5.278  "Weißer Ton" aus der Tiefe bildet einen "Felsen" - Eine Bewegung von unten garantiert die Macht eines Papstes.
 

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Zusammenfassung
 

Vordergründig scheint es in 1/21 um ein Naturschauspiel zu gehen, bei dem aus einer Erd- oder Felsöffnung weißer Ton quillt, der sich verfestigt und einen Felsen bildet. Ein Naturschauspiel, dass die Menschen - zu Unrecht - verängstigt. Doch sehen wir uns die verwendeten Begriffe ("Felsen", "weißer Ton" bzw. "Tonerde") etwas genauer an. Der "Felsen" erinnert den Leser an den Papst oder das Papsttum, das auf den Apostel Petrus ("Fels") zurückgeht. Den "Ton" dürften wir indirekt bereits kennengelernt haben, nämlich als "Teig" bzw. "Sauerteig" in 9/72 (5.262). Das griechische "phyrama", das etwa im ersten Korintherbrief 5, 6f. verwendet wird, bedeutet nämlich sowohl "Teig" wie auch "Tonmasse". Im Alten Testament werden die Juden, das Haus Israel, einmal mit "Ton" verglichen, vgl. Jeremia 18, 6. Bei Paulus im erwähnten Korintherbrief sind mit dem Teig allerdings die Christen gemeint. Und auch Nostradamus dürfte in 1/21 mit dem "(weißen) Ton" Christen gemeint haben. Denn wie wir aus der ersten Zeile erfahren, werden sie die Macht eines Papstes ("Felsen") garantieren (ihn "bilden" oder "ernähren", vgl. Anmerkung 2). Nostradamus beschreibt die Machtbasis (den "Ton") dieses Papstes als "weiß" und "tief". Damit könnten beispielsweise die einfachen Priester gemeint sein, die weiße Chorhemden (lat. "albae") tragen. Jedenfalls dürfte dieser "weiße Ton" eher aus den unteren Rängen der Hierarchie bestehen, da er als "tief" bezeichnet wird. Oder sollten damit vielleicht sogar Laien gemeint sein? In der zweiten Zeile erfahren wir etwas über die Herkunft dieses "weißen Tons" und somit ebenfalls etwas über den von ihm gestützten Pontifex. Er wird aus einem "Abgrund" milchig-weiß hervorquellen. An dieser Stelle sei an die Doppelbedeutung des Begriffes "Abgrund" erinnert, der auch die Hölle bezeichnen kann (vgl. lat. "abyssus"). Wir könnten hier also eine Bewegung - eine "Kirche von unten" - vor uns haben, die den Anschein erweckt, sie sei tatsächlich eine teuflische Erfindung. Allerdings dürfte Nostradamus diesbezüglich in der dritten und vierten Zeile Entwarnung geben. Zwar wird dieser Papst große Aufregung verursachen und man wird - wohl aus Furcht - nicht wagen, ihn anzugreifen ("anzufassen"), doch dieses Kirchenoberhaupt hat keinen Pakt mit der Hölle. Er ist lediglich das Produkt der Bewegung des "tiefen weißen Tons".

Um "Ton" geht es auch in 5.21.

Quellen
 

1/21  

Profonde1) argille blanche nourrir2) rochier,
Tiefer1) weißer Ton [wird einen] Felsen bilden2).
Qui3) d’vn abysme istra lacticineuse,
[Ton,] der3) aus einem Abgrund milchig hervorquellen wird.
En vain troubles ne l’oseront toucher
[Die] Aufregung [ist] unnötig, [doch sie] werden [es] nicht wagen, ihn anzufassen.
Ignorants estre au fond terre argilleuse.4)
Unwissend, [dass] in der Tiefe [nur] Tonerde war.4)
1) Auch im übertragenen Sinne zu verstehen, vgl. lat. "profundus" (u. a. tief; unterweltlich; unermesslich, unersättlich).
2) Oder auch: "ernähren, unterhalten".
3) Oder das "qui" bezieht sich auf den Felsen, der aus einem Abgrund hervorkommen wird. In diesem Fall wäre "milchig" wohl als "milchfarben" (weiß) zu verstehen. An dieser Stelle sei noch darauf hingewiesen, dass das mittelfranzösische Wort "lait" doppelt existiert. Das eine "lait" bedeutet "Milch", das andere "Beleidigung, Unrecht".
4) D. h. unwissend, dass der Felsen auch nur aus dem erwähnten weißen Ton bestehen wird. Begreift man "au fond" im Sinne von "im Grunde", ließe sich die Zeile auch folgendermaßen übersetzen: "Unwissend, [dass] es sich im Grunde nur um Tonerde handelt", vgl. GRUBER, S. 190.

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