5.136   Ein bedeutender Kardinal wird von "Piraten" gefangen genommen, kann diesen danach aber entkommen.
 

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Zusammenfassung
 

5/44: Die erste Zeile berichtet davon, dass ein "Roter" auf dem Meer von Piraten gefangen genommen werden wird. Mit den "Roten" meint Nostradamus für gewöhnlich Kardinäle, die rote Ornate tragen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass hier von einem Ereignis auf See und somit indirekt von Schiffen die Rede ist. Bekanntlich wird die Kirche ja mit dem Schiff oder Fischerboot Petri verglichen. Sollten die in den unten stehenden Vierzeilern beschriebenen Geschehnisse deshalb vielleicht sinnbildlich für Konflikte im kirchlichen Bereich verstanden werden? Falls ja, sind die "Piraten" wohl Feinde der Kirche, vielleicht Abtrünnige. Nostradamus könnte diese Leute möglicherweise etwas scherzhaft als Piraten bezeichnet haben, da das griechische "peirates" (Pirat, Seeräuber) auf das Verb "peiran" zürückgeht, das "versuchen" aber auch "in Versuchung führen" bedeutet. Die "Seeräuber" wären in diesem Fall wohl als "Versucher" oder "Verführer" zu verstehen, die Katholiken vom rechten Glauben abbringen wollen. In der zweiten und dritten Zeile erfahren wir etwas mehr über den gefangen genommenen "Roten". Er hat anscheinend den Frieden  gestört oder stören lassen (vgl. Anmerkung 1), indem er mit einem gefälschten Dokument (vgl. Anmerkung 2) Zorn und Habgier entfacht hat. Wohl als Folge davon lässt der "große Pontifex" (Papst) in der vierten Zeile seine Armee oder Flotte (vgl. Anmerkung 5) verdoppeln. Das Kirchenoberhaupt bereitet sich also auf den Konflikt vor.

6/91: In den ersten drei Zeilen ist wohl wieder vom "Roten" aus 5/44 die Rede. Zeile zwei beschreibt ihn als hart und schrecklich sowie als jemanden, der keine Grenzen kennt ("zügellos" ist). Dies würde zu seinem Vorgehen aus 5/44 passen, wo er sich sogar eines gefälschten Dokuments bedient, um sein Ziel, den offenen Konflikt, zu erreichen. Die erste Zeile nennt ihn "Befehlshaber des Seekrieges". Auch hier stellt sich wieder die Frage, ob dies sinnbildlich oder wortwörtlich zu verstehen ist. Ein Kardinal als Admiral? Oder geht es um religiöse Auseinandersetzungen, bei denen der "Rote" den Kampf gegen die Feinde der Kirche leitet? In der zweiten Zeile wird wieder die Gefangennahme des "Roten" durch die Piraten erwähnt. Wie dieser in die Hände der Feinde gelangt, erfahren wir nicht. Doch die dritte Zeile berichtet, dass ihm unter anscheinend abenteuerlichen Umständen die Flucht aus der Gefangenschaft gelingen wird. Er scheint sich dabei in einem Warenballen, also in der Ladung eines Schiffes, zu verstecken. Dieses Motiv tauch ganz ähnlich schon in 6/27 (5.96) auf, könnte dort aber ein Wortspiel sein. Das könnte auch hier zutreffen, falls es um einen religiösen Konflikt gehen sollte. Anführer der Piraten scheint jemand zu sein, den Nostradamus den "Älteren" nennt. Mehr zu diesem erfahren wir allerdings nicht. In der vierten Zeile wird ein "Großer" erwähnt, der zu dieser Zeit offensichtlich einen Sohn bekommt, der dem antiken Agrippa (vermutlich Marcus Vipsanius Agrippa, vgl. Anmerkung 3) ähneln wird. Das ist wohl so zu verstehen, dass dieser Sohn ein großer Admiral wie Agrippa werden wird. Er könnte derjenige sein, der später einmal den neuen Marcus Antonius in 5.78 besiegt.

2/66: In der ersten Zeile dürfte wieder die abenteuerliche und anscheinend gefahrvolle Flucht des "Roten" erwähnt werden. In der zweiten Zeile taucht wieder ein "Großer" auf, der mit dem "Großen" aus 6/91 identisch sein könnte. Wir erfahren hier, dass sich sein Schicksal in kurzer Zeit verändern wird. Ob zum Guten oder Schlechten ist leider nicht ersichtlich. Da uns zu diesem Vierzeiler noch die Begleitverse fehlen, sind die letzten beiden Zeilen im Augenblick nicht einzuordnen. Es geht in diesen darum, dass ein Volk in einem Palast (von seinem Herrscher?) verführt und eine Stadt offensichtlich erfolgreich belagert werden wird. Ob oder wie der "Große" aus der zweiten Zeile in diese Vorgänge verwickelt ist, ist noch unklar.

Quellen
 

5/44
 
Par mer le rouge sera prins de pyrates,
Auf [dem] Meer wird der Rote von Piraten gefangen genommen [werden].
La paix sera par son moyen1) troublee:
Der Friede wird durch seine Vermittlung1) gestört werden.
L’ire & l’auare commettra par fainct acte2)
Den Zorn und die Habgier wird [er] durch [ein] gefälschtes Dokument2) heraufbeschwören.
Au3) grand Pontife4) sera l’armee5) doublee.
Vom3) großen Pontifex4) wird die Armee5) verdoppelt [werden].
1) Oder u.a. auch: "Vermittler".
2) Oder auch "Tat, Aktion". In diesem Fall wäre hier wohl einfach von einer Täuschung die Rede.
3) Im Mittelfranzösischen kann "au" dem heutigen "du" entsprechen. Es könnte hier aber auch moderner übersetzt werden: "wegen des, für den" usw.
4) "Ponitfex Maximus" war der Titel des Oberpriesters im alten Rom. Später wurde damit der Papst bezeichnet.
5) Oder im Mittelfranzösischen auch: "Flotte".


6/91  

Du conducteur de la guerre nauale,
Vom Befehlshaber des Seekrieges,
Rouge effrené, seuere horrible grippe1),
[dem] zügellosen, harten [und] schrecklichen Roten, [ist die] Ergreifung1) [zu vermelden].
Captif eschappé de l’aisné dans la baste2):
[Der] Gefangene [wird] dem Älteren im Ballen2) entkommen.
Quant il naistra4) du grand vn filz Agrippe3).
[Dann,] wenn dem Großen ein Sohn Agrippas3) geboren4) werden wird.
1) "Grippe" bedeutet im Mittelfranzösischen u.a. "Ergreifung, Raub; Streitigkeit, Feindseligkeit". Falls der Gefangene aus der dritten Zeile mit dem "Roten" aus der zweiten Zeile nicht identisch sein sollte, ließe sich die dritte Zeile auch etwa folgendermaßen übersetzen: "[dem] zügellosen, harten [und] schrecklichen Roten, [wird der] Kampf [geführt werden]."
2) "Baste" ist wohl ein Druckfehler. Bei der ersten Veröffentlichung dieses Vierzeilers im Jahr 1557 steht hier "balle" (vgl. LEONI), was auch besser zum "nauale" aus der ersten Zeile passt. "Balle" bedeutet u.a. "Ball, kugelförmiger Gegenstand, Warenballen".
3) Lat. "Agrippae" ("des Agrippa" oder auch "in der Art des Agrippa"). Es gab mehrere bedeutende Persönlichkeiten mit dem Cognomen Agrippa. Menenius Lanatus Agrippa vermittelte 494 v. Chr. den Frieden mit den auf den Mons Sacer ausgewanderten Plebejern, stellte also die Einheit des römischen Volkes wieder her. Marcus Vipsanius Agrippa (63 - 12 v. Chr.) war ein Vertrauter Oktavians, des späteren Augustus, und ein bedeutender Feldherr. Er besiegte u.a. 31 v. Chr. Marcus Antonius in der entscheidenden Seeschlacht bei Actium. Es gäbe zudem noch die beiden judäischen Könige Herodes I. und II., die ebenfalls das besagte römischen Cognomen trugen.
4) Das mittelfranzösische "naistre" bedeutet auch bloß "erscheinen, auftauchen".

2/66
 
Par grans dangiers le captif echapé:
Unter großen Gefahren [wird] der Gefangene entkommen.
Peu de temps grand la fortune changée.
[In] kurzer Zeit [wird sich für den] Großen das Geschick verändert [haben].
Dans le palais1) le peuple2) est atrapé3)
Im Palast1) wird das Volk2) verführt3).
Par bon augure la cité est assiegée.
Unter gutem Vorzeichen wird die Stadt belagert.
1) Oder: "Gerichtshof".
2) Oder: "Kriegsvolk, Truppe".
3) Oder u.a. auch: "getäuscht".
 

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