5.192  Am Tessin nahe Pavia findet eine schicksalsbestimmende Schlacht zwischen Franzosen und Römern statt.
 

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Zusammenfassung
 

6/79: In den ersten beiden Zeilen werden Franzosen als Akteure genannt. Sie stammen von der Loire, Garonne, Saône, Seine und der Gironde sowie aus Tain-L’Hermitage an der Rhone. Ob Nostradamus hier Frankreich als Ganzes gemeint hat oder ob ein oder mehrere französische Teilstaaten aktiv werden, ist nicht ersichtlich. Da vom Tessin und vom Po die Rede ist, spielt sich das Geschehen wahrscheinlich im Großraum Pavia ab, in dessen Nähe die beiden Flüsse zusammenfinden. In der dritten Zeile erfahren wir, dass die Franzosen in Richtung eines Vorgebirges vorstoßen werden. Damit könnte der Oltrepò Pavese, das Gebiet wenige Kilometer südlich von Pavia, auf der rechten Seite des Pos gemeint sein. Die dortigen Erhebungen verweisen schon auf den Apennin. Dann wird es zum Kampf kommen. Gegen wen die Franzosen kämpfen werden, erfahren wir hier noch nicht. Dafür ist der vierten Zeile zu entnehmen, dass der Po offensichtlich Hochwasser führen wird. Er wird richtiggehend "überschwemmt", d. h. wohl über die Ufer getreten sein.

2/26: In der dritten Zeile fordert Nostradamus jemanden auf, aus der Schlachtreihe nahe des Pos zu fliehen. Mit Blick auf 2/72 dürfte er sich dabei wohl an die Franzosen oder an deren Anführer wenden. Er rät, in einer ungenannten Stadt Schutz zu suchen. Ob damit das nahe gelegene Pavia gemeint ist, bleibt offen. Jedenfalls wird diese Stadt auch einem anderen Schutz gewähren. Einem Großen, der kurze Zeit nach den Kämpfen bei Pavia eine Schlacht verlieren wird. Ob die Schlacht des Großen etwas mit den hier beschriebenen Vorgängen zu tun haben wird, ist nicht ersichtlich. In den letzten beiden Zeilen erfahren wir, weshalb Nostradamus zur Flucht vom Po rät. Der Tessin fließt, bevor er in den Po mündet, ein paar Kilometer mehr oder weniger parallel zum großen Strom. Es könnte nun so sein, dass die französischen Streitkräfte in dieses Gebiet zwischen den Flüssen marschiert sind. Da der Po gemäß 6/79 jedoch über die Ufer getreten ist, ist es wohl nicht möglich, ihn zu überqueren. Die Franzosen stecken also in einer Sackgasse fest. In diesem Moment greift sie der Feind im Norden, beim Tessin an. Und die Kämpfe bei diesem Fluss werden so heftig sein, dass auch dieser über die Ufer treten wird. Allerdings nicht vom Hochwasser sondern vom vergossenen Blut und den vielen Gefallenen.      

2/72: Dieser Vierzeiler beschreibt eingangs kurz den Italienfeldzug der Franzosen, zu dem die Schlacht am Tessin aus 6/79 und 2/26 gehört. Die französische (keltische) Armee wird große Verluste hinnehmen müssen (erste Zeile). Aber nicht nur sie. Auf allen Seiten wird man einen hohen Blutzoll zu entrichten haben (zweite Zeile). Die beiden letzten Zeilen dürften sich konkret auf die Schlacht am Tessin beziehen. Nostradamus fordert Frankreich (Gallien) dazu auf zu fliehen (vgl. 2/26). Und hier erfahren wir auch vor wem. Es werden die "Römer" sein, die den Franzosen einen herben Rückschlag versetzen werden. In der vierten Zeile erfahren wir, dass die verlustreiche Schlacht am Tessin unentschieden ausgehen wird. Dennoch wird dieser Waffengang von schicksalsbestimmender Bedeutung sein. Nostradamus vergleicht den Tessin in diesem Zusammenhang mit dem Rubikon, dessen Überquerung durch Cäsar einst den römischen Bürgerkrieg eröffnet hat. Ist die Schlacht am Tessin vielleicht der Wendepunkt in diesem Krieg, der die Niederlage der Franzosen einleiten wird?
 

Quellen
 

6/79  

Pres du Tesin1) les habitans de Loyre,
Nahe des Tessins1) [werden] die Anwohner von Loire,
Garonne2) & Saonne3), Seine, Tain4), & Gironde5):
Garonne2) und Saône3), Seine, Tain-L’Hermitage4) und [der] Gironde5)
Outre les monts dresseront6) promontoire,
[sich] jenseits der Berge einen Weg in Richtung Vorgebirge bahnen6).
Conflict donné Pau7) granci8), submergé onde.
[Der] Konflikt ist da, [der] Po7) [wird] angestiegen8) [und von den] Welle[n] überschwemmt [sein].
1) Der Tessin (Ticino) fließt, aus den Alpen kommend, bei Pavia in den Po.
2) Fluss in Südwestfrankreich, der in den Pyrenäen entspringt und bei Bordeaux in den Atlantik mündet.
3) Fluss in Ostfrankreich, der bei Lyon in die Rhone fließt.
4) Ort an der Rhone, etwa 20 km nördlich von Valence.
5) Das ist das Ästuar, die auffällige Flussmündung bei Bordeaux.
6) Das mittelfranzösische "dresser" bedeutet neben "aufrichten" usw. auch "einen Weg bahnen, eine Richtung einschlagen".
7) Von Nostradamus’ Standpunkt aus gesehen (Salon-de-Provence), ist mit "jenseits der Berge" (dritte Zeile) wohl Norditalien oder Spanien gemeint. Somit dürfte "Pau" eher für den Po als das südwestfranzösische Pau stehen.
8) Lies: "grandi". 

2/26  

Pour la faueur1) que la cité fera
Hin zur Gunst1), die die Stadt [dem Großen] gewähren wird,
Au gran qui tost perdra champ de bataille2),
der bald [das] Schlachtfeld2) verliert,
Fuis le rang Po, Thesin versera3)
[dorthin] fliehe [aus] der Schlachtreihe [am] Po! [Denn der] Tessin wird überfließen3)
De sãg, feuz, morts, noyes de coup de taille4).
von Blut, Feuern [und] Toten - [den] in Klingenhieben Ertrunkenen4).
1) Das mittelfranzösische "faveur" bedeutet u. a. auch "Schutz", was hier wohl gemeint ist.
2) D. h. die Schlacht.
3) Oder auch denkbar: "[dorthin] fliehe [aus] der Schlachtreihe! [Denn sowohl der] Po [wie auch der] Tessin wird überfließen".
4) Die Toten sind in der "Flut der Hiebe" "ertrunken", d. h. durch massive Feindeinwirkung gestorben.

2/72  

Armée Celtique en Italie vexée
[Die] keltische Armee [wird] in Italien gequält [werden].
De toutes pars conflit & grande perte:
Auf allen Seiten [wird es] Kampf und großen Verlust [geben].
Romains fuis, ô Gaule repoulsée.1)
Fliehe [vor den] Römern, oh [du] zurückgeschlagenes Gallien!1)
Pres du Thesin, Rubicon2) pugne incerte3).
In der Nähe des Tessin, [am] Rubikon2), [wird es eine] unentschiedene Schlacht3) [geben].
1) Oder auch möglich: "[Die] Römer [werden] geflohen [und du,] oh Gallien, zurückgeschlagen [sein]."
2) Der Rubikon entspringt im Apennin und mündet nördlich von Rimini in die Adria. In der Antike war der Rubikon die Grenze zwischen der Gallia Cisalpina und dem eigentlichen Italien. Als Julius Cäsar 49 v. Chr. mit seinen Truppen den Fluss in Richtung Süden überschritt, löste er damit den Bürgerkrieg aus. Cäsar wusste, dass es nach der Überschreitung dieser Grenze kein Zurück mehr geben, der Rubikon also schicksalsbestimmend sein würde. Überliefert ist in diesem Zusammenhang sein berühmter Ausspruch "alea iacta est" (der Würfel ist gefallen). Hier dürfte Nostradamus den Tessin als Rubikon bezeichnen, weil der dort ausgefochtene Kampf in diesem Krieg wohl ebenfalls einen schicksalsbestimmenden Wendepunkt markiert. Theoretisch möglich wäre aber auch, dass es hier zwei Schlachten geben wird, am Tessin und am Rubikon. Am Ticinus schlug Hannibal im Jahr 218 v. Chr. die Römer. Zur Zeit des Nostradamus (1525) erlitten die Franzosen unter ihrem König Franz I. bei Pavia gegen Kaiser Karl V. eine verheerende Niederlage, bei der der französische König in Gefangenschaft geriet. Die Schlacht von Pavia entschied den ersten Krieg zwischen Franz und Karl.
3) Lat. "pugna incerta" (unentschiedene Schlacht).

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