5.269  Nachdem Genf zum Schein die Fronten gewechselt hat, wird die Stadt erobert und ausgerottet. Möglicherweise vom französischen "Hahn".
 

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Zusammenfassung
 

In den ersten beiden Zeilen fordert Nostradamus die Genfer Bevölkerung nachdrücklich dazu auf, die Stadt zu verlassen, weil die paradiesischen Zeiten schlechteren Platz machen werden. In der dritten Zeile dürften wir erfahren, weshalb unser Seher so dringend zur Flucht aus Genf rät: Jemand, der gegen "Zopyra" ist, wird alle ausrotten. Meines Erachtens ist mit "Zopyra" die Stadt Genf selbst gemeint und diejenigen, die ausgerotten werden, sind die Einwohner der Stadt. Mit der Bezeichnung "Zopyra" dürfte Nostradamus ausdrücken wollen, dass die Stadt jemanden zu verraten vorgibt aber tatsächlich jemand anderen verrät, analog dem Perser Zopyros (vgl. Anmerkung 2). Das würde zu 5.212 passen, wo Genf London und dem "Hahn" Verrat vorspielt. Wenn Genf nun Zopyros entspricht, wären London und der "Hahn" mit den Babyloniern gleichzusetzen. Doch wer nähme die Rolle des Dareios ein? Der "Blitz" aus 8/6 (5.212)? Jedenfalls geht, anders als bei Herodot, Zopyros’ Plan bei Nostradamus nicht auf, und Zopyros stirbt (Genf wird erobert und entvölkert). Doch wem fällt Genf zum Opfer? Falls der "Blitz" die Genfer ausrotten wird, müsste dies wohl vor seiner entscheidenden Niederlage in Lyon geschehen (vgl. 5.212). Ich vermute allerdings eher, dass es der "Hahn" sein wird, der die List der Rhonestadt durchschauen und Genf furchtbar bestrafen wird. Der "Hahn" (Frankreich oder ein französischer Machthaber) taucht auch in 1/31 (5.210), 1/93 (5.159), 2/42 (5.129), 3/52 (5.34), 5/14 (5.47), 5/68 (5.169), 6/28 (5.103), 8/4 (5.209), 8/6 (5.212), 8/9 (5.16), 8/46 (5.159) und 8/61 (5.211) auf. Vor diesem Massaker wird man am Himmel entsprechende Vorzeichen für das kommende Grauen beobachten können (vierte Zeile). Damit könnten z. B. Eklipsen, Kometen oder spezielle Konstellationen gemeint sein.

Quellen
 

9/44  

Migrés migrés de Genesue trestous,
Verlasst [Genf], verlasst Genf, alle zusammen!
Saturne d’or en fer se changera,1)
Saturn wird sich von Gold zu Eisen verändern.1)
Le contre RAYPOZ2) exterminera tous,
Der, [der] gegen ZOPYRA2) [ist], wird alle ausrotten.
Auant l’a ruent3) le ciel signes fera.
Vor dem Kommenden3) wird der Himmel Zeichen erscheinen lassen.
1) Diese Zeile kann astrologisch oder mythologisch verstanden werden. In der Astrologie wird das Gold der Sonne sowie den Zwillingen, dem Löwen, der Jungfrau und der Waage zugeordnet, das Eisen dem Mars, dem Widder, dem Skorpion und dem Schützen. Hier könnte also gemeint sein, dass der Saturn sich zunächst in einer bestimmten Konstellation mit einem der "Gold-Elemente" befindet und dann zu einer solchen mit einem der "Eisen-Elemente" wechselt. In der Mythologie entspricht Saturn Kronos, der seinerseits auch mit dem Zeitgott Chronos gleichgesetzt wurde. Saturn kann somit ebenfalls als Verkörperung der Zeit verstanden werden. Der Wechsel von "Gold" zu "Eisen" bezieht sich hier auf die antike Vorstellung von den fünf Weltzeitaltern (Hesiod). Das erste, das Goldene Zeitalter, entspricht etwa unseren Vorstellungen vom Garten Eden. Damals herrschte Gott Saturn auf der Erde. Dann folgten das Silberne und das Eherne (Bronzene) Zeitalter sowie das Zeitalter der Heroen. Das letzte Zeitalter ist das Eiserne. Es ist jenes Zeitalter, in dem wir seit historischer Zeit leben und in dem der Mensch dazu gezwungen ist, im Schweiße seines Angesichts sein Brot zu essen. Es wird zugrunde gehen, wenn Dike und Aidos (Recht und Ehrfurcht) gänzlich aus der Welt verschwunden sind. Nostradamus könnte hier einfach gemeint haben, dass eine geradezu "paradiesische" Epoche zu Ende geht und nun schlechte Zeiten folgen werden.
2) Oder auch: "Der Anti-Zopyra". Der Begriff "RAYPOZ" ist das eigentliche Rätsel dieses Vierzeilers. In 5.54 und 5.212 wird Genf in Zusammenhang mit einem Verrat erwähnt. In 5.178 wird eine Stadt beim Genfer See Opfer eines Verrates, womit ebenfalls Genf gemeint sein könnte. Vor diesem Hintergrund scheint die Auflösung von "RAYPOZ" als "ZOPYRA" (vgl. LEONI) bzw. "ZOPYROZ A" ("Zopyros der Erste", vgl. PFÄNDLER, 1997) recht passend zu sein. "Zopyra" ließe sich dabei als weibliche Form von "Zopyros" verstehen. Zopyros war ein vornehmer Perser, der dem Perserkönig Dareios I. half, das aufständische Babylon wieder zu unterwerfen. Dazu verstümmelte er sich selbst das Gesicht und ging so zu den Babyloniern. Dort behauptete er, Dareios habe ihn dermaßen zugerichtet und er wolle sich nun deshalb am Perserkönig rächen. Nachdem er das Vertrauen der Babylonier gewonnen hatte, übernahm er den militärischen Oberbefehl der aufständischen Stadt und lieferte dann diese Dareios aus. Zur Belohnung machte ihn der Perserkönig anschließend zum Statthalter auf Lebenszeit in Babylon (vgl. Herodot, Historien III, 150 - 160). D. h. Zopyros spielte den Babyloniern den Verrat an Dareios vor, um diese später tatsächlich verraten zu können. Das würde zu 5.212 passen, wo Genf London und dem "Hahn" Verrat vorspielt. Und da Genf ursprünglich weiblichen Geschlechts ist (lat. "Genava"), wäre die Bezeichnung "Zopyra" (weiblicher Zopyros) ebenfalls treffend. Im Gegensatz zum historischen Zopyros scheint Genf in 9/44 jedoch ein schweres Schicksal bevorzustehen. In 5.54 verraten die Schweiz und Lausanne ihren Verbündeten Genf für 14 Kilogramm Gold, was sie zu zwei Zopyroi machen würde. Gemäß 4/9 (5.54) wird die Rhonestadt dann "in Tränen und Leid" sein. Letzteres würde gut zu 9/44 passen. Allerdings neige ich eher dazu, in "RAYPOZ" (Zopyra) Genf selbst zu erblicken, da Nostradamus die Einwohner der Stadt meines Erachtens zur Flucht aufruft, weil sie sonst demjenigen zum Opfer fallen, der "alle ausrotten" wird. Gemäß 5.178 wird eine Stadt beim Genfer See mittels einer "jungen Hure" verraten und anschließend von Kräften aus dem Rheingebiet erobert. Die Eroberung durch die Rheinländer ließe sich wiederum mit der bevorstehenden Ausrottung der Stadt Genf (9/44) in Einklang bringen. Allerdings scheint Genf in 5.178 - so Genf überhaupt gemeint ist - eher das Opfer eines Verrates denn der Verräter selbst zu sein.
3) "L’a ruent" ist nicht ganz klar, da hier auch ein Setzfehler vorliegen könnte. "Aruer" bedeutet "sich auf den Weg machen, aufbrechen; sich in einer Sache engagieren". Mit diesem "Sich-auf-den-Weg-Machenden" wäre wohl entweder derjenige gemeint, der "alle ausrotten" wird oder einfach die Zukunft, das Kommende. In diesem Sinne könnte "l’a ruent" auch als verstümmeltes "l’arriuement" (der oder das Kommende) verstanden werden. Sollte es "auent" heißen, wäre die Vorweihnachtszeit, der Advent gemeint.

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