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Die Hoffnung stirbt am letzten Tag

Diagnose Hirntumor

Kapitel 10:  Letzter Vortrag
24. Mai
​Am 24. Mai wollte Werner unbedingt noch einen Vortrag in unserer Gemeinschaft halten. Die Person, die eigentlich für Werner einspringen sollte, hatte kurzfristig wieder abgesagt. Beim Schreiben am Computer hatte er mit verschiedenen Wörtern Mühe, deren Buchstaben in der richtigen Reihenfolge zu tippen.

Ausserdem musste ich ihm helfen, die Dateien vom PC auf den Laptop zu kopieren, was er normalerweise immer alleine konnte.


Werner nahm erstaunlicherweise die Gelegenheit war, öffentlich über seinen Tumor zu sprechen. Er integrierte das Thema über das positive Denken mit in seinen Vortrag. Ich werde hier einen Teil aus seinem Vortrag 'Das schöpferische Universum, Teil 31: Das Prinzip der Harmonie oder des Ausgleichs.' zitieren:

'Bevor ich mich näher mit diesem zentralen, und zur Zeit höchstaktuellen Prinzip der Schöpfung befasse, möchte ich mich um der Vollständigkeit halber vorerst mit zwei Richtungen auseinandersetzten, die auf das heutige Denken einen gewissen Einfluss ausüben. Es ist dies fürs Erste die Methode des „Positives Denkens“. Diese zielt im Kern darauf ab, dass der Anwender durch konstante positive Beeinflussung seines bewussten Denkens (z.B. mit Hilfe von Affirmationen oder Visualisierungen) in seinen Gedanken eine dauerhaft konstruktive und optimistische Grundhaltung erreicht, und infolgedessen eine höhere Zufriedenheit und Lebensqualität erzielt. ...

Je nach weltanschaulichem Vorverständnis zeigt sich positives Denken als Methode, falsche oder nicht vorhandene, sondern nur durch Denken erschaffene negative Wirklichkeit und ihre Auswirkungen abzubauen, oder – in monistisch/spirituellem Sinn – die „geistigen Gesetze“ positiv/richtig anzuwenden.

Während in Gruppen und Sondergemeinschaften positives Denken als Methode für Heilung (und Heil) an erster Stelle steht, wird über den Buchmarkt positives Denken als Lebenshilfe angeboten. Es verspricht Gewinnmaximierung, Gesundheit und Glück. ...

 Psychologen und Psychiater warnen ausdrücklich davor, dass die Methoden labile und depressive Patienten weiter schädigen können. Besonders bei unkritischen Menschen können sie auch zu einem Realitätsverlust führen. Der Realitätsverlust kann durch das Vermeiden von kritischen Fragen und der damit einhergehenden teilweisen Leugnung von vorhandenen Schwächen entstehen. . ...

Oswald Neuberger, Professor für Psychologie an der Universität Augsburg, sieht in der Methode des „Positiven Denkens“ eine zirkuläre Falle: „Wenn du keinen Erfolg hast, dann bist du eben selber schuld, weil du es offensichtlich nicht richtig probiert hast. Der Trainer aber bleibt unfehlbar.“ ...

Die folgende Technik kommt aus der Achtsamkeitsmeditation: 

'In der Meditation werden die Gedanken oft als umherspringender Affe bezeichnet. Daher die Aufforderung an den Meditierenden: Neutralisiere jetzt Deine Gedanken. Es ist nur ein Gedanke. Er ist nicht negativ und nicht positiv. Die Bewertung gibst Du ihm. Also bewerte ihn nicht, lass ihn neutral sein. Es ist einfach nur ein kleiner Gedanke den Du gerade produziert hast. Er hat keinen Einfluss auf Dein Leben, lass ihn einfach umherspringen. Gib ihm nicht die Macht Dich zu stressen. Lenke Deine Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt. Denke nicht so viel. Und wenn doch, dann denke positiv. Denn deine negativen Gedanken beziehen sich immer nur auf Erinnerungen aus der Vergangenheit, und auf Sorgen über die Zukunft. Doch die Vergangenheit und die Zukunft sind nicht existent. Sie sind das Werk Deiner Gedanken. Also durch Dich selber erschaffen, und somit auch durch Dich wieder veränderbar. '

Das alles, was ich jetzt kurz zitierte, ist aber so ziemlich das Dümmste, was man über das Denken im Allgemeinen, und über die positiven und negativen Energien im Leben eines Menschen zum Besten geben kann. Ich möchte mich aus diesem Grund vorerst eingehender mit dem kosmischen Gesetz der Harmonie oder des Ausgleichs im Sinne der Wissenschaftssynthese befassen, und erst anschliessend mit einem Beispiel aus einer aktuellen Situation heraus den praktischen Einzelfall erörtern. ...

Wie bereits mehrfach erwähnt, beginnt jeder Schöpfungsvorgang ausnahmslos mit einem positiv, oder elektrisch geladenen Impuls. Ein negativer Gedanke ist also nach den kosmischen Gesetzen in der «Heiligen Triade» ein Ding der Unmöglichkeit. Was aber möglich ist, das sind destruktive oder konstruktive Gedanken – Gedanken, die mich in meinen Bemühungen fördern, oder hemmen. Wenn du erst einmal verstanden hast, was Gedanken wirklich sind, dann wirst Du nie mehr sagen:

„Es ist doch nur ein Gedanke. Er ist nicht negativ und nicht positiv. Die Bewertung gibst Du ihm. Also bewerte ihn nicht, lass ihn neutral sein. Es ist einfach nur ein kleiner Gedanke den Du gerade produziert hast. Gib ihm nicht die Macht Dich zu stressen. Denn deine negativen Gedanken beziehen sich immer nur auf Erinnerungen aus der Vergangenheit, und auf Sorgen über die Zukunft. Doch die Vergangenheit und die Zukunft sind nicht existent. Sie sind das Werk Deiner Gedanken. Also durch Dich selber erschaffen, und somit auch durch Dich wieder veränderbar.“

Damit kommen wir zum eingangs erwähnten Beispiel mit dem ich aus einer aktuellen Situation heraus den praktischen Einzelfall erörtern möchte, und weshalb ich die erwähnte Technik aus der Achtsamkeitsmeditation so ziemlich als das Dümmste bezeichnete, was man über das Denken im Allgemeinen, und über die positiven und negativen Energien im Leben eines Menschen zum Besten geben kann. Das vor allem dann, wenn man zusätzlich noch die leichtsinnige Behauptung aufstellt: die Vergangenheit und die Zukunft sind nicht existent.

Ich stelle mir dabei die ernsthafte Frage: Ist es Zufall oder Vorsehung, dass sich ausgerechnet an diesem Vortragswochenende ein so nicht geplanter Termin ergab, um in der Fortsetzung meiner Ausführungen zum Prinzip der Harmonie oder des Ausgleichs zu sprechen? Denn in einen anderen, besseren Zeitrahmen hätte man dieses Thema gar nicht einplanen können. Um was geht es also konkret?

Eine zur genauen Abklärung dieser Störung angeordnete Magnetresonanztomographie zeigte jedoch vorerst nur das Vorhandensein eines dunklen Fleckens (zeigt ein Bild), der bei einer anderen Kameraeinstellung näher und deutlicher in Erscheinung trat, und sich schliesslich in der Biopsie als ein aggressives Gewebe der höchsten Stufe (Bild) einordnen lies. Was allerdings die zuständigen Neurochirurgen noch nicht erkennen liess, ist die geeignetste mögliche Behandlungsmethode mit welcher der unerwünschte Eindringling am Schonungsvollsten, und gleichzeitig auch am effektivsten wieder entfernt werden kann, damit dieser sich nicht weiter auf den motorischen Bereich meines rechten Beines auswirken kann (zeigt ein Bild).

Nur eines war sofort klar: rein operativ gibt es keine Möglichkeit, weil das Gewebe sich so in die restliche Hirnmasse integrierte, dass jeder denkbare Eingriff nicht abschätzbare Folgen mit sich bringen muss. Dieselbe Ungewissheit muss aber auch von einer Chemotherapie angenommen werden, weil sich auch ihr Wirkungsbereich nicht exakt eingrenzen lässt.

So weiss man bis zum heutigen Tag nur gerade so viel:

Ignoriere ich diesen Zustand mit der durch nichts, aber auch gar nichts vertretbaren Einstellung, dem Negativen ja keinen Raum zu geben, und dementsprechend auch nichts zu unternehmen, verbleiben nur wenige Wochen bis zum endgültigen Aus, was von mir mit Sicherheit unter keinen Umständen in Betracht gezogen wird.

Kommt Zeit – kommt Rat! Bis dahin heisst es: sich in Geduld üben, aufmerksam beobachten und sachbezogen reagieren.'


Es war ihm also bewusst, dass er, wenn er nichts tut, sterben würde. Somit, da er ja alle alternativen Ratschläge abgelehnt hatte, hing alles von der bevorstehenden Bestrahlung ab, die sich immer weiter hinaus verzögerte.

Beim Vortrag selbst wurden ihm genau die Wörter, die er nicht schreiben konnte, wieder zum Verhängnis. Er konnte sie nicht richtig aussprechen. Die Schwierigkeit lag in der Serialität, das heisst, die Reihenfolge der Buchstaben. Er nahm es jedoch mit Humor, jedenfalls  gegen aussen.

So wie ich wird er auch sich selbst beobachtet und  erkannt haben, womit er plötzlich Schwierigkeiten hatte. Aber er hätte es nie zugegeben oder um Hilfe gebeten. So hat er sich immer nach dem Salatrüsten einen Kaffee genommen und ihn dann in unsere Wohnung hinübergetragen, um ihn dort in aller Ruhe zu trinken. Der Weg führte zwei Treppen hoch bis ins Wohnzimmer.

Doch an diesem Tag blieb er am Buffet stehen, die Tasse Kaffee in der Hand. Ich war noch am Kochen, aber konnte ihn beobachten. Mir war klar, dass er mit dem Kaffee nicht mehr die Treppe hochkam ohne ihn zu verschütten. So bemerkte ich nebenbei:  

„Ich muss gleich auch rüber, soll ich dir den Kaffee bringen?“ 

Er entgegnete sichtlich erleichtert, aber gleichzeitig  belanglos:

„ Ach ja, das wäre nett“.

Niemals hätte er zugegeben, dass es für ihn nicht mehr möglich war.

Dieses Spiel wiederholte sich von nun an täglich.