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Die Hoffnung stirbt am letzten Tag

Diagnose Hirntumor

Kapitel 18: Fantasie und Realität
14. Juni

Abends am Telefon mit seinem Sohn erzählte Werner ihm, dass er den ganzen Nachmittag mit Dr. Widmer gesprochen habe. Ich korrigierte Werner, dass wir am Morgen beim Arzt waren und nicht am Nachmittag. Er reagierte verärgert.

„Du meinst“, versuchte ich ihn zu beruhigen, „dass du in Gedanken mit ihm gesprochen hast?“.

Er bejahte es. Bei seinem Sohn kam das natürlich nicht so rüber.

Er meinte, seine Meinung und die vom Arzt seien nicht die gleiche. „Wenn der Arzt beim MRI nächste Woche nicht das sieht, was ich fühle, dann hat er (der Arzt) Halluzinationen“. Er war überzeugt, dass der Tumor weg war. Auch erzählte er allen, dass er die Tests beim Arzt super bestanden habe. Fantasie (Wunschdenken) und Realität konnte er nicht mehr unterscheiden. Hatte er nicht genau über dieses Problem des Realitätsverlustes beim letzten Vortrag noch gesprochen?

Als ich einmal einen Einwand machte und ihn von der Realität überzeugen wollte, wurde er gleich wieder aggressiv:

„Du machst alles kaputt!“

Irgendwann später sah ich beim Arbeitstisch von Werner an der Wand den Kalender mit dem Datumsschieber. Er war beim 13. Juni stehen geblieben. Nach dem Gespräch mit dem Radioonkologen Dr. Widmer, der uns ganz klar gesagt hatte, dass keine Heilung möglich sei, war die Zeit für Werner still gestanden. Auch wenn er uns das Gegenteil weismachen wollte.