5.290  Wegen eines Todesfalls wird die französische Flotte in See stechen und die französische Armee nach Spanien marschieren. Dort wird Verwirrung herrschen und Truppen werden in Bewegung gesetzt sein. Einige der hochstehendsten Damen wird man zuvor nach Frankreich geführt haben. Mögliche Zuordnung: Der Spanische Erbfolgekrieg von 1701 - 1713/14, der durch den Tod des letzten spanischen Habsburgerkönigs Karl II. im Jahr 1700 ausgelöst wurde. Dabei standen die französische und spanische Flotte in den Meeren um Spanien den Seestreitkräften der Engländer und Niederländer gegenüber. Spanien selber befand sich in einer Bürgerkriegssituation, da nicht alle Provinzen den neuen König, den französischen Bourbonen Philipp V., akzeptierten. Auf der Iberischen Halbinsel kämpften französische und spanische Armeen gegen Truppen der Engländer, Niederländer, Portugiesen und Österreicher. Der erbrechtliche Anspruch Philipps V. auf den spanischen Thron war dabei durch die Heiratspolitik der spanischen Habsburger und der französischen Bourbonen während des 17. Jahrhunderts entstanden. Denn sowohl die Frau Ludwigs XIII. als auch die Frau Ludwigs XIV. waren spanische Prinzessinnen, die in Frankreich Königinnen wurden.
 

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Zusammenfassung
 

Gemäß der ersten Zeile wird Frankreich wegen eines Todesfalls ein Unternehmen bzw. einen Feldzug beginnen (vgl. Anmerkung 2). Die französische Streitmacht wird dabei nach Spanien vordringen (über die Pyrenäen marschieren) und auf dem Meer präsent sein (zweite Zeile). Das bedeutet wohl, dass der oder die Verstorbene in einem speziellen Verhältnis zu Spanien und Frankreich gestanden hat. Die verblichene Person könnte beispielsweise spanischer oder französischer Nationalität gewesen sein. In Spanien wird laut dritter Zeile ein Durcheinander herrschen, und Truppen werden in Bewegung gesetzt. Damit könnte etwa ein Bürgerkrieg gemeint sein. Ein Bürgerkrieg, in den Frankreich militärisch eingreift. In der letzten Zeile erfahren wir, dass man einige der hochstehendsten Damen eines Landes nach Frankreich gebracht haben wird. Mit Blick auf den Kontext des Vierzeilers handelt es sich hierbei wahrscheinlich um Spanierinnen. Doch wie und warum hat man sie ins nördliche Nachbarland geführt? Sind es vielleicht Geiseln? Da es sich nur um Frauen hohen Ranges handelt, könnten diese Damen jedoch auch im Rahmen dynastischer Heiratspolitik nach Frankreich gelangt sein.

Mögliche historische Zuordnung

Dieser Vierzeiler passt zum Spanischen Erbfolgekrieg (1701 - 1713/14). In der vierten Zeile würde dabei beschrieben, was vor dem spanischen Konflikt und vor dem in der ersten Zeile erwähnten Todesfall geschehen ist. Die nach Frankreich geführten hochstehendsten Damen wären Anna von Österreich (1601 - 1666), die älteste Tochter des spanischen Königs Philipps III. und Maria Theresia von Spanien (1638 - 1683), die älteste erwachsen gewordene Tochter von dessen Nachfolger Philipp IV. 1615 heiratete Anna von Österreich den französischen König Ludwig XIII. 23 Jahre später brachte sie Ludwig XIV. zur Welt. Und auch der Sonnenkönig ehelichte eine spanische Prinzessin. 1660 heiratete Ludwig XIV. seine Cousine Maria Theresia von Spanien. Aus dieser Verbindung ging Ludwig der Große Dauphin hervor (1661), der als einziges ihrer Kinder das Erwachsenenalter erreichte. Der Große Dauphin starb 1711, d. h. vier Jahre vor seinem Vater, wurde also selber nie König. Allerdings hatte er drei Söhne: Ludwig von Burgund (1682 - 1712, der Vater von Ludwig XV.), Philipp von Anjou (1683 - 1743) und Karl von Berry (1686 - 1714). Das französische Herrscherhaus der Bourbonen war also eng mit den spanischen Habsburgern verwandt und besaß somit auch Erbansprüche auf den spanischen Thron. Auf diesem Thron saß seit 1665 der letzte spanische Habsburger Karl II. (1661 - 1700). Der kinderlose Karl II. setzte auf Betreiben Frankreichs kurz vor seinem Tod den Enkel Ludwigs XIV. Philipp von Anjou testamentarisch als Thronerben ein. Somit war das Entstehen einer französisch-spanischen Supermacht möglich geworden, die eines Tages vielleicht sogar einmal von einem gemeinsamen König beherrscht würde. Eine Supermacht, die das europäische Mächtegleichgewicht zerstört hätte. Diese Konstellation rief aber England auf den Plan, in dessen Außenpolitik die Erhaltung des europäischen Mächtegleichgewichts eine zentrale Rolle spielte. Als der spanische König Karl II. am 1. November 1700 starb (der Todesfall aus der ersten Zeile von 4/2), waren bereits alle diplomatischen Bemühungen der Briten gescheitert, die das Entstehen einer französisch-spanischen Großmacht hätten verhindern sollen. Philipp von Anjou zog als Philipp V. von Spanien im Februar 1701 als König in Madrid ein, wurde aber nicht von allen seinen Untertanen als Herrscher akzeptiert (siehe unten). Am 7. September des gleichen Jahres schmiedete England die Haager Große Allianz, um dem Vormachtsstreben Ludwigs XIV. Einhalt zu gebieten. Die Große Allianz umfasste neben England u. a. die Niederlande, Österreich, Preußen, Savoyen und Portugal. Gekämpft wurde allerdings bereits seit Juli 1701, als Prinz Eugen die Franzosen in Norditalien angegriffen hatte. Der Spanische Erbfolgekrieg war der erste eigentliche "Weltkrieg" der neueren europäischen Geschichte. Die Auseinandersetzungen fanden in Italien, Süddeutschland, den Niederlanden, Spanien, in der Nordsee, auf den Ozeanen und auch in den Kolonialgebieten (Nordamerika) statt. Nostradamus betrachtet in der zweiten und dritten Zeile von 4/2 das Kernland des Konfliktes: Spanien. 1702 scheiterten dort die englische und niederländische Flotte beim Versuch, Cadiz zu erobern, konnten jedoch die spanischen und französischen Seestreitkräfte bei Vigo schlagen. 1704 landete ein englisch-niederländisches Expeditionskorps in Lissabon, und Frankreich schickte eine Armee nach Spanien. Im gleichen Jahr eroberten die Engländer Gibraltar und konnten zusammen mit den Niederländern eine den Spaniern zu Hilfe eilende französische Flotte bei Velez-Malaga besiegen. 1705 fiel Barcelona und ganz Katalonien an die Verbündeten der Großen Allianz. Eine Provinz, die sich zuvor - wie andere Landesteile auch - der neuen bourbonischen Herrschaft widersetzt hatte. Wie Valencia und Aragon unterstützte auch Katalonien einen anderen Kandidaten für den spanischen Thron, den österreichischen Habsburger Karl von Österreich. Im Königreich Spanien herrschte bei Ausbruch des Erbfolgekrieges also bereits eine Bürgerkriegssituation. Das passt zur "Verwirrung" bzw. dem "Aufruhr", den wir in der dritten Zeile von 4/2 finden. Doch zurück zum "marschierenden Kriegsvolk", von dem Nostradamus dort ebenfalls spricht: Die Verbündeten mussten 1705 die Belagerung von Bajadoz nahe der portugiesischen Grenze abbrechen. 1706 scheiterten die Spanier beim Versuch, Katalonien und das ebenfalls verlorene Valencia zurückzuerobern. Die Franzosen ihrerseits mussten die Belagerung Barcelonas abbrechen. Die englisch-portugiesischen Verbände stießen bis Madrid vor, allerdings kehrten erst die Portugiesen und dann auch die Briten wieder um. 1707 brachten die Spanier Madrid wieder unter Kontrolle, und die Franzosen schlugen die Engländer und Portugiesen bei Almanza (Nordwestspanien). 1708 brachten die Verbündeten vor Menorca der französischen Flotte eine Niederlage bei. 1709 zogen die Franzosen den größten Teil ihrer Truppen aus Spanien ab, währenddem die Engländer ihre Verbände noch verstärkten. 1710 konnten die Verbündeten zwei wichtige Siege über die Spanier erringen, so dass der österreichische Thronprätendent Karl von Österreich im September in Madrid einziehen konnte. Die Franzosen schickten daraufhin erneut eine Armee nach Spanien, die die Verbündeten dazu zwang, Madrid wieder zu räumen. 1711 scheiterten die Franzosen allerdings daran, Katalonien zurückzuerobern. Im folgenden Jahr schloss Portugal mit Spanien und Frankreich einen Waffenstillstand. In Spanien dauerten die Kämpfe zur Durchsetzung der bourbonischen Zentralgewalt bis 1714 an, als der Spanische Erbfolgekrieg an anderen Fronten durch den Frieden von Utrecht (1713) bereits beendet war.

Quellen
 

4/2  

Par mort1) la France prendra voyage2) à faire
Wegen [des] Todes1) [wird] Frankreich [das] Unternehmen2) beginnen.
Classe3) par mer, marcher monts Pyrenées,
[Die] Streitmacht3) [wird] auf [dem] Meer [sein und über die] Berge der Pyrenäen [zu] marschieren [haben].
Hespagne en trouble4), marcher gêt militaire:
Spanien [wird] in Verwirrung4) [sein, und] Kriegsvolk [wird zu] marschieren [haben].
Des plus grand5) dames en Frãce emmenées.
[Einige] der hochstehendsten5) Damen [werden] nach Frankreich geführt [worden sein].
1) Oder: "Wegen [des] Toten".
2) Oder auch: "Reise, Expedition, Feldzug".
3) Lat. "classis" (Flotte, Heer).
4) Oder auch: "Aufruhr, Unruhe, Unordnung".
5) Oder auch: "größten, edelsten, nobelsten".


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