5.188 Ein großer Heerführer wird von seiner Frau mit dem Stellvertreter des Königs betrogen werden.
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Zusammenfassung
7/9: In den ersten beiden Zeilen erfahren wir, dass eine wohl hochstehende Dame (vgl. Anmerkung 1) vom Stellvertreter des Königs (vgl. Anmerkung 3) umworben werden wird. Und zwar dann, wenn der große Heerführer dieser Dame abwesend ist. Damit könnte der Ehemann der Dame gemeint sein. Der zweite Teil des Vierzeilers handelt von einem großen Fürsten, einem Herzog von Bar (vgl. Anmerkung 6). Dieser scheint ein falsches Versprechen zu besitzen und ein unglückliches Vorzeichen, vielleicht auch ein übles Geschenk zu Neujahr zu erhalten (vgl. Anmerkung 4). Ist dieser Herzog vielleicht der Ehemann der Dame aus der ersten Zeile? In diesem Fall könnte das falsche Versprechen das Ehegelübde seiner Frau meinen, das nicht aufrichtig ("falsch") sein wird. Ein Treueversprechen, das nichts wert ist und dementsprechend leicht gebrochen werden kann. Das "üble Neujahrsgeschenk" meint vielleicht den Ehebruch der Dame, der zu Beginn eines Jahres begangen werden wird. Ein Ehebruch, der vom betrogenen Fürsten gleichzeitig als unglückliches Vorzeichen für das ganze Jahr interpretiert werden könnte.
6/59: In der ersten Zeile ist wohl wieder von der treulosen Ehefrau aus 7/9 die Rede. Sie hat nun ihren Mann betrogen, ist aber jetzt in heller Aufregung und erkennt den Wahnsinn ihrer Tat. Wahrscheinlich wird ihr bewusst, was für Konsequenzen ihr Verhalten für sie haben kann. Laut zweiter Zeile wird sie sich mit anderen gegen "ihren Fürsten" verschwören, um den Ehebruch geheim halten zu können. Mit "ihrem Fürsten" ist wohl "ihr großer Heerführer" aus 7/9 gemeint - ihr Ehemann. Das Ziel dieser Verschwörung scheint nur darin zu bestehen, den Fehltritt der Ehefrau zu verheimlichen, nicht aber etwa den Gatten auszuschalten. Doch alle Bemühungen sind vergeblich: die Schandtat der untreuen Dame wird bekannt werden (dritte Zeile). Als Folge davon werden siebzehn Personen das "Martyrium" erleiden (vierte Zeile, vgl. Anmerkung 2). Wer diese siebzehn Leute sind, ist nicht ersichtlich. Der Begriff "Martyrium" könnte aber vielleicht ein Hinweis auf einen kirchlich-religiösen Hintergrund dieser Menschen sein. Wer fügt ihnen Leiden und Tod zu? Der gehörnte Ehemann?
Es stellt sich die Frage, weshalb Nostradamus hier einen Vorgang erwähnt, der heutzutage vornehmlich in der Klatschpresse seinen Niederschlag finden würde. Möglicherweise hat diese Bettgeschichte aber weitreichende Folgen für das ganze Land (wahrscheinlich Frankreich). Darauf deuten schon die siebzehn (!) gefolterten oder getöteten Mitwisser hin. Immerhin ist einer der Hauptbeteiligten der Stellvertreter des Königs, also jemand, der zur engsten Umgebung des Monarchen - vielleicht sogar zu dessen Familie - gehört. Und der betrogene Ehemann scheint gemäß 7/9 ein Herzog und zudem ein großer Heerführer zu sein. Als solcher ist er für den König von großer Wichtigkeit, v. a. in Kriegszeiten. In diesem Zusammenhang wird die erste Zeile von 7/9 nochmals interessant. Dort lesen wir nämlich, dass dieser Heerführer "abwesend" sein wird. Doch wo ist er? Führt er vielleicht für den König irgendwo Krieg? In diesem Fall befände sich der König in einer Zwickmühle: Einerseits braucht der Monarch seinen großen Heerführer, andererseits besteht wahrscheinlich auch zu seinem Stellvertreter ein besonderes Loyalitätsverhältnis. Es ist nicht viel Phantasie erforderlich um sich vorzustellen, dass eine solche Konstellation den Staat in eine Krise stürzen könnte.
Quellen
7/9
1) Das mittelfranzösische "dame" ("Dame") ist u. a. eine Bezeichnung für Frauen aus dem Adel.
Dame1) à l’absence de son grand capitaine2),
[Die] Dame1) [wird] während der Abwesenheit ihres großen Heerführers2)
Sera priee d’amours du Viceroy3),
von [den] Begierden des Stellvertreters des Königs3) umworben werden.
Faincte promesse & malheureuse estraine4),
[Ein] falsches Versprechen und [ein] unglückliches Vorzeichen4)
Entre les mains5) du grand prince Barroys6).
[werden] zwischen den Händen5) des großen Fürsten [des] Barrois6) [sein].
2) Oder auch: "Flottenkommandant, Kapitän zur See".
3) Ein "Viceroy" ("Vizekönig") ist der direkte Stellvertreter des Königs, der z. B. in einer Provinz oder in einer Kolonie die Macht des Königs ausübt. Vizekönige gab es etwa im spanischen Kolonialreich, im indischen Goa (zu Portugal) oder ab 1541 auch in der Nouvelle-France, den französischen Kolonien in Nordamerika.
4) Oder u. a. auch: "Neujahrsgeschenk".
5) Die Formulierung "zwischen den Händen" ist hier wahrscheinlich als "in Händen" (im Besitz von) zu verstehen.
6) Der Barrois ist eine Gegend zwischen Lothringen und der Champagne. Seit 1354 ein Herzogtum, gehörte der Bar im Westen zu Frankreich und im Osten zum Deutschen Reich. Die deutsche Hälfte wurde 1380 wieder an das Herzogtum Lothringen angegliedert, der Westteil (der "Barrois mouvant") blieb bei Frankreich. 1483 wurde der Barrois mouvant in das französische Lothringen integriert. Beim "großen Fürsten des Barrois" könnte Nostradamus vielleicht an René I. den Guten (1409 - 1480) gedacht haben, der ab 1420 Herzog des Bar war. René (aus dem Haus Anjou) war der zweite Sohn König Ludwigs II. von Neapel. 1438 - 1442 war er amtierender König von Neapel, verlor seinen Thron aber an Alfons I. von Aragon. René, dem von Neapel nur der Titel "König von Jerusalem und Sizilien" blieb, ging darauf hin in die Provence, deren Graf er bereits 1434 geworden war. Im Hunderjährigen Krieg unterstützte er den französischen König Karl VII. gegen die Engländer. In der Provence widmete sich René den schönen Künsten wie der Malerei und der provenzalischen Poesie.
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1) Oder auch: "stechender Schmerz".
Dame en fureur par rage1) d’adultere,
[Die] Dame [wird] in Aufregung [sein] wegen [des] Wahnsinns1) des Ehebruches.
Viendra à son Prince coniurer non de dire:
[Sie] wird kommen, um [sich] gegen ihren Fürsten zu verschwören, [damit] nichts gesagt [wird].
Mais bref cogneu sera le vitupere,
Aber kurz [darauf] wird die Schande bekannt sein,
Que seront mis dixsept à martire2).
so dass siebzehn dem Martyrium2) ausgesetzt werden.
2) Das mittelfranzösische "martire" (Martyrium) bezeichnet im engeren Sinne Tod und Leiden für den christlichen Glauben. Im übertragenen Sinn kann damit aber auch einfach ein grausamer Tod bzw. ein grausames Leiden gemeint sein.