5.265  In La Férte-Vidame wird ein "Nikolaus" ergriffen, der ein Kind gezeugt hat. Die große "Luise" wird geboren, die das Burgund den Bretonen geben wird.
 

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Zusammenfassung


In der dritten Zeile von 9/59 wird die Geburt einer Frau angekündigt, die Nostradamus wohl mit Luise von Savoyen vergleicht (vgl. Anmerkung 5), die als Königsmutter während der Abwesenheit ihrens Sohnes Franz I. Frankreich regierte. In der vierten Zeile lesen wir, dass "Luise" später das Burgund den Bretonen geben wird, was zu einer französischen Regentin passen würde, die in einem innerfranzösischen Konflikt handeln muss. In den ersten beiden Zeilen geht es um einen "Nikolaus", der in La Ferté-Vidame (vgl. Anmerkung 1) vom Statthalter des Bischofs ergriffen werden wird. "Nikolaus" könnte dabei ein Kardinal sein (vgl. Anmerkung 4), der ein Kind gezeugt hat. Sollte dieses Kind mit der "großen Luise" aus der zweiten Hälfte des Vierzeilers identisch sein, hätten wir hier eine mit aller Wahrscheinlichkeit unehelich geborene Machthaberin vor uns. Und in diesem Fall wäre "Luise" wohl mit der Machthaberin aus 5.87 gleichzusetzen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Nostradamus den Kindsvater "Nikolaus" nennt. Ein Name, der eher auf den kirchlich-religiösen Bereich verweist, was gut zu einem Kardinal passen würde, der aber auch im Umfeld der französischen Krone auftaucht. Herzog Nikolaus I. von Lothringen (vgl. Anmerkung 3) war zunächst mit der Tochter des französischen Königs Ludwig XI. verlobt, bevor er auf die Seite von dessen Gegner Karl dem Kühnen wechselte. 1473 starb Nikolaus I. Zeitlebens unverheiratet, hinterließ er lediglich eine uneheliche Tochter namens Margarete. Ob es zwischen dem "Nikolaus" aus 9/59 und dem historischen Nikolaus I. noch andere Parallelen gibt (etwa die lothringische Herkunft), lässt sich im Augenblick noch nicht sagen.


Quellen
 

9/59  

A la Ferté1) prendra la Vidame2)
In La Ferté1) wird der Vitztum2)
Nicol3) tenu rouge4) qu’auoit produit la vie.
Nikolaus3) [ergreifen, den] dünnen Roten4), der das Leben hervorgebracht hatte.
La grand Loyse5) naistra que fera clame6).
Die große Luise5) wird geboren werden, die [eine] Klage6) vorbringen wird.
Donnant Bourgongne à Bretons par enuie7).
[Sie] gibt [das] Burgund den Bretonen mit Bedauern7).
1) Es gibt in Frankreich eine ganze Reihe von Orten namens "La Ferté" ("ferté" bedeutet im Altfranzösischen "Festung"). Wie GRUBER, S. 259f. zeigt, hängen die Vierzeiler 9/56, 9/57, 9/58 und 9/59 hinsichtlich ihrer Formulierung zusammen. Nostradamus hat sich dabei offensichtlich an den Reiseführer von Charles Estienne (1552) angelehnt. In den genannten vier Vierzeilern nennt unser Seher nämlich Orte, die Estienne in der gleichen Reihenfolge für den Weg nach Mortaigne (S. 110f.) erwähnt. Der letzte, den Nostradamus in obigem Vierzeiler wohl auch meint, ist La Ferté-Vidame, etwa 37 km südöstlich von Dreux.
2) Lies: "le Vidame". Der "Vidame" (dt. Vitztum) war der belehnte Vertreter eines Bistums oder einer Abtei in weltlichen Angelegenheiten. Der Vitztum vom La Ferté-Vidame war dabei Lehensnehmer des Bistums Chartres. Falls es doch "la Vidame" heißen sollte, dürfte die Stelle als "la vidamé" (das Erblehen) zu verstehen sein.
3) An historischen Vorbildern gibt es für diesen "Nikolaus" etwa Bischof Nikolaus von Myra (Fest am 6. Dezember), fünf Päpste: Nikolaus I. - Nikolaus V, einen Gegenpapst Nikolaus V. (1328 - 1330) oder, falls kein Kleriker gemeint sein sollte, Nikolaus I. Herzog von Lothringen (1471 - 1473). Letzterer kommt hier als Vorbild deshalb in Frage, weil er unverheiratet verstorben ist aber eine uneheliche Tochter (Margarete) hinterlassen hat. Herzog Nikolaus I. gehört zudem in die Zeit des Konfliktes zwischen Burgund (Karl dem Kühnen) und Frankreich (Ludwig XI.), was eine Verbindung zur vierten Zeile wäre. Dabei kämpfte der Lothringer zunächst auf Seiten der Franzosen gegen die mit Burgund verbündeten Bretonen (1468), wechselte aber einige Jahre später auf die Seite Burgunds.
4) Diese Stelle kann sehr unterschiedlich verstanden werden. Ein "Roter" ist bei Nostradamus in der Regel ein Kardinal mit rotem Ornat. Doch "tenu" bedeutet neben "dünn" (ténu) u. a. auch "Schuldner". Oder wir haben das Partizip Perfekt von "tenir" (halten, festhalten usw.) vor uns. Dann ließe sich die Passage beispielsweise mit "Nikolaus, [der am] Roten festgehalten hat" oder "Nikolaus, [der den] Roten festgehalten hat" übersetzen.
5) An historischen Vorbildern gibt es hier v. a. Luise von Savoyen (1476 - 1531), die Mutter des französischen Königs Franz I. Als ihr Sohn in Italien Krieg führte, übernahm sie die Regentschaft. 1529 handelte sie den "Damenfrieden von Cambrai" aus, einen Waffenstillstand zwischen Frankreich und Spanien.
6) Die Stelle "fera clame" ist nicht ganz klar. Das mittelfranzösische "clame" bedeutet "Klage" (im juristischen Sinn), "clamer" "eine Klage vorbringen". Es hat den Anschein, als hätte Nostradamus hier "clamera" durch "fera clame" ausgedrückt. Ansonsten ließe sich "clame" auf das lat. "clam" (heimlich) oder das lat. "clamor" (Geschrei) zurückführen. Wir hätten dann eine große Luise vor uns, die entweder heimlich agieren oder ein Geschrei machen wird. Sollte es hier "sera clam" heißen, wäre die Stelle als "wird verborgen bleiben" zu verstehen (vgl. lat. "clam esse" = verborgen bleiben).
7) Oder auch: "Neid, Hass; Begehren".

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