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Die Hoffnung stirbt am letzten Tag

Diagnose Hirntumor

Kapitel 19: Alltag
Mitte Juni

Wenn meine Schwester immer noch an eine Heilung glaubte, so beobachtete sie doch auch mit Besorgnis, wie sich der Zustand von Werner verschlechterte. Das fiel ihr zum Beispiel auf, als wir am Buffet unserer Gemeinschaftsküche standen und Werner sein Essen mit zittriger Hand schöpfte, so dass ein Teil vom Schöpflöffel runterfiel.  Sie schaute mit entsetztem Blick zu mir und ich wusste, was sie dachte.

Seit einigen Tagen blieb die Post auf dem Arbeitstisch von Werner ungeöffnet liegen. Ich nahm an, dass er nicht mehr wirklich fähig war, seine Post zu lesen oder zu verarbeiten. Ausserdem könnte es auch daran liegen, dass er sich nicht mehr darauf konzentrieren konnte oder auch das Interesse fehlte.

Er schaltete nun auch den Computer nicht mehr an.

Mit dem Duschen hatten wir vorübergehend eine Lösung gefunden, wie das folgende Skype-Gespräch mit meiner Schwester aufzeigt:

-      wie ist es heute Abend mit dem Duschen von Werner gegangen?
-      Gut, wir haben aber den Duschstuhl vor der Dusche hingestellt, weil er seine Beine nicht abtrocknen konnte,         das fand er dann hilfreich.
-      ah sehr gute Idee o und musstest du ihm viel helfen oder konnte er sich selber ab- und wieder anziehen?
-      Wenn er es im Zimmer auf dem Bett sitzend macht, kann er es alleine, er brauchte nur meine Hilfe, als er             vom Duschstuhl wieder aufstehen wollte
-      da fehlt ihm dann doch irgendwo ein Griff an der Wand, aber er wollte ja nicht, oder?
-      Er würde auch ein Sitz in der Dusche wollen, aber er glaubt nicht, dass man das hinkriegt, es ist zu                         kompliziert


An einem Abend schalteten wir alles Licht aus und öffneten das Fenster, weil draussen ein Gewitter tobte. Wir hörten dem Regen zu und beobachteten die Blitze. Danach meinte Werner, das wäre ein schöner Abschluss des Tages gewesen.

Ich wollte mir solche schönen Momente einprägen, damit die negativen in der Erinnerung nicht überwiegten.