5.259 "Selins" drei "Konkubinen" werden sich bekämpfen, wobei die größte zur kleinsten werden wird.
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Zusammenfassung
In den ersten beiden Zeilen treffen wir auf drei "Konkubinen", die sich lange bekämpfen werden. Das Resultat dieser Auseinandersetzung ist der Abstieg der einst größten der drei zur kleinsten. Konkubinen sind (je nach Kulturkreis) legitime oder illegitime Nebenfrauen eines verheirateten Mannes. Die Rolle des Mannes dürfte hier "Selin" aus der dritten Zeile zufallen, der einst der Schirmherr der abgestiegenen "Konkubine" war. Der Verlust der speziellen Gunst "Selins" dürfte wohl der Grund dafür sein, dass die "Konkubine" ihre vormalige Stellung verliert bzw. nicht mehr erlangen kann. Weshalb diese "Mätresse" die Wertschätzung "Selins" verliert, erfahren wir nicht. Laut zweiter Zeile wird sie jedoch "wachsam" bleiben. Doch warum? Hofft sie, sie könne in einem günstigen Augenblick dennoch wieder ihren alten Platz einnehmen? Oder hält sie vielleicht nach einem neuen Schirmherr Ausschau? Letzeres würde zur vierten Zeile passen, wo die abgestiegene "Konkubine" ihrer Verbitterung Ausdruck verleiht: sie nennt "Selin" einen zerbrochenen weißen (= islamischen?) Schild (vgl. Anmerkung 8), also einen nicht mehr existierenden Schutz. Der Wegfall desselben lässt "Selin" zum "Feuer", d. h. zum Verderben für die "Mätresse" werden (vgl. Anmerkung 6 und 8), eine weitere Bezeichnung, die sie ihm verleiht.
In 10/53 ist von drei "Konkubinen" und einem "Ehemann" - "Selin" - die Rede. Doch wo ist die "Ehefrau"? Und: warum spricht Nostradamus hier von drei Beziehungen, die zu seiner Zeit etwa an den Fürstenhöfen akzeptiert waren aber nach christlichem Verständnis illegitim sind? Ich vermute, bei den drei "Konkubinen" handelt es sich um drei Mächte oder Staaten, die in einer mit Makeln behafteten Beziehung zum wohl islamischen "Selin" stehen (vgl. Anmerkungen 5 und 8). Es könnte sich etwa um drei christliche Länder handeln, die einen "illegitimen" Pakt mit "Selin" geschlossen haben, der sie zu seinen Verbündeten oder Schützlingen macht. "Illegitim" aus christlicher Sicht wäre der Pakt wohl deshalb, weil "Selin" gemäß 6/58 (5.30) ein Feind des Christentums ist. Doch wir bräuchten Begleitverse, um dazu mehr sagen zu können.
Quellen
10/53
1) Lat. "paelices" oder "pelices" (Konkubinen, Mätressen). Möglich wäre natürlich auch, "pellices" als "pelisses" (Pelze, Felle) zu lesen, vgl. GRUBER, S. 140f. Dann könnten die Pelze vielleicht für Uniformen oder Ähnliches stehen.
Les trois pellices1) de loing2) s’entrebatron3),
Die drei Konkubinen1) werden sich während langer Zeit2) bekämpfen3).
La plus grand moindre4) demeurera à l’escoute:
Die Größte [wird zur] Kleinsten4) [und] wird wachsam bleiben.
Le grand Selin5) n’en sera plus patron,
Der große "Selin"5) wird nicht mehr ihr Schirmherr sein.
Le nommera feu6) pelte7) blanche routte.8)
[Sie] wird ihn "Feuer"6) [und] zerbrochener weißer Schild7) nennen.8)
2) Oder auch: "von weitem".
3) Oder auch nur: "rivalisieren". Lies: "s’entrebatront".
4) Oder auch nur: "[wird] kleiner [werden]".
5) "Selin" ist von "Selene", der griech. Mondgöttin abgeleitet, die bei Nostradamus für den Islam steht. Als "CHYRENs" Cognomen taucht der Begriff in 4/77 und 6/42 (beide 5.38) sowie in 6/27 (5.96) und 8/54 (5.39) auf. Nostradamus nennt "CHYREN" dabei "Selin" - den "Islamischen" bzw. den "Islambesieger" - weil er die Muslime bezwingt (vgl. analog Scipio Africanus oder Drusus Germanicus). Den Islam als solchen oder eine Macht bzw. einen Machthaber aus dem islamischen Bereich bezeichnet "Selin" in 6/58 (5.30) und möglicherweise in 6/78 (5.193).
6) Oder auch: "verstorben", vgl. GRUBER. Nostradamus könnte hier "Feuer" im Sinne des lat. "incendium" gemeint haben, das im übertragenen Sinne auch "Verderben, Vernichtung, Untergang" bedeutet.
7) Griech. "pelte" bzw. lat. "pelta" (ein leichter, halbmondförmiger Schild, der v. a. von den Griechen verwendet wurde). GRUBER korrigiert hier zu "pelle" und interpretiert den Begriff als "Kleidung", vgl. Anmerkung 8.
8) GRUBER übersetzt die letzte Zeile mit "Er wird ihn verstorben nennen, und [sie wird] mit der weißen Kleidung brechen" und bezieht diese auf die Beerdigung König Heinrichs II. im Jahr 1559. "Er wird ihn verstorben nennen" meine dabei das bekannte "der König ist tot, es lebe der König", das der Konnetabel de Montmorency dabei dreimal gerufen hat. Und der Umstand, dass die Königswitwe Katharina von Medici mit der Tradition des weißen Trauerkleides gebrochen hat und in Schwarz erschienen ist, sei der Hintergrund des zweiten Teils der Zeile. Die vierte Zeile lässt sich tatsächlich sehr unterschiedlich verstehen. "Feu pelte" etwa als "Feuerschild" und "blanche routte" auch als "weißer Weg". Falls in dieser Zeile von einem Schild die Rede sein sollte (vgl. Anmerkung 7), wird damit wohl "Selin" bezeichnet, der frühere Schirmherr. Dann ließen sich "blanche" und "routte" diesem Substantiv als Adjektive zuordnen ("weiß" und "zerbrochen"). Währenddem sich dabei letzteres auf die beendete Schirmherrschaft beziehen müsste (der "zerbrochene Schild"), ist die Bedeutung der Farbe Weiß unklarer. In der Astrologie wird die Farbe Weiß dem Krebs und dem Mond zugeordnet. Heraldisch entspricht Weiß dem Silber, was wiederum auf den Mond verweist. Falls Nostradamus hier einen "zerbrochenen Silberschild" gemeint hat, ließe dieser wohl auf die Identität des großen "Selin" schließen. Denn ein silbern-lunarer (lies: "islamischer") Schild passt als Symbol eher zum Islam bzw. einer islamischen Macht denn zu CHYREN (vgl. Anmerkung 5). Bleibt uns noch das "feu". Sollte mit "Selin" hier konkret ein islamischer Machthaber gemeint sein (vgl. GRUBER), könnte die Stelle tatsächlich so verstanden werden, dass dieser stirbt. Ansonsten wäre das "Feuer" z. B. als "Verderben" zu verstehen (vgl. Anmerkung 6). Ein Verderben, das der Entzug der Schirmherrschaft über die größte der drei Konkubinen bringt. Jene Konkubine, die "Selin" mit den Titulierungen der vierten Zeile versieht.