5.281 "Cato", ein neuer Karl Borromäus von zunächst vorzüglichem Wesen, wird grausam und bösartig werden. In Venedig wird er seinen stolzen Ruhm verlieren und von einem jüngeren Taugenichts ins Unglück gestürzt werden.
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Zusammenfassung
In diesem Vierzeiler dürfte es um jemanden gehen, den Nostradamus mit Karl Borromäus (1538 - 1584) vergleicht. Wie in Anmerkung 4 ausgeführt, war Karl Borromäus ein Neffe des Papstes Pius IV., wurde von diesem zum Kardinalnepoten ("Kardinalneffen") ernannt und war als solcher der führende Staatsmann der Kurie. In den beiden ersten Zeilen erfahren wir, dass dieser neue Borromäus seine Aufgaben zunächst hervorragend erfüllt oder von vorzüglichem Wesen ist, dann aber sehr grausam und bösartig werden wird. In 8/32 (5.243) lässt "Cato", der offenbar ein leiblicher Neffe des Königs von Frankreich ist, den französischen Thronfolger ermorden. Das könnte die in der zweiten Zeile von 8/31 erwähnte Hinwendung des neuen Karl Borromäus zu Grausamkeit und Bösartigkeit sein. In der dritten Zeile erfahren wir, dass er in Venedig seinen "stolzen Ruhm" verlieren wird. Venedig taucht auch in 5.33 auf. Zum einen eilt dort ein großer Herzog in die Nähe Venedigs (10/64), zum andern werden in der Nähe der Lagunenstadt gemäß 8/93 wieder Friede und Eintracht (bzw. ein Abkommen) Einzug halten. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass Venedig zur Zeit des Nostradamus eine Republik war, zu der u. a. große Teile Nordostitaliens gehörten. Wenn unser Seher also in 5.33 zweimal von der näheren Umgebung (der Stadt) Venedig spricht und in 8/31 nur "Venedig" erwähnt, könnte es somit sein, dass jedesmal vom gleichen Staatswesen oder der gleichen Macht die Rede ist. Doch was ist mit dem "stolzen Ruhm" gemeint, den der Neffe dort verlieren wird? Ermordet werden wird der Neffe bzw. "Cato" wohl in Agrigent, vgl. 5.33. Gemäß 5.139 wird er aber zunächst verfolgt und gefangen werden. Verfolgen (oder vertreiben) wird ihn laut 3/17 (5.139) der "Monarch". Damit dürfte der französische König gemeint sein. Gefangen genommen wird der Neffe vom "Großen", womit wahrscheinlich ebenfalls der Herrscher Frankreichs gemeint ist. Somit ist es eher zweifelhaft, dass diese Gefangennahme mit dem Verlust des "stolzen Ruhms" in Venedig identisch ist. Vielmehr stellt sich hier die Frage, ob der Neffe des französischen Königs (5.133?, 5.139, 5.207?, 5.208, 5.243) und der "Cato"-Neffe der Kirche (5.33, 5.133?, 5.207?, 5.244) überhaupt ein und dieselbe Person sind oder nur zufälligerweise zeitgleich in Erscheinung treten (vgl. 5.139: 3/17). Ein Zufall, den Nostradamus durch die gleiche Bezeichnung "Neffe" natürlich nur allzu gerne dazu benutzt hätte, den Leser zu verwirren. In der vierten Zeile von 8/31 erfahren wir, dass der neue Karl Borromäus bzw. "Cato" von einem "jüngeren Taugenichts" ins Unglück gestürzt werden wird. Mit Letzterem könnte Kardinal Farnese aus 8/67 (5.33) gemeint sein (vgl. Anmerkung 7). Wie der Taugenichts "Cato" ins Unglück stürzen wird, ist allerdings nicht ersichtlich. Stürzt er ihn in Venedig ins Unglück, so dass dieser dort seinen "stolzen Ruhm" verliert? Oder ist hier gemeint, dass der Taugenichts später zusammen mit London die Ermordung "Catos" betreiben wird?
Quellen
8/31
1) Im Französischen ist "Frucht" männlichen Geschlechts ("le fruit"), so dass hier trotz der weiblichen Form in der deutschen Übersetzung wohl von einem Mann die Rede ist. "Premier" lässt sich im Mittelfranzösischen u. a. auch als Wertung verstehen, vgl. dazu ebenfalls das lat. "primarius" (vornehm, vorzüglich). Ansonsten wäre die Stelle etwa so zu übersetzen: "[Die] Erste [wird sie sein, ..."
Premier1) grand fruit2) le3) prince de Pesquiere4)
[Die] Vorzüglichste1) [wird sie sein, die] große Frucht2) des3) Fürsten von Peschiera4).
Mais puis viendra bien & cruel malin5),
Aber dann wird [sie] sehr grausam und bösartig5) werden,
Dedans Venise perdra sa gloire fiere
[die] in Venedig ihren stolzen Ruhm verlieren
Et mys à mal par plus ioyue6) Celin7).
und vom jüngeren6) Taugenichts7) ins Unglück gestürzt [werden wird].
2) Mit der "Frucht" ist hier wohl "Kind" oder "Nachkommenschaft" gemeint. Vgl. auch CLÉBERT, S. 876.
3) Hier sollte es wahrscheinlich "du" heißen.
4) In Norditalien gibt es zwei Orte namens Peschiera. Peschiera del Garda am Südufer des Gardasees und Peschiera Borromeo, etwa 10 km südöstlich von Mailand gelegen. Im letzteren steht seit dem 15. Jh. ein Schloss des italienischen Adelsgeschlechts der Borromeo, und Filippo Borromeo (1419 - 1464) wurde 1461 vom Mailänder Herzog Francesco I. Sforza zum Grafen von Peschiera ernannt. Einer seiner Nachfahren war der später heiliggesprochene Karl Borromäus (1538 - 1584), der Neffe des Papstes Pius IV. (1559 - 1565). Kurz nach Amtsantritt des Mailänder Medici-Papstes wurde Karl Borromäus als Kardinalnepot und Apostolischer Protonotar zum führenden Staatsmann der Kurie. 1565 trat er sein Amt als Erzbischof von Mailand an. Karl Borromäus könnte das Vorbild für den "Neffen" bzw. den neuen "Cato" sein, der bei Nostradamus an anderer Stelle auftaucht (vgl. 5.33, 5.133, 5.139, 5.207, 5.208, 5.243 und 5.244).
5) Lies: "bien cruel & malin".
6) Lies: "ioyne" (jung). Möglich wäre auch, dass hier "le plus ioyne" (der allerjüngste) gemeint ist.
7) Unklar. Mit Blick auf das "malin" der zweiten Zeile könnte hier "calin" (Taugenichts, Faulenzer, scheininvalider Bettler) gemeint sein. Oder "Celin" ist eine Verschreibung von "Selin". Bei Nostradamus bezeichnet "Selin" entweder den Islam bzw. einen islamischen Machthaber (vgl. 5.30, 5.193? und 5.259: 10/53, Anmerkung 5) oder "CHYREN", den Islambezwinger (vgl. 5.38, 5.39, 5.40, 5.66, 5.81, (5.96), 5.147 und 5.186, speziell 5.38: 4/77 u. 6/42, 5.39: 8/54 und 5.96: 6/27). Dass aber ausgerechnet "CHYREN", der Retter des Abendlandes "Cato" ins Unglück stürzen soll, scheint mir eher weniger wahrscheinlich zu sein. Der in Italien vorstoßende Islam (vgl. 5.33: 9/2 und 5.139: 3/17) wäre dafür ein interessanterer Kandidat. Es würde auch Sinn machen, dass die Muslime gezielt den bedeutendsten Kirchenpolitiker "ins Unglück stürzen", da ein solcher ihren Interessen wohl am ehesten im Wege stehen dürfte. In 5.33 scheint "Cato" allerdings London und Leuten aus der Kirche zum Opfer zu fallen (6/82 u. 6/22), so dass ich vermute, dass auch hier jemand aus diesem Bereich aktiv werden wird. Gemäß 10/30 (5.244) werden sowohl "Cato" wie auch die Anhänger des Colonna-Papstes verfolgt werden, was den Schluss nahelegt, dass "Cato" auf der Seite Colonnas steht. In diesem Fall stünden beide in Opposition zu Kardinal Farnese, vgl. 8/67 (5.33). Und Letzterer könnte nun mit dem "jüngeren Celin (= Taugenichts?)" aus der vierten Zeile von 8/31 gemeint sein. Als historische Vorbilder für einen solchen "jüngeren" oder "allerjüngsten" (vgl. Anmerkung 6) Farnese-Kardinal kämen zwei Personen in Frage: Alessandro Farnese d. J. (1520 - 1589) und Ranuccio Farnese (1530 - 1565). Alessandro wurde bereits als Vierzehnjähriger von seinem Großvater Papst Paul III. 1534 zum Kardinal ernannt. Von 1535 bis 1551 war er Erzbischof von Avignon. Als erst Achtzehnjähriger leitete Alessandro für Paul III. ab 1538 bereits die Politik des Kirchenstaates. 1546 kommandierte er die päpstlichen Truppen, die auf Seiten Kaiser Karls V. im Schmalkaldischen Krieg gegen die Protestanten kämpften. 1553 wurde er zum Erzbischof von Tours und im Jahr darauf zum Bischof von Cahors ernannt. Hier wird die Verbindung Alessandros zu Frankreich deutlich, wo er zwischen 1552 und 1554 sogar am Hof von König Heinrich II. weilte. Ranuccio war der jüngere Bruder von Alessandro und somit ebenfalls ein Enkel des Farnese-Papstes Paul III. Ranuccio wurde bereits als Zwölfjähriger zum Prior des Malteserordens ernannt. Drei Jahre später machte ihn sein Großvater zum Kardinal. Wegen seines jugendlichen Alters wurde Ranuccio auch "il cardinalino" (das Kardinälchen) genannt. Bis zu seinem Tod bekleidete er die Ämter des Erzbischofs von Neapel und Ravenna sowie des Bischofs von Bologna und des Kardinalbischofs von Sabina. Zu beiden Kirchenfürsten passen die Beschreibungen "Taugenichts" oder "Faulenzer" allerdings nicht. Nostradamus müsste hier also an andere Gemeinsamkeiten gedacht haben. Wird der "Taugenichts" vielleicht denselben Geburtsort haben wie die beiden historischen Farneses (Valentano)? Oder wird er womöglich ein gleiches Amt (z. B. einen bestimmten Bischofstitel) haben wie sein historisches Vorbild? Mit etwas Phantasie könnte man auch aus "Farnese" das provenzalische "far neisu(n)s" heraushören, was als "nichts machen" verstanden werden kann. In diesem Fall hätte unser Seher mit dem "Taugenichts" oder "Faulenzer" bloß auf den besagten Familiennamen anspielen wollen.