5.252 "Aquilo" und die Europäer werden gegen den König von Babylon ziehen.
Zurück / Zurück zur Startseite
Zusammenfassung
In der ersten Zeile wird ein König aus oder von Europa erwähnt. Nostradamus vergleicht ihn mit einem Greifen, einem sagenhaften Mischwesen aus Löwe und Adler, das dem Mythos nach aus dem hohen Norden stammte (vgl. Anmerkung 1). Wie wir in der zweiten Zeile erfahren, wird er begleitet von denen aus dem Norden, von den Leuten "Aquilos". Von "Aquilo" wissen wir aus 5.75 (8/15), dass diese Macht aus der Ukraine fast ganz Europa und fast die ganze "Welt" heimsuchen wird. Und dass an der Spitze "Aquilos" entweder ein Mannweib oder ein femininer Mann stehen wird. Leider ist nicht klar, ob es sich beim König aus der ersten Zeile um den Anführer von "Aquilo" oder nur um einen Verbündeten handelt. Die Angabe unserers Sehers, dass er von denen aus dem Norden "begleitet" werden wird, lässt beide Möglichkeiten zu. Da der europäische Herrscher allerdings ein "Greif" ist, d. h. selber aus dem Norden stammen dürfte, könnte es sich um ein und denselben Mann handeln. Eine andere Interpretationsmöglichkeit böte der Umstand, dass der Greif ein Mischwesen aus Löwe und Adler ist. Vielleicht soll damit auch angedeutet werden, dass dieser König eben über ein vielfältiges europäisches Reich herrscht, das verschiedene Nationen vereint. Der Löwe könnte etwa für England oder Venedig stehen, der Adler vielleicht für das Deutsche Reich oder ein anderes Land. Gemäß der dritten Zeile könnte dieser europäische König gleichzeitig Papst sein (vgl. Anmerkungen 4 und 5). Eine solche Konstellation würde aber weniger zum lateinischen Westen als zum Cäsaropapismus byzantinischer Prägung passen. Wir hätten dann wohl einen Herrscher "Aquilos" vor uns, der nicht nur sein ostslawisches Reich und Europa beherrscht sondern auch der katholischen - sowie aufgrund seiner Herkunft wohl auch der orthodoxen Kirche - vorsteht. In diesem Fall wäre übrigens klar, dass es sich definitiv nicht um ein Mannweib sondern um einen femininen Mann handelt. Wie wir in der letzten Zeile erfahren, wird diese christliche europäisch-ostslawische Union gegen den König von Babylon marschieren. Nostradamus scheint sich hier an Jeremia 50, 9f. angelehnt zu haben (vgl. Anmerkung 6). Über den Grund für diesen Feldzug erfahren wir hier nichts. In der Bibel beendet der Sieg des Nordlandes über Babel die Babylonische Gefangenschaft der Juden. In der Heiligen Schrift steht demgemäß das Nordland für das Persische Reich. Anders bei unserem Seher, der "Aquilo" in den ukrainisch-ostslawischen Bereich verlegt. Der neue "Perserkönig" und Judenbefreier Kyros ist zudem mutmaßlich in "CHYREN" zu finden (vgl. 5.250). Außerdem ist wohl eher zu bezweifeln, dass der Franzose "CHYREN" Oberhaupt der Kirche wird, da er als Katholik in der lateinischen und nicht in der byzantinischen Tradition steht. Doch wenn die Befreiung der Juden ausscheidet, was könnte der europäische "Greifenkönig" sonst in Babylon, dem Ort des Unglaubens wollen? Einer der möglichen Beweggründe könnte vielleicht tatsächlich religiöser Natur sein. Im Mythos brachten die Greifen alljährlich Apollo in den Süden zurück (vgl. Anmerkung 1). Apollo wiederum wurde als Phoebus mit Sonnengott Sol (Helios) gleichgesetzt und verkörperte als solcher unser Zentralgestirn. Bei Nostradamus steht die Sonne für das Christentum, die Religion mit dem Sonntag als Feiertag. Wenn also in 10/86 der Herrscher von Europa wie ein Greif die Sonne (Apollo) in den Süden (Babylon) bringt, bedeutet das, dass das Christentum auf diesem Weg wieder in Babylon einziehen wird.
Quellen
10/86
1) Oder auch: "Geier". Ein Greif ist ein antikes Fabeltier mit Adlerkopf, Flügeln und einem Löwenleib. Er galt als Diener und Wächter, aber auch als Personifizierung von Gottheiten. Die Greifen sollen in Hyperborea (im äußersten Norden) gelebt und dort den Goldschatz der Hyperboreer bewacht haben. Sie brachten jedes Jahr Apollo, der in Hyperborea überwinterte, wieder in den Süden.
Comme vn gryphon1) viendra le roy d’2)Europe
Wie ein Greif1) wird der König aus2) Europa kommen,
Accompaigné de ceux d’Aquilon3),
begleitet von denen aus dem Norden3).
De rouges & blancz conduira5) grand troppe4)
[Er] wird [die] große Herde4) von Roten und Weißen anführen5).
Et iront contre le roy de Babylon6).
Und [sie] werden gegen den König von Babylon6) ziehen.
2) Oder: "von". Hier könnte tatsächlich gemeint sein, dass Europa unter einem König vereint sein wird. Ein solcher Herrscher würde aber wohl, wie im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, neben dem Königs- auch den Kaisertitel tragen.
3) Lat. "aquilo" (Nordnordostwind, Sturm, Norden). Aquilo ist auch der Name des Gottes des Nordwindes, der der Sage nach aus dem Skythenland kommt (vom heute ukrainischen Borysthenes, d. h. vom Dnjepr). Vgl. 5.19, 5.75, 5.141 und 5.233.
4) Oder auch: "Armee". Die "Roten" stehen bei Nostradamus in der Regel für die Kardinäle mit rotem Ornat. Die "Weißen" könnten analog die gewöhnlichen Priester meinen, die weiße Chorhemden (lat. "albae") tragen, vgl. 9/21 (5.88). Vor diesem religiösen Hintergrund dürfte hier die Übersetzung "Herde" wohl passender sein.
5) Oder auch: "regieren". Diese Stelle kann so verstanden werden, dass der "König aus Europa" gleichzeitig das Papstamt innehat und somit Klerus und Laien auch religiös anführt, oder dass der König nur der weltliche Herrscher der Kirchenmitglieder ist und diese somit ebenfalls nur im weltlichen Bereich regiert.
6) Das Babylonische Reich umfasste je nach Epoche verschieden große Teile des Nahen Ostens. Das antike Babylon (Babel) lag etwa 90 km südlich des heutigen Bagdad. Im Christentum steht Babylon sinnbildlich für die Gott feindlich gesinnten Mächte der Welt. In der Offenbarung des Johannes konkret für das heidnische Rom (vgl. etwa Offenbarung 17, 9). Interessant ist hier Jeremia 50, 9f.: "[...] ich selbst stachle auf und führe gegen Babel eine Schar großer Völker vom Nordland [Vulgata: "terra aquilonis"] her; sie greifen es an und von dort wird es erobert. Ihre Pfeile sind wie die eines siegreichen Helden, der nie zurückkehrt ohne Erfolg. Plünderung trifft Chaldäa, alle, die es plündern, werden satt - Spruch des Herrn."
Zurück / Zurück zur Startseite