5.237 Kreuzfahrer werden in Mesopotamien gefangen genommen und später gegen Lösegeld freigelassen.
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Zusammenfassung
3/61: In Mesopotamien werden sich die "große Armee" und Kreuzfahrer zum Kampf aufstellen (erste und zweite Zeile). Leider ist nicht ganz klar, ob es sich dabei um die große Armee der Kreuzfahrer handelt oder ob es zwei verschiedene Akteure (Verbündete oder Feinde) sind. Da das Attribut "groß" bei Nostradamus öfters als Synonym für "französisch" verwendet wird, könnten im ersten Fall französische Kreuzfahrer gemeint sein. Kreuzfahrer tauchen auch in 5/16 (5.16), 8/90 (5.133) und 9/43 (5.8) auf. In 3/20 (5.222) und 3/47 (5.226) kämpfen in Spanien "Kreuze" gegen Muslime. Ob dies ebenfalls Kreuzfahrern sind oder ob es sich um sonstige christliche Truppen handelt, lässt sich im Augenblick nicht entscheiden. Gemäß Zeilen drei und vier von 3/61 wird "vom nahen Fluss" (in Mesopotamien ist damit entweder der Euphrat oder der Tigris gemeint) eine leichte Truppe kommen, die ein Gesetz oder eine Lehre (vgl. Anmerkung 6) als Feind betrachten wird. Damit ist wohl die Religion der Kreuzfahrer gemeint, das Christentum. Was das Ziel dieser leichten Truppe ist, erfahren wir nicht. Es ist aber zu vermuten, dass die Kreuzfahrer angegriffen werden.
9/62: Wie in 3/61 ist auch hier von Kreuzfahrern die Rede (zweite Zeile). Und hier werden sie definitiv angegriffen. Vielleicht von der leichten Truppe aus 3/61? Urheber dieser Attacke wird ein "Großer aus Ceramon-Agora" sein (erste Zeile). Die Erwähnung des heute türkischen Ceramon-Agora (vgl. Anmerkung 2) verlegt das Geschehen zwar nicht zwingend nach Mesopotamien, ist aber wenigstens eine Verbindung zum Vorderen Orient. Über den "Großen aus Ceramon-Agora" erfahren wir nichts. Interessant ist aber, dass in Xenophons "Anabasis" Kyros der Jüngere zusammen mit einem griechischen Söldnerheer vom westlichen Kleinasien aus, Ceramon-Agora passierend, nach Mesopotamien marschiert und dort nahe Babylon im Kampf fällt. Schwierig zu verstehen sind die dritte und vierte Zeile. Es scheint aber so zu sein, dass an einem 3. Oktober Gefangene freigelassen werden, möglicherweise gegen Lösegeld (vgl. Anmerkung 8). Eine Befreiung, die erst nach einer langen Zeit der Inaktivität (der "Betäubung", vgl. Anmerkungen 6 und 7) erfolgen könnte. Es ist zu vermuten, dass es sich bei diesen Freigekauften um Kreuzfahrer handelt, die wohl beim Angriff aus der zweiten Zeile in Feindeshand fallen werden (man beachte die Mehrfachbedeutung von "attachez", siehe Anmerkung 4).
Quellen
3/61
1) "Bande" bedeutet im Mittelfranzösischen u. a. "bewaffnete Truppe, Armee".
La grande bande1) & secte2) crucigere3)
Die große Armee1) und Gruppe2), die das Kreuz trägt3)
Se dressera en Mesopotamie4):
wird sich in Mesopotamien4) [zum Kampf] aufstellen.
Du proche fleuue compaignie legiere5),
Vom nahen Fluss [wird] eine leichtbewaffnete5) Truppe [kommen],
Que telle loy6) tiendra pour ennemie.
die dieses Gesetz6) als Feind betrachten wird.
2) Das mittelfranzösische "secte" bezeichnet eine Gruppierung im weitesten Sinne, religiöser wie nichtreligiöser Natur.
3) Lat. "crucem gerens" (ein Kreuz tragend). Der Begriff taucht auch in 9/43 (5.8) auf.
4) Land zwischen Euphrat und Tigris, im Irak, Syrien und der Südtürkei.
5) Oder auch "schnelle". BRIND’AMOUR, S. 413, sieht hier die "leichten Kavalleristen" aus 5/91 (5.36) und 7/7 (5.200) gemeint.
6) Wie so oft dürfte auch hier "Gesetz" eher für "Lehre, Religion" stehen.
9/62
1) Oder: "beim". Das mittelfranzösische "au" kann u. a. auch dem heutigen "du" entsprechen.
Au1) grand de Cheramon agora2)
Vom1) Großen aus Ceramon-Agora2)
Seront croisez par ranc3) tous attachez4)
werden [die] Kreuzfahrer alle der Reihe3) nach angegriffen4) [werden].
Le pertinax5) Oppi6), & Mandragora7),
[Nach] dem lange wirkenden5) Opium6) und Alraun7),
Raugon8) d’Octobre le tiers seront laschez9).
werden [sie gegen] Lösegeld8) [am] dritten [Tag] des Oktobers freigelassen9) werden.
2) Ceramon-Agora ist wohl das heutige Usak in der Westtürkei (vgl. z. B. LEONI). Es wird auch in Xenophons "Anabasis" (1, 2) als Station auf dem Marsch des Satrapen Kyros erwähnt. Aus "Ceramon" ließen sich das griech. "keramos" (Töpferton, (Ton-) Gefäß, Dachziegel) oder das griech. "cheramos" (Kluft, Höhle, Spalt) herauslesen. Eine "agora" ist ein Markt- oder Versammlungsplatz.
3) Oder: "dem Rang nach".
4) Oder u. a. auch: "verfolgt, festgemacht, gebunden".
5) Nach lat. "pertinax" (u. a. festhaltend, lange anhaltend, hartnäckig).
6) "Oppi" könnte z. B. als verkürztes "oppidum" (Befestigung, befestigter Platz) verstanden werden, was inhaltlich zur zweiten Zeile passen würde. Mit Blick auf die in der dritten Zeile erwähnte Alraunwurzel ist es aber durchaus möglich, dass der Arzt Nostradamus hier an Opium gedacht und im Original vielleicht "Opi." geschrieben hat. Opium (Mohnsaft) wurde schon in der Antike als Schmerz- und Betäubungsmittel verwendet. Bereits im alten Rom wurde Opium jedoch auch als Droge missbraucht.
7) Der Alraunwurzel wurden schon seit frühester Zeit magische Eigenschaften zugeschrieben, wohl v. a. deshalb, weil sie die Form eines Menschen hat. Man trug sie etwa als Talisman gegen Armut. Leute, denen in ihren Angelegenheiten Glück beschieden war, wurden verdächtigt, diese Wurzel zu besitzen. In der mittelalterlichen Medizin wurde die Alraunwurzel z. B. bei der Narkose eingesetzt. Sogenannte "Schlafschwämme" wurden u. a. mit Mohnsaft (Opium) und Extrakten des Schierlings und der Alraunwurzel getränkt und dem Patienten auf das Gesicht gelegt. Das "lange wirkende Opium" bzw. der "lange wirkende Alraun" aus der dritten Zeile dürfte demnach wohl einfach ein solches Narkosemittel sein. Ein Schlafschwamm taucht als Bild auch in 6/55 (5.189) auf.
8) Der Begriff "raugon" ist unklar. Er ließe sich z. B. vom lat. "raucus" (heiser, dumpf, rau) herleiten. Möglichweise haben wir aber auch einfach einen Fehler des Setzers vor uns, der das Wort falsch verstanden hat. Da es in der vierten Zeile um eine Freilassung geht, könnte hier "rançon" (Lösegeld) gemeint sein, das aus dem Manuskript irrtümlicherweise als "raucon" vorgelesen und als "raugon" gesetzt worden ist.
9) Oder auch: "fallengelassen, verlassen".