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Bartholomäusnacht (23./24. August 1572)

Richtig ist, dass in einem der Sechszeiler (Nummer 52) der Bartholomäustag (24. August) ausdrücklich genannt wird. Dazu noch in Zusammenhang mit Paris, Frankreich und innerfranzösischen Auseinandersetzungen.

Falsch ist aber wohl die populäre Deutung dieses Sechszeilers als Prophezeiung der "Pariser Bluthochzeit" in der Bartholomäusnacht vom 23. auf den 24. August des Jahres 1572.

Für die grundsätzliche Frage nach der Authentizität der Sechszeiler sei hier auf den diesbezüglichen Eintrag verwiesen (Sechszeiler).

Zuerst zum historischen Hintergrund der "Bartholomäusnacht". Das von Religionskriegen erschütterte Frankreich sollte durch die Vermählung Margaretas von Valois (Schwester des Königs) mit Heinrich von Navarra (einem protestantischen Prinzen) befriedet werden. Doch dieser Plan der französischen Krone wurde durch das Attentat eines katholischen Fanatikers auf Admiral de Coligny (einem Hugenottenführer) zunichte gemacht. Der König und seine Mutter, Katharina von Medici, waren sich schnell darüber im Klaren, dass dieser Anschlag den mühsam eingeleiteten Friedensprozess mit Sicherheit zerstören würde, da die Protestanten (Hugenotten) die katholische Krone ohne Zweifel verdächtigen würden, hinter dem Attentat zu stehen. Paris, wo die Hochzeit zwischen Margareta und Heinrich gefeiert wurde, lag zu dieser Zeit aber in unmittelbarer Reichweite protestantischer Armeen, deren adlige Anführer sich wegen der Feierlichkeiten in der Stadt befanden. In einer Art von Panikreaktion entschloss sich Katharina von Medici zur Flucht nach vorn und gab den Befehl, die in der Stadt weilenden Protestantenführer zu töten, um dem neuen alten Gegner die Anführer nehmen und die protestantischen Heere so fürs Erste lähmen zu können. Was zunächst als gezielter Präventivschlag vorgesehen war, entglitt aber bald jeglicher Kontrolle. Die aufgestachelten katholischen Massen entluden ihren Hass gegen die protestantische Minderheit in Paris und anderen Stätten Frankreichs in einem regelrechten Kalvinistenmassaker. Diesem fielen in der Hauptstadt 2000 Hugenotten zum Opfer, die Schätzungen für ganz Frankreich reichen bis gegen 20000 Tote.

Betrachten wir nun Sechszeiler Nummer 52. Er lautet: "Die große Stadt, die nur zur Hälfte Brot hat, erleidet noch einen weiteren Schlag am Tag des heiligen Bartholomäus, der sich in der Tiefe ihrer Seele einprägen wird. Nîmes, La Rochelle, Genf und Montpellier, sowie Castres und Lyon, werden sich, – Mars tritt dann in den Widder ein – bekämpfen. Und das Ganze für eine Dame." Mit der "großen Stadt" dürfte hier, wie in den Zenturien, tatsächlich Paris gemeint sein. Die Stadt leidet Hunger, da sie nur "zur Hälfte Brot" hat. Doch scheint Paris im Sommer 1572 nicht einer speziellen Hungersnot ausgesetzt gewesen zu sein. Auch lässt sich aus dem Sechszeiler ableiten, dass die französische Hauptstadt schon vor diesem Bartholomäustag Schläge wird einstecken müssen, was ebenfalls nicht zum historischen Geschehen der Renaissance passt. Und natürlich haben sich im Anschluss an die Bartholomäusnacht von 1572 auch nicht die Städte La Rochelle, Genf, Montpellier, Castres und Lyon gegenseitig bekämpft (Genf gehörte übrigens nicht zu Frankreich!). Zudem befand sich der Mars zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal in der Nähe des Widders! Es ist nun müßig, noch zu erwähnen, dass mit der erwähnten "Dame" somit kaum die französische Königin Katharina von Medici gemeint sein dürfte, wie oft behauptet wird.

Wie wir gesehen haben, ist die Zuordnung dieses Sechszeilers zur Bartholomäusnacht von 1572 eine einzige Kette von Fehlern. Meines Erachtens gehört dieser Vers vielmehr zu einer Gruppe von Vierzeilern in den Zenturien (z.B. 4/42), die von innerfranzösischen Kriegen unter Schweizer Beteiligung sprechen. Interessant ist bei jenen Zenturienversen dabei besonders, dass dort Genf und Lausanne als Akteure namentlich genannt werden!



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(Letzte Änderung dieser Seite: 14.11.2015)