5.276  Ein neuer "Caligula" stirbt, und mit seinem Nachfolger kommt das Goldene Zeitalter.
 

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9/17 - 5/41

9/17  

Le tiers premier pys que ne feit Neron1),
Vuidez2) vaillant que3) sang humain respandre:
R’edifier fera le forneron4),
Siecle d’or5), mort6), nouueau roy grand esclandre7).

Der dritte Erste [wird] schlimmer [sein], als es Nero1) war.
[Sie werden] um [ihren] Besitz gebracht2) [werden], bevor3) menschliches Blut
vergossen [wird].
[Er] wird Neros Ofen4) wiedererrichten lassen.
[Das] Goldene Zeitalter5) [kommt mit seinem] Tod6), [und der] neue König [mit]
großem Lärm7).
1) Kaiser Nero (54 - 68) ließ die letzten Jahre seiner Herrschaft zur reinen Willkürherrschaft ausarten. Er gab die Ermordung seiner Mutter, seiner ersten Frau und anderer bedeutender Persönlichkeiten in Auftrag. Der Brand von Rom wurde ihm später zugeschrieben. Unter seiner Herrschaft wurden zudem Petrus und Paulus in oder bei Rom hingerichtet. Oder Nostradamus bezieht sich hier auf seinen neuen "Nero" (Aenobarbus, 5.23).
2) In einigen 1568er-Ausgaben steht hier auch "vuidex". CLÉBERT, S. 968, korrigiert hier zu "vuider".
3) Oder u. a. auch: "wenn, wie, sowie auch, weil, damit".
4) "Forneron" ist ein nostradamischer Neologismus, angepasst an das "Neron" der ersten Zeile. In diesem Begriff stecken wohl "fournaise" bzw. "fourneau" (Ofen). Zudem könnte er auf das lat. "fornix" (u. a. Bordell) und abzielen und "fornix Neronis" (etwa "Hurerei des Nero") meinen. Dem historischen Nero wurde von der Nachwelt bekanntlich der Brand von Rom zugeschrieben. Hier dürfte sich Nostradamus allerdings auf seinen neuen "Nero" aus 5.17 (9/53) beziehen. Dort erfahren wir, dass der neue ("junge") "Nero" drei Jünglinge in drei Kamine werfen wird. Damit vergleicht unser Seher seinen "Nero" mit dem babylonischen König Nebukadnezar II. (604-562 v. Chr.), der die Juden in die Babylonische Gefangenschaft geführt hat. Im dritten Kapitel des Buches Daniel wird die Geschichte von den drei jungen Männern im Feuerofen erzählt: Nebukadnezar hatte ein goldenes Standbild errichten lassen, das anzubeten war. Drei Juden, denen Nebukadnezar die Verwaltung der Provinz Babel anvertraut hatte, Schadrach, Meschach und Abed-Nego, verweigerten jedoch die Anbetung des Standbildes und wurden daraufhin zur Strafe lebendig in einen großen glühenden Feuerofen geworfen. Doch Gott schickte ihnen einen Engel, der die Flammen aus dem Ofen vertrieb, so dass die Hitze ihnen nichts anhaben konnte. Daniel überliefert auch das Dankgebet eines der drei Juden. Darin wird Nebukadnezar als Strafe Gottes für die Sünden des Volkes Israel (Dan 3,28-30) und als ungerechter und schlimmster König der ganzen Welt bezeichnet (Dan 3,32). Als Nebukadnezar dieses Wunder sah, begnadigte er die drei Juden und erkannte in ihrem Gott den höchsten aller Götter (Dan 3,96 u. 99).
5) Nostradamus greift hier auf die antike Vorstellung von den fünf Weltzeitaltern zurück. Das erste, das Goldene Zeitalter, entspricht etwa unseren Vorstellungen vom Garten Eden. Damals herrschte Gott Saturn auf der Erde. Dann folgten das Silberne und das Eherne (Bronzene) Zeitalter sowie das Zeitalter der Heroen. Das letzte Zeitalter ist das Eiserne. Es ist jenes Zeitalter, in dem wir seit historischer Zeit leben und in dem der Mensch dazu gezwungen ist, im Schweiße seines Angesichts sein Brot zu essen.
6) GRUBER, S. 165, unterdrückt das Komma und übersetzt: "[Das] Goldene Zeitalter [ist] tot".
7) Oder u. a. auch: "Unglück, Kränkung, Randale, Skandal, Aufruhr".


Ein Herrscher schlimmer als "Nero" stirbt, und mit seinem Tod kommt das Goldene Zeitalter.

Nostradamus spricht in der ersten Zeile von jemandem, der schlimmer sein wird, als es Nero einst war. Von jemandem, der wahrscheinlich Neros Ofen wiedererrichten wird (vgl. Anmerkung 4). Damit dürfte aber klar werden, dass unser Seher hier bei "Nero" nicht an den römischen Kaiser sondern an seinen neuen "Nero", den Aenobarbus aus 5.23, gedacht hat, vgl. ebenfalls Anmerkung 4. Somit ist der Mann, der in der ersten Zeile als "dritter Erster" bezeichnet wird, nicht mit Aenobarbus identisch sondern wird erst später auftreten. Unklar ist, was Nostradamus mit dem "dritten Ersten" meint. Der dritte Herrscher (vgl. lat. "princeps" = u. a. der Erste, der Herrscher)? In diesem Fall hätten wir in 9/17 wohl einen neuen Caligula vor uns. Caligula (37-41 n. Chr.) war nach Augustus und Tiberius der dritte römische Kaiser und gilt in der klassischen Historiografie generell als wahnsinniges Scheusal. Allerdings ging der historische Caligula dem historischen Nero in der Reihe der Cäsaren voraus (Caligula - Claudius - Nero).

In 9/17/2 erfahren wir, dass Leute enteignet und Blut vergossen wird. Das würde zu Caligula passen, dessen Herrschaft besonders durch den Konflikt mit dem Senat gekennzeichnet war, aus dessen Reihen er etliche Exponenten in Hochverratsprozessen zum Tode verurteilen ließ.

Laut Zeile drei wird er "Neros" Ofen wiedererrichten lassen. Nostradamus vergleicht den mutmaßlich neuen Caligula somit indirekt auch mit Nebukadnezar II., dem Beherrscher der Juden während der Babylonischen Gefangenschaft, vgl. Anmerkung 4.

Gemäß 9/17/4 dürfte der Tod des neuen "Caligula" den Anbruch eines Goldenen Zeitalters mit sich bringen, wobei der neue König mit großem Lärm oder großer Unruhe (vgl. Anmerkung 7) kommen wird. Dem historischen Caligula folgte Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.), dessen Herrschaft in der klassischen Geschichtsschreibung aber nicht mit dem Goldenen Zeitalter verglichen wurde. Nostradamus spricht hier von einem "neuen König". Da sein eigener "Nero" offensichtlich Franzose ist (vgl. 5.23), ist es zumindest denkbar, dass mit "Caligula" und dem "neuen König" ebenfalls Franzosen gemeint sind.










5/41  

Nay4) souz les vmbres1) &2) iournee nocturne3)
Sera en regne & bonté5) souueraine:
Fera renaistre son sang de l’antique6) vrne,
Renouuellant siecle d’or pour l’ærain7).

[Der, der] unter den Schatten1) und2) [zur] nächtlichen Tageszeit3) geboren4)
[werden wird],
wird an der Macht sein und allergrößte Güte5) [besitzen].
[Er] wird sein Blut aus der alten6) Urne wiederauferstehen lassen,
[und das] Goldene Zeitalter anstelle des Ehernen7) wiederbegründen.
1) Das mittelfranzösische "vmbre" (Schatten) kann im übertragenen Sinn u. a. auch "Schutz, Refugium, Versteck" bedeuten.
2) GRUBER, S. 240, korrigiert hier zu "de".
3) Damit ist wohl einfach die Nacht gemeint. Die Stelle ließe sich auch mit "[am] nächtlichen Tag" übersetzen. Doch was sollte das sein? Vielleicht ein Tag mit einer Sonnenfinsternis (vgl. auch CLÉBERT, S. 615)?
4) Oder auch: "erscheinen", vgl. mittelfranzösisch "naistre" (u. a. erscheinen, auftauchen).
5) Im Sinne von "Rechtschaffenheit, Vorzüglichkeit" aber auch von "Herzensgüte, Gutmütigkeit".
6) Auch im Sinne von "sehr alt, antik", was hier wohl gemeint sein dürfte. Mit dieser "antiken Urne" ist wohl die "urna sortium" gemeint, die Schicksalsurne mit den Todeslosen der Menschen. Gemäß Ammianus Marcellinus (Res Gestae 14,11,25f.) kontrollierte Nemesis, die Rachegöttin und Göttin des gerechten Zorns, diese Urne. Hier könnte z. B. gemeint sein, dass sich die erwähnte Familie (das "Blut") in der Urne am Rande des Todes befindet, d. h. fast oder vermeintlich ausgestorben ist.
7) Nostradamus greift hier auf die antike Vorstellung von den fünf Weltzeitaltern zurück. Das erste, das Goldene Zeitalter, entspricht etwa unseren Vorstellungen vom Garten Eden. Damals herrschte Gott Saturn auf der Erde. Dann folgten das Silberne und das Eherne (Bronzene) Zeitalter sowie das Zeitalter der Heroen. Das letzte Zeitalter ist das Eiserne. Es ist jenes Zeitalter, in dem wir seit historischer Zeit leben und in dem der Mensch dazu gezwungen ist, im Schweiße seines Angesichts sein Brot zu essen. Das erwähnte Eherne Zeitalter war laut Hesiods "Werke und Tage" (143-155) u. a. gekennzeichnet durch starke, kriegerische Menschen mit einem harten Gemüt. Es war eine gewalttätige Zeit, deren Menschen weniger edel und gerecht waren als die nachfolgenden Heroen.


Der Herrscher, der das Goldene Zeitalter wiederbegründet, wird im Dunkeln geboren werden, sein Blut wiederauferstehen lassen und allergrößte Güte besitzen.

In der vierten Zeile erfahren wir, dass jemand das "Goldene Zeitalter" anstelle des "Ehernen" wiederbegründen wird. Das verbindet diesen Vierzeiler mit 9/17, wo nach "Caligulas" Tod ein neuer König kommen und ebenfalls das "Goldene Zeitalter" beginnen wird. In diesem Fall stände das gewalttätige "Eherne Zeitalter" (vgl. Anmerkung 7) für die Schreckensherrschaft des neuen "Caligula".

Über das "Goldene Zeitalter" erfahren wir leider nichts Näheres. Allerdings beschreibt Nostradamus an anderer Stelle eine Epoche, die recht gut dazu passen würde. Nämlich die 57jährige Zeit des Friedens und des Wohlstands aus 5.29, in der ein französischer König sein Land regieren wird. Aber auch in jener Epoche wird der Herrscher sich Schwierigkeiten und Gefahren gegenüber sehen: Ein Giftanschlag auf sein Leben scheitert. In 5.52 (10/43) ist ebenfalls von einer guten oder sogar "zu guten" Zeit die Rede. Und davon, dass ein König offenbar wegen seines Wohlwollens getötet werden wird.

In 5/41/1 ist zu erfahren, dass der König unter den "Schatten" und in der "Nacht" geboren werden wird. Ist die erste Angabe vielleicht so zu verstehen, dass der Herrscher heimlich in einem Versteck das Licht der Welt erblickt (vgl. Anmerkung 1)? Das würde vielleicht erklären, weshalb man seine Dynastie zunächst für bereits ausgestorben hält (vgl. Anmerkung 6). Die "Nacht" könnte im übertragenen Sinn die Zeit meinen, in der dieser Herrscher geboren wird: die "dunkle" und unglückliche Zeit von "Caligulas" Herrschaft. Muss der König vielleicht deshalb im Geheimen zur Welt kommen, weil er bzw. seine Familie von "Caligula" verfolgt werden?

In der zweiten Zeile erfahren wir etwas über den Charakter dieses Königs. Nostradamus attestiert ihm "allergrößte Güte" (vgl. Anmerkung 5). Das verbindet den Vierzeiler erneut mit 10/43 (5.52), wo sogar ein Zuviel an "königlicher Güte" moniert wird, dort allerdings eher im Sinne von "Gutmütigkeit".

Zu beachten ist hier noch 5/38 (5.181). Dort wirft Nostradamus einem französischen König "Fahrlässigkeit" (nonchalance) hinsichtlich der Thronfolge vor. Das erinnert an 10/43 (5.52), wo der Vorwurf der "Nachlässigkeit" (negligence) erhoben wird. Allerdings ist 5/38 (5.181) ebenfalls zu entnehmen, dass jener König ein "rechtswidriges und schlüpfriges Leben" führen wird. Das passt aber wohl kaum zu jemandem, dem unser Seher in 5/41 "allergrößte Güte" zubilligt.



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