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Die Hoffnung stirbt am letzten Tag

Diagnose Hirntumor

Kapitel 14: Tricks um Handicaps zu vertuschen
Anfangs Juni

Beim Einkauf war es Werner immer wichtig, den Betrag möglichst genau zu zahlen, denn wir wussten auch eigener Erfahrung von unserer Zeit als Ladenbesitzer, dass die Leute froh waren um Kleingeld. Plötzlich zahlte er nur noch mit Noten. Doch nicht immer konnte er seine Beeinträchtigung verbergen. Im CC bekam man nach dem Einkauf noch einen Gratis-Kaffee. Werner nahm sich dann immer noch ein Gipfeli dazu, welches er aber bezahlen musste. Ich merkte, dass es für seine rechten Finger nicht mehr so einfach war, die kleinen Geldstücke raus zu fischen. Irgendwann verlor er die Geduld und gab mir das Portemonnaie. „Mach du das!“, sagte er. Beim nächsten Mal fragte ich ihn, ob ich zahlen soll und er war sofort einverstanden.

Beim Schneiden der Karotten wollte er auch verbergen, dass es nicht mehr ging. Er schnitt die Karotten mit der linken Hand, da die linke Seite nicht so sehr beeinträchtigt war. Gesagt hatte er aber nie was.

Den Grosseinkauf in der Migros wurde nun immer zu dritt gemacht. Es war Werner wichtig, dass er immer noch die Leitung hatte. So war er auch derjenige, der am Kundendienst die Quittung unterschrieb, denn wir konnten für die Gemeinschaft auf Rechnung einkaufen. Die Unterschrift wurde jedoch immer mehr zu einem Gekritzel. Ohne viel Worte darüber zu verlieren, übernahm einfach Tanja diese Aufgabe und Werner wehrte sich auch nicht. Was wohl in seinem Kopf vorging, wenn man nicht mehr fähig ist, seine Unterschrift zu tätigen? Man kann es nur erahnen. Eine Woche später fand ich vor seinem Computer einen Block, wo er seine Unterschrift geübt hatte.

Wir versuchten aber immer, ihn noch mit einzubeziehen, obwohl es ohne ihn schneller gegangen wäre. Er kam jedoch stolz vom Einkauf zurück. „Ich habe den Einkauf alleine geschafft.“ Tanja erzählte mir dann, dass er etwa vier Sachen im Wagen hatte von der grossen Liste. Sie übernahm dann den grossen Rest, während er eine fünfte Sache suchte. Früher wusste er immer genau, wo was war. Doch nun konnte er sich nur schwer daran erinnern und er hatte auch Mühe mit der Orientierung im Laden.

Nach dem Mittagessen machte ich jeweils noch den Abwasch. Früher half Werner beim Geschirr wegräumen. Doch jetzt schickte ich ihn gleich weg, was er mit Erleichterung annahm. „Ich bringe dir dann den Kaffee rüber“, fügte ich noch bei. Normalerweise ging er dann in unser Wohnzimmer und schaute sich die RTL-Nachrichten an. Diesmal kam ich jedoch rüber und der Fernseher lief nicht. Werner meinte: „Da stimmt was nicht mit der Fernbedienung.“  Mir war klar, dass er nicht mehr gewusst hatte, welche Tasten er drücken musste.

Den Computer schaltete er am Morgen ein, aber das war schon alles, was er damit macht.