offizielle Eröffnung der "Reflexion 2000" Samstag 25. März 2000 11h Uhr - Ansprachen

Nicole Burckhardt Gemeindevertretung und Präsidentin des Museums, Arlesheim, Regierungsrat Peter Schmid, Kultur- und Erziehungsdepartement Baselland, Ass.Universitätprofessorin

Barbara Wicha Presse- & Kulturrätin A-Salzburg

Geleitwort

"......die Zeit gibt die Bilder, ich spreche nur die Worte dazu, und es wird eigentlich nicht so sehr mein Schicksal sein, das ich erzähle, sondern das einer ganzen Generation....". Stefan Zweig bezieht sich auf die Kunst seines Mediums, die Sprache. Aber sie läßt sich auf alle künstlerischen Äußerungen übertragen: auf Musik, bildende Kunst, auf Städtebau oder Architektur. Künstler/innen gehen subjektiv an die Begegnung mit der Welt heran, in ihrer Betrachtung sind sie dem Sichtbaren wie dem Dahinterliegenden ungleich näher als die Mehrzahl ihrer Mitmenschen. Sie setzen sich mit dem Erfahrbaren auseinander, sind aber nicht Kopisten der Wirklichkeit, spiegeln sie, reflektieren sie. Indem sie das Individuelle verlassen, sich dem Dialog mit der Umwelt öffnen, werden sie zu Zeugen einer ganzen Generation.

Das letzte Jahrhundert besteht in Europa, Afrika und Lateinamerika aus einer Fülle markanter Kenndaten und Zäsuren: 1914, 1918, 1933, 1945, 1966, 1989. Daten eines Jahrhunderts, die Einzelstaatentheorie oder Eurozentrismen obsolet werden lassen. Raum-, nationen- und kontinentübergreifend sind denn auch die Spuren, die die Kunst zieht, authentischer oft als manche politische Geschichtsschreibung. Wurde doch allzu oft Geschichte umgeschrieben, um nach einem quasi-Abschluß einer Epoche neu anfangen zu können.

Im letzten Jahrhundert wie in der Gegenwart gibt es genug Versuche, Kunst der Politik willfährig zu machen, sie nach den Kriterien der Politik zu bewerten oder abzuwerten. Kunst ist der Politik suspekt. Liegt doch ihre Stärke darin, Freiheit und Unabhängigkeit zu proklamieren, keine Kompromisse mit dem Zeitgeist oder den Mächtigen einzugehen, sich als international nicht an vorgegebene Grenzen zu halten. Trotzdem ist der Druck auf Künstler/innen und Kulturvermittler erkennbar, sich nach den Kriterien nationaler und internationaler Bewilligungskommissionen auszurichten.

Die Vorgabe für diese Ausstellung hieß "Reflexion 2000". Sie greift damit auf einen Ansatz zurück, der bereits 1996 Grundlage eines Ausstellungskonzepts in Sachsen war, und will Visionen für das neue Jahrtausend einfordern. "Reflexion 2000" ist eine Momentaufnahme eines Vorgangs, eine Verdichtung künstlerischer Haltung, Ausdruck einer kritischen Position zu einer Gesellschaft mit ihren unübersehbaren und nicht national eingrenzbaren Alarmzeichen (mit sozialen Brüchen, Ausgrenzungen und latenter Rechtslastigkeit). Die Ausstellung ist auch Spiegel, Reflexion und Produkt der geistigen Atmosphäre, aus der die einzelnen Künstler/innen kommen.

Damit, daß den Ansprüchen der Künstler/innen Rechnung getragen werden soll, kann ein Gegengewicht gelegt werden, alles eines Tages "objektiv" sehen zu wollen. Künstler/innen und ihre Werke stehen in einem Dialog untereinander und mit dem Publikum. Die Ausstellung will auch eine Herausforderung sein, neue Zusammenhänge auszuprobieren, Neugier zu wecken und in einer neuen Sicht rückblickend das Ende des letzten Jahrhunderts und vorausahnend das neue zu reflektieren. Mögen sich viele auf dieses Ziel einlassen.

1996 war Barbara Wicha Konsulin für Presse-, Wissenschafts- und Kulturangelegenheiten der Republik Österreich in Berlin, Universitätsbeauftrage für kulturelle Angelegenheiten, und schrieb anlässlich der Ausstellung Reflexion 2000 im Wasserschloss D-Klaffenbach:

"Kein Abschnitt unseres zu Ende gehenden Jahrhunderts war an Brüchen und Umbrüchen so reich, wie dieses letzte Jahrzent. Nie wurde Menschen deutlicher, wie nachhaltig politisch und ideologische Veränderungen irgenwo auf der Welt bis in ihren letzten Winkel ausstrahlen. Die Menschen sind näher zusammengerückt - durch technischen Fortschritt, weltweite Kommunikation, wirtschaftliche Verflechtungen, aber auch durch das gemeinsame Risiko der Vernichtung unserer Um- und Mitwelt. Die Probleme, vor denen wir stehen, haben nationale Grenzen überschritten. Was fehlt, sind grenzüberschreitende Antworten.

Mitten in dieser Welt steht die Kunst. Nicht als Abbild, nicht als blosse Wiedergabe von Wirklichkeit, sondern als Reflex, Spiegelung, Antwort und Einblick. In vielfältigen Erscheinungsformen und Ausdrucksmitteln, wie in dieser Ausstellung, öffnet sie neue Perspektiven: Sie deutet die Welt auf ganz eigene Weise, schaut hinter Fassaden, hinter die Masken von Menschen. - Die Stärke der Kunst war zu allen Zeiten, Freitheit und Unabhängigkeit zu proklamieren, komrpmisslos zu sein- in einer Sprache, die Grenzen überwindet, die international ist. Nur Kunst, die sich national gebärdet, kann politisch missbraucht werden.

"Reflexion 2000" ist in Zusammenstellung und Intention symbolisch. In Zeiten eines sich verdichtenden Europas gilt es, sich der Gefahr künstlicher Grenzziehungen und Ausgrenzungen innerhalt des Kontinents und gegenüber anderen, aber auch der grossen Chance, die in der gewachsenen Vielfalt liegen, bewusst zu werden. Wenn in der "Reflexion 2000" KünstlerInnen aus europäischen Ländern und aus Japan öffentlich in einen spannenden künsterlischen Dialog eintreten, dann ist das zugleich Herausforderung und Einladung an alle Besucherinnen und Besucher, über den Rahmen einer Kunstausstelllung hinaus, sich selber auf diesen Dialog einzulassen. Nicht in Bündnissen, Verträgen und Institutionen, sondern in einem dichten Netz persönlicher, himaner und kultureller Beziehungen liegt unsere Chance an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend."