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die Welt - anno 1699

Rückzugsgefechte einer Übergangszeit:

Seit 60 Jahren ist Ludwig XIV. König, seit 40 regiert er.

Der Mann, der Europa geblendet, in Atem gehalten und gegen sich aufgebracht hat, ist alt, langweilig und fromm geworden, müde der Feste, müde der Liebschaften.

Die Jugend vergnügt sich längst wieder in Paris. Die schöne Welt schwärmt für die Wissenschaft. Philosophie macht im Salonformat die Runde. Wer Damen gefallen will, beruft sich auf Geometrie. Marquisen informieren sich über die Geheimnisse des Weltraums:



"Die Welt - eine grosse barocke Theater-Maschine", so Fontenelle.

Das Grande Siècle liegt vor 300 Jahren ebenso in den letzten Zügen. Die Stars des Age Classique sind tot. Als einer der letzten stirbt 1699 Racine.

Der hohe Stil ist vermieft. Der Geschmack im Wandel, königliche Helden in Gewissensnot, Dornröschenprinzen in, die Fremde lockt...

Der Friede als Vernunftprojekt, so sieht Leibniz, das Trübe hat keine Chance, weil viel zu viele ihn auch wirklich wollen müssten.

Voltaire ist ungefähr 6jährig. Ludwig XIV. hat noch 15 Jahre zu regieren. Das 18. Jahrhundert muss sich einstweilen gedulden.

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