7/31 [1] De Languedoc1), & Guienne2) plus de dix, [2] Mille voudront les Alpes repasser3): [3] Grans4) Allobroges5) marcher contre Brundis6) [4] Aquin7) & Bresse8) les viendront recasser9). [1] Aus [dem] Languedoc1) und [der] Guyenne2) werden mehr als zehn[-] [2] tausend die Alpen nochmals überqueren3) wollen. [3] [Die] großen4) Allobroger5) [werden] gegen Brindisi6) marschieren. [4] Aquino7) und Brescia8) werden sie zurücktreiben9). 1) Das Languedoc wird in 7/31/1, 9/6/3 und 9/85/1 namentlich genannt. Das Gebiet erstreckt sich vom östlichen Pyrenäenvorland bis zur Rhone. Es gehörte zur Grafschaft Toulouse und zum Königreich Frankreich. Wichtige Städte sind etwa Toulouse und Nîmes. 2) Die Guyenne wird in (1/27/2), 3/8/3, 7/31/1, 9/6/1 und 9/85/1namentlich genannt. Das südwestfranzösische Herzogtum Guyenne (1154-1453 englisch) umfasste je nach Epoche verschieden große Gebiete Südwestfrankreichs. Zur Zeit des Nostradamus gehörten weite Gebiete Aquitaniens zur Guyenne, u. a. das Bordelais, Limousin, Quercy, Périgord und die Gascogne. 3) Das mittelfranzösische "repasser" bedeutet u. a. "erneut durchqueren" oder "in die umgekehrte Richtung durchqueren". 4) Das mittelfranzösische "grand" bedeutet u. a. auch "viel, zahlreich", was hier ebenfalls gemeint sein könnte. 5) Von den Allobrogern ist in 5/42/2, 7/31/3 und 9/88/3 die Rede. Zudem tauchen in 3/92/3, 4/3/1 und 8/34/3 die "Brod(d)es" auf. Das altfranzösische "brode" bedeutet dabei eigentlich "braun, schwarz; schwach, dekadent". LE PELLETIER, Band 2, S. 313, vermutet mit den "Brod(d)es" die Brodiontii gemeint. Die Brodiontii (oder Bodiontici) waren einer der keltisch-ligurischen Volksstämme in den Alpen, die von Augustus unterworfen wurden. Auf ihrem Siedlungsgebiet gründeten die Römer die Stadt Dinia, das heutige Digne-les-Bains, ein Kurort in den südlichen Westalpen, etwa 100 km nordöstlich von Marseille. CLÉBERT, S. 446, zitiert jedoch eine Stelle in Cäsar Nostradamus’ Werk über die Geschichte der Provence aus dem Jahr 1614, die wahrscheinlich die "brodes" identifizieren dürfte: "Les Allobroges que les Provençaux par corruption et syncope appellent Brodes". "Brodes" scheint in der Provence also eine Verkürzte und veränderte Form von "Allobroges" gewesen zu sein: Allobroges - Broges - Brodes! Die gallischen Allobroger waren ein Stamm bzw. eine Stammesföderation, deren Siedlungsgebiet vom Genfer See bis ins französische Rhonetal reichte. Vienne an der Rhone war ihre Hauptstadt. Ihr Gebiet umfasste das heutige Savoyen und die südlich davon gelegene Dauphiné. 6) Brindisi, am Absatz des italienischen Stiefels gelegen, wird in 5/99/2 und 7/31/3 erwähnt. "Brundis" erinnert an die alte französische Form "Brindes", vgl. aber auch lat. "Brundisium". Die ursprünglich griech. Gründung Brindisi wurde 266 v. Chr. von den Römern erobert. Die Stadt wurde als Flottenstützpunkt und Überfahrtshafen nach Griechenland zu einer der wichtigsten Städte Süditaliens. Im zweiten vorchristlichen Jahrhundert wurde die wichtigste römische Straße, die Via Appia, von Capua aus bis in den Hafen von Brindisi verlängert, wo zwei (teilweise noch erhaltene) Säulen ihr Ende markierten. Der römische Dichter Vergil soll 19 v. Chr. nach der Überfahrt aus Griechenland in Brindisi verstorben sein. Zu Beginn des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts wurde die Stadt über Benevent zusätzlich durch die Via Traiana mit Rom verbunden. Nach Ende des Weströmischen Reiches 476 geriet die Stadt unter die Kontrolle der Ostgoten, bis sie um 535 unter die Herrschaft Ostroms gelangte. 675 eroberten die Langobarden Brindisi. 836 wurde die Stadt von den arabischen Sarazenen erobert, deren Herrschaft der karolingische Kaiser Ludwig II. erst 868 militärisch beendete. Brindisi ging wieder an Ostrom (Byzanz), bis die Normannen es 1071 eroberten. Unter den Staufer-Kaisern blühte die Stadt, die u. a. auch als Ausgangspunkt für den Sechsten Kreuzzug unter Kaiser Friedrich II. diente. Das 14. Jahrhundert brachte hingegen einige schwere Schicksalsschläge: 1348 wurde Brindisi von der Pest und vier Jahre später von den Truppen des ungarischen Königs Ludwigs I. heimgesucht. 1383 verwüstete es Ludwig I. von Anjou. In der Folge verfielen Hafen und Stadt. Das Erdbeben von 1456 zerstörte Brindisi vollständig. 1480 bis 1481 beherrschten die Osmanen Brindisi, die es zum Ausgangspunkt für einen Angriff auf Rom machen wollten. Ein Plan, der durch den baldigen Tod des Sultans vereitelt wurde. 1496 bis 1509 beherrschte es Venedig, das anschließend von den Spaniern abgelöst wurde, die die Stadt bis ins 18. Jh. regierten. Alternativ zu Brindisi gäbe es in Süditalien noch ein kleines Brindisi Montagna, etwa 12 km südöstlich von Potenza. 7) "Aquino" kann einerseits als geografischer Begriff und andererseits als Bezug zur Familie d'Aquino verstanden werden. Aquino ist ein Ort im südlichen Latium. Seit dem vierten vorchristlichen Jahrhundert war die Siedlung ein Zentrum der Volsker. Unter römischer Herrschaft entwickelte sich Aquinum zu einer bedeutenden Stadt. Um etwa 60 n. Chr. wurde der römische Dichter Juvenal in ihr geboren, später möglicherweise auch der römische Kaiser Pescennius Niger (193-194). 577 eroberten die Langobarden Aquino. Der erste Bischof der Stadt ist für 593 nachgewiesen. Um 1221/1224 oder um Neujahr 1225 erblickte auf der Burg Roccasecca, etwa acht Kilometer nördlich der Stadt, der Kirchenlehrer Thomas von Aquin das Licht der Welt. Er stammte aus einem Seitenzweig der hochadligen ursprünglich langobardischen Adelsfamilie der Grafen von Aquino, die nach dem gleichnamigen Ort benannt war. Zu dieser Familie gehörten Exponenten wie etwa Ritter und Kommandeur Richard von Acerra (gest. 1196), der Politiker Thomas II. von Aquino (geb. nach 1225-1273) oder Christopherus von Aquino, Ritter und Graf von Ascoli (gest. 1298). 8) Die Bresse ist eine Landschaft in Ostfrankreich zwischen der Saône und dem Jura, vgl. 5.12, 5.53 und 5.214. Mit Blick auf den Kontext dürfte hier jedoch eher eine italienische Lösung ins Auge zu fassen sein. An erster Stelle ist dabei wohl an Brescia zu denken (vgl. CLÉBERT, S. 817f.), das auf Lombardisch "Brèsa" und "Brèssa" genannt wird. Das norditalienische Brescia liegt etwa 20 km westlich des Gardasees. Die Stadt gehörte seit 1426 zu Venedig, war allerdings von 1512 bis 1520 französisch besetzt. Weitere italienische Lösungen wären Bresso (12 km nördlich von Mailand), Bressana Bottarone (15 km südlich von Pavia), Bressanvido (17 km nordöstlich von Vicenza) oder vielleicht noch Bressanone (Brixen in Südtirol). 9) Oder auch: "vernichten". CLÉBERT, S. 817f., liest hier "rechasser" (zurückdrängen). |
In den ersten beiden
Zeilen erfahren wir, dass mehr als 10'000 Südwestfranzosen
(vermutlich Soldaten) aus dem Languedoc und der Guyenne
die Alpen (wohl die französisch-italienische Grenze, die
Westalpen) nochmals überqueren werden wollen. Doch in
welcher Richtung? Marschieren sie nach Italien oder im
Gegenteil nach Frankreich zurück? Mit Blick auf die
Bedeutung des Verbs "repasser" (vgl. Anmerkung 3) vermute
ich, die 10'000 Mann befinden sich auf dem Rückweg nach
Frankreich. Doch haben sie in Italien gesiegt oder sind
sie eine geschlagene Truppe?
In der dritten Zeile tauchen die "großen" oder "zahlreichen" Allobroger auf. Das sind vermutlich französische Savoyarden. Sie werden gegen Brindisi marschieren. In 5/99/2 ist ebenfalls von Brindisi die Rede, das wie eine Reihe anderer italienischer Städte von Franzosen heimgesucht werden wird. Die dortigen Franzosen scheinen aber Truppen des "Löwen" und des "Adlers" zu sein, was m. E. nicht recht zu den Allobrogern oder Savoyarden passt. Gemäß Zeile 7/31/4 werden die Allobroger von italienischen Verbänden vertrieben oder sogar vernichtet werden, vgl. Anmerkung 9. Die Italiener werden dabei aus Aquino und Brescia stammen. Möglich wäre aber auch, dass Truppen aus Brescia unter der Führung eines neuen "Aquino" - vielleicht eines neuen Richard von Acerra, vgl. Anmerkung 7 - die Allobroger besiegen.
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