+S/31
        
| Celuy qui a, les hazards surmonté, | 
          Derjenige, der die Gefahren überwunden hat, | 
         
| Qui fer, feu, eauë, n’a iamais redouté, | 
          der niemals Eisen, Feuer [oder] Wasser fürchtete, | 
         
| Et du pays bien proche du Basacle1), | 
          und aus [dem] Land sehr nahe von Basacle1) [kommt]. | 
         
| D’vn coup de fer2) tout le monde 
 estouné3), | 
          Wegen eines Schlages mit
dem  Eisen2) [ist] alle Welt erstaunt3). | 
         
| Par Crocodil estrangement donné, | 
            Vom Krokodil [wird dieser] auf außergewöhnliche 
 Art und Weise vollführt. | 
          
| Peuple raui de veoir vn tel spectacle. | 
            [Das] Volk [ist] entzückt, einen solchen
 Anblick zu sehen. | 
          
1) Basacle ist eine Örtlichkeit in Toulouse, vgl. LE PELLETIER 
 und  LEONI. Mit dem Land ganz in der Nähe ist wohl eine südwestfranzösische
    Region in der Umgebung der Stadt gemeint.
   2) Da "Eisen" im Mittelfranzösischen u.a. auch "(eiserne) 
 Waffe" bedeutet, ist wohl ein militärischer Schlag gemeint.
   3) Ein Setzfehler, lies: "estonné".
 
   Kommentar
    
1. bis 3. Zeile: Es ist von einem Mann aus der Gegend von Toulouse die Rede, der sich nie vor Krieg ("Eisen", "Feuer"), und "Wasser" (Überquerung der See? Überschwemmungen?) gefürchtet hat.
4. bis 6. Zeile: Hier ist von einem "Krokodil" die Rede, das
    scheinbar einen militärischen Schlag ausführt, der alle Welt
 erstaunt   und das Volk entzückt (vgl. +S/45). Es ist allerdings nicht
 klar, ob   das "Krokodil" mit dem Südwestfranzosen aus dem ersten Teil
 des Verses   identisch ist oder ob ihm der Franzose vielleicht zum Opfer
fällt.
   
   
+S/32
        
| Vin à foison, tres bon pour les gendarmes, | 
          Wein [gibt es] im Überfluß, [was] sehr gut für 
 die Soldaten [ist]. | 
         
| Pleurs & souspirs, plainctes cris & alarme | 
          [Doch dann kommen] Tränen und Seufzer, Klagen, 
 Schreie und [ein] Alarm. | 
         
| Le Ciel fera ses tonnerres pleuuoir | 
          Der Himmel wird seine Donner regnen lassen. | 
         
| Feu, eau & sang, le tout meslé 
ensemble, | 
          Feuer, Wasser und Blut. Das 
 Ganze [ist] miteinander vermischt. | 
         
| Le Ciel de sol1), en fremit & 
en tremble, | 
            Der Himmel der Sonne1) erzittert
und  erbebt davon. | 
          
| Viuant n’a veu ce qu’il pourra bien veoir. | 
            [Kein] Lebender hat [je] gesehen, was er [nun] 
 gut wird sehen können. | 
          
1) Lat. "sol" (Sonne).
 
   Kommentar
  1. bis 4. Zeile: Es herrscht zuerst Frieden und Wohlstand. Doch   
dann  kommen wieder schwere Zeiten. Zu diesen gehört ein Krieg (Donner
   vom Himmel, "Feuer", "Blut") und möglicherweise auch Naturkatastrophen
   wie Überschwemmungen ("Wasser").
5. Zeile: Hier könnte umschrieben sein, wer besonders zu leiden hat. Die "Sonne" steht bei Nostradamus für das Christentum, die Religion, die den "Dies Solis" (Sonntag) feiert. Mit dem "Himmel der Sonne" wäre dann das Gebiet unter dem Himmel gemeint, in dem das Christentum hauptsächlich auftritt - Europa.
6. Zeile: Wir bräuchten Begleitverse, um diese Zeile (und den ganzen Sechszeiler) einordnen zu können.
   +S/33
        
| Bien peu apres sera tres grande misere, | 
          Ziemlich bald danach wird sehr großes Elend herrschen. | 
         
| Du peu de bled1), qui sera sur la terre, | 
          Wegen des wenigen Weizens1), den es 
auf  dem Land | 
         
| Du Dauphiné, Prouence & Viuarois,2) | 
          des Dauphiné, [der] Provence und [des] Vivarais2) 
[geben wird]. | 
         
| Au Viuarois est vn pauure presage, | 
          Dem Vivarais ist eine [besonders] 
 armselige Weissagung [zu machen]. | 
         
| Pere du fils, sera entropophage3), | 
            [Der] Vater wird dem Sohn [dort ein] Menschenfresser3) 
sein, | 
          
| Et mangeront racine & gland du bois. | 
            und [sie] werden Wurzel[n] und Eichel[n] des 
Waldes  essen. | 
          
1) Oder Getreide überhaupt.
   2) Hier ist vom Südosten Frankreichs die Rede. Der Dauphiné
liegt nördlich der Provence (Nostradamus’ Heimat). Das Vivarais hingegen
    liegt westlich der Dauphiné, am rechten Rhone-Ufer.
   3) Lies: "anthropophage".
 
   Kommentar
  Hier ist von einer gewaltigen Hungerkatastrophe in Südostfrankreich
    die Rede. Leider ist nicht klar, worauf sich das "ziemlich bald danach" aus
    der ersten Zeile bezieht, so daß eine zeitliche Einordung im Moment
    nicht möglich ist. Der Vers könnte aber zu 2/75 gehören
 und   wäre dann Bestandteil der biblischen Apokalypse. Eine gewisse
Ähnlichkeit   sehe ich aber auch zu 1/67, wo während einer Hungersnot
die Wurzeln  des Waldes gesammelt und die Kinder von der Mutterbrust weggerissen
werden.
  
  
+S/34
        
| Princes & Seigneurs tous se feront la guerre, | 
          Fürsten und Herren werden sich alle bekriegen, | 
         
| Cousin germain1) le frere auec le frere, | 
          der Bruder [ist] dem Bruder sehr nahe1). | 
         
| Finy l’Arby2) de l’heureux de Bourbon, | 
          "L’Arby"2) [wird] vom Glücklichen von Bourbon
 beendet. | 
         
| De Hierusalem les Princes tant aymables, | 
          Die äußerst liebenswerten
 Fürsten von Jerusalem | 
         
| Du fait commis enorme & execrable, | 
            [werden] wegen der begangenen gräßlichen
 und abscheulichen Tat | 
          
| Se ressentiront sur la bourse sans fond. | 
            auf der Börse ohne Boden ein Unwohlsein 
empfinden. | 
          
1) Die mittelfranzösische Wendung "estre cousin germain
 de" bedeutet    "sehr nahe sein".
  2) Ungeklärter Begriff. LEONI schlägt "Araby" (Arabien)
 vor,    das aber im Gegensatz zu "l’Arby" weiblich wäre.
 
  Kommentar
1. bis 3. Zeile: Unklar, ob hier ein Bürgerkrieg oder zwischenstaatlicher Krieg gemeint ist. Solange "l’Arby" nicht geklärt ist, wissen wir auch nicht, was dieser Bourbone beendet.
4. bis 6. Zeile: Diese "liebenswerten Fürsten von Jerusalem"
    scheinen tiefe Geldbörsen zu besitzen und somit sehr reich zu sein.
   Aber es ist ihnen wegen dieser ominösen "abscheulichen Tat" unwohl.
  Wir bräuchten Begleitverse, um diesen Vierzeiler verstehen zu können.
  
  
+S/35
        
| Dame par mort grandement attristée, | 
          [Die] Dame [wurde] durch [den] Tod sehr betrübt. | 
         
| Mere & tutrice au sang qui la quittée, | 
          [Es war die] Mutter und Beschützerin des
Blutes,  die sie verlassen hat. | 
         
| Dame & Seigneurs, faits enfans orphelins, | 
          [Die] Dame und [die] Herren [wurden zu] Waisenkindern gemacht. | 
         
| Par les aspics1) & par les
 Crocodilles, | 
          Von den Giftschlangen1)
und von den Krokodilen | 
         
| Seront surpris forts Bourgs, Chasteaux Villes | 
            werden befestigte kleine Städte, Burgen 
[und] Städte überrascht werden. | 
          
| Dieu tout puissant les garde2) 
des malins. | 
            Gott der Allmächtige bewahre2)
sie vor den Bösartigen! | 
          
1) Hier gibt es eine Reihe von anderen Möglichkeiten.
"Aspic" kann   u.a. hochmütige oder verleumderische Menschen meinen
oder auch eine  Kanonenart aus dem 16. Jh. bezeichnen. Im Provenzalischen
kommt noch die Bedeutung "Ähre" dazu.
  2) Oder auch: "bewahrt".
 
  Kommentar
  
  
1. bis 3. Zeile: Die "Mutter und Beschützerin des Blutes" stirbt und läßt die "Dame" und die "Herren" als Waisenkinder zurück. Ohne Zusammenhang ist nicht zu sagen, wer hier gemeint ist.
4. bis 6. Zeile: Auch hier gilt: ohne Begleitverse läßt
    sich nicht bestimmen, wer die "Giftschlangen", "Krokodile" und "Bösartigen"
    sind.
  
  
+S/36
        
| L1) grand rumeur qui sera par la France, | 
          [Im] großen Aufstand, der quer durch Frankreich toben 
wird, | 
         
| Les impuissans voudront auoir puissance, | 
          [werden] die Machtlosen Macht haben wollen. | 
         
| Langue emmiellée & vrays Cameleons, | 
          [Ihre] Zunge [ist wie] mit Honig eingeschmiert, doch [sie sind]
 wahre Chamäleons. | 
         
| De boutefeux2), allumeurs de 
Chandelles, | 
          [Es ist die Rede] von [den]
 Brandstiftern2) [und] Kerzenanzündern. | 
         
| Pyes & geyes, rapporteurs3)
de nouuelles | 
            Elstern und Eichelhäher [sind die] Berichterstatter3)
der Neuigkeiten, | 
          
| Dont la morsure semblera Scorpions. | 
            deren Biß wie [der von] Skorpionen erscheinen
 wird. | 
          
1) Lies: "la".
  2) Auch: "Brandbomben, Artilleristen, Aufwiegler".
  3) Oder auch: "Denunzianten".
 
  Kommentar
1. und 2. Zeile: Ganz Frankreich wird von einem Aufstand heimgesucht werden, in dem die Machtlosen Macht haben wollen.
3. und 4. Zeile: Die "Brandstifter" und "Kerzenanzünder" scheinen die Anstifter für den Aufstand zu sein. Chamäleons charakterisieren sich u.a. dadurch, daß sie mit ihren Zungen blitzschnell Beute (v.a. Insekten) packen und in ihr Maul führen können. Diese "Brandstifter" und "Kerzenanzünder" machen im übertragenen Sinne das Gleiche. Sie versprechen den Massen goldenen Zeiten (sie schmieren ihre Zunge - d.h. Worte - mit Honig ein), um das Volk anschließend ins Verderben zu führen. Etwas unklar ist noch die Identität der "Kerzenanzünder". Kerzen werden v.a. in der Kirche verwendet, so daß es möglich ist, daß diese "Kerzenanzünder" Teile der Kirche symbolisieren, die mit den Aufständischen gemeinsame Sache machen.
5. und 6. Zeile: In verschiedenen europäischen Sprachen, so auch im Französischen, gelten Elstern und Eichelhäher als Sinnbilder für Geschwätzigkeit. Hier ist also von Schwätzern die Rede, die die "Neuigkeiten" verbreiten. Damit dürften die "Errungenschaften" des Aufstandes gemeint sein (neue Gesetze usw.). Nostradamus qualifiziert diese als äußerst schmerzhaft ab (wie Bisse von Skorpionen).
 
  Man wird in diesem Vers unwillkürlich an die Französische Revolution
    erinnert. Doch wir bräuchten nähere Angaben, um eine solche
Zuordnung    definitiv vornehmen zu können.
  
  
+S/37
        
| Foible & puissant seront en grand discord, | 
          [Der] Schwache und [der] Mächtige werden in großem
 Streit liegen. | 
         
| Plusieurs mourront auant faire l’accord | 
          Einige werden sterben, bevor die Übereinkunft
 erzielt sein wird. | 
         
| Foible au puissant vainqueur se fera dire, | 
          [Der] Schwache wird vom Mächtigen Sieger genannt werden. | 
         
| Le plus puissant au ieune cedera, | 
          Der Mächtigere wird
dem  Jungen nachgeben, | 
         
| Et le plus vieux des deux decedera, | 
            und der Ältere der beiden wird abtreten, | 
          
| Lors que l’vn d’eux enuahira l’Empire. | 
            wenn der eine von ihnen in das Reich einfallen
 wird. | 
          
      
  Kommentar
1. bis 5. Zeile: Es gibt hier zwei Kontrahenten. Den jungen Schwachen und den alten Mächtigen. Bis zum Ende des Konfliktes wird es ihretwegen Tote geben. Dabei ist es der junge Schwache, der sich in diesem Kampf durchsetzen wird. Der Alte resigniert und gibt auf.
6. Zeile: Der Junge scheint dann in das "Reich" einzumarschieren. Doch um welches Land handelt es sich dabei?
 
  Ohne Begleitverse müssen wir diesen Sechszeiler einstweilen so stehen
    lassen.
  
  
+S/38 (2169/70 oder 2173/74 n. Chr.)
        
| Par eauë, & par fer, & par grande maladie1), | 
          Wegen [des] Wasser und wegen [des] Eisens und [wegen] der Lepra1) | 
         
| Le pouuoyeur à l’hazer de sa vie | 
          [wird] der Lieferant bei Lebensgefahr | 
         
| Sçaura combien vaut le quintal du bois, | 
          wissen, wieviel der Zentner Holz wert ist. | 
         
| Six cens & quinze, ou le dixneufiesme,2) | 
          [Im Jahr] 615, oder [im 6]19ten
 [Jahr],2) | 
         
| On grauera d’vn grand Prince cinquiesme | 
            wird man den unsterblichen Namen eines großen
 fünften Fürsten | 
          
| L’immortel nom, sur le pied de la Croix.3) | 
            auf den Fuß des Kreuzes eingravieren.3) | 
          
1) "Grande maladie" (wörtlich: "große Krankheit")
 bezeichnet   im Mittelfranzösischen die Lepra.
  2) D.h. 2169/70 n.Chr. oder 2173/74 n.Chr.
  3) Etwas frei übersetzt.
 
  Kommentar
  
  
1. bis 3. Zeile: Es geht hier darum, daß Hochwasserkatastrophen ("Wasser"), Krieg ("Eisen") und die Lepra (oder auch andere Seuchen) ein Land oder Gebiet in die Armut geführt haben. Die Energieversorgung ist zusammengebrochen, was v.a. im Winterhalbjahr verheerende Folgen hat. So steigt der Wert von Brennholz in astronomische Höhen, was die Holzlieferanten unter Lebensgefahr feststellen werden, da man sie wegen ihres kostbaren Besitzes überfallen und ausrauben dürfte. Leider wird hier nicht klar, von welchem Land oder Gebiet die Rede ist.
4. bis 6. Zeile: Der "große fünfte Fürst" mit dem
    "unsterblichen Namen" könnte Chyren sein. Chyren/Heinrich wäre
   als französischer König nämlich Heinrich V. (vgl. 10/27).
  Man graviert hier seinen Namen auf den "Fuß des Kreuzes". Doch was
 ist damit gemeint? Sein Tod? Oder eine besondere (kirchliche) Ehrung?
  
  
+S/39
        
| Le pouruoyeur du monstre sans pareil, | 
          Der Lieferant des Ungetüms ohnegleichen | 
         
| Se fera veoir ainsi que le Soleil, | 
          wird erscheinen wie die Sonne. | 
         
| Montant le long la ligne Meridienne1), | 
          [Er] steigt die [ganze] Länge der südlichen Linie1)
hoch, | 
         
| En poursuiuant l’Elephant & le loup, | 
          [während er] den Elefanten
 und den Wolf verfolgt. | 
         
| Nul Empereur ne fit iamais tel coup, | 
            Kein Kaiser hat je [einen] solchen Schlag gelandet, | 
          
| Et rien plus pis à ce Prince n’aduienne. | 
            und nichts Schlimmeres passiert diesem Fürsten. | 
          
1) Damit dürfte die Sonnenbahn gemeint sein, die immer in südlicher Richtung zu finden ist.
 
  Kommentar
1. bis 4. Zeile: Dieser "Lieferant des Ungetüms" dürfte mit dem "Lieferanten des Seeungetüms" aus +S/16 identisch sein. Er wird hier mit der Sonne verglichen, d.h. er kommt von Osten. Er verfolgt und bekämpft zwei Personen oder Mächte, die als "Elefant" und "Wolf" bezeichnet werden.
5. Zeile: Der "Lieferant" scheint einen außergewöhnlich großen Erfolg verzeichnen zu können. Über den "Elefanten" und den "Wolf"?
6. Zeile: Etwas unklar. Vielleicht ist hier gemeint, daß
den "Lieferanten", der oben mit der Sonne verglichen wurde, kein schlimmeres
Schicksal erwartet als unser Zentralgestirn. D.h. nach seinem Aufstieg im
Osten und seinem "Mittagsstand" (der Sieg aus der fünften Zeile) geht
seine Herrschaft nur langsam und unspektakulär zu Ende, so wie auch
die Sonne nicht etwa abrupt untergeht.
  
  
+S/40
        
| Ce qu’en viuant le pere n’auoit sceu, | 
          Derjenige, der den Vater zu Lebzeiten nicht gekannt hat, | 
         
| Il acquerra ou par guerre ou par feu | 
          wird entweder durch Krieg oder durch Feuer [sein
 Erbe] erhalten. | 
         
| Et combatra la sangsuë irritée, | 
          Und [er] wird den gereizten Blutegel bekämpfen, | 
         
| Ou iouyra de son bien paternel | 
          dort, wo [dieser] sein väterliches
 Gut genießen wird. | 
         
| Et fauory du grand Dieu Eternel | 
            Und vom großen ewigen Gott begünstigt | 
          
| Aura bien tost sa Prouince1) heritée. | 
            wird [er] sehr bald seine geerbte Provinz1)
in Besitz nehmen. | 
          
1) Auch: "Staat, Land, Königreich".
 
  Kommentar
1. und 2. Zeile: Ein Mann, dessen Vater vor seiner Geburt gestorben ist, kann sein rechtmäßiges Erbe nur durch Krieg oder Konflikt antreten.
3. und 4. Zeile: Der Grund dafür liegt darin, daß dieser "Blutegel" widerrechtlich das Erbe an sich gerissen hat. Der Geprellte bekämpft nun den "Blutegel".
5. und 6. Zeile: Nostradamus prophezeit, daß sich der rechtmäßige
    Erbe dank Gottes Hilfe wird durchsetzen können. Es dürfte in
 diesem   Vers um Thronstreitigkeiten gehen.
  
  
+S/41
        
| Vaisseaux, galleres1) auec leur estendar, | 
          Schiffe [und] Kriegsschiffe1) mit ihrer Standarte | 
         
| S’entrebattront2) prés du mont Gilbattar | 
          werden sich nahe des Felsens von Gibraltar bekämpfen2). | 
         
| Et lors sera fors faits3) à Pampelonne4), | 
          Und zu diesem Zeitpunkt werden Freveltaten3) in
Pamplona4) [begangen], | 
         
| Qui pour son bien souffrira mille maux, | 
          das für sein Gut tausend
 Übel erleiden wird. | 
         
| Par plusieurs fois soustiendra les assaux, | 
            Mehrmals wird [es] den Angriffen widerstehen, | 
          
| Mais à la fin vnie à la Couronne. | 
            doch am Ende [wird es] mit der Krone vereinigt. | 
          
1) Oder natürlich auch: "Galeeren".
  2) Oder auch nur: "rivalisieren".
  3) Lies: "fortfaits" (Freveltaten usw.).
  4) Stadt im spanischen Baskenland. Es gäbe allerdings noch
 ein südwestfranzösisches    Pampelonne, etwa 25 km nordöstlich
 von Albi.
 
  Kommentar
Sicher ist hier nur die Seeschlacht bei Gibraltar. Wir wissen aber z.B. nicht, ob hier neben Spanien auch von Frankreich die Rede ist, vgl. Anmerkung 4). Ebenfalls unklar ist, was in Pamplona/Pampelonne für Freveltaten passieren und wer es erobert und annektiert.
 
  Wir können nur auf Begleitverse warten.
  
  
+S/42 (um 2164/65 n. Chr.)
        
| La grand’Cité où est le premier homme1), | 
          [In] der großen Stadt, wo der erste Mann1) 
lebt, | 
         
| Bien amplement la ville ie vous nomme, | 
          sehr häufig nenne ich euch die Stadt, | 
         
| Tout en alarme, & le soldat és champs | 
          [ist] alles in Aufregung. Und der Soldat [ist] auf dem Land. | 
         
| Par fer & eauë, grandement affligée, | 
          Von Eisen und Wasser [wird
 sie] stark in Mitleidenschaft gezogen, | 
         
| Et2) à la fin des François
 soulagée, | 
            doch2) am Ende von den Franzosen
befreit  [werden]. | 
          
| Mais ce sera dés six cens & dix3)
ans. | 
            Aber dies wird [erst] ab [dem] Jahr 6103)
der Fall sein. | 
          
1) Mit dem "ersten Mann" ist sicher nicht Adam gemeint, wie
 LE PELLETIER   vermutete, vgl. den Kommentar. Vielmehr ist hier von einem
 ersten Mann im    Staat, von einem Herrscher die Rede. Oder aber vom Papst,
 der als Stellvertreter    Christi auf Erden tatsächlich der "erste
Mann/Mensch"  ist.
  2) Eigentlich: "und".
  3) D.h. 2164/65 n.Chr.
 
  Kommentar
1. bis 3. Zeile: LE PELLETIER vermutet hier als Stadt Damaskus (franz. Damas), da sich aus "Damas" der Name "Adam" (der erste Mann auf Erden!) konstruieren läßt. Doch wenn Nostradamus von der "großen Stadt" spricht, meint er in der Regel Paris. Eine Stadt, die in seinen Prophezeiungen tatsächlich große Beachtung findet, wie er in der zweiten Zeile schreibt. Noch häufiger spricht unser Seher allerdings von Rom, dem Papstsitz, vgl. Anmerkung 1). Wie auch immer, in der Stadt ist alles in heller Aufregung, da sich fremde Truppen ("der Soldat") im Land befinden.
4. Zeile: Die Stadt wird vom Krieg ("Eisen") stark in Mitleidenschaft gezogen. Gleichzeitig aber anscheinend auch vom "Wasser". Vielleicht von einer Überschwemmungskatastrophe?
5. und 6. Zeile: Zu guter Letzt wird die Stadt von den Franzosen befreit. Aber erst nach 2164/65.
 
  Eine der Fragen, die hier mittels Begleitversen noch zu klären wäre,
    ist die Identität dieser Stadt. Für mich sind dabei Paris und
  Rom  die Favoriten.
  
  
+S/43
        
| Le petit coing1), Prouinces mutinées | 
          Die kleine Ecke1) [und die] aufständischen
Provinzen | 
         
| Par forts Chasteaux se verront dominées, | 
          werden sich von starken Burgen beherrscht sehen. | 
         
| Encor vn coup par la gent militaire2), | 
          [Es wird] noch ein Schlag des kriegerischen Volkes2)
[folgen]. | 
         
| Dans bref seront fortement assiegez, | 
          In Kürze werden [sie]
 machtvoll belagert werden. | 
         
| Mais ils seront d’vn tres grand soulagez, | 
            Aber sie werden von einem sehr Großen
entsetzt  werden, | 
          
| Qui aura fait entrée dans Beaucaire3). | 
            der [zuvor] in Beaucaire3) eingezogen
 sein wird. | 
          
1) Das mittelfranzösische Wort für "kleine Ecke"
lautet "anglet".    Es wäre möglich, daß Nostradamus damit
die Abkürzung    "Anglet." für "Angleterre" (England) meint.
  2) Hier muß nicht von einem eigentlichen Volk die Rede 
sein. Wahrscheinlich    sind einfach "Truppen" gemeint.
  3) Südfranzösische Stadt an der Rhone, etwa 10 bis 
15 km nördlich    von Arles.
 
  Kommentar
1. und 2. Zeile: Hier könnte von England die Rede sein, vgl. Anmerkung 1). Doch was sind das für "aufständische Provinzen"? Ich vermute einen Zusammenhang mit 9/6 aus den Zenturien, wo in Südwestfrankreich ein britischer Brückenkopf existiert, von dem aus die Engländer in Frankreich operieren ("Anglo-Aquitanien"). England, wie die mit ihm verbundenen südwestfranzösischen Provinzen, verfügen hier über mächtige Festungen.
3. Zeile: Unklar, wer hier das "kriegerische Volk" ist. Wahrscheinlich die Gegner der Engländer.
4. bis 6. Zeile: Nostradamus prophezeit den Briten und ihren französischen Alliierten, daß sie bald machtvoll belagert werden. Doch ein "Großer", der zuvor Beaucaire erobert hat, wird sie aus der Umklammerung befreien.
 
  Hier haben wir jedenfalls Zukünftiges vor uns.
  
  
+S/44 (ca. 2164 - 2170 n. Chr.)
        
| La belle rose en la France admiree, | 
          Die schöne Rose, [die] in Frankreich bewundert [wird], | 
         
| D’vn tres grand Prince à la fin desirée, | 
          [wird] am Ende von einem sehr großen Fürsten
 begehrt. | 
         
| Six cens & dix1), lors naistront ses amours | 
          6101), zu diesem Zeitpunkt wird ihre Liebe erwachen. | 
         
| Cinq ans apres, sera d’vn grand blessée, | 
          Fünf Jahre später
 wird [sie] von einem Großen verletzt [werden]. | 
         
| Du trait2) d’Amour, elle sera
enlassée, | 
            Vom Band2) der Liebe wird sie umschlungen
 werden, | 
          
| Si à quinze ans du Ciel reçoit
 secours. | 
            alls sie mit 15 Jahren vom Himmel Hilfe erhält. | 
          
1) D.h. 2164/65 n.Chr.
  2) Im Mittelfranzösischen bedeutet "trait" u.a. auch "Tau(werk),
 Leine".
 
 Kommentar
   
+S/45
        
| De coup de fer1) tout le monde estonné, | 
          Über [den] Schlag mit dem Eisen1) [wird] alle 
Welt erstaunt [sein]. | 
         
| Pa2) Crocodil estrangement donné, | 
          Vom Krokodil [wird er] auf seltsame Art und Weise 
ausgeführt [werden]. | 
         
| A vn bien grand, parent3) de la sangsuë, | 
          [Der Schlag wird] einem sehr Großen[versetzt werden], 
[nämlich dem] Vater3) des Blutegels. | 
         
| Et peu apres sera vn autre coup | 
          Und wenig später wird 
es einen weiteren Schlag geben. | 
         
| De guet à pens, commis contre le loup, | 
            [Dieser wird] hinterhältig gegen den Wolf 
geführt [werden]. | 
          
| Et de tels faits on ne verra l’issuë. | 
            Und man wird das Ergebnis solcher Taten nicht 
sehen. | 
          
1) "Eisen" bezeichnet im Mittelfranzösischen u.a. auch 
eine (eiserne)    Waffe. Hier ist also von einem Angriff die Rede.
 2) Lies: "par".
 3) Oder auch: "Vorfahre".
 
 Kommentar
1. bis 3. Zeile: Das "Krokodil" wird einen aufsehenerregenden Schlag gegen den Vater des "Blutegels" führen (siehe +S/31).
4. bis 6. Zeile: Wenig später wird auch der "Wolf" das Opfer
    eines (hinterhältigen) Schlages. Ist es wieder das "Krokodil", das
  den  Schlag führt? Etwas unklar ist die letzte Zeile. Wir bräuchten
   Begleitverse, um das Geschehen einordnen zu können.
 
 
+S/46
        
| Le pouruoyeur mettra tout en desroute, | 
          Der Lieferant wird alles in die Flucht schlagen, | 
         
| Sansuë & loup, en mon dire n’escoute | 
          [den] Blutegel und [den] Wolf. [Aber] auf mein 
Wort hört [er] nicht. | 
         
| Quand Mars sera au signe du Mouton1) | 
          Wenn Mars im Zeichen des Widders1) steht | 
         
| Ioint à Saturne, & Saturne à 
la Lune, | 
          [und] mit Saturn verbunden 
[ist] sowie [der] Saturn mit dem Mond, | 
         
| Alors sera ta plus grande infortune, | 
            dann wird dein größtes Unglück 
stattfinden. | 
          
| Le Soleil lors en exaltation. | 
            Die Sonne [wird] in diesem Augenblick in der 
Höhe [sein]. | 
          
1) Wörtlich: "Schaf". Hier ist aber der Schafbock, der Widder gemeint.
 
 Kommentar
 
 
1. und 2. Zeile: Hier taucht wieder der "Lieferant" auf. Er wird alle besiegen, den "Blutegel" und den "Wolf". Doch er hört nicht auf Nostradamus’ folgende Warnung.
3. bis 6. Zeile: Diese Zeilen sind eine Aufgabe für einen
Astronomen. Wenn diese Konstellation eintritt, wird der "Lieferant" sein
größtes Unglück erleben. Seinen Untergang? Es wäre übrigens
denkbar, daß die letzte Zeile nicht im astronomischen Sinne zu verstehen
ist. Dann stände die Sonne für das Christentum, die Religion, die
den Sonntag feiert (lat. "dies Solis" = Tag der Sonne). In diesem Falle würde
    die Kirche wohl eine Zeit der Macht und Blüte erleben.
 
 
+S/47
        
| Le grand d’Hongrie1), ira dans nacelle, | 
          Der Große von Ungarn1) wird in die Barke gehen. | 
         
| Le nouueau né fera guerre nouuelle | 
          Der Neugeborene wird [einen] neuen Krieg führen | 
         
| A son voisin qu’il tiendra assiegé, | 
          gegen seinen Nachbarn, den er belagern wird. | 
         
| Et le noireau2) auec son altesse3), | 
          Und der Dunkle2) 
mit seiner Hoheit3) | 
         
| Ne souffrira, que par trop on le presse, | 
            wird nicht zulassen, daß man ihn übermäßig 
bedrängt. | 
          
| Durant trois ans ses4) gens tiendra 
rangé. | 
            Während drei Jahren wird [er] seine4) 
Truppen in Schlachtordnung halten. | 
          
1) Ungarn war zur Zeit des Nostradamus weit größer 
als heute   und umfaßte Teile Rumäniens, der Slowakei, Kroatiens 
usw.
 2) Damit wird im Französischen ein Mensch mit schwarzen
Haaren und    eher dunkler Hautfarbe bezeichnet.
 3) Das ist ein Titel, den zu Zeiten des Nostradamus die Prinzen 
aus dem    Königsgeschlecht trugen.
 4) Mit Blick auf die Endung von "rangé" sollte hier "son" 
stehen.
 
 Kommentar
  
1.Zeile: Die "Barke", das "Boot" usw. stehen bei Nostradamus in der Regel für das Fischerboot Petri, die Kirche. Hier hätten wird also z.B. die Wahl eines bedeutenden ungarischen Kirchenfürsten zum Papst vor uns. Für diesen Vers könnte ich mir aber auch eine andere Interpretation vorstellen. Der "Große von Ungarn" könnte ein weltlicher Herrscher sein, der stirbt (d.h. in die Barke Charons steigt und in die Unterwelt fährt).
2. und 3. Zeile: Der "Neugeborene" wäre dann wohl der ungarische Thronfolger. Er beginnt einen Krieg gegen einen nicht näher beschriebenen Nachbarn.
4. bis 6. Zeile: Ein ungarischer Prinz von Geblüt scheint sich auf die Seite des angegriffenen Nachbarn zu schlagen und stellt sich somit gegen seinen eigenen Herrscher. Diese Hilfe wird drei Jahre dauern.
 
 Wir bräuchten Begeleitverse, um diese innerungarischen Querelen und
   den Krieg einordnen zu können.
 
 
+S/48
        
| Du vieux Charron2) on verra le Phœnix1), | 
          Man wird den Phönix1) des alten Charon2) 
sehen, | 
         
| Estre premier & dernier des fils, | 
          [wie er der] erste und [der] letzte der Söhne 
sein [wird]. | 
         
| Reluyre en France, & d’vn chascun aymable, | 
          [Wie er] in Frankreich glänzen und von einem jeden [für] 
liebenswürdig [gehalten werden wird]. | 
         
| Regner long temps auec tous les honneurs | 
          [Wie er] lange Zeit mit allen 
Ehren herrschen [wird], | 
         
| Qu’auront iamais eu ses precesseurs | 
            die seine Vorgänger jemals gehabt haben 
werden, | 
          
| Dont il rendra sa gloire memorable. | 
            [und] mit denen er seinen Ruhm denkwürdig 
machen wird. | 
          
1) Der Phönix ist ein sagenhafter ägyptischer Wundervogel, 
der   sich nach einem Leben von 500 Jahren selbst verbrennt und dann verjüngt
    aus seinem Nest emporsteigt.
 2) Charon war im antiken Mythos der greise Fährmann, der 
die Toten    über den Fluß Acheron in die Unterwelt fuhr. Als Fahrgeld
mußten    die Toten eine Münze (Obolus) bezahlen.
 
 Kommentar
 
 
3. bis 6. Zeile: "Phönix" wird Herrscher von Frankreich. Er
    wird sehr lange auf dem Thron sitzen und brillant regieren. Sein Ruhm
überstrahlt    den seiner Vorgänger und wird die Zeiten überdauern.
 
 
"Phönix" wird auch in +S/53 beschrieben.
 
 
+S/49
        
| Venus & Sol1), Iupiter & Mercure | 
          Venus und Sonne1), Jupiter und Merkur | 
         
| Augmenteront le genre de nature | 
          werden das Geschlecht der Natur verstärken. | 
         
| Grande alliance en France se fera, | 
          [Ein] großer Bund wird sich in Frankreich bilden, | 
         
| Et du Midy la sangsuë de mesme, | 
          und der Blutegel des Südens 
[wird] gleichermaßen [verfahren]. | 
         
| Le feu esteint par ce remede2) 
extreme, | 
            Das Feuer [wird] durch dieses extreme Heilmittel2) 
ausgelöscht [werden]. | 
          
| En terre ferme Oliuer plantera. | 
            Auf [dem] Festland wird [man einen] Ölbaum 
pflanzen. | 
          
1) Lat. "sol" (Sonne).
 2) Oder u.a. auch: "Hilfsmittel".
 
 Kommentar
1. und 2. Zeile: Unklar, was hier gemeint ist. Die Himmelskörper könnten wie in den Zenturien bestimmte Mächte und Personen meinen: Venus = Islam, Sonne = Christentum, Jupiter = die neuheidnische Jupiter-Religion, Merkur = ein Feldherr oder Herrscher. Doch was ist das "Geschlecht der Natur"?
3. und 4. Zeile: In Frankreich entsteht ein Bündnis. Doch mit wem und gegen wen? Der "Blutegel", der aus dem Süden zu stammen scheint, scheint darauf ein Gegenbündnis zu organisieren.
5. Zeile: Das "Feuer" könnte den Krieg meinen, der in der sechsten Zeile beendet wird. Das "Heilmittel" würde dem "Blutegel" entsprechen, da Blutegel in der Medizin z.T. noch heute eingesetzt werden.
6. Zeile: Ein Friede wird auf dem Festland errichtet, wahrscheinlich
    vom siegreichen "Blutegel". Doch wo genau? In Europa bzw. Frankreich?
 
 
+S/50
        
| Vn peut1) deuant ou apres l’Angleterre | 
          Ein wenig vorher oder nachher [wird] England | 
         
| Par mort de loup, mise aussi bas que terre, | 
          durch [den] Tod des Wolfes so tief wie die Erde 
nach unten gebracht [werden]. | 
         
| Verra le feu resister contre l’eau, | 
          [Man] wird das Feuer dem Wasser widerstehen sehen, | 
         
| Le r’alumant auecques telles force | 
          das wiederentfachende mit 
derartiger Kraft. | 
         
| Du sang humain, dessus l’humaine escorce | 
            An menschlichem Blut über der Haut, | 
          
| Faite de pain, [a]bondance de cousteau. | 
            [die] aus Brot gemacht [ist], [wird es einen] 
Überfluß wegen [der] Klinge [geben]. | 
          
1) Lies: "peu".
 
 Kommentar
1. und 2. Zeile: Durch den Tod des "Wolfes" wird England in eine schwere Krise gestürzt, näheres erfahren wir leider nicht.
3. und 4. Zeile: Ebenfalls unklar, was mit dem "wasserresistenten" Feuer hier gemeint ist.
5. und 6. Zeile: Ein Krieg ("Klinge") verursacht großes Blutvergießen.
    Doch was ist mit der Haut gemeint, die aus Brot besteht? Vielleicht die
  Hostie,  der Leib Christi? Dann wäre wohl die Kirche irgendwie in
diesen   Konflikt  verwickelt.
 
 
Wir können nur auf Begleitverse warten.
 
 
+S/51
        
| La Ville qu’auoit en ses ans | 
          Die Stadt, die in ihren Jahren | 
         
| Combatu l’iniure du temps, | 
          die Ungerechtigkeit der Zeit bekämpft hatte, | 
         
| Qui de son vainqueur tient la vie, | 
          die das Leben ihres Eroberers [in den Händen] hält, | 
         
| Celuy qui premier l’a surprist, | 
          dessen, der sie als erster 
überraschte, | 
         
| Que peu apre1) François 
reprist | 
            [ist die,] die wenig später1) 
[der] Franzose zurückeroberte | 
          
| Par combats encor affoiblie. | 
            [und nun] erneut von Kämpfen geschwächt 
[ist]. | 
          
1) Lies: "après".
 
 
Kommentar
 
 
Es ist hier von einer Stadt die Rede, die zu ihrer Blütezeit die
"Ungerechtigkeit der Zeit" bekämpft hatte. Dann wurde sie zuerst vom
Eroberer aus der dritten Zeile eingenommen und später von den Franzosen
zurückgewonnen. Das legt die Vermutung nahe, daß es sich um eine
französische Stadt handelt. Der Eroberer aus der dritten Zeile scheint
nun Gefangener dieser Stadt zu sein. Und gleichzeitig toben erneut Kämpfe,
die die Stadt schwächen. Versuchen vielleicht die Anhänger des
gefangenen Eroberers, ihn zu befreien?
 
 
Wir bräuchten Begleitverse, um den Sechszeiler einordnen zu können.
 
 
+S/52
        
| La grand Cité qui n’a pain à demy, | 
          Die große Stadt, die nur zur Hälfte Brot hat, | 
         
| Encor vn coup la sainct Barthelemy1), | 
          [erleidet] noch einen [weiteren] Schlag am Tag 
des heiligen Bartholomäus1), | 
         
| Engrauera au profond de son ame, | 
          [der sich] in der Tiefe ihrer Seele einprägen wird. | 
         
| Nismes, Rochelle, Geneue & Montpellier, | 
          Nîmes, La Rochelle, 
Genf und Montpellier, | 
         
| Castres, Lyon,2) Mars entrant
au Belier, | 
            [sowie] Castres [und] Lyon2) [werden 
sich], - Mars tritt [dann] in den Widder ein -, | 
          
| S’entrebattront le tout pour vne Dame. | 
            bekämpfen. Und das Ganze für eine
Dame. | 
          
1) Das ist der 24. August.
 2) Nîmes, Montpellier und Castres liegen alle in Südfrankreich,
    im Languedoc. Genf und Lyon an der Rhone. Nur La Rochelle gehört
nicht    in den süd- und südostfranzösischen Bereich, es liegt
an  der  französischen Atlantikküste. 
 
 Kommentar
Die klassische Interpretation ist bei LE PELLETIER wiedergegeben. Nach dieser wäre hier die Bartholomäusnacht vom 24. August 1572 beschrieben, in der in Paris einige tausend Hugenotten auf Befehl des Königs und seiner Mutter Katharina von Medici getötet wurden. Doch paßt der zweite Teil der Verses nicht recht zu dieser Deutung. Zwar gab es im Anschluß an die Ereignisse in der Hauptstadt in weiten Teilen Frankreichs blutige Pogrome der katholischen Massen gegen die protestantische Minderheit, doch von Kämpfen zwischen Städten kann nicht gesprochen werden. Schon gar nicht unter der Beteiligung von Genf, das nicht einmal zu Frankreich gehörte und somit (politisch) mit diesen Entwicklungen nichts zu tun hatte.
1. bis 3. Zeile: Hier ist tatsächlich von Paris die Rede (Nostradamus’ "große Stadt"). Es scheint dort Hunger zu herrschen. An einem 24. August wird der Stadt ein unvergeßlicher Schlag versetzt. Näheres erfahren wir aber leider nicht.
4. bis 6. Zeile: Auch in den Zenturien gibt es Verse, die von künftigen
    innerfranzösischen Kämpfen mit Schweizer Beteiligung sprechen
  (z.B.  4/42). Dieser Sechszeiler gehört zu dieser Gruppe. Für
welche  Dame  hier gekämpft wird, ist allerdings unklar.
 
 
+S/53 (bis 3224/25 n. Chr.)
        
| Plusieurs mourront auant que Phœnix1) meure, | 
          Einige werden sterben, bevor Phönix1) stirbt. | 
         
| Iusques six cens septante2) est sa demeure3), | 
          Bis [ins Jahr 1]6702) dauert sein Verweilen3), | 
         
| Passé quinze ans, vingt & vn trente neuf. | 
          [nachdem er die] 15 Jahre, [die] 21 und 39 Jahre hinter sich 
gebracht [hat]. | 
         
| Le premier est subiet à maladie, | 
          [Beim] ersten [Mal] ist [er 
einer] Krankheit unterworfen | 
         
| Et le second au fer, danger de vie, | 
            und [beim] zweiten [Mal] dem Eisen, wobei Lebensgefahr 
[besteht]. | 
          
| Au feu à l’eau, est subiect à 
trente-neuf. | 
            Dem Feuer [und] dem Wasser ist [er] mit 39 Jahren 
unterworfen. | 
          
1) Damit ist ein künftiger französischer Herrscher 
gemeint, vgl.  +S/48.
 2) "Phönix" ist hier ein Sohn des "Charon" (vgl. +S/48). 
Und "Charon"    ist eine Figur aus dem 	vierten nachchristlichen Jahrtausend 
(vgl. +S/28).    D.h. "670" muß zu "1670" ergänzt werden. Somit 
haben wir das  Jahr  3224/25 n.Chr. vor uns.
 3) Damit ist wohl seine Lebensspanne gemeint.
 
 Kommentar
  
1. und 2. Zeile: "Phönix" scheint ein langes Leben vor sich zu haben und etliche andere Menschen zu überleben. Er dürfte im Jahr 3224/25 sterben.
3. bis 6. Zeile: Nostradamus zählt hier einige kritische Momente
    im Leben dieses französischen Herrschers auf. Mit 15 Jahren leidet
  er  an einer (nicht näher beschriebenen) Krankheit. Mit 21 Jahren
zieht    er entweder in den Krieg oder wird sonst von Waffen bedroht, z.B.
in Form    eines Attentates ("Eisen" = Waffe). Mit 39 Jahren leidet er unter
"Feuer"    und "Wasser". Vielleicht sind hier wieder Krankheiten gemeint.
Wie auch  immer,  "Phönix" überlebt alle diese Gefahren und wird
sehr alt  erst sterben.
 
 
+S/54 (2169/70 oder 2174/75 n. Chr.)
        
| Six cens & quinze, vingt,1) grand Dame mourra, | 
          [Im Jahr] 615 [oder 6]201) wird die große
Dame sterben. | 
         
| Et peu apres vn fort long temps plouura, | 
          Und wenig später wird [es] eine ziemlich
lange Zeit regnen. | 
         
| Plusieurs pays, Flandres & l’Angleterre, | 
          Mehrere Länder, Flandern und England | 
         
| Seront par feu & par fer affligez, | 
          werden von Feuer und Eisen 
bedrückt [werden]. | 
         
| De leurs voisins longuement assiegez, | 
            Von ihren Nachbarn [werden sie] lange Zeit belagert 
[werden]. | 
          
| Contraints seront de leurs faire la guerre. | 
            [Die Belagerten] werden gezwungen sein, gegen 
sie Krieg zu führen. | 
          
1) D.h. 2169/70 oder 2174/75 n.Chr.
 
 Kommentar
1. Zeile: Es wird nur im Zusammenhang mit anderen Versen zu klären sein, wer oder was hier mit der "großen Dame" gemeint ist.
2. Zeile: Unklar, ob dieser "lange Regen" sinnbildlich oder wortwörtlich zu verstehen ist.
3. bis 6. Zeile: Mehrere Länder, darunter Flandern und England, werden von ihren Nachbarn belagert werden und müssen dann Krieg führen.
 
 Wir bräuchten Begleitverse, um diesen Sechszeiler einordnen zu können.
 
 
+S/55
        
| Vn peu deuant ou apres tres grand’ Dame, | 
          Ein wenig vorher oder nachher [wird die] sehr große Dame | 
         
| Son ame au Ciel, & son corps soubs la lame, | 
          ihre Seele im Himmel und ihren Körper unter 
der Klinge [finden]. | 
         
| De plusieurs gens regrettée sera, | 
          Von einigen Leuten wird [sie] vermißt werden. | 
         
| Tous ses parens seront en grand’ tristesse, | 
          Alle ihre Verwandten werden 
in tiefer Trauer sein. | 
         
| Pleurs & souspirs d’vne Dame en ieunesse, | 
            Tränen und Seufzer [kommen] von einer jungen 
Dame, | 
          
| Et à deux grands, le dueil delaissera. | 
            und zwei Großen wird [sie] die Trauer
überlassen. | 
          
 
Kommentar
 
 Die klassische Interpretation ist bei LE PELLETIER wiedergegeben. Demnach
    wäre hier die Hinrichtung von Elisabeth, der Schwester Ludwigs XVI.,
    am 10. Mai 1794 beschrieben (die "sehr große Dame"). Die "junge
Dame"    ist bei LE PELLETIER die junge Herzogin von Angoulême, eine
Mitgefangene    Elisabeths. Die beiden "Großen" aus der letzten Zeile
werden dabei   als die Brüder Elisabeths identifiziert, die Jahrzehnte
später  als Ludwig XVIII. und Karl X. französische Könige
wurden.
	Diese Interpretation scheint mir etwas unbefriedigend zu sein. Elisabeth
    war nämlich im ganzen Revolutionsgeschehen und bezüglich ihrer
   Stellung im französischen Königshaus eher eine Randfigur. Deshalb
   wäre es mindestens ungewöhnlich, wenn Nostradamus sie als die
 "sehr  große Dame" bezeichnet hätte. So müßte vielmehr
 eine  wirklich bedeutende Herrscherin umschrieben werden, etwa vom Schlage
 Maria-Theresias  von Österreich oder Katherinas von Rußland.
Ähnliches  ließe  sich auch über die "junge Dame" aus der
fünften Zeile  sagen. Wenn  sie im Vers explizit erwähnt wird,
muß sie über  eine gewisse  Bedeutung verfügen, denn "junge
Damen" gibt es in der Umgebung einer  großen Edeldame fast immer.
 
 
1. bis 4. Zeile: Eine vermutlich große Herrscherin wird getötet. Alle Verwandten betrauern sie, und sie wird von einigen Menschen vermißt.
5. Zeile: Besonders betrauert wird sie von einer jungen Dame. Das kann, muß aber nicht ihre Tochter sein. Vielleicht handelt es sich ja um die Herrscherin in einem anderen Land, die eng mit der toten Herrscherin verbündet war?
6. Zeile: Diese beiden Großen scheinen Verbündete der jungen Dame zu sein, da diese nun auch trauern. Möchte sich die junge Dame mit Hilfe der Großen vielleicht an den Mördern der großen Herrscherin rächen oder deren Position einnehmen?
Wir brauchen in jedem Fall Begleitverse, um hier mehr sagen zu können.
 
 
+S/56
        
| Tost l’Elephant de toutes parts verra | 
          Bald wird der Elefant auf allen Seiten sehen, | 
         
| Quand pouruoyeur au Griffon se ioindra, | 
          [daß] wenn [der] Lieferant sich dem Greif 
anschließen wird, | 
         
| Sa ruine proche, & Mars1) qui tousiours gronde: | 
          sein Untergang nahe [ist]. Und [er wird auch den] Mars1) 
[sehen], der immer knurrt. | 
         
| Fera grands faits2) aupres de 
terre saincte3), | 
          [Er] wird große Taten2) 
beim Heiligen Land3) vollbringen. | 
         
| Grands estendars sur la terre & sur l’onde, | 
            Große Standarten [werden] auf dem Land 
und auf den Wellen [erscheinen], | 
          
| Si la nef a esté de deux freres4) 
enceinte. | 
            falls das Schiff von zwei Brüdern4) 
eingeschlossen wurde. | 
          
1) Dem römische Kriegsgott waren Wolf, Specht und Eiche 
geweiht. Ich  vermute, daß mit dem "knurrenden Mars" ganz einfach der 
Wolf gemeint    ist, der bei Nostradamus gelegentlich vorkommt.
 2) Im guten wie im schlechten Sinne. Hier könnten z.B. auch 
große    Verbrechen gemeint sein.
 3) D.h. Israel/Palästina.
 4) Auch im Sinne von "Waffenbrüdern".
 
    Kommentar
    
    
    1. bis 3. Zeile: Es gibt hier vier Kriegsparteien. Nämlich:
  "Elefant",  "Lieferant", "Greif" und "Wolf" (vgl. Anmerkung 1)). Der "Elefant"
   scheint  dabei dem Bündnis zwischen "Lieferant" und "Greif"
entgegenzustehen.     Unklar ist die Rolle des "Wolfes". Warum knurrt er?
Ist auch er ein Gegner     des "Lieferanten" und des "Greifes"? 
4. Zeile: Unklar, wer hier beim Heiligen Land große Taten vollbringt. Der "Wolf"?
5. und 6. Zeile: Mit dem "Schiff" ist in der Regel das Schiff Petri, die Kirche gemeint. Die "zwei Brüder" scheinen Gegner der Kirche zu sein. Möglicherweise der "Elefant" und der "Wolf". Doch wer erscheint zu Lande und zur See, wenn diese die Kirche angreifen?
 
    Ein interessanter Vers, der aber noch in seinen Kontext eingeordnet werden
    muß.
 
 
+S/57
       
| Peu apres l’aliance1) faicte, | 
          Kurz nachdem der Bund1) geschlossen [sein wird | 
         
| Auant solemniser la feste, | 
          aber noch] vor [dem] Feiern des Festes | 
         
| L’Empereur le tout troublera, | 
          wird der Kaiser das Ganze in Schwierigkeiten bringen. | 
         
| Et la nouuelle mariée2), | 
          Und die neue Ehefrau2), | 
         
| Au franc pays3) par sort liée, | 
            [die] durch Zufall ans fränkische Land3) 
gebunden [wird], | 
          
| Dans peu de temps apres mourra. | 
            [wird] kurze Zeit später sterben. | 
          
1) Damit kann auch die Ehe gemeint sein.
    2) Oder auch: "Braut".
    3) Das ist Frankreich.
 
    Kommentar
 1. bis 3. Zeile: Eine Ehe wird, womöglich zusammen mit einem  
 sonstigen Bündnis geschlossen. Der Bräutigam könnte der Kaiser 
  aus der dritten Zeile sein. Jedenfalls bringt dieser das ganze Projekt
in   Schwierigkeiten noch bevor die Hochzeitsfeierlichkeiten angefangen haben.
4. bis 6. Zeile: Wir erfahren hier, daß die Braut wahrscheinlich
    einen Franzosen geheiratet hat. Allerdings beruht diese Ehe auf einem
Zufall.    In welchem Zusammenhang steht der baldige Tod der Frau mit dem
Vorgehen  des  Kaisers?
    
    
| Sangsuë en peu de temps mourra, | 
          [Der] Blutegel wird innerhalb kurzer Zeit sterben. | 
         
| Sa mort bon signe nous1) donra, | 
          Sein Tod wird uns1) [ein] gutes Zeichen 
  geben. | 
         
| Pour l’accroissement de la France, | 
          Zur Vergrößerung Frankreichs | 
         
| Alliance se trouueront, | 
          werden [sie] sich [in einem]
  Bündnis zusammenfinden. | 
         
| Deux grands Royaumes se ioindront, | 
            Zwei große Königreich werden sich 
vereinen, | 
          
| François aura sur eux puissance. | 
            [und der] Franzose wird Macht über sie
haben. | 
          
 Kommentar    
     1. und 2. Zeile: Der Tod des "Blutegels" läutet für 
  Frankreich eine positive Entwicklung ein.
3. bis 6. Zeile: Es ist nicht ganz eindeutig, ob das Bündnis aus der vierten Zeile den Zusammenschluß der beiden Königreiche aus der fünften Zeile meint. Jedenfalls wird sich Frankreichs Macht erheblich ausdehnen.