5.8  Der Araber "Ismael" greift Europa an und unterwirft den Balkan. Im Orient stößt er bis in den südöstlichen Iran vor.

Franzosen zerstören das südtürkische Tarsus. Ein großer Portugiese hilft ihnen. Zu Sommerbeginn wird ein Papst inthronisiert, der zum Kreuzzug aufruft. Der arabische "Ismael" aus Ägypten wird über das Mittelmeer den Ägäisraum und Kleinasien angreifen. "Ismael" wird sogar Dalmatien bedrohen. Aus Portugal kommt wieder Hilfe. Dieses Mal für die Opfer "Ismaels". "Ismael" wird mindestens bis in den nördlichen Balkan vorstoßen. Die Neo-Osmanen werden ihn verraten und die Malteserritter sich ihm entgegenstellen. Im Nordbalkan erwartet ihn aber noch größeres Übel. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation wird neu erstehen. Die Araber werden bei ihrem Vormarsch unverteidigte Orte vorfinden. Im iranischen Karmanien werden sie allerdings auf Widerstand treffen und diesen gewaltsam brechen. Die Malteserritter werden die Araber zunächst von ihrem Weg nach Malta oder Mljet abbringen. Doch die Malteser und die verräterischen Osmanen werden von den Arabern vernichtet. Dann, wenn die Kurfüsten zur Kaiserwahl zusammenfinden werden, wird durch die Araber im Nahen Osten ein großer Schrecken entstehen. Ein "großer Tempel" wird unterstützt. Malta, der Sitz des Malteserordens, und die Türkei werden von arabischem Blut getränkt sein, was auf heftige Gegenwehr der Angegriffenen schließen lässt. "Ismaels" Araber werden den Balkan und Istanbul bzw. die Türkei unterwerfen.


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6/85 - 9/60 - 5/47 - 10/31 - 2/49 - 6/21 - 5/70


6/85

[1] La grand cité de Tharse1) par Gaulois2)
[2] Sera destruite, captifz tous à Turban3):
[3] Secours par mer du grand Portugalois4),
[4] Premier d’esté5) le iour du sacre7) Vrban6).

[1] Die große Stadt Tarsus1) [wird] durch Gallier2)
[2] zerstört werden. Alle mit [dem] Turban3) werden gefangenen [genommen].
[3] Hilfe [wird] über [das] Meer vom großen Portugiesen4) [kommen].
[4] [Der] erste [Tag] des Sommers5) [ist der] Tag [von] Urbans6) Inthronisation7).

1) Tarsus (griech. Tarsos) liegt nahe der Südostküste der Türkei. Es war in der Antike die Hauptstadt von Kilikien und der Geburtsort des Apostels Paulus. Alternativ schlägt CLÉBERT, S. 768, das biblische Tarsis vor, mit dem wohl Tartessos gemeint ist. Tartessos lag im Mündungsgebiet des Guadalquivir in Südspanien. Falls Nostradamus hier eine andere Stadt als das kleinasiatische Tarsus gemeint haben sollte, böte sich zu deren Idenfikation vielleicht ein Wortspiel mit dem griech. "tharsos" (Kühnheit, Mut; Verwegenheit, Frechheit) an.
2) Oder auch: "[den] Gallier". Gallien meint bei Nostradamus Frankreich, Gallier sind demnach Franzosen.
3) Der Begriff "Turban" taucht in 6/85/2, 9/73/1 und 9/73/3 auf. Der Turban verweist uns auf den islamischen Orient. Konkret dürfte Nostradamus wohl v. a. an das Osmanische Reich gedacht haben, wo der Kavuk (osmanischer Turban) Auskunft über Gesellschaftsschicht und Amt des Trägers Auskunft gab. Die Sultane ließen sich mit ihren weißen Turbanen abbilden:
Die drei osmanischen Sultane zu Lebzeiten des Nostradamus
06-085-bayezit2.jpg
Bayezit II. (1481-1512). Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Bayezid_II.
#/media/File:II_Bayezit.jpg (Abgerufen am 13.06.2018).

06-085-selim1.jpg
Selim I. (1512-1520).
Quelle: https://de.
wikipedia.org/wiki/
Selim_I.#/media/File:
Nakka%C5%9F_Selim.
jpg (Abgerufen am 13.06.2018).

06-085-sueleyman.jpg
Süleyman I. (1520-1566). Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%
BCleyman_I.#/media/File:Emperor
Suleiman.jpg (Abgerufen am 13.06.2018).
4) Zu Portugal vgl. 9/60/4, Anmerkung 9.
5) Der astronomische Sommer beginnt heute mit der Sommersonnenwende am 21. Juni, d. h. im julianischen Kalender des Nostradamus am 8. Juni. Falls im zweiten Teil der Zeile vom Gedenktag des hl. Urban die Rede sein sollte, vgl. Anmerkung 7, müsste mit diesem "Sommer" aber entweder das Einsetzen der sommerlichen Hitze oder der Beginn eines Feldzuges (vgl. lat. "aestas") gemeint sein, denn der Tag des hl. Urbans ist im Mai, vgl. Anmerkung 7.
6) Der Name Urban fand v. a. im kirchlichen Bereich Verwendung. Bis zur Zeit des Nostradamus gabe es sechs Päpste namens Urban. Interessant als Vorbild ist mit Blick auf die Vorgänge im Orient v. a. der Franzose Urban II. (1088-1099). Urban II. war jener Papst, der am 27.11.1095 auf der Synode in Clermont zum Ersten Kreuzzug aufrief.
7) Das mittelfranzösische "sacre" bedeutet u. a. "Krönung, Inthronisation, Salbung". Die adjektivische Verwendung als Synonym zu "saint" oder "sacré" (heilig) wäre allerdings auch möglich. Sollte dies gemeint sein, hätten wir in Zeile vier den "Tag des heiligen Urban" vor uns. Der Gedenktag des hl. Urban (Papst ca. 222- ca. 230) fällt auf den 19. oder 25. Mai, was aber nicht zum (astronomischen) "ersten Tag des Sommers" passen würde, vgl. Anmerkung 5.
Die Franzosen zerstören das südtürkische Tarsus und nehmen alle, die auf der Seite der Neo-Osmanen gestanden haben, gefangen. Ein portugiesischer Feldherr oder Kommandant zur See kommt den Franzosen zu Hilfe. Am Tag des Sommerbeginns wird ein neuer Papst inthronisiert. Ein Papst, der wie einst Urban II. (1088-1099) zum Kreuzzug aufrufen wird.

In den ersten beiden Zeile erfahren wir, dass das südtürkische Tarsus von Franzosen zerstört werden wird. Alle, die "mit [dem] Turban" sein werden, werden laut zweiter Zeile gefangen genommen. Das kann so verstanden werden, dass es sich dabei um Turbanträger handelt oder dass es Leute sind, die auf der Seite des "Turbans" stehen. Im zweiten Fall könnte aufgrund des geografischen Kontexts mit dem "Turban" der Herrscher ("Sultan") eines neo-osmanischen Staatsgebildes gemeint sein, vgl. Anmerkung 3.

Wir können also festhalten, dass es zwischen einer französischen und einer neo-osmanischen Macht zu einem militärischen Konflikt kommen wird. Näheres erfahren wir hierzu allerdings nicht. So ist u. a. nicht klar, ob die Franzosen vom nahen Meer her oder über Land (Anatolien) nach Tarsus vorstoßen.

In der dritten Zeile erfahren wir, dass vom "großen Portugiesen" übers Meer Hilfe kommen wird. Doch für wen? Und wer ist dieser "große Portugiese"?

Da Portugal ein christliches Land ist, dürfte der "große Portugiese" die Unternehmungen christlicher Mächte unterstützen. In diesem konkreten Fall die Franzosen. Der Portugiese könnte z. B. ein Feldherr oder Admiral sein, der zur Verstärkung entsandt wird. In der reichen portugiesischen Geschichte gibt es dabei einige Vorbilder, an die Nostradamus gedacht haben könnte: In die Zeit der portugiesischen Reconquista gehört Gualdim Pais (1118-1195), der nicht nur in Portugal gegen die Muslime kämpfte sondern auch als Templer am Zweiten Kreuzzug (1147-1149) teilnahm. Nuno Álvares Pereira (1360-1431) bewahrte die Unabhängigkeit Portugals von Kastilien. Für die Kolonialzeit wäre u. a. Alfonso de Albuquerque (1453-1515) zu nennen, der u. a. einen Kaperkrieg gegen arabische und türkische Schiffe führte und 1513 als erster Europäer eine militärische Aufklärungsfahrt ins Rote Meer unternahm.

06-085-tuerkei.pngLeere Karte: https://d-maps.com/carte.php?num_car=29000&lang=de (Abgerufen am 23.07.2019). Bearbeitet von Jean-Claude Pfändler (23.07.2019).

Leider erfahren wir nicht, weshalb der "große Portugiese" den siegreichen Franzosen zu Hilfe kommt. Möglicherweise stehen die Neo-Osmanen kurz vor der endgültigen Niederlage, und er möchte sich durch sein Eingreifen noch rechtzeitig ein Stück von der in Aussicht stehenden Beute sichern.

Interessant ist Zeile 6/85/4. Nach meinem Dafürhalten ist hier von der Inthronisation eines neuen "Urbans II." am Tag des Sommerbeginns die Rede. Von der Amtseinsetzung eines Papstes also, der wieder zu Kreuzzügen aufrufen wird. Zur Übersetzung siehe Anmerkungen 5 bis 7. Doch zu wann und warum sollte der Pontifex zu dieser Maßnahme greifen? Die Antworten auf diese Fragen könnten wir in 9/60 finden, wo "Ismael" auftaucht. Ein Machthaber, der ebenfalls in den Konflikt eingreifen wird. Und zwar mit erheblichen Auswirkungen.





9/60

[1] Conflict Barbar1) en2) la Cornere4) noire3),
[2] Sang espandu, trembler la Dalmatie5),
[3] Grand Ismaël6) mettra son promontoire7),
[4] Ranes8) trembler secours Lusitanie9).

[1] [Beim] Konflikt [mit dem] Barbaren1) mit2) der schwarzen3) Standarte4)
[2] [wird] Blut vergossen [werden, und] Dalmatien5) [wird] zittern.
[3] [Der] große Ismael6) wird seinen Schiffsschnabel7) losschicken.
[4] [Die] Frösche8) [werden] zittern, [und aus] Lusitanien9) [kommt] Hilfe.

1) Nach antikem Verständnis sind "Barbaren" Nichtgriechen bzw. Nichtrömer. Nostradamus meint damit allem Anschein nach Orientalen, besonders Nichtchristen (namentlich Muslime). Dabei schwingt sicher auch ein abwertender Gedanke mit, vgl. CLÉBERT, S. 784. Doch hinter der Wortwahl unseres Sehers stehen wohl auch rein sprachliche Gründe, etwa die Anspielung auf die Barbareskenstaaten, die vom 16. bis zum 19. Jahrhundert zwischen Marokko und Ägypten existierten. Oder das Anagramm "barbare"-"arabe" (Barbar-Araber), das allerdings etwa auch Muslime anderer Ethnien umfassen dürfte. In den Zenturien tauchen "Barbaren" etliche Male auf. Die orientalische Spur scheint mir dabei v. a. in folgenden Strophen sichtbar zu sein: 5/13, 5/78, 5/80, 6/21 und 9/60. "Barbar" könnte in 9/60/1 auch als Adjektiv verstanden werden, dann lautete die Zeile: "[Beim] barbarischen Konflikt mit der schwarzen Standarte".
2) Im Mittelfranzösischen kann "en" u. a. auch "mit, zu" bedeuten.
3) Oder auch: "bösartig", vgl. lat. "niger" (schwarz; boshaft, tückisch, böse).
4) Alle 1568er-Ausgaben haben hier "cornere" außer Gregorio, die meines Erachtens richtig "cornete" schreibt. "Cornete" bedeutet u. a. Kavalleriestandarte oder -einheit; Standartenträger, Fähnrich. Denkbar wäre vielleicht, dass mit "cornere noire" "Corne d’Or" gemeint ist (vgl. CLÉBERT, S. 1018), wobei dann aber in der dritten Zeile "promontore" zu stehen hätte. Das Goldene Horn ("Corne d’Or") ist eine langgezogene Meeresbucht in Istanbul. In diesem Fall wäre die Zeile mit "[Beim] barbarischen Konflikt im Goldenen Horn" zu übertragen.
          Schwarz war im islamischen Bereich u. a. die Farbe der Abbasidendynastie (vgl. FLAGS OF THE WORLD - Historic Flags of Islam - Abbasids und Abbasids of Egypt https://fotw.info/flags/rel-ishi.html Abgerufen am 05.06.2018). Die Abbasiden hatten ab 750 das Kalifat, die Herrschaft über alle Muslime inne. An die Macht kam diese arabische Dynastie durch eine Revolte, die v. a. im Iran großen Zulauf hatte. Gründe für die (religiös konservative) "Abbasidische Revolution" war die Kritik an der als zu weltlich empfundenen Vorgängerdynastie der Omajaden sowie im Iran der Umstand, dass die Perser unter den Omajaden als Muslime zweiter Klasse behandelt wurden. Das abbasidische Kalifat, in das die Blütezeit des Islam fiel, begann seinen Abstieg bereits in der Mitte des 9. Jahrhunderts, verlor seine letzte reale Macht jedoch erst mit der mongolischen Eroberung Bagdads 1258. Nominell behielten die Abbasiden den Kalifentitel bis 1517, als dieser faktisch von den Osmanen übernommen wurde.
Die schwarze Standarte der Abbasiden
09-060-schwarzestandarte.png
Quelle: https://histoireislamique.wordpress.com/category/lere-abbasside/page/13/ Eintrag: 30 Avril 2014 mis à jour le 11 février 2015 (Bild unter https://histoireislamique.files.wordpress.com/2014/04/mur-arabe-de-murcie-2.jpg) (Beide abgerufen am 18.07.2019). Die arabische Inschrift rechts bedeutet "Allahu akbar" (Gott - Allah - ist am größten).
5) Von Dalmatien ist auch in 2/32/1, 2/84/3, 9/60/2 und 10/44/3 die Rede. In 2/32 sogar in Zusammenhang mit "Fröschen", die Nostradamus dort jedoch als "grenouilles" bezeichnet. Dalmatien ist Teil der kroatischen Adriaküste. Die römische Provinz Dalmatia umfasste hingegen die gesamte Adriaküste von Istrien bis ins nördliche Albanien sowie angrenzende Gebiete in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro.
6) Ismael war der erste Sohn Abrahams und gilt als Stammvater der Araber (gemäß Genesis 25,18 besiedelten seine Söhne das Gebiet von Hawila bis Schur, also die (westliche) arabische Halbinsel bis zum Nordsinai). Seine Mutter war Hagar, eine ägyptische Magd. In der Bibel wird Ismael mehrmals beschrieben. "Er [= Ismael] wird ein Mensch sein wie ein Wildesel. Seine Hand gegen alle, die Hände aller gegen ihn! Allen seinen Brüdern setzt er sich vors Gesicht" (Genesis 16,12); "Über alle seine Brüder fiel er [= Ismael] her" (Genesis 25,18). Des Weiteren gibt es im schiitischen Islam die Sekte der Ismailiten, die 910 n. Chr. das fatimidische Gegenkalifat in Ägypten gründeten. Die Fatimiden beherrschten 969 bis 1171 Ägypten und in ihrer Glanzzeit ganz Nordafrika, Sizilien und zeitweise Syrien. Was gegen die ismailitisch-fatimidische Spur spricht, ist die Erwähnung der "schwarzen Standarte" in 9/60/1 - die Flagge der Fatimiden war grün (vgl. FLAGS OF THE WORLD - Historic Flags of Islam - Fatmids of North Africa https://fotw.info/flags/rel-ishi.html Abgerufen am 06.06.2018) oder weiß (vgl. HATHAWAY, S. 97 Abgerufen am am 26.08.2018). "Ismael" könnte bei Nostradamus ein arabischer Herrscher sein, der u. a. durch eine aggressive Politik zu charakterisieren sein wird.
7) Den Begriff "promontoire" finden wir in 1/77/1, 6/79/3, 8/85/2 und 9/60/3. In 9/60/3 betreibt Nostradamus wieder eines seiner Wortspiele. Das mittelfranzösische "promontoire" bedeutet u. a. Vorgebirge, Kap, was dem griech. "akroterion" entspricht. "Akroterion" bedeutet aber auch "Schiffsschnabel". Antike Kriegsschiffe versenkten mit dem Schiffsschnabel (Rammsporn) feindliche Schiffe. Hier ist wohl einfach gemeint, dass "Ismael" seine Kriegsflotte losschickt.
8) Vgl. auch lat. "rana" (Frosch). Nach LE PELLETIER, Band 2, S. 352, könnten mit diesen "Fröschen" die Toskaner gemeint sein, deren tyrrhenische Vorfahren einst von Bacchus in Frösche verwandelt worden sein sollen. Doch fehlt bei LE PELLETIER leider die Quellenangabe (ebenso bei CLÉBERT, S. 574, 730 u. 1018). In OVIDs Metamorphosen (6,313-381) werden die lykischen Bauern auf Bitte der Latona (Leto) hin in Frösche verwandelt. Das antike Lykien lag im Westen der türkischen Südküste. Gemäß PLATO (Phaidon 109) habe Sokrates gesagt, dass die Griechen um das Mittelmeer wie Ameisen oder Frösche um einen Sumpf (Teich) herum lebten. In diesem Fall wären die "Frösche" in 9/60/4 wohl als Griechen zu identifizieren. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass zur Zeit des Nostradamus Griechen u. a. auch an der West- und Südküste Kleinasiens lebten. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass es hier gar nicht "ranes" sondern "rane" heißen sollte,  also nur ein bestimmter Frosch zittern wird. Auf einen einzelnen "Frosch" stoßen wir in 5/3/4, 5/95/1 (beide 5.15) und 6/46/4 (5.190), der vielleicht für einen listenreichen Papst steht.
9) Die römische Provinz Lusitania umfasste den größten Teil Portugals und einige Gebiete Westspaniens. Hier dürfte Portugal gemeint sein. Zur Zeit des Nostradamus war Portugal die führende europäische See- und Handelsmacht mit Kolonien in Amerika, Afrika, Arabien, Indien und China. In 6/85/3 kommt von einem großen Portugiesen Hilfe, in 9/54/3 ist von einem Gesandten oder Feldherren aus Lissabon die Rede, der auf hoher See ist. 9/60/4 spricht von Hilfe, die aus Lusitanien kommt. In 10/5/2 tauchen Lissabon und die Portugiesen auf, in 10/100/4 die Lusitanier.
Der ägyptisch-arabische "große Ismael" wird über den Seeweg angreifen. Er dürfte dabei wohl die zur Zeit des Nostradamus griechischen Siedlungsgebiete rund um die Ägäis, der Südtürkei oder auf Zypern im Auge haben. Der Vorstoß "Ismaels" wird aber auch Dalmatien bedrohen. Aus Portugal wird wieder Hilfe kommen - dieses Mal für die angegriffenen Griechen.

Was 9/60 mit 6/85 verbindet, ist die portugiesische Hilfe aus 9/60/4. In 6/85 kommen die Portugiesen den siegreichen Franzosen in der Südtürkei zu Hilfe. Doch trifft dies auch für 9/60 zu? Daran sind Zweifel berechtigt. In 9/60 geht es nämlich nicht mehr um Franzosen oder Neo-Osmanen sondern um "Ismael" und "Frösche". Und letztgenannten wird Portugal dieses Mal Hilfe zukommen lassen. Ein Umstand, der den Schluss zulässt, dass dieses iberische Land in Zukunft wieder eine größere Rolle spielen wird als etwa heute (2019).

In der ersten Zeile ist von einem Konflikt die Rede, bei dem einer der Kontrahenten ein Barbar mit schwarzer Standarte sein wird. Mit "Barbaren" sind bei Nostradamus für gewöhnlich Muslime oder Orientalen, v. a. Araber gemeint, vgl. Anmerkung 1. Die "schwarze Standarte" ist wohl ein Verweis auf die konservativen Abbasiden in deren Herrschaft die Blütezeit des Islams (Mitte 8. bis Mitte 10. Jahrhundert) fiel.

Zeile zwei ist zu entnehmen, dass bei diesem Konflikt Blut vergossen werden wird. Es wird sich also um einen Krieg handeln. Einen Krieg, bei dem Dalmatien bedroht werden wird. Von Dalmatien in Zusammenhang mit Bedrohung und Krieg lesen wir in einem anderen Kontext auch in 2/32 und 2/84 (beide 5.46).

9/60/3 spricht davon, das der "große Ismael" (der große - wohl ägyptische - Araber, vgl. 5/47/1) übers Meer angreifen wird, vgl. Anmerkung 7. Der "große Ismael" ist vermutlich mit dem neo-abbasidischen "Barbaren" aus Zeile eins identisch. Da die historischen Abbasiden selbst durch eine Revolte an die Macht gelangt sind, würde der Name "Ismael" für ein  neo-abbasidisches Oberhaupt passen, vgl. Genesis 16,12: "Allen seinen Brüdern setzt er sich vors Gesicht", vgl. auch Anmerkung 6. Doch wen greift der Araber auf dem Seeweg an? Und warum?

In der letzten Zeile erfahren wir, dass die "Frösche" zittern werden. Mit Blick auf die Erwähnung des Balkans in Zeile zwei könnten damit die Griechen gemeint sein (vgl. Anmerkung 8), die seit der Antike allerdings rund um das Mittelmeer siedelten, etwa auch im südlichen Italien, in der südlichen Türkei oder Dalmatien. Sollte nur von einem einzelnen Frosch die Rede sein, wird vielleicht ein Papst vor dem Angriff des "großen Ismaels" zittern (vgl. Anmerkung 8).

09-060-mittelmeerraum.png
Leere Karte: https://d-maps.com/carte.php?num_car=33614&lang=de (Abgerufen am 20.07.2019). Bearbeitet von Jean-Claude Pfändler (23.07.2019).

"Ismael" dürfte die (zur Zeit des Nostradamus noch) griechischen Siedlungsgebiete im östlichen Mittelmeer angreifen, neben Griechenland und Zypern also vermutlich auch die türkische Südküste. Über den Grund für diesen Angriff erfahren wir in 9/60 nichts. Mit Blick auf 6/85 lässt sich allerdings vermuten, dass der Sieg der Franzosen in der Türkei und die eintreffende Unterstützung der Portugiesen der Anlass dafür sein wird.

Wie eingangs schon erwähnt, werden die Portugiesen den angegriffenen "Fröschen" (Griechen) zu Hilfe eilen. Über das Resultat dieser Hilfe erfahren wir hier allerdings nichts.











5/47

[1] Le grand Arabe marchera bien auant,
[2] Trahy sera par les1) Bisantinois2):
[3] L’antique Rodes3) luy viendra au deuant,
[4] Et plus grand mal par austre4) Pannonois5).

[1] Der große Araber wird weit nach vorne marschieren.
[2] [Er] wird von den1) Byzantinern2) verraten [werden].
[3] Das alte Rhodos3) wird sich ihm entgegenstellen,
[4] und größeres Übel [wird ihm] im südlichen4) Pannonien5) [zugefügt werden].

1) Die 1568er-Ausgabe aus Paris verwendet den Singular, also "le".
2) Die Bezeichnung "Byzanz" taucht in 1/40/2, 2/49/3, 5/25/4, 5/54/4, 5/70/3, 5/80/1, 5/86/4, 6/21/4, 6/53/4, 7/36/2, 8/83/2, 9/30/3 und 9/73/3 auf. Von einem Byzantiner (byzantinischen Machthaber) lesen wir in 4/38/2, 8/39/1, 8/51/1, 9/30/3 (?), 9/73/3 (?), (2/2/1?) und 10/62/3, von den Byzantinern in 5/47/2. Die Stadt Byzanz (heute Istanbul) könnte zudem auch in 1/94/1, 2/1/4 und 4/23/4 gemeint sein ("Mondsichelhafen", islamischer Hafen), eventuell auch noch in 6/55/4.
           Byzanz (Byzantion) wurde um etwa 660 v. Chr. von griech. Siedlern im europäischen Teil des heutigen Istanbul gegründet. Bis zur Anbindung an Rom 196 v. Chr. wurde die Stadt von praktisch allen Kriegen im ägäisch-kleinasiatischen Raum betroffen und mehrfach unterworfen. Nicht allerdings vom Makedonenkönig Philipp II. (359-336 v. Chr.) oder dessen Sohn Alexander dem Großen (336-323 v. Chr.). Ihre Unabhängigkeit verlor die Stadt erst unter Kaiser Vespasian (69-79 n. Chr.), als sie in das Römische Reich eingegliedert wurde. 196 ließ Kaiser Septimius Severus (193-211) Byzanz zur Strafe dafür zerstören, dass die Stadt den Gegenkaiser Pescennius Niger (193-194) unterstützt hatte. Allerdings ließ Septimius Severus auf Fürsprache seines Sohnes Caracalla die Stadt kurze Zeit später wieder aufbauen und gab ihr dabei den Namen "Antoninia". Ein Name, der nach Caracallas Tod 217 allerdings wieder verschwand. 258 wurde Byzanz von den Goten erobert und geplündert. Aufgrund der wachsenden Bedeutung der östlichen Hälfte des Römischen Reiches und der strategisch günstigeren Lage (die größere Nähe zur Donau- und Euphratgrenze) machte Kaiser Konstantin der Große (306-337) die Stadt 330 zur Hauptresidenz. Er gab ihr den Namen "Neues Rom" (lat. "Nova Roma", griech. "Nea Rome"), doch nach Konstantins Tod wurde dieser in "Konstantinopel" (lat. "Constantinopolis", griech. "Konstantinopolis" = "Stadt des Konstantin") geändert. Nach der Aufteilung des Römischen Reiches in ein West- und ein Oströmisches Reich 395 wurde Konstantinopel zum führenden Zentrum des östlichen Mittelmeerraumes.
          Die Geschichte des Oströmisch-Byzantinischen Reiches bis zur Eroberung durch die Osmanen 1453 lässt sich grob in drei Perioden gliedern. In der ersten Periode bis zur arabisch-islamischen Expansion im 7. Jh. konnte sich Byzanz trotz äußerer Konflikte mit Germanen, Slawen sowie Persern und innerer Krisen im Gegensatz zum Weströmischen Reich halten, wenn auch letztlich nur mit bedeutenden Gebietsverlusten. Während des  Byzantinisch-Sassanidischen Krieges von 602-628 wurde Konstantinopel 626 von den Persern (Sassaniden) erfolglos belagert. Der Krieg brachte keine Veränderung im Kräfteverhältnis der beiden kriegführenden Mächte, schwächte aber beide Seiten enorm. Die lachenden Dritten waren dabei u. a. die Muslime. Die zweite Periode der byzantinischen Geschichte war geprägt von schweren Abwehrkämpfen: Gegen die islamischen Araber, die Byzanz im Orient nach Kleinasien zurückdrängten und in den Jahren 674-678 Konstantinopel ein erstes Mal direkt angriffen. Aber auch gegen Bulgaren und Slawen, die Byzanz’ Herrschaftsgebiet auf dem Balkan massiv verkleinerten. Anders als das persischen Sassanidenreich, das bis zur Mitte des siebten Jahrhunderts durch die Araber unterging, konnte sich Byzanz aber halten. Zu Beginn des 8. Jh. gingen die Muslime erneut in die Offensive. Sie belagerten 717/18 Konstantinopel - aber wieder erfolglos. 740 konnten die Byzantiner die Araber in der heutigen Westtürkei (Akroinon) entscheidend schlagen, so dass von dieser Seite fortan keine existenzielle Gefahr mehr drohte. Dafür drangen die Slawen wieder auf dem Balkan sowie bis nach Griechenland vor. Die Bulgaren strebten zudem nun - u. a. auf byzantinischem Gebiet - ein eigenes Staatswesen an. Innenpolitisch waren das 8. und 9. Jahrhundert durch den Bilderstreit um die Ikonenverehrung geprägt, der schwere innere Unruhen und mehrere Bürgerkriege verursachte. Außenpolitisch konnte sich Byzanz gegen die Araber behaupten und sogar erfolgreiche Vorstöße unternehmen. Anders im Falle der Bulgaren, die 813 sogar Konstantinopel belagern konnten. Byzanz erreichte unter den Kaisern der sogenannten makedonischen Dynastie des 10. und frühen 11. Jh. allerdings wieder einen neuen Höhepunkt der Macht. Die Bulgaren konnten in jahrelangen Kämpfen besiegt und in das Reich eingegliedert werden. Und auch im Osten gelangen Gebietserweiterungen. Als wichtigsten byzantinischen Herrscher gibt es hier Kaiser Basileios II. (976-1025) zu nennen, der den Beinamen "Bulgarentöter" trug. In der zweiten Hälfte des 11. Jh. durchlief Byzanz allerdings wieder eine innen- und außenpolitisch bedingte Schwächephase. Auf der internationalen Bühne standen dem Reich nun die Normannen und die türkischstämmigen muslimischen Seldschuken gegenüber. An die ersten ging Süditalien verloren. Die Seldschuken ihrerseits besiegten 1071 die Byzantiner bei Manzikert (heute Malazgirt in der Südosttürkei). Eine Niederlage, die zusammen mit innerbyzantinischen Thronwirren dazu führte, dass Byzanz in den Folgejahren den größten Teil Kleinasiens an die Seldschuken verlor und die türkische Landnahme beginnen konnte. Die Zeit der Komnenendynastie (1081-1185) brachte für Byzanz zunächst eine militärisch Erneuerung und Erfolge u. a. gegen die Seldschuken. Am folgenreichsten war aber wohl das byzantinische Ansuchen um militärische Hilfe im Westen, was unbeabsichtig die Kreuzzüge auslöste (Erster Kreuzzug von 1096-99 mit Einnahme Jerusalems). Eine Entwicklung, die schon bald Spannungen zwischen den Mächten im Westen und Byzanz auslöste. Der byzantinische Versuch, die Seldschuken aus Anatolien zu vertreiben, endete 1176 mit der Niederlage bei Myriokephalon (südwestliche Türkei). In der Folgezeit dehnten die Seldschuken ihr Herrschaftsgebiet weiter aus. Innenpolitisch endete in Byzanz die Komnenendynastie mit der Schreckensherrschaft des letzten Kaisers aus diesem Hause. Die von den Komnenen geschaffenen schlagkräftigen Streitkräfte zerfielen. Unter den schwachen Kaisern der Nachfolgedynastie der Angeloi (1185-1203) kam es zu schweren inneren Krisen, die dazu führten, dass der letzte Angeloi-Kaiser die Teilnehmer des Vierten Kreuzzugs (1202-1204) dazu einspannte, für ihn um den byzantinischen Thron zu kämpfen. Als die versprochenen Gegenleistungen jedoch ausblieben, eroberten und plünderten die Kreuzfahrer 1204 Konstantinopel. Der Fall der Stadt leitete die dritte Periode der byzantinischen Geschichte ein. Die Kreuzfahrer gründeten das Lateinische Kaiserreich, das Konstantinopel, Thrakien sowie die heute türkischen Gebiete um das Marmarameer umfasste. Real existierte dieses Kaiserreich von 1204-1261, als bloßes Titularkaiserreich bis 1383. Daneben entstanden drei byzantinische Nachfolgestaaten: das Despotat Epirus in Westgriechenland und Albanien (1204-1449), das Kaiserreich Trapezunt in der Küstenregion der heutigen Nordosttürkei (1204-1461) und v. a. das Kaiserreich Nikaia südöstlich des Lateinischen Kaiserreichs (1204-1261). Nikaia führte die byzantinische Reichstradition fort und behauptete sich in den Jahrzehnten nach 1204. 1259 konnte der Feldherr Michael VIII. Palaiologos im Kaiserreich Nikaia die Herrschaft übernehmen und begründete die Dynastie der Palaiologen, die bis 1453 die Kaiser von Byzanz stellen sollten. 1261 konnte das Kaiserreich Nikaia Konstantinopel zurückerobern. Bis zur Mitte des 14. Jh. ging Byzanz politisch und militärisch in westlicher Richtung in die Offensive, vernachlässigte dafür aber den Osten. Dadurch konnten sich dort mehrere türkische Fürstentümer auf ehemals byzantinischem Gebiet etablieren, u. a. jenes der Osmanen. In der Folgezeit wurde Byzanz von mehreren Bürgerkriegen sowie die Pest im Innern geschwächt. Währenddem Byzanz nun immer schwächer wurde und sich die inzwischen christlichen Mächte auf dem Balkan (u. a. Serbien und Bulgarien) gegenseitig bekämpften, dehnte sich die Herrschaft der Osmanen immer mehr aus und griff 1354 auf Europa über. Von 1390 bis 1402 errichteten die Osmanen eine Blockade Konstantinopels, mussten diese aber nach der vernichtenden Niederlage gegen die Mongolen 1402 bei Ankara abbrechen. 1411 belagerten die Osmanen kurz die byzantinische Hauptstadt, allerdings erfolglos. Elf Jahre später standen sie wieder vor der Stadt, aber auch diese Belagerung scheiterte. 1453 schließlich gelang es den Osmanen, Konstantinopel einzunehmen und somit das Ende des längst zu einem Kleinstaat in Thrakien und wenigen anderen Gebieten geschrumpften Byzantinischen Reiches zu besiegeln.
          Nach der Eroberung der Stadt am Bosporus verlegten die Osmanen ihre Hauptstadt von Edirne nach Konstantinopel, das bis 1930 den Namen Kustantiniyye trug. Das Osmanische Reich trat das geopolitische Erbe Ostroms bzw. des Byzantinischen Reiches an. Bis in die Zeit der Niederschrift von Nostradamus’ Prophezeiungen beherrschte es den Mittelmeerraum und angrenzende Gebiete von der algerischen Küste bis zum Kaukasus und von Ungarn bis Ägypten. Mit Blick auf 8/51, wo ein "Byzantiner" auftaucht, bei dem es sich um den muslimischen "Emathion" handeln dürfte, lässt sich wohl herleiten, dass Nostradamus bei seinem "Byzanz" nicht an eine christliche Macht sondern an ein künftiges muslimisches Reich gedacht hat, das in der Tradition von Ostrom, Byzanz und dem Osmanischen Reich stehen wird.
3) Oder: "antike Rhodos". Rhodos wird in 2/3/4 (?), 4/39/1, 5/16/4, 5/47/3 und 6/21/4 erwähnt. Die Insel Rhodos stand bis zum Beginn der Eigenstaatlichkeit 404 v. Chr. unter Herrschaft Persiens und Athens. Das unabhängige Rhodos stieg schnell zur bedeutenden Handelsmacht auf, geriet aber auch mehrfach wieder unter fremde Vorherrschaft. Ein Bündnis mit Rom im Jahr 164 v. Chr. bedeutet für die Insel das Ende als unabhängige Seemacht, formal ins Römische Reich eingegliedert wurde Rhodos jedoch erst 74 n. Chr. Das seit 395 zu Ostrom gehörende Rhodos wurde 622/623 kurz von den persischen Sassaniden besetzt. Einige Jahrzehnte später folgten die Araber, die das Eiland 654 einnahmen. 673 kamen die Araber erneut und verließen die Insel erst wieder sechs Jahre später. Die Seldschuken bemächtigten sich Rhodos 1090, verloren es aber wieder im Rahmen des Ersten Kreuzzugs (1095-1099) an Byzanz. Mit dem Zerfall des Byzantinischen Reiches erlangte Rhodos 1204 erneut die Unabhängigkeit, stand formal allerdings unter venezianischer Oberhoheit. 1248 bis 1250 besetze Genua die Insel, die anschließend an das Kaiserreich Nikaia und 1261 an das wiederhergestellte Byzantinische Reich ging. Mit päpstlicher Unsterstützung eroberte der Johanniterorden in den Jahren 1307 bis 1309 Rhodos. Die Johanniter befestigten die Hauptstadt stark und beherrschten und verteidigten die Insel bis 1522. 1440 und 1444 griffen die ägyptischen Mameluken Rhodos an. 1480 belagerten die Osmanen die Festung Rhodos, konnten sie aber nicht einnehmen. Erst Ende 1522 gelang es dem Osmanischen Reich, die Johanniter zu bezwingen, die kapitulieren mussten. Die Johanniter verteilten sich nach 1523 zunächst auf die verschiedenen europäischen Besitztümer des Ordens, das Ordenshauptquartier befand sich bis 1529 wechselnd in Iraklio (Kreta), Messina, Viterbo und Nizza. 1530 erhielten die Johanniter von Kaiser Karl V. Malta, Gozo und Tripolis (Libyen) als Lehen. 1551 ging Tripolis allerdings verloren, 1565 konnten die Johanniter (jetzt Malteser) hingegen Malta knapp gegen die Osmanen verteidigen. Rhodos selbst gehörte bis 1912 zum Osmanischen Reich.
4) Das mittelfranzösische "austre" bedeutet "Südwind; Süden", vgl. lat. "auster" (Süd(ost)wind; Wind, Sturm; Süden).
Vielleicht hat Nostradamus aber auch an das lat. "auster(us)" (u. a. ernst, streng; finster, unfreundlich) gedacht, vgl. CLÉBERT, S. 622f.
5) Wörtlich: "im südlichen Pannonischen" bzw. "pannonischen Süden". Oder, wenn es "austres" heißen sollte: "von [den] südlichen Pannoniern". Pannonien bzw. die Pannonier werden in 3/58/3 ("Pannoniques"), 5/13/4 ("Pannons"), 5/47/4 ("Pannonois"), 5/48/3 ("Pannons"), 8/15/4 ("Pannons"), 9/28/2 ("Pannons"), 9/90/3 ("Pannonie") und 10/61/2 ("Pannone") erwähnt. Pannonien bezeichnete in der Antike wechselnd große Gebiete im norwestlichen Balkan und im heutigen Ungarn. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit wurde gelegentlich das Königreich Ungarn als "Pannonien" bezeichnet, das weit größer war als das heutige Ungarn. Die Pannonische Tiefebene schließlich umfasst große Teile des südöstlichen Mitteleuropas und reicht tief in den Balkan hinein. Sebastian MÜNSTER kennt in seiner Tabula Europae V zwei Pannonien (Pannonia Superior und Inferior), die das gesamte Gebiet zwischen Donau, Dinarischem Gebirge und Wienerwald umfassen.
Der "große Araber" (wohl "Ismael" aus 9/60) wird wenigstens bis in den nördlichen Balkan vorstoßen. Verraten werden wird er von den Neo-Osmanen. Das "alte Rhodos" (der Malteserorden) wird sich ihm entgegenstellen. Noch größeres Übel wird ihn im Nordbalkan ereilen.

In der ersten Zeile erfahren wir, dass ein "großer Araber" (wohl ein Machthaber oder Feldherr) weit vorstoßen wird - mindestens bis Pannonien, vgl. Zeile vier. In 9/60/3 taucht ein "großer Ismael" auf, der von See her angreift und dabei auch Dalmatien im nordwestlichen Balkan bedroht. Da der biblische Ismael als Stammvater der Araber gilt (gemäß Genesis 25,18 besiedelten seine Söhne das Gebiet von Hawila bis Schur, also die (westliche) arabische Halbinsel bis zum Nordsinai), könnte er mit dem "großen Araber" aus 5/47/1 gleichzusetzen sein. Über seine Mutter Hagar war Ismael zudem ein halber Ägypter (vgl. Genesis 25,12).

Gemäß 5/47/2 wird der große Araber jedoch von den Byzantinern verraten werden. Daraus lässt sich wohl schließen, dass diese zunächst mit ihm verbündet sein werden. Dabei dürfte "Byzanz" bei Nostradamus wahrscheinlich für ein neo-osmanisches Reich stehen, die "Mondsichel" aus 6/78/1. Über die Gründe dieses Verrates lässt sich im Moment nur spekulieren. Vielleicht passt es Byzanz nicht, dass "Ismael" sich auf der Balkanhalbinsel breitmacht, weil es diesen Raum für sich beansprucht? In 6/21/4 erfahren wir, dass Byzanz von "barbarischem" (arabischem) Blut befleckt sein wird. Laut 2/49/3 werden Rhodos und Byzanz "für die Ihren den Himmel offen darlegen".  

Zeile drei ist zu entnehmen, dass sich auch das "alte Rhodos" dem großen Araber entgegenstellen wird. Doch was ist mit diesem "alten" (!) Rhodos gemeint? Die Insel an sich (so wie Rhodos aus der Zeit vor der Eroberung durch die Johanniter ab 1307) oder im Gegenteil der Johanniterorden, der nach 1522 - also rund drei Jahrzehnte vor Niederschrift dieser Strophe - die Insel wieder verlassen musste (vgl. Anmerkung 3)?

Sollte unser Seher die Johanniter (die heutigen Malteser) meinen, würde sich diese in unserer Gegenwart karitativ tätige Organisation wieder zu einem militärisch aktiven Orden wandeln und so auch ins internationale Geschehen eingreifen. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass ein neuer Ritterorden entsteht, der den alten Johannitern sehr ähnelt und deswegen von Nostradamus mit diesen verglichen wird.

In der letzte Zeile erfahren wir, dass dem großen Araber im südlichen Pannonien noch größeres Übel als von den "Rhodiern" zugefügt wird. Doch von wem? Mit dem "südlichen Pannonien" ist wohl etwa der Raum des heutigen Ostkroatiens und der Vojvodina/Nordserbien gemeint. Doch wer fügt Ismael hier das Übel zu? Die Mächte vor Ort? Haben die Malteser dabei vielleicht die Hand im Spiel?

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10/31

[1] Le saint empire1) viendra3) en Germanie2),
[2] Ismaelites4) trouueront lieux ouuerts5).
[3] Anes6) vouldront aussi la Carmanie7),
[4] Les soustenans8) de terre tous couuerts.

[1] Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation1) wird nach Germanien2) kommen3).
[2] [Die] Ismailiten4) werden offene5) Orte vorfinden.
[3] [Die] Esel6) werden auch Karmanien7) wollen.
[4] Die Widerständler8) [werden] alle mit Erde bedeckt [werden].

1) Das "Saint-Empire" (wörtlich "Heiliges Reich") bezeichnet im Französischen das Heilige Römische Reich Deutscher Nation (franz. "Saint-Empire romain germanique", lat. "Sacrum Romanum Imperium Nationis Germanicae"). Es entstand im 10. Jahrhundert (Kaiserkrönung Ottos I. am 2. Februar 962 in Rom) und existierte faktisch bis 1806 (Abdankung von Kaiser Franz' II. am 6. August 1806).
2) Germanien wird in 3/76/1, 5/43/3, 5/94/1, 9/90/1 und 10/31/1 namentlich genannt, von Germanen ist in 2/39/2, 4/74/3 und eventuell in 10/17 die Rede. Das Adjektiv "germanisch" taucht in 2/24/4, 2/87/2 (?), 3/32/3, 3/57/3, 3/67/3, 5/74/1, 6/77/2 (?), 10/35/2 (?) und 10/59/2 auf. Die Germanen siedelten zur Zeitenwende in Nord- und Mitteleuropa, wobei sie im Süden etwa bis zur Donau zu finden waren. Der Rhein bildete hingegen keine ethnologisch präzise Grenze ihres Siedlungsraumes, sie waren sowohl östlich wie westlich des Flusses zu finden.
          Die Römer kannten mehrere Gebiete oder Räume, die den Namen "Germanien" trugen. Die "Germania magna" (das Große Germanien) bezeichnete das gesamte von den Germanen besiedelte Mitteleuropa östlich der römischen Reichsgrenze. Ein Siedlungsraum, der von den Römern nur teilweise (bis zur Elbe) und nur während kurzer Zeit (7 v. Chr. bis 9 n. Chr.) einigermaßen beherrscht wurde. Bei Nostradamus taucht die Germania magna in 5/94/1 und 9/90/1 als "la grand Germanie" auf. Im Weiteren existierten seit etwa 90 n. Chr. bzw. 85 n. Chr. zwei römische Grenzprovinzen mit Namen "Germania superior" (Obergermanien) und "Germania inferior" (Niedergermanien). Die Germania superior umfasste Teile Südwestdeutschlands, Ostfrankreichs und der Schweiz. Ihre Hauptstadt war Mainz. 297 wurde die Germania superior zweigeteilt. Ihr nördlicher Teil (Hauptstadt Mainz) erhielt den Namen Germania prima, ihr südlicher Teil (Hauptstadt Besançon) die Bezeichnung Maxima Sequanorum. Die Germania inferior (aus der in der Spätantike analog die Germania secunda wurde) mit der Hauptstadt Köln umfasste Gebiete links des Rheins, die heute zu Deutschland, Luxemburg, Belgien und den Niederlanden gehören.
          Zur Zeit des Nostradamus existierte im Französischen bereits der Begriff "allemand" für "deutsch, deutschsprachig". Das Adjektiv "germanique" bedeutete eigentlich "germanisch" - und im übertragenen Sinne ebenfalls "deutsch" -, konnte sich allerdings auch auf das "Sacrum Romanum Imperium Nationis Germanicae" (franz. "Saint-Empire romain germanique") beziehen, das im Deutschen "Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation" genannt wird und etliche nichtdeutschsprachige - etwa auch französischsprachige - Gebiete mitumfasste.
3) Das lässt sich so verstehen, dass das römisch-deutsche Reich außerhalb "Germaniens" wiederbelebt wird und dann seine Herrschaft dorthin ausdehnt, vgl. CLÉBERT, S. 1095. Allerdings kann das mittelfranzösische "venir" (kommen) u. a. auch "werden, geboren werden (= venir au monde)" bedeuten. Dann hieße die erste Zeile: "Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation" wird in Germanien entstehen". In diesem Fall würde im germanischen Teil Deutschlands das römisch-deutsche Reich erneuert werden.
4) Die Ismailiten sind die Nachkommen Ismaels, also die Araber. Ismael war der erste Sohn Abrahams, der bei Nostradamus ebenfalls namentlich auftaucht (vgl. 9/60/3). Unser Seher könnte hier spezifisch jene Araber meinen, die seinem "Ismael" folgen werden. Des Weiteren gäbe es noch die schiitische Glaubensgemeinschaft der "Ismailiten". Diese scheidet aufgrund der oben erwähnten "schwarzen Standarte" aber wohl aus, vgl. ebenfalls 9/60/3, Anmerkung 6.
5) "Offen" im weitesten Sinne (auch "unverteidigt" usw.). Nach CLÉBERT, S. 1095, ist hier ein Land gemeint, in das der Feind leicht eindringen kann, da es dort keine befestigten Plätze gibt, die es schützen würden.
6) Zeile drei kann unterschiedlich verstanden werden. Falls mit den "Eseln" die Araber (die Nachkommen des "Wildesels" Ismael, vgl. 9/60/3) gemeint sein sollten, würde das heißen, dass das neo-abbasidische Reich auch im Orient (konkret wohl nach Karmanien) expandieren wird. Da im Mittelfranzösischen "Esel" aber wie im Deutschen auch "Idiot, dummer Mensch" bedeuten kann, wäre es ebenso denkbar, dass diese "Esel" diejenigen sind, die in der Türkei oder in Europa keinen Widerstand leisten und ihre Orte unverteidigt lassen, vgl. 10/31/2. Karmanien wäre in diesem Fall aber wohl eine Macht, die zusammen mit "Ismael" vorstößt.
7) Karmanien wird in 3/90/3 und 10/31/3 namentlich genannt. Das antike Karmanien umfasste je nach Epoche einen unterschiedlich großen Teil des südöstlichen Iran. Es wurde 650 n. Chr. von den Arabern erobert.
8) Mittelfranzösisch "soutenir" (u. a. unterstützen, widerstehen, verteidigen), vgl. auch lat. "sustinere" (u. a. standhalten, sich behaupten).
Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation wird wieder entstehen und seine Herrschaft über Deutschland ausdehnen. Die Araber werden bei ihrem militärischen Vormarsch (vielleicht im vorderen Orient) unverteidigte Orte vorfinden. Sie stoßen auch in das südostiranische Karmanien vor, treffen dort aber auf Widerstand und brechen diesen gewaltsam.

Gemäß Zeile eins wird wohl im germanischen Teil Deutschlands (nördlich der Donau) das Heilige Römische Reich Deutscher Nation entstehen oder sich dahin ausdehnen, vgl. Anmerkung 3. Nostradamus sagt hier also voraus, dass sich in diesem Raum ein Staatsgebilde etablieren wird, das zu seiner Zeit bereits länger als ein halbes Jahrtausend existiert hatte und immer noch existierte. Implizit bedeutet das, dass unser Seher den (zeitweiligen) Untergang des Reiches prophezeit hat, der 1806 de facto auch eingetreten ist, vgl. Anmerkung 1.

1871 wurde bekanntlich das "Deutsches Reich" (Kaiserreich) gegründet, das aber nicht mit dem römisch-deutschen Reich verglichen werden kann. Der wilhelminische kleindeutsche Nationalstaat war ein Bund deutscher Staaten unter der Führung Preußens, dessen König sich Deutscher Kaiser nannte. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation sah sich hingegen als Nachfolger der römischen und karolingischen Universalreiche. Die römisch-deutschen Kaiser wurden bis ins 16. Jahrhundert (Karl V.) vom Papst gekrönt.

Es scheint nun so zu sein, dass in Zukunft wieder ein übernationales, christliches Universalreich entstehen wird. Ein Reich, das sich wohl als Fortführung des römisch-deutschen Reiches begreifen wird, das 1806 praktisch (aber vermutlich nicht juristisch) zu existieren aufgehört hat. Wo dieses Staatswesen gegründet werden wird, ist unklar, sicher ist nur, dass es gemäß Nostradamus seine Herrschaft nach oder über Deutschland ausdehnen wird. Über den Namen, den das kommende Reich tragen wird, können wir zur Zeit nichts Genaues sagen. Zwar meint das französische "Saint-Empire" das "Heilige Römische Reich Deutscher Nation", vgl. Anmerkung 1, aber ob etwa der Zusatz "Deutscher Nation" erneut Verwendung finden wird, ist aus dem Vierzeiler nicht herauszulesen.

In der Zeit, in der das römisch-deutsche Reich wiederbelebt werden wird, scheinen im Orient die Neo-Abbasiden auf dem Vormarsch zu sein. In 10/31/2 werden die "Ismailiten" namentlich genannt. Damit sind Araber gemeint, vgl. Anmerkung 4, und zwar wohl jene, die dem neuen "Ismael" aus 9/60 folgen werden. Die "Ismailiten" werden bei ihrer Expansion auf wenig oder keinen Widerstand ("offene Orte") treffen. Doch warum leistet man ihnen keinen Widerstand? Und von welchen Gebieten ist genau die Rede?

In der dritten Zeile wird Karmanien erwähnt, das im südöstlichen Iran lag, vgl. Anmerkung 7. Wir erfahren, dass "Esel" das alte Karmanien werden haben wollen. Damit sind hier wohl am Ehesten die arabischen "Ismailiten" gemeint. Vgl. dazu aber Amerkung 6.

Zeile vier ist zu entnehmen, dass alle Widerstand Leistenden begraben ("mit Erde bedeckt") werden. Es ist dabei anzunehmen (und zu hoffen), dass man diese zuvor hinrichtet. Dieser Widerstand und dessen gewaltsames Ende stehen in einem gewissen Widerspruch zu Zeile zwei, wo von offenen (unverteidigten) Orten die Rede ist. Es kann natürlich sein, dass in den sich ergebenden Orten nicht alle mit der kampflosen Kapitulation einverstanden sein werden und sich eine Untergrundbewegung bildet, die die Feinde aktiv bekämpft. Oder aber die Vorgänge in Zeilen zwei und vier spielen sich in verschiedenen Gegenden ab. Dabei würde Zeile vier wohl zur Eroberung Karmaniens gehören.

Doch was ist mit Zeile zwei? Wie wir in den vorangehenden Strophen erfahren haben, wird "Ismael" vermutlich über die Türkei auf den Balkan und dort bis Pannonien und Dalmatien vordringen. Somit wäre es denkbar, dass die sich kampflos ergebenden Orte in Kleinasien liegen, die Türken "Ismael" also als Befreier begrüßen werden. Sollte dies zutreffen, stellte sich dann die Frage, auf welchem Weg "Ismael" in den Iran vorstößt. Über das nördliche Arabien (Syrien, Irak)? Oder von Ägypten ausgehend über die Sinai-Halbinsel, Israel, Jordanien, Saudi-Arabien und Irak?

Ob oder wie die erwähnte Reichsgründung bzw. -erneuerung mit dem Vormarsch der Araber zusammenhängen wird, ist im Augenblick nicht zu sagen.

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2/49

[1] Les1) conseilliers2) du premier monopole3),
[2] Les conquerants seduits6) pour4) la Melite5):
[3] Rodes7), Bisance8) pour leurs exposant10) pole9):
[4] Terre faudra les poursuiuants11) de fuite.

[1] Von den1) Ratsherren2) des ersten Privilegs3)
[2] [werden] die Eroberer für4) Malta5) in die Irre geführt6) [werden].
[3] Rhodos7) [und] Byzanz8) legen [den] Himmel9) für [die] Ihren offen dar10).
[4] [Das] Land wird unterliegen, die Gefolgsleute11) [werden] auf der Flucht [sein].

1) Statt "Les" (die) sollte es hier wohl eher "Des" (von den) heißen.
2) Oder auch: "Ratgebern". Sollte diese Bedeutung gemeint sein, hat Nostradamus möglicherweise an die lat. Entsprechung "hortatores" gedacht. "Hortator" bedeutet neben "Mahner, Ratgeber (vgl. aliquo hortatore = auf jemandes Anraten); Anreger, Anfeuerer" u. a. auch "Rudermeister" und entspricht dann dem griech. "keleustes" bzw. lat. "celeustes". Ein Keleustes war auf den Schiffen der Antike der unmittelbar Kommandierende der Ruderer, der diesen befahl, wann sie rudern mussten und welchen Takt sie dabei einzuhalten hatten.
3) Der Begriff "monopole" taucht in 1/79/2, 2/49/1 und 8/38/2 auf. Das griech. "monopolion" bzw. das lat. "monopolium" bedeuten "alleiniges Verkaufsrecht, Monopol". Das mittelfranzösische "monopole" zudem "Kabale, Intrige, Verschwörung". BRIND’AMOUR, S. 264, versteht hier "Liga, Bündnis", was sich mir nicht erschließt. Das griech. "mono-polos" hieße "mit (nur) einer Achse; mit (nur) einem Fohlen/Pferd, mit (nur) einem Jungen bzw. Mädchen". Das griech. "mono-polis" bedeutete "die einzige Stadt bzw. Burg". Im süditalienischen Apulien existiert die Stadt Monopoli, etwa 40 km südöstlich von Bari an der Adriaküste gelegen. Dort besaßen die Johanniter (seit etwa 1530 Malteser genannt) mit der Kommende San Giovanni di Monopoli die vermutlich zweitälteste Niederlassung ihres Ordens. Um 1350 gründeten sie in der Stadt das Jerusalemiter Hospital (L’Ospedale Gerosolomitano) (vgl. CITTÀ DI MONOPOLI, Chiesa di San Giovanni, Abgerufen am 01.05.2018). Die Küstenfestung Castello (Abbazia) di Santo Stefano in Monopoli (gegründet 1086) wurde von den Johannitern Ende des 13. Jh. übernommen, ausgebaut und zur Kontrolle des Seeweges von Bari nach Brindisi genutzt (vgl. CITTÀ DI MONOPOLI, Abbazio S. Stefano, Abgerufen am 01.05.2018).
          Nostradamus könnte die Johanniter- bzw. Malteserpräsenz in Monopoli gekannt und den auffallenden Namen der Stadt zur Verschleierung eines anderen Begriffes verwendet haben - nämlich den des Privilegs (lat. privilegium), was ein Monopol ja auch ist. Mit Blick auf die Malteser in Monopoli könnte unser Seher mit dem "ersten Privileg" konkret die päpstliche Bulle "Pie Postulatio Voluntatis" meinen, mit der der Malteserorden 1113 als erster Kreuzfahrerorden vom Papst anerkannt wurde. In dieser Bulle erhielt der Orden u. a. das Recht, seine Oberhäupter ohne Einmischung anderer weltlicher oder geistlicher Autoritäten zu wählen. Im übertragenen Sinne ist das "erste Privileg" hier wohl einfach mit dem Souveränen Malteserorden gleichzusetzen.
4) In den beiden Ausgaben von 1555 steht hier "pour" (u. a. "für; nach, in Richtung von"), in allen von 1557 und 1568 "par" (u. a. "durch, von").
5) In 1/9/4 finden wir "(les) Mellites", in 2/49/2 "la Melite"; in 4/68/4, 5/14/3, 8/6/2, 9/61/3 und 10/60/2 "Malte". Das lat. "Melita", auf das Nostradamus in 1/9/4 und 2/49/2 zurückgreift, bezeichnet entweder Malta oder die dalmatische Insel Mljet, etwa 30 km nordwestlich von Dubrovnik und rund 40 km südöstlich der Insel Hvar (vgl. 5/16/3) gelegen. In 1/9/4 dürfte dabei vom Kontext her eher Malta gemeint sein.
           Malta ist seit der Jungsteinzeit besiedelt. Um etwa 800 v. Chr. begann die Anwesenheit der aus dem Nahen Osten stammenden Phönizier. 480 v. Chr. kam die Insel unter die Herrschaft Karthagos, das sie zum Stützpunkt ausbaute. Im Rahmen des Zweiten Punischen Krieges lösten die Römer die Karthager 218 v. Chr. als neue Herren ab. Gemäß Tradition soll der Apostel Paulus im Jahr 60 n. Chr. auf seiner Reise nach Rom Schiffbruch auf Malta erlitten haben (vgl. Apostelgeschichte 27,39-44). In der Endphase des Weströmischen Reiches könnte die Insel in der zweiten Hälfte des 5. Jh. von den Vandalen und Ostgoten erobert worden sein, deren Herrschaft aber wohl um 500 wieder beendet war. 533 landete jedenfalls Belisar in Malta und nahm die Insel offiziell für das Oströmische Reich in Besitz. Die Araber eroberten die Insel 904, nachdem sie sie während einiger Jahrzehnte schon mehrfach angegriffen und auch verwüstet hatten. Spätere Rückeroberungsversuche durch Byzanz scheiterten. Unter den Arabern wurde Malta zum größten Teil islamisiert. Die Normannen eroberten die Insel 1091. Ihre Herrschaft dauerte rund ein Jahrhundert. 1194 fielen Sizilien und Malta an die Staufer unter Kaiser Heinrich IV., nachdem der letzte normannische König von Sizilien ohne Erben gestorben war. Das Jahr 1249 brachte das Ende der muslimischen Bevölkerung auf Malta, die zu diesen Zeitpunkt noch immer in der Mehrheit war. Kaiser Friedrich II. schlug einen Araberaufstand auf Sizilien nieder und ließ in diesem Zusammenhang alle muslimischen Malteser von ihrer Insel verbannen, ausgenommen jene, die zum Christentum konvertierten. 1268 eroberte Karl I. von Neapel (der jüngere Bruder des französischen Königs) Sizilien und gelangte so auch an die Herrschaft über Malta. Eine Herrschaft, die allerdings nur 14 Jahre bestand und von jener des Königs von Aragon abgelöst wurde. Die aragonesische Epoche dauerte von 1284 bis 1516, als Aragon mit Kastilien zu Spanien vereinigt wurde. Die von den Maltesern schon länger betriebene Seeräuberei blieb für die Insel bis zum Ende des 14. Jh. ein bedeutender Wirtschaftszweig. Eine Erwerbsquelle, die allerdings auch dazu führte, dass betroffene Mächte ihrerseits Malta wiederholt zur Vergeltung heimsuchten, so etwa Genua 1371. 1429 griffen muslimische Mauren aus Nordafrika die Insel an. Jedoch nicht als Vergeltungsmaßnahme, sondern um sie zu erobern. Unerwarteterweise konnten sich die unterlegenen Malteser gegen die Araber behaupten, was der Überlieferung zufolge dem direkten Eingreifen des heiligen Paulus zu verdanken gewesen sei. In den folgenden Jahrzehnten gab es immer wieder Kaperfahrten der Malteser und ihrer muslimischen Nachbarn gegeneinander zu verzeichnen. Für Malta bedeutender war aber das Aufkommen einer neuen islamischen Großmacht im Mittelmeerraum - das Osmanische Reich. 1488 erfolgte der erste türkische Angriff auf die Insel, 1526 ein weiterer. Auf Einladung Kaiser Karls V. siedelte sich der Kreuzfahrerorden der Johanniter 1530 auf Malta an. Die Johanniter, die ungefähr ab diesem Zeitpunkt Malteser Orden genannt wurden, hatten erst wenige Jahre zuvor ihre alte Heimatbasis Rhodos an die Osmanen verloren. Ihre Aufgabe sollte es fortan sein, Malta für das Christentum gegen das expandierende Osmanische Reich zu verteidigen. Chaireddin Barbarossa (ca. 1466-1546), ein Korsar und Untergebener des türkischen Sultans, verwüstete mehrmals die Küsten Maltas und Siziliens. Turgut Reis (ca. 1485-1565), ebenfalls Korsar und Untergebener der Hohen Pforte, suchte Malta bis 1561 sechsmal heim. Doch der Malteserorden blieb ebenfalls nicht untätig. Vielmehr intensivierte er in den 1550er-Jahren den Festungsbau auf der Insel, um auf künftige Attacken vorbereitet zu sein. Und diese kamen. 1565 griffen die überlegenen Flotten- und Truppenverbände der Osmanen das Eiland an. Unterstützt von Kräften aus Spanien und Sizilien konnten die Malteserritter und Inselbewohner den übermächtigen Feind nach mehrmonatiger Belagerung aber besiegen und zum Abzug zwingen. Turgut Reis fiel bei dieser für das Osmanische Reich empfindlichen Niederlage.
          Die dalmatische Adriainsel Mljet (lat. "Melita" oder "Melitussa") hat eine doch etwas unspektakulärere Geschichte. In der vorrömischen Zeit war die von Illyrern bewohnte Insel ein berüchtigtes Piratennest. Deswegen eroberte sie Oktavian im Jahr 35 v. Chr. für das Römische Reich, ihre Einwohner wurden versklavt oder getötet. Seit dem sechsten nachchristlichen Jahrhundert gehörte die Insel zum Oströmisch-Byzantinischen Reich. 1151-1410 befand sich Mljet im Besitz der Benediktiner aus Pulsano im süditalienischen Apulien, die ihrerseits die Oberhoheit Serbiens über das Eiland anerkannten. 1410 eroberte die Republik Ragusa (Dubrovnik) Mljet. 1458 erkannte die Republik Ragusa das Osmanische Reich als Schutzmacht an und wurde dem Sultan tributpflichtig. Somit war auch Mljet fortan Schutzgebiet der Hohen Pforte.
6) Das mittelfranzösische "seduire" bedeutet u. a. "in die Irre führen; verleiten, anstacheln; verführen". Mit dem lat. "seducere" kommt noch "wegführen, entfernen" hinzu.
7) Vgl. 5/47/3, Anmerkung 3.
8) Vgl. 5/47/2, Anmerkung 2.
9) Der Begriff "pole, polle" taucht in 2/49/3, 3/57/4, 6/5/2, 6/21/1 und 8/81/2. Das mittelfranzösische "pole" bedeutet "Pol", das lat. "polus" zudem "Himmel, Himmelsgewölbe, Polarstern". Im Griechischen finden wir "polos" (Achse, Pol; Gewölbe, Himmelsgewölbe; Sonnenuhr", daneben "poles" (Verkäufer, Händler), "polios" (weißlich, grau; hell), "polis" (Stadt, Burg, Heimat, Staat), "(ta) polla" (der größte Teil, die meisten, alles), "(oi) polloi" (Mehrzahl, Menge, Masse), "polos" (junges Pferd, Fohlen; das Junge; Junge, junges Mädchen). In 6/5, 6/21 und 8/81 scheint damit "Himmel" gemeint zu sein.
10) Das mittelfranzösische "exposer" bedeutet "zeigen, den Blicken präsentieren; sagen, enthüllen, darlegen, offenbaren; etwas einer Gefahr aussetzen, etwas riskieren; etwas zur Verfügung stellen, etwas widmen; etwas aussetzen, etwas verlassen".
11) Oder auch: "Verfolger".
Die Malteserritter werden die Araber, die Malta oder Mljet erobern wollen, von ihren Weg abbringen. Die verräterischen Neo-Osmanen und "Rhodos" (wohl die Malteser) werden durch die Araber Tod und Niederlage erleiden.

In der dritten Zeile taucht das Paar Rhodos-Byzanz auf, genau wie in 6/21/4. Dort erfahren wir, dass beide mit "barbarischem" (arabischem) Blut befleckt sein werden. 5/47 ist zu entnehmen, dass der "große Araber" (wohl "Ismael") von Byzanz verraten und "Rhodos" (oder der Malteserorden) sich ihm entgegenstellen wird. Vor diesem Hintergrund dürfte 2/49 zu verstehen sein. In Zeile drei erfahren wir, dass "Rhodos" sowie Byzanz für ihre Leute "den Himmel offen darlegen" werden. Diese Formulierung erinnert an das Johannesevangelium 1,51: "Amen, amen, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel geöffnet und die Engel Gottes auf- und niedersteigen sehen über dem Menschensohn. (Et dicit ei : Amen, amen dico vobis, videbitis caelum apertum, et angelos Dei ascendentes, et descendentes supra Filium hominis".) Diese Stelle knüpft an die Jakobsleiter (Himmelsleiter) des Alten Testamentes an, vgl. Genesis 28,12f. Seit den Kirchenvätern existiert dabei die Gleichsetzung der Himmelsleiter mit dem Kreuz Christi, vgl. CAESARIUS VON ARLES, Predigten 87,3. 2/49/3 dürfte also dahingehend zu verstehen sein, dass "Rhodos" und Byzanz für ihre Leute das Kreuz bzw. den Opfertod herbeiführen werden. Die Araber werden also sowohl "Rhodos" wie auch das verräterische Byzanz besiegen. Zwar unter wohl hohen eigenen Verlusten (die beiden werden mit "barbarischem" Blut befleckt sein, vgl. 6/21/4), doch bringen die Araber ihren Feinden Niederlage und Tod.

Zeile 2/49/4 ist zu entnehmen, dass das "Land" unterliegen und die "Gefolgsleute" auf der Flucht sein werden. Mit dem "Land" ist vermutlich Byzanz bzw. die Türkei gemeint, die erobert werden wird. Die "Gefolgsleute" sind wohl jene Byzantiner (Türken), die hinter dem Verrat an den Arabern stehen werden. Dass diese jetzt fliehen müssen, ist klar. Doch wohin?

In der ersten Hälfte der Strophe ist davon die Rede, dass die Ratsherren des "ersten Privilegs" die Eroberer für Malta oder Mljet in die Irre führen werden. Wie in Anmerkung 3 ausgeführt, könnten mit diesen "Ratsherren" Angehörige des Johanniter- bzw. Malteserordens gemeint sein. Sie werden eine Macht, die entweder Malta oder Mljet erobern will, in die Irre führen oder von ihrem Vorhaben abbringen - vielleicht auch militärisch. Mit den verhinderten Angreifern dürften "Ismaels" neo-abbasidische Araber gemeint sein. Doch wieso sollte Nostradamus die Johanniter bzw. Malteser als "Ratsherren" bzw. "Ratgeber" bezeichnen? Eine Lösung könnten die Überlegungen aus Anmerkung 2 sein. In diesem Fall wären die Johanniter bzw. Malteser wohl v. a. in der Seekriegsführung (als "Rudermeister") erfolgreich aktiv.

Falls in der dritten Zeile mit "Rhodos" der Malteserorden gemeint sein sollte, wäre der Tod, den die Araber über diesen bringen, wohl als Gegenschlag auf die Aktion des Ritterordens aus der ersten Hälfte des Vierzeilers zu verstehen.

Das Vorgehen des Malteserordens und des verräterischen Byzanz'
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Leere Karte: https://d-maps.com/carte.php?num_car=33614&lang=de (Abgerufen am 20.07.2019). Bearbeitet von Jean-Claude Pfändler (29.07.2019).

Der Gegenschlag "Ismaels" und der neo-abbasidischen Araber
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Leere Karte: https://d-maps.com/carte.php?num_car=33614&lang=de (Abgerufen am 20.07.2019). Bearbeitet von Jean-Claude Pfändler (01.08.2019).



6/21

[1] Quant1) ceux du polle3) artiq2) vnis ensemble,
[2] En Orient4) grand effraieur & crainte:
[3] Esleu nouueau, soustenu le grand temple5),
[4] Rodes6), Bisance7) de sang Barbare8) taincte.

[1] Wenn1) diejenigen des nördlichen2) Himmels3) zusammen vereint [sein werden,
[2] wird] im Orient4) [ein] großer Schrecken und [eine große] Angst [entstehen].
[3] Gewählt [wird der] Neue, unterstützt wird der große Tempel5).
[4] Rhodos6) [wird wie] Byzanz7) mit barbarischem8) Blut befleckt [sein].

1) Lies wohl: "quand" (wann, wenn), vgl. die 1568er-Ausgaben von Arbau, Dresden und Paris. Ansonsten müssten die ersten beiden Zeilen etwa so verstanden werden: "Was diejenigen des nördlichen Himmels angeht, die zusammen vereint [sein werden], so wird im Orient [ein] großer Schrecken und [eine große] Angst entstehen." D. h. die Gefahr aus dem Orient würde sich spezifisch gegen die Vereinigten des Nordens richten.
2) Lies: "arctique". Vgl. lat. "arctous" (nördlich) oder griech. "arkteios" (vom Bären).
3) Vgl. 2/49/3, Anmerkung 9.
4) Oder: "Osten".
5) Oder: "[Der] Neue [wird] gewählt [und] unterstützt, der Große zittert." In den beiden Ausgaben von 1557 sowie den 1568er Ausgaben von Grasse und Stockholm steht hier "temple" (Tempel, Kirche), in den restlichen 1568ern "tremble". Aus methodischen Gründen wäre hier "temple" vorzuziehen, allerdings zum Preis eines etwas missglückten Reims auf "ensemble". Das spätere "tremble" passt hingegen zur ersten Zeile, so dass bis auf Weiteres beide Varianten als gleich wahrscheinlich zu behandeln sind. Mit dem "großen Tempel" könnte Nostradamus vielleicht an den "Temple" in Paris gedacht haben, der nach 1291 die Residenz des Großmeisters des Templerordens war. Nach der gewaltsamen Auflösung des Templerordens (bis 1314) ging der "Temple" an die Johanniter (Malteser) über, die dort bis zur Französischen Revolution blieben. Das Hauptquartier der Johanniter (Malteser) befand sich aber nie in Paris, sondern u. a. in Rhodos (1310-1523), Malta (1530-1798) und seit 1834 in Rom.
6) Vgl. 5/47/3, Anmerkung 3.
7) Vgl. 5/47/2, Anmerkung 2.
8) Vgl. 9/60/1, Anmerkung 1.
Dann, wenn das Kurfürstengremium zur Wahl eines neuen römisch-deutschen Kaisers zusammentritt, wird im Orient durch "Ismaels" Araber ein großer Schrecken entstehen. Ein Neuer wird (wohl zum Kaiser) gewählt und ein "großer Tempel" wird unterstützt. "Rhodos" (wohl der Malteserorden auf Malta) sowie Byzanz (die Türkei) werden von arabischem Blut getränkt sein.

Wie in 2/49/3 werden auch in 6/21/4 "Rhodos" (wohl der Malteserorden) und Byzanz erwähnt. Beide werden mit barbarischem (arabischem) Blut befleckt sein. Wie mit Blick auf 2/49 zu schlussfolgern ist, dürften die Araber Byzanz (die Türkei) erobern. Auch die Insel Rhodos - oder der Malteserorden - wird von den Neo-Abbasiden geschlagen. Doch in beiden Fällen wohl unter hohen Verlusten der Angreifer.

Gemäß Zeile drei wird ein "Neuer" gewählt werden. Damit könnte ein Papst oder ein römisch-deutscher Kaiser gemeint sein (vgl. weiter unten die Ausführungen zu Zeile eins). Denkbar wäre mit Blick auf Rhodos aber auch ein Großmeister der Malteser. In der gleichen Zeile erfahren wir, dass der "große Tempel" unterstützt werden wird. Doch von wem? Vom Neugewählten? Und was ist mit dem "großen Tempel" gemeint? Die Malteser? Die Kirche? Sollte hingegen von einem "zitternden Großen" die Rede sein, vgl. Anmerkung 5, könnte etwa eine Verbindung zu 1/75/4 hergestellt werden, wo von einem ängstlichen Oberhaupt die Rede ist.

6/21/2 spricht von einem "großen Schrecken" und einer "großen Angst", die im Orient entstehen werden. Mit Blick auf 2/49, 5/47 und 10/31 dürfte damit der Vormarsch "Ismaels", des "großen Arabers", gemeint sein.

Zu diesem Zeitpunkt werden jene "des nördlichen Himmels" vereint sein (erste Zeile). Welche Mächte hier gemeint sind, ist unklar. Am Nordhimmel stehen der Große und der Kleine Bär (Kallisto und Arkas). Der Polarstern ist dabei Teil des Kleinen Bären. Somit könnte hier etwa ein Bündnis zweier Mächte gemeint sein, die Nostradamus mit zwei Bären vergleicht. Sollte unser Seher wegen des Polarsterns nur an das Sternbild Kleiner Bär gedacht haben, könnten sich sieben Mächte oder Personen zu einem Ganzen zusammenfügen. In 10/31/1 ist vom wiederentstandenen römisch-deutschen Reich die Rede. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation kannte sieben Kurfürsten, denen das Recht zustand, den deutschen König bzw. Kaiser zu wählen. Dem Rang nach geordnet waren dies: 1.) der Erzbischof von Mainz (der aber als letzter abstimmte, um bei einem Patt die entscheidende Stimme abgeben zu können), 2.) der Erzbischof von Trier, 3.) der Erzbischof von Köln, 4.) der König von Böhmen, 5.) der Pfalzgraf bei Rhein, 6.) der Herzog von Sachsen-Wittenberg und 7.) der Markgraf von Brandenburg. Es wäre also durchaus möglich, dass Nostradamus in 6/21/1 an die Wiederbelebung des Alten Reichs gedacht hat, konkret vielleicht an das kurfürstliche Wahlgremium. Dann ginge es um die Wahl eines neuen abendländischen Kaisers - was zur dritten Zeile passen würde. Interessant ist, dass im griechischen Mythos Arkas (der Sohn von Zeus und Kallisto) als Junge dem König Lykaion übergeben wurde, damit jener ihn aufziehe. Doch Lykaion tötete Arkas und setzte ihn Zeus zum Mahl vor, als dieser später einmal zu Besuch kam. Zeus bemerkte aber die Schandtat, verwandelte Lykaion in einen Wolf und erweckte Arkas wieder zum Leben (vgl. THEOI GREEK MYTHOLOGY, Kallisto, Abgerufen am 01.01.2019). Diese Geschichte der Wiederbelebung würde die Gleichsetzung des Arkas (Kleiner Bär) mit dem erneuerten römisch-deutschen Reich bzw. dessen Kaiserwahlgremium unterstützen.

Das Sternbild "Kleiner Bär" ("Kleiner Wagen") mit dem Polarstern ("Polaris") nahe des Himmelsnordpols 
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Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Kleiner_B%C3%A4r#/media/Datei:Kleiner_Wagen.jpg (Abgerufen am 03.08.2019).



5/70

[1] Des regions subiectes à la Balance1),
[2] Feront troubler2) les monts par grande guerre
[3] Captifz tout sexe deu3) & tout Bisance4),
[4] Qu’on criera à l’aube5) terre à terre6).

[1] [Die] aus den Regionen, [die] der Waage1) unterworfen [sind],
[2] werden die Berge durch [den] großen Krieg erschüttern2).
[3] Unterworfen [sein werden das] ganze untergebene Geschlecht3) und ganz Byzanz4),
[4] so dass man im Morgengrauen5) [dort] in unmittelbarer Nähe6) schreien wird.

1) Der Begriff "balance" (Waage) taucht in 4/96/4, 5/42/4, 5/61/3 und 5/70/1 auf, die lat. Entsprechung "libra" in 1/28/4, 2/81/4 und 4/50/1. Im Mittelalter regierte das Tierkreiszeichen Waage der Zeit vom 17. September bis 17. Oktober, im verbesserten Kalender des 15. und 16. Jahrhunderts die Zeit vom 13. September bis 12. Oktober. Gemäß Claudius PTOLEMÄUS’ Tetrabiblos 2,3,73 stehen folgende Gebiete unter der Herrschaft der Waage: Baktrien (Nordafghanistan und der Süden von Tadschikistan, Usbekistan, Turkmenistan), Casperia (unklar, gemäß WALDSEEMÜLLER entspricht Caspiria etwa Kaschmir) und Serica (etwa Xinjiang) sowie das oberägypt. Theben (Luxor), Oasis (Oasis Magna, heute Charga/el-Kharga) und Troglodytica (Gebiet um Berenike/Baranis/Medinet al-Haras) am Roten Meer. BRIND’AMOUR, S. 535f., und ihm folgend CLÉBERT, S. 516f., verweist auf eine Stelle im Astronomicon von Marcus MANILIUS (4,773-777), in dem zu lesen ist, dass Rom im Zeichen der Waage gegründet worden sei. CLÉBERT, S. 617f., sieht alternativ auch die Länder "auf der Breite" von Savoyen gemeint, namentlich Österreich, die Toskana und Spanien. Dabei bezieht er sich auf "die Astrologen des 16. Jh.", allerdings ohne eine konkrete Quelle zu nennen.
Die Gebiete, die unter der Herrschaft des Tierkreiszeichens Waage stehen
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Leere Karte: https://d-maps.com/m/world/centreeurope_de/centreeurope_de25.gif (Abgerufen am 04.08.2019). Bearbeitet von Jean-Claude Pfändler (05.08.2019).
2) Die beiden 1568er-Ausgaben von Méjanes und Perugia schreiben hier passender: "trembler" (erzittern [lassen]).
3) "Sexe" bezeichnet normalerweise das natürliche Geschlecht (Mann oder Frau), kann aber, als "sexe humain" verstanden, auch das Menschengeschlecht, d. h. alle Menschen meinen. Unser Seher könnte hier weiter an das griech. "phylon" (u. a. Stamm, Volksstamm, Familie) gedacht haben, das im weiteren Sinne einfach Gruppen von Menschen bzw. Lebewesen bezeichnet, die von ihrer Natur her zusammengehören, was gerade auch für das natürliche Geschlecht gälte. "Deu" ist das Partizip Perfekt von "devoir" und lässt sich u. a. als "schuldig, verpflichtet; unterjocht" verstehen, vgl. auch lat. "debere". Im ersten Fall wären damit wohl die Frauen gemeint, vgl. Genesis 3,16: "Zur Frau sprach [Gott]: [...] Du hast Verlangen nach deinem Mann; er aber wird über dich herrschen". Im zweiten Fall könnte Nostradamus an die Slawen auf dem Balkan gedacht haben. Diese leben nordwestlich von Istanbul und gehören somit in den größeren geografischen Rahmen der dritten Zeile. Zudem haben die Begriffe "Slawe" und "Sklave" die gleiche griech. Wurzel ("sklabos" bzw. "sklabenos"), so dass sich eine sprachliche Gleichsetzung anbietet.
4) Vgl. 5/47/2, Anmerkung 2.
5) Möglicherweise auch im Sinne von "Osten", vgl. lat. "aurora" und griech. "eos" (Mörgenröte, Osten).
6) Die mittelfranzösische Wendung "terre à terre" bedeutet u. a. "ganz nahe". Ansonsten könnte die Stelle etwa auch als "von Land zu Land" verstanden werden.
"Ismaels" ägyptische Araber werden die Berge der Balkanhalbinsel durch einen großen Krieg erschüttern. Sie werden die Balkanslawen und auch Istanbul bzw. die Türkei unterwerfen. In unmittelbarer Nähe Istanbuls wird man im Morgengrauen oder im Osten schreien.

In der ersten Zeile spricht Nostradamus von Regionen, die dem Tierkreiszeichen Waage unterworfen sind. Gemäß PTOLEMÄUS, vgl. Anmerkung 1, haben wir dabei die Auswahl zwischen dem heutigen Zentralasien und dem südlichen Ägypten mit Luxor/Theben. Das "hunderttorige Theben" war dabei eines der Zentren Ägyptens und auch mehrfach dessen Hauptstadt. Mit Blick auf die obigen Strophen, die einen Vorstoß von "Ismaels" Arabern zum Inhalt haben und dem Umstand, dass die zentralasiatische Variante entweder außerhalb oder bestenfalls nur teilweise innerhalb des Vorhersageraumes der Prophezeiungen des Nostradamus liegt, tendiere ich hier klar zur oberägyptischen Lösung.

Laut Zeile zwei werden die (ägyptischen) Araber durch einen großen Krieg "die Berge" erschüttern (bzw. die dazu gehörigen Gebiete vor Angst erbeben lassen). Doch welche Berge sind hier gemeint? Den entscheidenden Hinweis zur Beantwortung dieser Frage könnten wir in der zweiten Hälfte der Strophe finden.

In der dritten Zeile ist von "ganz Byzanz" und dem "untergebenen Geschlecht" die Rede. Mit "ganz Byzanz" ist Istanbul und wohl das von diesem beherrschte Gebiet (im interessierenden Großraum) gemeint. Das "untergebene Geschlecht" könnten die Slawen auf dem Balkan sein, vgl. Anmerkung 3. Als Hauptkandidaten kommen dabei wohl die Bulgaren infrage, deren Land heute einen Teil Thrakiens umfasst und so verhältnismäßig nahe bei Istanbul liegt - genauso wie der Rest dieser Region, den sich Griechenland und die Türkei teilen. Doch Nostradamus schreibt, dass das "ganze" untergebene Geschlecht unterworfen sein wird, also alle Balkanslawen (so Bulgaren, Mazedonier, Serben, Montenegriner, Bosniaken, Kroaten, Slowenen). Dies würde zu 5/47 passen, wo wir erfahren, dass der arabische "Ismael" wenigstens bis in den nördlichen Balkan vorstoßen wird.

Somit müssten die "Berge" aus der zweiten Zeile auf der Balkanhalbinsel zu finden sein. Da Südosteuropa sehr gebirgig ist, bieten sich für die erwähnten "Berge" einige Kandidaten an. Dazu gehören die Rhodopen, das Balkangebirge oder die Dinarischen Alpen.

Der vierten Zeile zu entnehmen ist, dass man in unmittelbarer Nähe - wahrscheinlich der Stadt Istanbul (Zeile 3) - bei Morgengrauen oder im Osten (vgl. Anmerkung 5) schreien wird. Der Grund dafür könnten "Ismaels" Araber sein. Doch wie ist das zu verstehen? Unterwirft "Ismael" erst den (slawischen) Balkan und stößt dann von dort aus nach Istanbul vor? Oder verüben die Besatzer von Byzanz während ihrer bereits etablierten Herrschaft ein Massaker?

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Leere Karte:https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Europe_relief_laea_location_map.jpg (Abgerufen am 06.08.2019). Bearbeitet von Jean-Claude Pfändler (06.08.2019).



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(Letzte Änderung dieser Seite: 06.10.2019)