Salon Basler Friede 1499
Das beredte Schweigen eines Textes Basler Zeitung 22. 09. 1999 von Claudius Sieber-Lehmann
Fünf Monate lang, vom Februar bis zur Schlacht bei CH-Dornach im Juli 1499, wütete der Schwaben- oder Schweizerkrieg. Einen Krieg zu beginnen fällt bekanntlich leichter, als ihn zu beenden. Dies mussten auch der habsburgische König Maximilian I. und der Schwäbische Bund sowie deren Gegner, die Zehn Orte der Eidgenossenschaft zusammen mit den Bündner Bünden (Grauer Bund und Gotteshausbund) erkennen.
Einzig die Tatsache, dass der französische König erneut das Herzogtum Mailand erobern wollte, beschleunigte die Wiederannäherung der Kriegsparteien: Sowohl Maximilian I. als auch der Herzog von Mailand hofften, dank dem Frieden bald wieder eidgenössische Reisläufer anwerben zu können. Die Eidgenossen wiederum waren bestrebt, ihre Beziehungen zum Reich nicht gänzlich aufs Spiel zu setzen. Der Wortlaut des Friedensvertrages vom 22. September 1499 spiegelt diese Haltung wider. Er gehorcht zwei Grundsätzen: Das Gesicht wahren und Vergangenes totschweigen. So legt erst der dritte Vertragsartikel in dürren Worten fest, dass jede «hanndlung in disem krieg erganngen, es sye mit todschlag, nam (Raub, Anm. d. Verfassers), brannd oder inn annder wise» inskünftig «hin und ab» sein soll. Nicht einmal der Anlass für diesen «krieg» wird erwähnt, bloss im letzten Artikel verspricht Maximilian I. persönlich, «alle und jegklich vechden (Fehden), ungnad, acht (Ächtung), processen und beswärungen» aufzuheben und die Eidgenossen wieder gleich zu behandeln wie vor dem «krieg».
Die übrigen sieben Artikel klären strittige Einzelfälle zugunsten der Eidgenossen und sehen ein Schiedsgericht vor, um in Zukunft Konflikte im voraus zu regeln. Im übrigen soll grundsätzlich der Zustand vor Kriegsbeginn wiederhergestellt werden. Die Verhandlungen fanden vornehmlich im Engelhof statt, wo auch der mailändische Gesandte seine Unterkunft bezogen hatte.
Vor hundert Jahren hätten die Schweizer Geschichtsforscher diese illusionslose Einschätzung des Vertragstextes allerdings nicht geteilt. Wilhelm Oechsli schrieb 1890, dass im Frieden von Basel nichts weniger als «die Unabhängigkeit der Schweiz von Seiten Deutschlands» anerkannt werde. Die eidgenössischen Orte seien nun nicht mehr verpflichtet gewesen, den Beschlüssen des Wormser Reichstags von 1495 zu gehorchen. Diese beinhalteten eine Neuorganisation des Reichs samt den entsprechenden Pflichten (Kopfsteuer, Unterordnung unter das Reichskammergericht), welche die Schweizer hätten akzeptieren sollen. Abgesehen davon, dass «Deutschland» damals nicht existierte, übersah Oechsli, dass Kurfürsten und andere Herrschaftsträger ebenfalls von der Verpflichtung befreit wurden, die Wormser Beschlüsse auszuführen.
Im Gegensatz zu Oechsli wiesen Hans Sigrist und Karl Mommsen bereits vor fünfzig Jahren darauf hin, dass die Eidgenossen überhaupt nicht danach strebten, sich vom Reich zu lösen. Der Krieg, den die eidgenössischen Orte in der ersten Hälfte des Jahres 1499 führten, richtete sich gegen Maximilian I. und den Schwäbischen Bund als Vertreter des Hauses Habsburg. Die «wilden Schweizer» wollten aber in keiner Weise aus dem Reich austreten, vielmehr sahen sie es weiterhin als Schutzmacht der Christenheit an. So sehr sie auf den Schlachtfeldern über die Gegner triumphiert hatten, so sehr wollten sie wieder «gnedeclich zum Rich» gelassen werden. Den eidgenössischen Obrigkeiten war klar, dass blosse Brutalität noch lange nicht Legitimität nach sich zog.
Selbst nach 1648 blieb das Reich - das übernational organisiert war - in der Schweiz präsent, und nur langsam verschwand der Adler aus den Wappen und Hoheitszeichen der einzelnen Orte. Die Einbindung der Schweiz in ein grösseres Rechtsgefüge war jahrhundertelang eine gelebte Wirklichkeit, was allerdings bis heute ungern wahrgenommen wird. Welche Bedeutung hatte der Frieden für den Ort, in dem er geschlossen wurde? Auf Basel wird am Ende des Vertragstextes ausführlich eingegangen: Die Stadt habe sich während des Kriegs neutral verhalten und sei nicht gegen die Eidgenossen vorgegangen, obwohl dies seitens des Reichsoberhaupts verlangt worden war. Maximilian I. verspricht aber, dass Basel «keinerley witer ungnad noch straff zugemessen werden soll». Die Eidgenossen lassen zum Verhalten Basels nichts verlauten. Vielleicht ahnten sie schon, dass zwei Jahre später die Stadt am Rheinknie den eidgenössischen Bünden beitreten würde, zur grossen Überraschung.

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