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Die Hoffnung stirbt am letzten Tag

Diagnose Hirntumor

Kapitel 51: Gespräch über die Zukunft
2. August

Immer, wenn ich ihn nachts lauter atmen hörte, ging ich zu ihm runter, um zu schauen, ob er etwas brauchte.

In dieser Nacht sprach er über das Sterben.

„Ich sterbe, schau mich noch an, wenn du mich noch sehen willst.“

Ich antwortete: „So schnell stirbst du nicht.“

Er lachte und sagte noch etwas, von Testament machen. Sein Testament hatte er ja schon vor 3 Monaten geschrieben.

Irgendwann am Tag versuchte ich dann, das Thema Sterben noch ernsthaft anzugehen. Ich sagte zu ihm:

„Ich mache mir etwas Sorgen um deine Zukunft. Was denkst du, wie es weiter gehen wird?“

Er schaute mich ganz erstaunt an und deutete mit dem Finger nach oben. 

„Aufwärts.“

Er meinte damit natürlich, dass sein Zustand sich verbessern würde. Aber man konnte es auch anders verstehen. Vielleicht hatte seine Seele doch gesprochen, ohne dass er es sich bewusst war.

Später erwähnte er im verwirrten Zustand, er hätte einen Blumenkelch runtergeworfen. Wahrscheinlich hatte er so etwas geträumt.

Spezielle Wünsche waren jetzt an der Tagesordnung, zum Beispiel Zitronensaft oder auch Kaffee, den er seit langem nicht mehr getrunken hatte. Das erinnerte mich an meine Mutter, die in ihren letzten Tagen auch noch besondere Wünsche hatte, wie z. B. Erdbeeren (im Herbst). Nach ein paar Tropfen, einem Teelöffel oder einem Stückchen war der Wunsch jedoch schon befriedigt.

Werner hatte nun Mühe, die Flüssigkeit im Mund zu verteilen, wenn ich ihm Rosmarintee gab, um zu spülen.

Einmal nahm er meinen Kopf zwischen seine Hände und schaute mich intensiv an, wie wenn er sich verabschieden wollte.

In den letzten Tagen hatte er öfters Schluckauf. An diesem Nachmittag wollte er nicht mehr aufhören.

Unsere Tochter kam noch, um sich zu verabschieden. Sie war übers Wochenende auf einer Gletschertour. Ich habe noch immer das Bild vor Augen, wie sie ihn beim Abschied umarmte.

Sie konnte nicht wissen, dass es das letzte Mal war.