5.235  Das blutbefleckte Großbritannien wird sich in 290 Jahren siebenmal verändern. Durch die Germanen wird es seine Freiheit verlieren und der "Widder" wird den Bastarnern misstrauen. Mögliche Zuordnung: England wird in der Zeit zwischen 1649 und 1939 einen grundsätzlichen Wandel durchlaufen: Ursprünglich eine europäische Macht unter anderen, steigt es nach der Hinrichtung Karls I. zur Weltmacht Nr. 1 auf, verliert jedoch seine Vormachtstellung im Zweiten Weltkrieg und reiht sich wieder unter die anderen europäischen Mächte ein. England, das seit Jahrhunderten frei von fremden Streitkräften war, wird von der deutschen Luftwaffe wieder großflächig mit Krieg überzogen und kann selber nicht mehr auf dem Kontinent landen. Deutschland und die Sowjetunion sind zwar seit 1939 durch den Hitler-Stalin-Pakt Verbündete, doch von deutscher Seite her herrscht Misstrauen.
 

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Zusammenfassung
 

In den ersten beiden Zeilen geht es um Großbritannien, um das "britannische Volk". Nostradamus bezeichnet es in der zweiten Zeile als "blutbefleckt", d. h. wohl, es hat ein blutiges Verbrechen begangen. Damit wiederum dürfte sich unser Seher auf die Hinrichtung des Gerechten in 5.191 beziehen, die in London stattfindet. In den 290 Jahren, die nach dieser Bluttat folgen werden, wird man sehen, wie sich das Volk der britischen Insel siebenmal "verändern" wird. Was für "Veränderungen" das sein werden, erfahren wir allerdings nicht. Gemäß der dritten Zeile wird das britannische Volk wegen den Germanen (den Deutschen) seine "Freiheit" (vgl. Anmerkung 2) vollständig verlieren. Der "Widder" (entweder Großbritannien, Frankreich oder Deutschland) wird dann seinen Bastarner (moldawisch-ukrainischen) Gegenpart beargwöhnen oder fürchten.

Mögliche historische Zuordnung


Falls in 5.191 die Hinrichtung des englischen Königs Karls I. gemeint ist, bezieht sich Nostradamus in 3/57 auf das Jahr 1649. Addieren wir 290 Jahre hinzu, erhalten wir 1939. England bzw. Großbritannien soll sich in diesen 290 Jahren siebenmal "verändert" haben: Es ist kein großes Problem, in diesem langen Zeitraum sieben Veränderungen zu finden, die Nostradamus vielleicht gemeint haben könnte. Z. B. folgende: 1.) Die Republik Cromwells, 1649 - 1660, 2.) Die Restauration der Stuarts, 1660 - 1688, 3.) Die "Glorious Revolution" von 1688, die zur parlamentarischen Monarchie führte, 4.) Der Spanische Erbfolgekrieg von 1701 - 1714, aus dem Großbritannien schließlich als einer der Hauptgewinner hervorgegangen ist und in dem es seine europäische Gleichgewichtspolitik hat durchsetzen können, 5.) Der Siebenjährige Krieg 1756 - 1763, seit dem Großbritannien unangefochten die Kolonialmacht Nr. 1 war, 6.) Die Auseinandersetzung mit Frankreich 1793 - 1815, aus denen England als der eigentliche Sieger hervorging und 7.) Der Erste Weltkrieg 1914 - 1918, der wiederum Großbritannien unter den großen Siegern sah. Möglicherweise müssen wir die Angabe "siebenmal" aber eher symbolisch verstehen. In der jüdisch-christlichen Zahlensymbolik steht die Sieben für die Vollkommenheit oder Vollständigkeit, so wurde etwa die Welt in Sieben Tagen erschaffen. In der klassischen Astrologie gibt es gesamthaft sieben Planeten und in der Alchemie durchschreitet das zu Gold zu transmutierende Blei sieben Verwandlungsstufen (Blei, Zinn, Eisen, Kupfer, Quecksilber, Silber, Gold). Und schließlich gibt es die Sieben-Tage-Woche, die immer wieder zu ihrem Ausgangspunkt, dem Sonntag zurückkehrt. Es wäre denkbar, dass Nostradamus mit den erwähnten "sieben Veränderungen" einfach den Zeitraum vom Aufstieg Englands zur erfolgreichsten europäischen Macht unter Cromwell bis zum Verlust dieser Stellung im Zweiten Weltkrieg gemeint hat, also die zyklisch vollständige machtpolitische "Veränderung" des Inselstaates. 1939 wurde Polen von Deutschland und der Sowjetunion militärisch angegriffen und besetzt. Die mit Polen verbündeten Briten und Franzosen erklärten daraufhin vertragsgemäß Deutschland den Krieg (unterließen es jedoch, diesen ebenfalls der Sowjetunion zu erklären). Der mit dem deutsch-sowjetischen Angriff auf Polen ausgelöste Zweite Weltkrieg endete in Europa 1945 mit der Niederlage Deutschlands und dem Sieg der Alliierten. Zu den Siegern gehörte dabei einmal mehr Großbritannien. Allerdings war der Zweite Weltkrieg für die erfolgsverwöhnten Briten in mehrfacher Hinsicht ein Wendepunkt. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten war es einer fremden Streitmacht gelungen, den Krieg großflächig wieder ins britische Mutterland zu tragen. Die Angriffe der deutschen Luftwaffe brachten Tod und Zerstörung in ein Land, das Derartiges seit langer Zeit nicht mehr erlebt hatte. Es ist zwar richtig, dass die ersten Luftangriffe auf britischen Boden bereits im Ersten Weltkrieg stattgefunden haben, doch sind deren Auswirkungen mit den Verheerungen im Zweiten Weltkrieg kaum zu vergleichen (außerdem ändert sich hinsichtlich Nostradamus’ Vorhersage wenig: es waren ebenfalls die Deutschen, die in den Jahren 1914 - 1918 den Krieg nach Britannien zurückbrachten). Die Insellage bewahrte die Briten 1940 zwar vor Frankreichs Schicksal, von der Wehrmacht überrollt zu werden, doch es wurde deutlich, dass die technische Entwicklung der völligen Unangreifbarkeit ein definitives Ende bereitet hatte. Ob England an Frankreichs Stelle in der Lage gewesen wäre, den deutschen Angriff abzuwehren, wissen wir nicht. Der Zweite Weltkrieg hat jedoch gezeigt, wie sehr Großbritannien auf Verbündete angewiesen war, um bestehen zu können. Zum einen auf die materielle und militärische Hilfe der USA und zum anderen auf die Sowjetunion, die in einem äußerst verlustreichen Krieg ihren einstigen Verbündeten Deutschland niederringen konnte. 1945 gab es unter den vier Allierten nur zwei wirkliche Sieger: die USA und die Sowjetunion. Das 1940 besiegte Frankreich musste ja selber erst von den amerikanischen Streitkräften befreit werden und Großbritannien, einst die führende europäische Macht, war de facto zum Juniorpartner der USA und der Sowjetunion abgestiegen. Großbritannien war also wieder das geworden, was es im 16. und 17. Jahrhundert war: eine europäische Macht unter anderen. In der dritten Zeile spricht Nostradamus davon, dass die Germanen (die Deutschen) dafür sorgen werden, dass die Briten nicht mehr "frei" sein werden (vgl. Anmerkung 2). Damit könnte z. B. die schon erwähnte Tatsache gemeint sein, dass es den Deutschen gelungen ist, den Krieg wieder nach England hinein zu tragen, d. h. die Freiheit der Briten, zu Hause keinen Krieg zu kennen, zu beenden. Außerdem befand sich die Insel nach der Niederlage der Franzosen 1940 in einer Art Belagerungszustand, der es den Engländern - abgesehen von der Royal Airforce - verunmöglichte, im Westen des Kontinents militärisch einzugreifen. In der letzten Zeile tauchen der "Widder" und die "Bastarner" auf. In Übereinstimmung mit dem Hitler-Stalin-Pakt besetzte die Sowjetunion im Juni 1940 Bessarabien, beherrschte damit ab diesem Zeitpunkt das gesamte Land der Bastarner und dürfte deshalb mit dem "Bastarner Pol" gemeint sein. Der "Widder", wahrscheinlich der Gegenpol der Bastarner (vgl. Anmerkung 7), müsste Deutschland sein (vgl. Anmerkung 4). Bis zum deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 waren das Deutsche Reich und die Sowjetunion durch den Hitler-Stalin-Pakt aus dem Jahr 1939 Bündnispartner, also die beiden "Pole" einer gemeinsamen "Achse". Allerdings war für Hitler von Anfang an klar, dass dieses Bündnis nur von vorübergehender Natur sein würde, hatte er doch schon immer geplant, im Osten "Lebensraum" zu erobern und folglich die Sowjetunion anzugreifen. Dass Nostradamus in der vierten Zeile Deutschland die Sowjetunion "beargwöhnen" lässt, könnte so verstanden werden, dass er den Angriff von 1941 als Resultat eines tiefsitzenden Misstrauens oder sogar der Angst (vgl. Anmerkung 5) vor den "Bastarnern" interpretiert hat.

Quellen
 

3/57  

Sept foys changer verrés gent Britannique,
Siebenmal werdet [ihr das] britannische Volk sich verändern sehen,
Taintz1) en sang en deux cent nonante an,
[das] blutbefleckte1), in 290 Jahren.
Franche2) non point par apui Germanique.3)
Frei2) [wird es] überhaupt nicht mehr [sein], mit germanischer Hilfe.3)
Aries4) doute5) son pole7) Bastarnan6).
[Der] Widder4) beargwöhnt5) seinen Bastarner6) Pol7).
1) Lies: "tainte" (vgl. BRIND’AMOUR, S. 408).
2) Auch im Sinne von "unbelastet, ohne Einschränkungen" usw.
3) D. h. "dank" der Germanen wird es nicht mehr frei sein.
4) Gemäß Claudius Ptolemäus (Tetrabiblos 2, 3) regiert der Widder Britannien, Gallien, Germanien und das Land der Bastarner (vgl. Anmerkung 6).
5) Oder auch: "fürchtet".
6) Die Bastarner waren ein germanisches Volk, das nördlich der Donaumündungen lebte.
7) Lat. "polus" (Pol, Himmel). Die Pole sind bekanntlich die beiden Endpunkte der Erdachse. Falls der Widder hier mit einem der beiden Pole verglichen werden sollte, wären die Bastarner der Gegenpol, das Gegenüber.

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