5.251 Die Juden gehen in eine neue Babylonische Gefangenschaft, werden dann aber "Babylon" die Flügen stutzen.
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Zusammenfassung
3/97: In den ersten beiden Zeilen erfahren wir, dass ein Gesetz erlassen oder eine Lehre formuliert wird (vgl. Anmerkung 1), die dazu führt, dass ein neues Land geschaffen oder besiedelt wird. Dieses neue Land wird in der Nähe von Syrien und Israel/Palästina liegen (vgl. Anmerkung 2). Wer dieses neue Land schafft, ist dem Text direkt nicht zu entnehmen. Im zweiten Teil des Vierzeilers ist von einem "großen barbarischen Reich" die Rede, das nach weniger als einem Mondjahrhundert (97 Jahre, vgl. Anmerkung 5) untergehen wird. Zu diesem Szenario scheint der im 19. Jahrhundert entstandene Zionismus zu passen, der letztlich die Gründung des Staates Israel 1948 zur Folge hatte (vgl. PFÄNDLER, 1997). Aber abgesehen davon, dass Israel nicht in der Nähe sondern in besagter Region geschaffen worden ist, passt der zweite Teil des Vierzeilers nicht recht in diesen Kontext. Zwar ist weniger als ein Mondjahrhundert nach dem ersten zionistischen Weltkongress 1897 in Basel ein tatsächlich auch barbarisches großes Reich untergangen (die Sowjetunion 1991), doch stehen die "Barbaren" bei Nostradamus für Kräfte aus dem islamischen bzw. orientalischen Bereich. Es stellt sich zudem die Frage, weshalb Nostradamus die Schaffung des neuen Landes und die Existenz des Barbarenreiches in ein- und demselben Vierzeiler erwähnt. Ich vermute, dass es eben diese "Barbaren" sein werden, die das neue Land einrichten werden. Und zwar nicht für sich selbst sondern, mit Blick auf 8/96, für die Juden im Nahen Osten bzw. in Israel. Dieses neue Land wäre demnach ein Exilort für die vermutete neue Babylonische Gefangenschaft der Hebräer, vgl. auch 5.250, 2/57 (5.31) und 2/79 (5.38).
8/96: In der ersten Zeile spricht Nostradamus von den Juden, der "unfruchtbaren Synagoge" (vgl. Anmerkungen 1 und 2). In der zweiten und dritten Zeile ist davon die Rede, dass die Juden im Bereich der "Ungläubigen von Babylon" aufgenommen, d. h. angesiedelt werden. Unser Seher beschreibt dieses Babylon als "Tochter des Verfolgten". Damit könnte die "Tochter" Muhammads, die islamische Religion gemeint sein (vgl. Anmerkung 5). Das erinnert zunächst an die Staatsgründung Israels 1948, als die Juden ihre biblische Heimat zurückerhalten haben. Ein Land, das allerdings nicht nur von mehrheitlich muslimischen Arabern umgeben war sondern auch selbst von diesen seit Jahrhunderten besiedelt wurde. Allerdings bezieht sich Nostradamus in den ersten drei Zeilen recht klar auf die alttestamentarische Babylonische Gefangenschaft der Juden, die das genaue Gegenteil der Alija, der Rückkehr nach Zion ist. Gemäß vierter Zeile werden die Juden (vgl. Anmerkung 8) "Babylon" (vgl. Anmerkung 9) die Flügel stutzen, d. h. es zurückschlagen oder ganz besiegen (vgl. Anmerkung 10). Das erinnert an 5.31, wo die Juden im Nahen Osten gegen die Schiiten kämpfen.
Quellen
3/97
1) Oder auch: "Lehre".
Nouvelle loy1) terre neufue occuper
[Es wird ein] neues Gesetz1) [geben, um ein] neues Land [zu] besetzen.
Vers la Syrie, Iudee, & Palestine2):
[Dieses wird] bei Syrien, Judäa und Palästina2) [liegen].
Le grand empire barbare corruer,
Das große barbarische Reich [wird] untergehen,
Auant que Phébes3) son4) siecle5) determine.
bevor Phoebe3) ihr4) Jahrhundert5) beendet.
2) Die drei Territorien Syrien, Judäa und Palästina umfassten je nach Epoche unterschiedliche Gebiete. Die römische Provinz Syria entsprach in etwa dem heutigen Staat Syrien inklusive Libanon, dem nördlichen Küstenstreifen Israels (Akko) und dem heute türkischen Antakya (Antiochia). Das römische Judäa umfasste das zentrale und nördliche Israel sowie einige Gebiete nordöstlich des Jordan. Als Palästina wurde das ganze Gebiet zwischen Jordan und Mittelmeer inklusive dem westlichen Jordanien bezeichnet (Palaestina Prima und Palaestina Secunda). Palaestina Tertia (oder: Palaestina Salutaris) umfasste den Süden Israels, den Süden Jordaniens und den größten Teil der Sinai-Halbinsel. Zur Zeit des Nostradamus wurden Syrien, Judäa und Palästina von den Osmanen beherrscht.
3) Phoebe (griech. Phoibe) ist als Tochter von Uranos und Gaia eine Titanin, die dem Mond zugeordnet wird. Als Phoibe wurde des weiteren die griech. Mondgöttin Selene bezeichnet, die bei Nostradamus für den Islam steht. Die spätere Mondgöttin Diana (griech. Artemis) trug ebenfalls den Beinamen Phoebe. "Phébes" könnte allerdings auch Phoebus meinen. Phoebus (griech. Phoibos) ist ein Beiname des Apollo, der in dieser Gestalt auch dem Sonnengott Sol bzw. Sol Invictus (griech. Helios) gleichgesetzt wurde. Hier ist also vom Mond oder von der Sonne die Rede.
4) Oder auch: "[...] Phoebus sein [...]", vgl. Anmerkung 3.
5) Oder auch: "langer Zeitraum", vgl. lat. "saeculum". BRIND’AMOUR, S. 460f. und GRUBER, S. 237f. verstehen hier "siecle" als "cycle" (Zyklus) und sehen den Zeitraum von 1533 bis 1887 gemeint, der unter der Herrschaft des Mondes stand. Als Mondzyklus käme allerdings auch der metonische Zyklus in Frage. Der metonische Zyklus ist der Zeitraum, der vergeht, bis eine bestimmte Mondphase wieder auf den gleichen Tag im Jahr fällt. Er beträgt 19 Jahre. Der kallippische Zyklus, der im verbesserten Mondkalender eine Rolle spielt, umfasst vier metonische Zyklen, also 76 Jahre. Ein Mondjahr dauert 354 bis 355 Tage (354 Tage 8 Stunden 48 Minuten und 36 Sekunden). Ein Mondjahrhundert, das hier wohl gemeint ist, entspricht also ungefähr 97 (Sonnen-) Jahren.
8/96
1) Lat. "synagoga" (Synagoge; der alte Bund, die Juden).
La synagogue1) sterile sans nul fruit2)
Die unfruchtbare Synagoge1) ohne jede Frucht2)
Sera receue entre3) les infideles
wird aufgenommen unter3) den Ungläubigen
De Babylon4) la fille du porsuit5)
von Babylon4), der Tochter des Verfolgten5).
Misere7) & triste8) luy9) trenchera10) les aisles.
[Die6)] Elende7) und Traurige8) wird ihr9) die Flügel stutzen10).
2) Es gibt im Neuen Testament Stellen, die von der (heilsmäßigen) Fruchtlosigkeit des Judentums sprechen und an die Nostradamus hier gedacht haben könnte: Matthäus 3, 9 - 10: "Als Johannes [der Täufer] sah, dass viele Pharisäer und Sadduzäer zur Taufe kamen, sagte er zu ihnen: Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Gericht entrinnen könnt? Bringt Frucht hervor, die eure Umkehr zeigt, und meint nicht, ihr könntet sagen: Wir haben ja Abraham zum Vater [lies: "wir sind ja Juden"]. Denn ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams machen. Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen." Lukas 3, 7 - 9: "Das Volk zog in Scharen zu ihm [- Johannes dem Täufer -] hinaus, um sich von ihm taufen zu lassen. Er sagte zu ihnen: Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Gericht entrinnen könnt? Bringt Früchte hervor, die eure Umkehr zeigen, und fangt nicht an zu sagen: Wir haben ja Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams machen. Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen." In Betracht kommt auch Jesu Bildrede vom Fruchtbringen an seine Jünger (Johannes 15, 1 - 17). Und hier v. a. 15, 4: "Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt", 15, 8: "Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet" und 15, 16: "Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. [...]" D. h. Jesu Jünger, die jüdischer Herkunft waren, können nur Frucht bringen, wenn sie seine Jünger werden und bleiben und sich nicht etwa wieder dem alten Bund zuwenden.
3) Nicht "von"! D. h. es kann hier nicht entschieden werden, ob die "Ungläubigen" mit der Aufnahme (Ansiedlung) der Juden in ihrem Bereich einverstanden sind oder nicht.
4) Das antike Babylon (Babel) lag etwa 90 km südlich des heutigen Bagdad. Die Babylonier besiegten Israel und verschleppten Teile des jüdischen Volkes im 6. Jh. v. Chr. in die sogenannte "Babylonische Gefangenschaft". Im Christentum steht Babylon sinnbildlich für die Gott feindlich gesinnten Mächte der Welt. In der Offenbarung des Johannes konkret für das heidnische Rom (vgl. etwa Offenbarung 17, 9).
5) Das mittelfranzösische "porsuir" bedeutet u. a. "etwas auf rechtlichem Wege zu erreichen suchen, juristisch verfolgen". V. a. mit Blick auf das lat. "prosequi" (u. a. in feindlicher Absicht verfolgen) könnte hier Muhammad gemeint sein, der in Mekka verfolgt wurde und 622 nach Medina fliehen musste. Diese Auswanderung (Hidschra) ist im Islam von großer Bedeutung. So beginnt denn auch die islamische Zeitrechnung mit diesem Ereignis. Sollte Muhammad gemeint sein, wäre seine "Tochter Babylon" wohl die von ihm gestiftete Religion, der Islam. Möglicherweise aber auch nur dessen schiitischer Zweig. Fatima, Muhammads Lieblingstochter und Ehefrau Alis, kommt im Schiismus nämlich eine besondere Stellung zu. So führte sich denn etwa auch die in Nordafrika herrschende schiitische Fatimiden-Dynastie (10. - 12. Jh.) auf Muhammads Tochter zurück. Der Ausdruck "Tochter Babylon (Babel)" selbst stammt aus der Bibel: Psalm 137, 8f: "Tochter Babel, du Zerstörerin! Wohl dem, der dir heimzahlt, was du uns [Juden] getan hast! Wohl dem, der deine Kinder packt und sie am Felsen zerschmettert!", Jesaja 47, 1: "Steig herab, Tochter Babel, Jungfrau, setz dich in den Staub! Setz dich auf die Erde; es gibt keinen Thron mehr (für dich), Tochter Chaldäas. [...]", Jeremia 51, 33: "Denn so spricht der Herr der Heere, der Gott Israels: Die Tochter Babel gleicht der Tenne, wenn sie festgestampft wird; noch eine kurze Frist, dann ist für sie die Erntezeit da."
6) Oder: "der". Vgl. allerdings Anmerkung 8.
7) Lat. "miser" (elend, unglücklich, erbärmlich).
8) Mit der "Elenden und Traurigen" ist wohl die "Synagoge", sind wohl die Juden gemeint. Die Stelle könnte sich z. B. an Psalm 137, 1 anlehnen: "An den Strömen von Babel, da saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten."
9) Oder: "ihm". Mit Blick auf Anmerkung 8 ist hier aber wohl die "Tochter Babylon" gemeint. Nostradamus könnte sich dabei an Daniels Vision von den vier Tieren angelehnt haben, die vier verschiedene Weltreiche symbolisieren (Babylon, Persien, Alexanderreich, Rom), vgl. Daniel 7, 1 - 7. Über Babylon, das erste Tier lesen wir bei Daniel 7, 4: "Das erste war einem Löwen ähnlich, hatte jedoch Adlerflügel. Während ich es betrachtete, wurden ihm die Flügel ausgerissen; es wurde vom Boden emporgehoben und wie ein Mensch auf zwei Füße gestellt und es wurde ihm ein menschliches Herz gegeben."
10) Im Sinne von "zurückstutzen" wie auch von "gänzlich abschneiden".