5.158 Es herrscht Krieg nahe der spanisch-französischen Grenze. Nach einem falschen Friedensschluss erobert man von Barcelona aus Marseille.
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Zusammenfassung
6/56: Die Spanier (vgl. Anmerkung 2) werden sehr von einer Armee erschreckt werden, die offenbar gefürchtet ist. Sie kommt vielleicht aus Narbonne oder wird von jemandem (dem "Feind") angeführt, der aus dieser Stadt stammt (erste und zweite Zeile). Wo die Spanier und diese Armee aufeinander treffen werden, ist hier leider nicht ersichtlich. Kämpfe dürften aber bei oder in Perpignan stattfinden, jedenfalls wird die Stadt entvölkert werden. Wer dafür verantwortlich ist, ist nicht klar. Nostradamus spricht von einem "blinden Maulwurf" oder vielleicht auch von einem "Blinden aus Arbon" (dritte Zeile, Anmerkung 4). Jedenfalls wird Barcelona zu dieser Zeit "Spieße" (wohl bewaffnete Truppen) übers Meer schicken (vierte Zeile). Und wie aus 3/88 zu entnehmen ist, werden diese Marseille angreifen.
6/64: In der vierten Zeile ist wieder von Barcelona die Rede. Die dort befindlichen Streitkräfte werden sich in Bewegung setzen ("von Betriebsamkeit erfasst werden"). Die ersten drei Zeilen beschreiben, was kurz zuvor geschehen wird. Es scheint bereits Krieg geherrscht zu haben, doch man hat einen Waffenstillstand oder sogar Frieden geschlossen (dritte Zeile). Allerdings haben die Vertragspartner betrügerische Absichten gehabt (zweite Zeile). Keiner von ihnen hatte vor, den Vertrag auch tatsächlich einzuhalten (erste Zeile). So überrascht es denn auch nicht, dass die Flotte in Barcelona zum Angriff ausläuft.
3/88: In den ersten beiden Zeilen erfahren wir, wohin die Flotte aus 6/56 und 6/64 und mit ihr eine große Invasionsarmee fahren wird: Marseille soll eingenommen werden. Man erobert die kleinen vor der Stadt gelegenen Inseln und kesselt (wohl auf dem Land in der Nähe der Stadt) die Streitkräfte ein, die Marseille helfen sollen (dritte Zeile). Doch die Stadt wird nicht einfach nur durch rohe Gewalt erobert werden. Vielmehr gelingt es den Angreifern, einen Verräter an Land und in die Stadt zu bringen, der ihnen wahrscheinlich den Zugang ermöglichen wird (vierte Zeile).
10/88: Und der Verräter macht seine Sache wohl gut. Die Angreifer können vom Land her mit Infanterie und Kavallerie in die Stadt eindringen. Und zwar in der Nacht (vgl. Anmerkung 2), d. h. wenn man am wenigsten mit ihnen rechnet. Gleichzeitig greift die Flotte vom Meer her an und verwüstet alles (erste und zweite Zeile). Marseille, genauer seine Bevölkerung, wird ein schweres Schicksal ereilen. Es scheint, als würden die Einwohner - oder wenigstens ein großer Teil von ihnen - bei oder nach der Eroberung der Stadt sterben (vgl. auch Anmerkung 3).
Quellen
6/56
1) Stadt in Südwestfrankreich nahe der Mittelmeerküste.
La crainte armee de l’ennemy Narbon1),
Die gefürchtete Armee des Feindes [aus] Narbonne1)
Effrayera si fort les Hesperiques2):
wird die Hesperischen2) sehr erschrecken.
Parpignan3) vuide par l’aueugle darbon4),
Perpignan3) [wird] entleert [werden] durch den blinden Maulwurf4),
Lors Barcelon par mer donra les piques.
wenn Barcelona über [das] Meer die Spieße schicken wird.
2) "Hespericque" bezieht sich wahrscheinlich auf die klassische Hesperia (Italien, Spanien, Westafrika). In 5.39 (5/40) ist damit wohl Spanien gemeint. Eine andere Möglichkeit wären die Hesperiden, Nymphen der antiken Mythologie, die auf einer Insel im Atlantik lebten.
3) Stadt in Südwestfrankreich nahe der Mittelmeerküste, etwa 25 km nördlich der spanischen Grenze und rund 50 km südwestlich von Narbonne.
4) Diese Stelle lässt sich auf verschiedene Weise verstehen. Es scheint in der dritten Zeile darum zu gehen, dass Perpignan entleert, d. h. seine Bevölkerung verlieren wird. Versteht man "darbon" als "dard bon" (etwa: "wirkungsvoller Wurfspeer"), könnte damit eine moderne Massenvernichtungswaffe gemeint sein, die "blind" (aueugle) ist, d. h. ohne Unterschiede zu machen alles Leben in der Stadt auslöschen wird. Oder man liest "darbon" als "d’Arbon" (von Arbon). Dann würde jemand aus Arbon, den Nostradamus den "Blinden" nennt, alle Einwohner Perpignans töten oder vertreiben. Neben dem schweizerischen Arbon am Bodensee gibt es in Südfrankreich, ungefähr auf halbem Weg zwischen Tarbes und Foix und etwa 85 km südwestlich von Toulouse, einen Ort gleichen Namens. Eine weitere Möglichkeit ist das nordwestpanische Arbón nahe der asturischen Atlantikküste, wenige Kilometer nördlich von Villayón. Mit dem "Blinden" könnte Nostradamus z. B. auf die römische Familie der Caecilii Metellae anspielen (lat. "caecus": blind), aus der etliche Politiker und Feldherren stammten. So etwa Quintus Caecilius Metellus Pius, ein Gefolgsmann Sullas, der von diesem als Proconsul nach Spanien gesandt wurde. Dort blieb er acht Jahre und bekämpfte erfolgreich den aufständischen Sertorius. Ist der "Blinde" vielleicht ein erfolgreicher Feldherr, der aus dem spanischen Arbón stammt und Ähnlichkeit mit Quintus Caecilius Metellus Pius hat? Eine andere und sprachlich wohl naheliegendere Lösung bietet CLÉBERT, S. 741. Er verweist auf das provenzalische "darboun", das "Maulwurf" bedeutet. In diesem Fall würde Perpignan durch den "blinden Maulwurf" entleert werden. Als "taupins" (etwa "Maulwürfler") wurden Pioniere bzw. Mineure bezeichnet, die eine belagerte Stadt mit Tunneln unterminierten, aber auch die Angehörigen der französischen Miliz unter Karl VII. (1422 - 1461). Zum Maulwurf und seiner Bedeutung in der Magie vgl. Plinius d. Ä., Naturalis historia, 30, 7.
6/64
1) Lies: "aucun".
On ne tiendra pache aucune1) arresté,
Man wird den Vertrag nicht halten. Keiner1) [wird dazu] entschlossen [sein].
Tous receuans iront par tromperie:
Alle Beteiligten werden mit Betrug vorgehen.
De paix & trefue, terre & mer protesté,2)
[Des] Friedens und [der] Waffenruhe [wurde man auf dem] Land und [auf dem] Meer versichert.2)
Par Barcelone classe3) prins d’industrie4).
In Barcelona [wird die] Flotte3) von Betriebsamkeit4) erfasst [werden].
2) Oder auch: "Vom Frieden und [der] Waffenruhe [wurden] Land und Meer vesprochen." Allerdings ist dann "protesté" als "protestées" zu lesen.
3) Lat. "classis" (Flotte, Heer).
4) Lat. "industria" (Betriebsamkeit, Fleiß).
3/88
1) Hier sind wohl die kleinen Inseln vor Marseille gemeint (Ile Ratonneau, Ile Pomègues und Château d’If).
De Barcelonne par mer si grand armee,
Aus Barcelona [wird] übers Meer [eine] dermaßen große Armee [kommen,
Toute Marseille de frayeur tremblera:
dass] ganz Marseille vor Angst zittern wird.
Isles1) saisies de mer aide fermée,2)
[Die] Inseln1) [werden] vom Meer [aus] besetzt [und die] Hilfe [wird] eingekesselt [werden].2)
Ton traditeur en terre nagera3).
[Marseille,] dein Verräter wird an Land segeln3).
2) Oder auch: "[Die] Inseln [werden] besetzt [und die] Hilfe vom Meer [wird] eingekesselt [werden]."
3) Vgl. lat. "in terram egredi" (an Land gehen). Nostradamus hat hier sicher nicht gemeint, wie auch schon vermutet worden ist, dass der Verräter auf dem Land segeln oder schwimmen wird. Das mittelfranzösische "nager" bedeutet neben "schwimmen" auch "zur See fahren, segeln".
10/88
1) D.h. mit Infanterie und Kavallerie.
Piedz & Cheual1) à la seconde veille2)
[Zu] Fuß und [zu] Pferd1) [werden sie] bei der zweiten Wache2)
Feront entree vastient tout par la mer,
eindringen [und] alles vom Meer her verwüsten.
Dedans le poil3) entrera de Marseille,
In den Ofen3) wird [man] aus Marseille wandern.
Pleurs crys, & sang onc nul temps si amer.
Tränen, Schreie und Blut. Niemals [war eine] Zeit so bitter.
2) Seit der Römerzeit wurde die Nacht in vier Wachen (vigiliae) zu etwa drei Stunden eingeteilt, die allerdings je nach Nachtdauer ungleich lang waren. Die Zeit der zweiten Wache dauert vom späten Abend bis in die Mitte der Nacht.
3) "Poil" bedeutet "Haar", was allerdings keinen rechten Sinn ergibt. Möglicherweise ist hier "poille" (Tuch, Teppich, Mantel; geheizter Raum, Herd, Ofen) gemeint. Da Marseille gemäß vierter Zeile ein sehr schweres Los zu tragen haben wird, scheint mir ein (Verbrennungs-) Ofen oder ein Tuch (Leichentuch) für die Stadtbevölkerung am wahrscheinlichsten zu sein.