5.271  In einem Land findet ein Staatsstreich statt. Doch die Nachfolger des alten Machthabers ("Nero"?) regieren den Staat sehr schlecht.
 

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Zusammenfassung
 

1/3: In der dritten Zeile erfahren wir, dass eine Republik von "neuen Leuten" gequält werden wird. Um welches Land es sich dabei handelt, ist allerdings nicht ersichtlich. Zur Zeit des Nostradamus gab es nur wenige Staaten, die als Republiken organisiert waren (etwa Genua und Venedig). Mit Blick auf das lat. "res publica" könnte unser Seher mit dem Begriff "Republik" aber auch einfach "Staat" oder "Gemeinwesen" gemeint haben, ohne das politische System des Landes genauer charakterisieren zu wollen. Jedenfalls wird dieser Staat von "neuen Leuten" in Mitleidenschaft gezogen werden. Damit könnte eine neue Obrigkeit gemeint sein (vgl. 1/61), die vielleicht aus Emporkömmlingen besteht (vgl. lat. "homines novi" = Emporkömmlinge, "neue Männer"). In den ersten beiden Zeilen erfahren wir, dass eine Sänfte von einem Wirbel umgestoßen und Gesichter von Mänteln bedeckt sein werden. Hier ist möglicherweise ein Staatsstreich beschrieben, bei dem während eines Aufruhrs ("Wirbel, Wirbelwind") der Machthaber gestürzt werden wird. Ausgeführt wird dieses Komplott von Leuten, die sich zunächst nicht zu erkennen geben, bzw. die "ihre Gesichter mit ihren Mänteln bedeckt halten werden". Sollten damit die "neuen Leute" der dritten Zeile gemeint sein? Etwas unklar ist der Hinweis auf die umgestürzte Sänfte. In Sänften wurden v. a. auch hochgestellte Persönlichkeiten befördert, so dass das Umstürzen einer solchen zur Versinnbildlichung eines politischen Umsturzes naheliegt. Versteht man den verwendeten Begriff "lictiere" aber als "Streu, Strohlager" (vgl. Anmerkung 1), könnte man die Stelle als Hinweis auf den neuen "Nero" (vgl. 5.17, 5.41, 5.110 und 5.153) verstehen. In 5.17 lesen wir nämlich, dass der neue "Nero" aus ärmlichen Verhältnissen stammen und nicht weit vom Strohlager ("peaultre") entfernt geboren werden wird (5.17: 6/67). Bezeichnenderweise verwendet Nostradamus den Begriff "peaultre" in 9/76 (5.17) zwar in einem anderen Sinn aber wieder in Zusammenhang mit "Nero". Zu diesem Zeitpunkt scheint es auch in der Kirche Spannungen zu geben. In der vierten Zeile lesen wir nämlich, dass sich die "Roten" und die "Weißen" unterschiedlich äußern bzw. unterschiedlich urteilen werden. Die "Roten" stehen bei Nostradamus gewöhnlich für Kardinäle mit rotem Ornat. Die "Weißen" könnten den einfachen Klerus, die einfachen Priester meinen, die weiße Chorhemden (lat. "albae") tragen (vgl. 5.88: 9/21, 5.252: 10/86). Worüber man geteilter Meinung ist oder ob und warum man sich vielleicht gegenseitig verurteilt (vgl. Anmerkung 4), erfahren wir allerdings nicht.

5/29: In der dritten Zeile geht es wohl wieder um die Kirche (vgl. Anmerkung 3). Mit deren "erledigter Sache" könnte der Zwist zwischen den "Weißen" und "Roten" aus 1/3 gemeint sein. Wie in 1/3 wird auch in der vierten Zeile von 5/29 wieder eine Republik erwähnt. Sollte es sich um dieselbe handeln, hätte diese nicht nur innen- sondern auch außenpolitische Probleme. Wir erfahren hier nämlich, dass sie von Venedig und vom Unterlauf der Donau her (d. h. vom Balkan aus) in "Wut" versetzt werden wird. Wie und warum steht allerdings nicht. In den ersten beiden Zeilen lesen wir, dass irgendwo die Freiheit verloren gegangen ist. Man wird sie auch nicht wiedererlangen. Vielmehr wird sie ein "Boshafter, Hochmütiger, Unedler und Ungerechter" an sich reißen. Diese Beschreibung würde zum neuen "Nero" passen, der in 1/3 gestürzt werden könnte (vgl. 5.17). In diesem Fall wären die beiden ersten Zeilen ein Rückblick auf die Lage Frankreichs vor den Ereignissen in 1/3. Oder der "Boshafte, Hochmütige, Unedle und Ungerechte" ist mit einem der beiden Nachkommen "Neros" aus 9/76 (5.17) identisch, dem "reißenden und blutrünstigen Schwarzen (bzw. Boshaften)". Dann bezögen sich die beiden ersten Zeilen von 5/29 auf die Zeit nach "Neros" Ende.

1/61: In den ersten beiden Zeilen erwähnt Nostradamus eine "elende und unglückliche Republik", die von der neuen Obrigkeit verwüstet werden wird. Damit könnte Frankreich gemeint sein, das möglicherweise bereits vor "Nero" seine Freiheit verlieren wird und dann unter diesem weiter zu leiden hat (vgl. oben). Die neue Obrigkeit sind vielleicht die "neuen Leute" aus 1/3, die das Land ebenso schlecht regieren werden wie ihr gestürzter Vorgänger. Zum Verständnis der beiden letzten Zeilen von 1/61 fehlt uns der Kontext: Eine große Ansammlung von Menschen (vielleicht Truppen, vgl. Anmerkung 4), die sich offenbar im Exil in einem feindlich gesinnten Land befndet, wird die Schwaben (oder pars pro toto die Deutschen?) dazu bringen, aus einem großen Vertrag auszusteigen, diesen zu "zerreißen".

Quellen
 

1/3 

Quand la lictiere1) du tourbillon2) versee,
Wenn die Sänfte1) vom Wirbel2) umgestoßen [worden ist]
Et seront faces de leurs manteaux couuers,
und Gesichter von ihren Mänteln bedeckt sein werden,
La republique par gens3) nouueaux vexée,
[wird] die Republik von neuen Leuten3) gequält.
Lors blancs & rouges iugeront4) à l’enuers.
Dann, wenn [die] Weißen und [die] Roten sich im gegenteiligen Sinne äußern4).
1) Oder auch: "Streu, Strohlager; Bett; Leichenwagen; Tragbare".
2) Oder auch: "Wirbelwind, Taumel".
3) U. a. auch im Sinne von "Soldaten, Truppen".
4) Oder auch: "urteilen, verurteilen".

5/29  

La liberté ne sera recouuree,
Die Freiheit wird nicht wiedererlangt werden.
L’occupera noir1) fier vilain inique:
Sie an sich reißen wird [der] Boshafte1), Hochmütige, Unedle [und] Ungerechte.
Quand la matiere2) du pont3) sera ouuree,
Wenn die Sache2) der Brücke3) behandelt sein wird,
D’Hister4), Venise faschee5) la republique.
[wird] vom Unterlauf der Donau4) [und von] Venedig [her] die Republik in Wut versetzt5) werden.
1) Nach lat. "niger", das neben "schwarz" im übertragenen Sinne auch "boshaft, tückisch, böse" bedeutet.
2) "Sache, Angelegenheit" im weitesten Sinne.
3) Mit der "Brücke" ist wahrscheinlich die Kirche gemeint, deren Oberhaupt als "Pontifex Maximus" (Oberster Brückenbauer) bezeichnet wird, vgl. 5.91.
4) Lat. "Hister" (Unterlauf der Donau).
5) Oder: "gestört, in Aufregung versetzt" usw.

1/61  

La republique miserable infelice1)
Die elende [und] unglückliche1) Republik
Sera vastée du nouueau magistrat2):
wird von [der] neuen Obrigkeit2) verwüstet [werden].
Leur3) grand amas4) de l’exil6) malefice5)
Ihre3) große Ansammlung4) aus dem feindseligen5) Exil6)
Fera Sueue7) rauir8) leur grand contract.
wird [die] Sueben7) dazu bringen, ihren großen Vertrag zu zerreißen8).
1) Oder u. a. auch: "unheilvoll, unselig".
2) Oder auch: "Regierung, Würdenträger".
3) BRIND’AMOUR, S. 136, korrigiert hier zu "Lors" (dann, zu der Zeit).
4) Auch: "Haufen, Kriegshaufen (Truppen)".
5) Das Mittelfranzösische Substantiv "malefice" bedeutet "Übeltat, Frevel, Verbrechen; Bösartigkeit; Verhexung". Hier scheint "malefice" aber eher adjektivisch verwendet zu werden und auf das lat. "maleficus" (übel handelnd, boshaft, gottlos, missgünstig, feindselig, schädlich, zauberisch) zu verweisen.
6) Das mittelfranzösische "exil" bedeutet neben "Exil, Verbannung" u. a. auch "Zerstörung, Plünderung; Zerfall".
7) Lies: "Sueues" (vgl. auch BRIND’AMOUR, S. 136). Die Sueben waren eine germanische Völkergruppe zwischen  Rhein und Elbe. Sie siedelten im Norden des heutigen Baden-Württembergs.  In der Völkerwanderung stießen sie nach Nordportugal bzw. Galicien  vor und gründeten dort einen Staat. Die in Germanien verbliebenen Sueben gingen in den Alemannen auf, ihr Name blieb aber bis heute erhalten - in den Schwaben.
8) Eigentlich: "rauben, wegnehmen". Da aber von einem Vetrag die Rede ist, könnte hier eher das lat. "rapere" im Sinne von "zerreißen" gemeint sein.


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