlons-en-Champagne. 454 wurde Aëtius von Kaiser Valentinian getötet. Das mittelfranzösische "aigle" kann männlichen oder weiblichen Geschlechts sein. In seiner weiblichen Form (vgl. "pousée") bezeichnet "aigle" auch ein militärisches Feldzeichen, vgl. lat. "aquila" (Legionsadler).
Der Adler1) [wird] bei den Zelten zurückgedrängt2) [werden].
Von anderen Vögeln [wird er] von dort vertrieben [werden].
Wenn der Klang3) der Zimbeln4), Trompeten5) und Glocken6) [ertönen wird],
werden [sie] den Verstand der verrückten7) Dame zurückgeben.
2) In der Ausgabe von Albi steht hier "pousée", in der Wiener jedoch "posée" (gesetzt, gestellt).
3) Oder auch: "Lärm".
4) "Cymbres" (in der Wiener Ausgabe steht "cymbes") ist wohl eine Verschreibung von "cymbles" (Zimbeln). Ansonsten wären die Kimbern gemeint, ein germanisches Volk, das zusammen mit den Teutonen von 113 - 101 v. Chr. den Römern einen Krieg geliefert hat (vgl. 3/8).
5) Das lat. "tuba" meint eine gerade Trompete mit tiefem Ton, besonders die Signaltrompete des römischen Heeres. In der lateinischen Vulgata werden die Hörner in Psalm 150,3 so bezeichnet: laudate eum in sono tubae laudate eum in psalterio et cithara, vgl. 10/41, Anmerkung 7.
6) Hier dürften wohl keine großen Kirchenglocken sondern eher Glöckchen oder Schellen gemeint sein, vgl. "sonnaille" (Glöckchen, das man einem Tier um den Hals hängt). Es gab zudem ein mittalterliches Musikinstrument, einem Glockenspiel ähnlich, das auch als Zimbel bezeichnet wurde.
7) Oder auch: "unvernünftigen, gelähmten".
Der "Adler" wird an Ostern zurückgedrängt, und eine verrückte Dame kommt wieder zu Verstand.
In der ersten Zeile ist wieder vom "Adler" die Rede. Er scheint in der Defensive zu sein und "bei den Zelten" (nahe eines Heerlagers?) vom Feind zurückgedrängt zu werden. In der zweiten Zeile nennt Nostradamus den erfolgreichen Gegner die "anderen Vögel". "Vögel" tauchen auch in 5.128 auf, in Zusammenhang mit Kämpfen nahe der Burgundischen Pforte, was allerdings ihre Identifizierung nicht erleichtert. Möglicherweise hat unser Seher bei den "Vögeln" aus 2/44 aber an römische Legionsadler und somit einfach an Truppen gedacht (vgl. Anmerkung 1).
Doch falls 2/44 zu 4/70 gehören sollte, wo wäre die Verbindung zu Südwestfrankreich zu finden?
In der dritten Zeile wird der Klang von Zimbeln, Trompeten und Glocken erwähnt. Und das könnte die Verbindung zu 10/41 herstellen, wo von Musik mit dem Klang der Lauten und Zimbeln die Rede ist. In 10/41 ist aber eindeutig von Südwestfrankreich die Rede ("Caussade"), wo die erwähnten Klänge ertönen werden. In 2/44/3 steht der Klang der Zimbeln, Trompeten und Glocken für einen bestimmten Zeitpunkt, wahrscheinlich die Osternacht, vgl. 10/41, Anmerkung 8.
Gemäß 2/44/4 werden "sie" (die "anderen Vögel") eine verrückte oder unvernünftige "Dame" wieder zu Verstand kommen lassen. Mit dieser "Dame" könnte z. B. eine Macht oder ein Staat gemeint sein, näheres erfahren wir hier leider nicht.
10/41
En la frontiere1) de Caussade2) & Charlus3),
Non guieres loing du fonds de la vallee4),
De ville Franche5) musicque à son de luths6),
Enuironnez combouls7) & grand myttee8).
1) "Frontiere" bedeutet im Mittelfranzösischen: "Front, Vorderseite, Vorhof (einer Kirche), befestigter Platz, Grenze, Region".
In der Region1) von Caussade-Rivière2) und Chalosse3),
nicht weit von der Talsohle4) entfernt, [hört man]
von Labastide-Villefranche5) [her] Musik zum Klang der Lauten6).
[Sie sind] umgeben [von] Zimbeln7) und [der] großen Nacht8).
2) Es gibt in Südwestfrankreich zwei Orte dieses Namens, zum einen Caussade, etwa 22 km nordöstlich von Montauban, und zum anderen ein Caussade-Rivière, etwa 5 km nördlich von Maubourguet sowie rund 40 km nordöstlich von Pau. Caussade-Rivière liegt nahe des Flusses Adour, der auch die Grenze (vgl. "frontiere") der Chalosse bildet.
3) Falls in dieser Zeile Caussade bei Montauban gemeint sein sollte, käme für "Charlus" wohl Caylus (ca. 20 km nordöstlich davon) in Frage. Ansonsten gäbe es etwa noch Carlus (ca. 60 km südöstlich von Caussade, bei Albi), Carlux (ca. 100 km nördlich von Caussade) oder auch Carlucet (ca. 70 km nördlich von Caussade). Doch alle genannten Orte liegen nicht in der Nähe der Pyrenäen (vgl. Kommentar). In der Region westlich von Caussade-Rivière gibt es hingegen ein Gebiet namens Chalosse ("Chalus"), das besser passen würde.
4) Hier könnte das Tal bzw. der Flusslauf des Gave de Pau gemeint sein, der - wie der Name schon sagt - durch Pau fließt und in einiger Entfernung von Labastide-Villefranche in die Gaves Réunis (die Vereinigung des Gave de Pau und des Gave d’Oloron) mündet, die sich später in den Adour ergießen. Oder das Tal des Gave d’Oloron, der Labastide-Villefranche in unmittelbarer Nähe passiert.
5) In Frankreich gibt es einige Orte namens Villefranche, sechs davon in Südwestfrankreich, sowie zwei Villefranque, ebenfalls in Südwestfrankreich gelegen. Labastide-Villefranche und Villefranque (Pyrénées-Atlantiques) liegen dabei den Pyrenäen und der Chalosse (vgl. Anmerkung 3) am nächsten. Labastide-Villefranche findet sich etwa 37 km östlich und Villefranque rund 6 km südöstlich von Bayonne.
6) Die Laute ist ein mittelalterliches Saiteninstrument ähnlich einer Gitarre, dessen Bezeichnung ursprünglich aus dem arabischen stammt. Ihr lateinischer Name ist "fides" (im Plural) oder "lyra" (das lat. "fides" bedeutet im Singular neben "Glaube" auch "Darmsaite"). Die griech. Entsprechungen sind "lyra" und "kithara".
7) Lat. "cymbalum" bzw. "cumbalum", griech. "kymbalon" (Zimbel). Die Zimbel ist ein antikes Schlaginstrument, das aus zwei metallenen Tellern besteht, die gegeneinander geschlagen werden.
Die letzten beiden Zeilen erinnern an Psalm 150, das große Halleluja:
1 Halleluja! Lobt Gott in seinem Heiligtum,
lobt ihn in seiner mächtigen Feste!
2 Lobt ihn für seine großen Taten,
lobt ihn in seiner gewaltigen Größe!
3 Lobt ihn mit dem Schall der Hörner,
lobt ihn mit Harfe und Zither (psalterio kai kithara)!
4 Lobt ihn mit Pauken und Tanz,
lobt ihn mit Flöten und Saitenspiel!
5 Lobt ihn mit hellen Zimbeln (kymbalois),
lobt ihn mit klingenden Zimbeln!
6 Alles, was atmet,
lobe den Herrn!
Halleluja!
(griech. Übertragungen gemäß Septuaginta.)
8) LE PELLETIER vermutet hier das griech. "mitos" (Schlinge, Schnur, Aufzug, Kette), das er als "Saite" übersetzt. Falls Nostradamus in diesem Vierzeiler an Psalm 150 gedacht hat, wäre wohl die Herleitung von "mythe" in seiner ursprünglichen griech. Bedeutung ebenso möglich (griech. "mythos": u. a. "Rede", "Geheiß, Auftrag" - hier also der Auftrag, Gott zu loben). Oder "myttee" ist ein simpler Druckfehler. Dann könnte es hier "nuyttee" (Nacht) heißen, und in der vierten Zeile wäre somit von einer großen oder langen Nacht die Rede. Im kirchlich-religiösen Bereich käme dafür etwa die Nacht vom 24. auf den 25. Dezember oder v. a. die Osternacht in Frage. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass im Mittelfranzösischen für Ostern, den Höhepunkt des liturgischen Jahres, die Bezeichnung "feste d’alleluia" (Fest des Halleluja) existiert (vgl. GREIMAS/KEANE, S. 21).
Der "Adler" wird beim südwestfranzösischen Labastide-Villefranche geschlagen werden.
In den letzten beiden Zeilen von 10/41 ist wie in 2/44/3 von Musik die Rede. Musik, die von Lauten und Zimbeln in Südwestfrankreich gemacht werden wird. Nach Südwestfrankreich verweist uns die erste Zeile, in der "Caussade" Erwähnung findet. Caussade-Rivière liegt dabei etwa 40 km nordöstlich von Pau (vgl. 4/70/4) sowie östlich der Chalosse, die Nostradamus mit "Chalus" wohl gemeint hat.
Die erwähnte Musik, die zur Messe in der Osternacht gehören dürfte, vgl. Anmerkung 8, wird aus "ville Franche" zu hören sein. Aufgrund des geografischen Kontextes ist damit wohl Labastide-Villefranche oder vielleicht noch Villefranque (Pyrénées-Atlantiques) gemeint.
Wie wir in 4/70 erfahren, wird zunächst eine Schlacht stattfinden und anschließend der Verlierer bis nach Pau verfolgt werden. In 10/41 scheinen nun Ort und Zeit dieser Schlacht mitgeteilt zu werden. Sie dürfte wohl zu Ostern stattfinden. Und als Schlachtfeld kommt wahrscheinlich ein Tal nahe Labastide-Villefranche infrage, das zwischen Caussade-Rivière und der Chalosse liegt, vgl. Anmerkung 4.